Freitag, 20. Februar 2009

Die Mutter aller Blasen: Warum diese Krise keine normale Blase ist.

Vor gut einer Woche sah ich bei Kerner ein Interview mit den beiden Wirtschaftsprofessoren Rürup und Homburg. Beide vertraten recht gegensätzliche Ansichten zur Bewältigung der momentanen Krise.
Rürup, immerhin einflussreicher Berater der Bundesregierung, vertrat die bekannte Ansicht: Es sei eine außergewöhnliche Krise und der Staat müsse jetzt sehr viel Geld in die Hand nehmen und die Banken um fast jeden Preis zu stützen. Homburg dagegen meinte, es gebe eigentlich gar keine Krise, jedenfalls keine außergewöhnliche. Genau wie bei anderen Blasen solle man die Beteiligten pleite gehen lassen, um dann mit einem bereinigten Markt wieder gut wirtschaften zu können.

Nun, Homburg steht mit seiner Meinung leider auf recht verlorenem Posten. So werden jetzt, nicht zuletzt Dank beratender Wirtschaftsweiser wie etwa Rürup, die Staatsschulden in immer brisantere Rekordstände getrieben und gleichzeitig die Bankenaktiva hochgehalten. Das BIP kümmerts derweil wenig, wir stürzen trotzdem weiter ab. Gleichzeitig kommt der Euro mächtig unter Druck, und die Übernahme einer Euro-Land Pleite durch die BRD droht auch schon im Hintergrund. Andererseits schien aber auch Homburg nicht ganz den Kern des Problems gesehen zu haben: Denn er vermittelte mir den Eindruck, man könne diese Blase genauso aussitzen wie all die anderen Bläschen und Blasen der letzten Jahre.

Das dieses aber jetzt sicher nicht mehr der Fall ist, dass möchte ich an den folgenden Grafiken veranschaulichen. Zunächts einmal die tatsächlichen Zahlen der statistischen Bundesämter zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und der Banken Aktiva (Kredite/Derivate) und Passiva(Vermögen) gleicher Höhe.

Die Grafik zeigt die Entwicklung von 1950 bis Oktober 2008. Die obere rote Linie sind die Bankenaktiva/passiva, die untere dunkelblaue Linie das BIP. Alle Werte sind in 5-Jahresschritten geplottet, letztere 2005-2008 ist ein 3-Jahreschritt. (Das glättet die Kurven etwas und bei den Wachstumsraten führt dies zu den Summenwerten der Jahresschritte statt der Werte eines einzelnen Jahres. Inhaltlich hat es keine Bedeutung.) Die hellblaue Linie ist das Wachstum der Aktiva und die gelbe Linie ganz unten das Wachstum des BIP im jeweils gleichen Zeitraum.

Wir sehen sofort: Die Entwicklung von BIP und Aktiva laufen etwa seit den 1970er Jahren rasant auseinander. Auch ist die Wachstumsrate des BIP weit geringer als die der Aktiva.

Im zweiten Bild sehen wir den gleichen Plot, jetzt aber in logarithmischer Darstellung, Das hat den Vorteil, dass man die Entwicklung über einen weiten Zeitraum hinweg deutlicher erkennen kann. Wie wir sehen, war das Wachstum der Aktiva schon seit den 1950er Jahren höher als das BIP-Wachstum. Allerdings war lange Zeit das jährliche BIP größer als die Summe der Aktiva! Erst ab etwa 1965 begannen letztere das jährliche BIP mehr und mehr zu überholen („Break Even“). Heute (Bezug 10/2008) betragen die hinter den Aktiva stehenden Vermögen etwa das 3,3 fache des BIP. Das bedeutet, damit könnte man theoretisch das ganze jährliche BIP und sämtliche noch nicht abgeschriebenen Werte vergangener BIPs, also praktisch die ganze BRD, aufkaufen.

Was man auch sieht, ist dass sich die Aktiva etwa wie eine Exponentialfunktion entwickeln, während das BIP langfristig nur etwa linear anwächst. In obiger Grafik werden daher BIP und Aktiva mit angepassten Idealfunktionen verglichen. Besonders auffällig: Die tatsächlichen Aktiva haben ab etwa dem Jahr 2000 einen deutlichen Einbruch („Break 2000“). Zwar wachsen sie immer noch weit stärker als das BIP, bleiben aber hinter der exponentiellen Erwartung, die nach dem normalen Zinseszinsgesetz zu erwarten wäre, zurück.

Das zeigt sich auch bei der genaueren Betrachtung der Wachstumsraten. In obiger Grafik sehen wir ganz oben das nominelle Wachstum der Aktiva (hellrot in Mrd. Euro) und das nominelle Wachstum des BIP (grün in Mrd. Euro). Interessant ist der Vergleich mit den jeweils neuen Zinsforderungen, die sich allein aus den Steigerungsbeträgen der Aktiva ergeben. Diese Erreichen nämlich um das Jahr 2000 („Break 2000“) herum die gleiche Größenordnung wie das vollständige Wachstum des BIP. Hierbei wurde eine jährliche Zins von nur 7,5 % für diese Mischung aus Krediten aller Art und Derivaten angesetzt.

Was dies bedeutet ist simpel: Etwa ab der Jahrtausendgrenze übersteigen allein die Zinsforderungen aus dem Zuwachs(!) der Aktiva den gesamten noch möglichen Zuwachs aus BIP. Was dies für den Durchschnittsbürger bedeutet, hat man in den fetten Aufschwungsjahren nach 2000 gut sehen können: Der Aufschwung kam nicht mehr beim Arbeiter und Angestellten an. Und das trotz aller Verzichte und Rücknahme von Sozialleistungen. Denn ab dem Break 2000 streiten sich Vermögen und Schaffende um den Zuwachs aus dem BIP. Da die Banken aber definitiv am längeren Hebel sitzen, kam der Aufschwung nicht mehr unten an, weil er über Finanztricks aller Art abgeschöpft wurde.

Mathematisch sieht man den Effekt auch daran, dass sich die Aktiva früher praktisch unabhängig vom BIP extrem nach oben entwickelten. Seit dem Break 2000 ist die Entwicklung aber ganz deutlich aneinander gekoppelt, denn Aktiva/Passiva zanken sich mit den Schaffenden um den erwirtschafteten BIP-Zuwachs.

Letzte Grafik zeigt die allgemeine Belastung des BIP (grün) durch Zinsforderungen aus Vermögen (blau) gegen das BIP. Diese stiegen prozentual (rote Linie) von nur 4 % in 1950, auf etwa 10% in 1965 und auf zuletzt rund 33 % (bei Annahme einer durchschnittlichen Zinserwartung von 10% aus Krediten und Derivaten) in 2008 an. Dies bedeutet, dass inzwischen von jedem verdienten Euro über Steuern, Abgaben, Krediten, Derivatkosten (z.B. Massenentlassungen zur Steigerung des Aktienwertes, An- und Verkauf und Zerschlagung von Firmen etc.pp.) mehr als 30 Cent auf die Konten der Vermögenden transferiert werden.


Nun, das historisch immer wiederkehrende Problem ist, das Vermögen/Kredite bei BIP/Aktiva-Verhältnissen nicht wesentlich größer als 1 bis 2 durchaus gutes bewirken. Steigt das Verhältnis aber weiter an, was es wegen der Zinseszinsentwicklung immer tut, so erreicht man sehr bald eine Größenordnung, die das BIP zunehmend erdrückt. Der Ausweg aus diesem Szenario ist schwer zu bewältigen. Denn einzig eine grundlegende Währungs- und Vermögensreform kann das BIP/Aktiva-Verhältnis wieder auf eine vernünftige Basis zurückstellen. Alles andere läuft längerfristig entweder auf die Einrichtung eines Dauerelends und/oder auf einen Staatsbankrott zu.

Wenige Ökonomen haben das bislang ausreichend realisiert, so etwa der Ökonom Henrik Müller heute im Managermagazin. Seine vier Varianten kommen mir recht bekannt vor.

2 Kommentare:

  1. Wirklich verstehen tue ich Ihre Ausführungen nicht; begreifen aber schon: es ist der gleiche Sachverhalt den ich selbst, mehr intuitiv, in meinem "DISKURS ÜBER DIE GRAVITATION DES GELDES oder TRICKLE DOWN ECONOMY FUNKTIONIERT DOCH!" ( http://beltwild.blogspot.com/2005/10/diskurs-ber-die-gravitation-des-geldes.html ) beschrieben habe.

    Im übrigen scheinen mir freilich die Zinsen bei Ihnen mit 7,5% und 10% recht hoch angesetzt. Insbesondere bei den Derivaten dürfte außerdem wegen der Hin- und Her-Handelei ein ziemlicher Anteil der Zinsen in Form von Löhnen, Gehältern, Boni (!) und sonstigen Kosten wieder dem Konsum zugeführt werden, also in der Realwirtschaft landen.
    (Wobei dieser Teil der Realwirtschaft so unproduktiv und parasitär sein mag wie die Hofschranzen in der Feudalgesellschaft.)

    Auf jeden Fall scheint mir Ihre Perspektive aber richtig: durch den Anspruch auf Kapitalverzinsung scheint sich das Lebensblut unserer Wirtschaft dort zu akkumulieren, wo es eher weniger gebraucht wird.

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  2. Hallo Cangrande, vielen Dank für den Kommentar.

    Meine Anmerkung dazu: Zitat "...dürfte außerdem wegen der Hin- und Her-Handelei ein ziemlicher Anteil der Zinsen in Form von Löhnen, Gehältern, Boni (!) und sonstigen Kosten wieder dem Konsum zugeführt werden, also in der Realwirtschaft landen..."

    Die Antwort darauf ist jein. Natürlich schafft auch die Kreditwirtschaft einen Anteil am BIP, im stärksten Bankenland USA sind es 8%. Aber die sind ja bereits in den Daten des Statistischen Bundesamt verrechnet: In den rund 2450 Mrd. BIP ist der Anteil der Banken, ob direkt oder indirekt erwirtschaft, schon vollständig drin. Die 8100 Mrd. Aktiva (Stand 10/2008) sind also reines Netto!

    Beste Grüsse, Heribert.

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