Donnerstag, 2. April 2009

Futurologie IV: 23-F in Deutschland?


Die Immobilienkrise wurde schnell zur Finanzkrise und diese wiederum ist Ausdruck einer Systemkrise der westlichen Demokratien. Die jahrzehnte lange schuldenbasierte Politik- und Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit ist nunmehr in die lange vorhersehbare Krisenphase eingetreten. Nicht nur kleinere einzelne Staaten, wie Island oder Griechenland, sind bankrott, sondern auch die volkswirtschaftlich führenden Nationen USA, Japan und Deutschland sitzen endgültig in der Schuldenfalle.

Ein Entkommen ist faktisch unmöglich. Bei "guter" Politik rettet man sich bestenfalls in eine ökonomische Dauerkrise, bei dem demokratieüblichen Mittelmass wird das Desaster mittelfristig in die finanzielle und soziale Handlungsunfähigkeit der betroffenen Staaten münden. Letzteres führt aber unweigerlich in politisch instabile Zustände, mit noch völlig offenen Konsequenzen: von südländischer Lethargie bis hin zu gallischer Revolution oder imperialen Kriegen ist alles in nicht so ferner Zukunft denkbar.

Denn eine Beendigung der Krise ist nur durch massive Vernichtung von Vermögen und Schulden möglich. Zwar könnten die Hüter des Dollars und Euros diese Eliminierung auch kontrolliert herbeiführen, jedoch zeigt jede Erfahrung der Historie das dies nicht geschehen wird. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Besitzer der größten Vermögen auch über die effektivsten Machtmechanismen zur Durchsetzung ihrer ureigenen Interessen verfügen.

Vielmehr wird man daher solange weiterwursteln, bis sich die Dinge quasi von alleine regeln werden. Die Erfahrungen der Geschichte aber zeigen hier unmissverständlich auf, dass dieses dann außerhalb der Kontrolle der ehemals Herrschenden stattfindet, insbesondere außerhalb der Kontrolle demokratischer Institutionen.

Zu letzteren zählt natürlich auch das formale Staatsoberhaupt, das Institut des Bundespräsidenten. Dieser wird in Kürze (23. Mai 2009) wieder durch die Bundesversammlung gewählt werden. Zwar ist die Wahl formaljuristisch eine demokratische, sie kommt als solche aber nicht beim Volke an. Denn faktisch ist die Wahl durch den Parteinenproporz in Bund- und Länderkammern mit den entsandten Wahlmänner und Wahlfrauen bis ins kleinste Detail im Vorhinein abgesprochen, der Ausgang daher noch vorhersehbarer als der Ausgang der jährlichen Prinzenproklamation im Kölner Karneval. Ob sich da Gesine Schwan zum x-ten mal zur Prinzessin berufen fühlt oder sich ein süffisant kommentierender Tatortkommissar als Gegenkandidat aufstellen, egal. So geben diese zwar eine Projektionsfläche für ein Boulevardkasperletheater ab, eine ernsthafte Konkurrenz stellen sie jedoch nicht dar.

Entsprechend schwach ist seine Stellung im Volke verankert, sein maximales Flair entfaltet ein Bundespräsident daher mit seinen Weihnachts- oder Neujahrsansprachen. Die Weihnachtsmannfunktion reichte spätestens Bundespräsident Roman Herzog nicht mehr aus, so dass dieser mit seiner „Ruck-Rede“ 1997 die so genannte Berliner Rede einführte. Traditionell werden nunmehr mit der ersten Frühlingssonne die deutschen Befindlichkeiten zurecht gerückt. Die Titel dieser Reden schreiben seitdem Geschichte, etwa 1997 Herzog mit «Aufbruch ins 21. Jahrhundert» und der Formulierung „durch Deutschland muss ein Ruck gehen“. Es folgten dann erst wieder, und ganz fleißig, die beiden Präsidenten Johannes Rau und Horst Köhler.

Rau titelte mit «Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben» im Jahr 2000, «Wird alles gut? Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß» in 2001, «Chance, nicht Schicksal - die Globalisierung politisch gestalten» 2002, «Gemeinsam handeln - Deutschlands Verantwortung in der Welt» 2003, und «Vertrauen in Deutschland - eine Ermutigung» in 2004. Dicht gefolgt von weitsichtigen Ermutigungen seines Nachfolgers Köhler, der als ehemaliger Banker, und zuweilen als „Sparkassendirektor“ verspottet, mittelbar Beteiligter der Misere ist und außerdem erster Amtsinhaber ohne vorheriges bedeutendes politisches Amt. Dieser titelte 2006 «Bildung für alle», 2007 «Das Streben der Menschheit nach Glück verändert die Welt», 2008 «Arbeit, Bildung, Integration » und endlich 2009 «Die Glaubwürdigkeit der Freiheit », in der ihm erstmalig die Finanzkrise auffiel.

Bei dieser Legitimationsproblematik, in Verbindung mit solch ruckartigen Erkenntnissen im Nachhinein, fragt man sich wie das Staatsoberhaupt dann mit der noch anstehenden politischen Krise fertig werden möchte. Denn das Wohl und Wehe der Demokratie steht und fällt mit der Fähigkeit, der Mehrheit der Bevölkerung Sicherheit, Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern. Diese Fähigkeiten sind aber aktuell schon stark angekratzt und es ist zu befürchten, dass sie in den nächsten Jahren erheblich weiter erodieren werden. Längst lauern linke, rechte und braune Veteranen auf ihre Chancen zum Einsatz.


Eine neuerliche Variante stellt nun die Renaissance der Monarchie dar. Am 31. März sendete der WDR das Hörspiel „Der Demokratie die Krone aufsetzen“: Es ist etwas faul im Staate: 66% der Deutschen empfinden die derzeitige Lage als nicht gerecht, 74% sind unzufrieden mit der Arbeit der Regierung, und 51% sind der Meinung, dass Demokratie nicht das beste politische System für Deutschland ist. Unsere Demokratie, so scheint es, ist ein Auslaufmodell.
Was aber ist besser? Rudolph Ferdinand Prinz von Preußen kennt die Antwort, und er will Deutschland heilen: mit der Einführung einer konstitutionellen Monarchie. Eine Journalistin begleitet den Adeligen 14 Tage durch unser Land und muss feststellen, dass dem Prinzen die Herzen der Deutschen zufliegen.


Was einem auf den ersten Hörsturz hin als verfrühter Aprilscherz vorkommen mag, entbehrt aber nicht eines gewissen Charmes. „....Für die Sicherung der Nachfolge des spanischen Diktators Francisco Franco war bereits 1947 die Wiedereinführung der Monarchie vorgesehen worden. König Juan Carlos’ Rolle gilt als wesentlich für die in den Folgejahren stattfindende Demokratisierung Spaniens. ... Am 23. Februar 1981 versuchten Angehörige der Armee unter General Milans del Bosch einen Militärputsch. Tejero stürmte dabei das Parlament, wo Leopoldo Calvo-Sotelo gerade zum Regierungschef gewählt werden sollte. Mit dem entschlossenen Auftreten des Königs als Oberbefehlshaber der Armee, der sich im Rahmen einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache eindeutig für die Demokratie aussprach und das Militär auf seine Seite zog, konnte der Staatsstreich noch in der Nacht vereitelt werden. Dieses Datum wird von den Spaniern als der „23-F“ bezeichnet....(Q:Wikipedia)“.


Man fragt sich unwillkürlich, welche Folgen an so einem Tag die Rede eines Bundespräsidenten hinterlassen hätte. Natürlich ist die Wahl bzw. Thronfolge eines Monarchen vom Volke genauso wenig zu beeinflussen, jedoch ist der Monarch eine durch Tradition und Selbstbewusstsein der Bevölkerung getragene Identifikationsfigur, deren Worte ein weit höheres Gewicht haben als die einer weiteren Person, von vielen, des demokratischen Parlamentarismus. Denn der Monarch vertritt als „Blutadel“ per Definition das ganze Volk von links bis rechts, weder Militär noch Arbeiter, noch gar der König selbst, kann sich dieser Fiktion so leicht entziehen.

Als aufgeklärter Mensch mag ich mich fragen, ob ein mit dem Regenschirm Journalisten verprügelnder Welfenprinz, oder ein Prince of Wales, der durchs abgehörte Handy seiner außerehelichen Geliebten zu haucht „ich möchte dein Tampon sein“, ein so prickelnder Ersatz für einen Bundespräsidenten sein sollte, blaues Blut hin oder rotes Blut her.


Trotzdem, wäre ich vor die Wahl gestellt, Rot, Braun, Tot oder Monarch? Ich würde letzteren wählen. Denn ob Juan in Spanien oder Charlie in Britannien, die Erfahrungen mit den europäischen Königshäusern sind gar nicht so schlecht im Vergleich zu den Skandalen der Parlamentarier zwischen Rom und London, Brüssel und Berlin.

So lassen wir zum Abschluss Franz Joseph I. von Österreich (1910) sprechen: „Ich bin der letzte Monarch der alten Schule. Meine Aufgabe als Kaiser ist es, meine Völker vor ihren gewählten Politikern zu schützen.“ Das er das am Ende (1914) doch nicht konnte, sollte das Ende der alten Weltordnung bedeuten und Europa in einen weiteren dreissigjährigen Krieg stürzen.

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