Donnerstag, 30. April 2009

Von Hütchen- und Pokerspielern


Sieben bis acht Euro fordert Finanzmagnat J.C. Flowers für seine Hypo-Real-Estate-Aktien, Steinbrück bietet weiter 1,39 Euro schreibt der Spiegel. „Der US-Großaktionär betrachtet - ebenso wie der Großteil der übrigen Aktionäre - die Offerte der Bundesregierung für die Aktien der Hypo Real Estate als zu niedrig - und lehnt sie ab. Er sei davon überzeugt, dass die Aktien mehr wert seien als die 1,39 Euro, die der Bund den Aktionären bietet. Sieben bis acht Euro pro Aktie will er haben.“

Pokerface Flowers weiß, wovon er redet. Klar, seine Aktien waren schon lange nichts mehr wert, bis Steinbrück den Fehler machte, über 100 Mrd. Euro Steuergelder in die Bruchbude zu versenken. Die will, und muss, der Finanzminister jetzt sichern. Auch wenn der Preis dafür am Ende noch viel höher wird, denn mit der angestrebten Übernahme wird das Fass erst so richtig aufgemacht.

Diese peinliche Zwangslage wird Flowers nun genüsslich auszunutzen wissen. „....Die Vorstellung von Flowers, er könne mit Preisen und Angeboten rechnen, die über das Angebot der Regierung hinausgehen, sei "schlicht ein Irrtum". Dass er das Angebot nicht annehme, sei "schade für ihn, nicht für mich". Flowers unterliege einer "völligen Fehleinschätzung"

Das wird sich noch herausstellen müssen. Zunächst mal erwägt er ein Klage gegen das HRE-Gesetz. Zwar sagte Steinbrück dazu lapidar „Dann soll er doch klagen“, aber die Chancen von Flowers sind gar nicht schlecht. Denn das Enteignungsgesetz ist mit der heißen Nadel auf Kante genäht: Es ist offensichtlich ein Gesetzt zum Nachteil eines Einzelnen, nämlich der HRE, und dass ist nicht erlaubt. Es hätte viel allgemeiner gefasst werden müssen, wofür es aber keine parlamentarische Mehrheit gegeben hätte. Diese politischen Halbheiten rächen sich jetzt.

Denn vor dem höchsten Gericht könnte er durchaus Recht bekommen, schaunmermal, sagt sich Flowers da. Und da schaut dann auch Herr Steinbrück. Falls der nämlich befürchten muss, mit dem HRE-Edikt wirklich Publikums- und Wahlwirksam auf den Rücken zu fallen, wird er schon etwas Verhandlungs bereiter werden, was den Preis angeht.

„Flowers und ihm verbundene Investoren hielten zuletzt rund 22 Prozent der Aktien an der HRE. Nur ein kleiner Teil der Anleger, mit weniger als einem Prozent der Papiere, würden das Angebot annehmen, hieß es. ... "Als längerfristig orientierte Investoren wollen wir das Unternehmen auf dem Weg in die Zukunft begleiten", teilte Flowers mit.“

Verlogen, aber wirksam. Auch die Kleinanleger spekulieren längst auf einen Erfolg von Flowers, und wollen ihre Profitchance nicht durch einen vorzeitigen Ausstieg riskieren.

„Im Gespräch mit manager-magazin.de kündigt der US-Investor nun bereits an, den Staat verklagen zu wollen. "Dann muss es eben so sein", so Flowers kampfeslustig.“ Schreibt dazu das Manager-Magazin. „mm.de: Ohne Staatshilfe wäre die HRE doch längst insolvent, warum meinen Sie, dass sich der Prozess lohnen könnte? Flowers: Das gilt auch für viele andere private und öffentliche Banken auf der ganzen Welt. So sieht es nun einmal aus. Und dort lässt man auch trotz öffentlicher Rettungsgelder die Altaktionäre an Bord. Und genauso wollen auch wir behandelt werden.“

Aha, da ja die anderen Banker auf Kosten von Ottonormalverbraucher saniert werden, dann muss das auch für Flowers gelten. Verständlich für den armen Mann.

Die reale Wirtschaft hat es da schon schwieriger überzeugend zu wirken. Chrysler hat nun in USA als Erster, aber sicher nicht Letzter, großer Autohersteller Insolvenz angemeldet:
„Der Knackpunkt war nach Informationen von US-Medien letztlich die Weigerung einiger Gläubiger, ihre Forderungen zu verringern. Laut "Wall Street Journal" hatten Vertreter des US-Finanzministeriums bis zum späten Abend mit den Gläubigern gerungen. Dabei habe der Staat sein Angebot um eine Viertelmilliarde Dollar auf 2,25 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) aufgestockt. Im Gegenzug sollten die Gläubiger auf 6,9 Milliarden Dollar Forderungen verzichten. Die großen Gläubiger waren nach Medieninformationen zu dem Deal bereit. Er sei aber am Widerstand vor allem der Hedgefonds gescheitert.“

Nun ja, die so hilfreichen Hedgefonds, die man vor kurzem auch noch in der BRD als kapitalistisches Wundermittel zur unbegrenzten Wohlstandssteigerung ansah. Die sind auf das Abwracken und Versilbern von Unternehmen spezialisiert. Die versprechen sich als Insolvenzspezialisten natürlich davon mehr, als von einem freiwilligen Verzicht zugunsten der arbeitenden US-Bevölkerung.

Und wie sieht es in Deutschland aus? Nach Opel sind auch Daimler und Porsche in Turbulenzen geraten. Die letzteren Beiden aber ohne US-Hilfe, das haben diese bundesdeutschen Vorzeigekonzerne auch alleine hingekriegt. Daimler insbesondere durch größenwahnsinnige Investitionen in Mitsubishi, Chrysler und gar in Flugzeug- und Raumfahrtkonzerne; und auch die Firma Porsche, die zuletzt zu einer Bank mit einer kleinen Autoabteilung verkommen ist. So machte Porsche in 2008 rund 1,2 Mrd. Euro Umsatz mit dem Verkauf ihrer Edelflitzer, aber gut 6 Milliarden Umsatz mit ihren Investmentgeschäften.

Die Zeche zahlen nun die Beschäftigten, wo z.B. Daimler kurzfristig sämtliche Löhne kürzte, um zu garantieren, dass die Aktienbesitzer weiterhin die Füße still halten. An Porsche sieht man exemplarisch die Auswirkungen eines BIP/Aktiva-Verhältnisses von 1:5; damit die dicke 5 nicht leidet, muss die kleine 1 bluten. Ganz wie im richtigen Leben.

„In der Krise schwinden die Einkommen der Deutschen. Trotzdem will die große Koalition mehr Geld verteilen.“ Schreibt dazu der Focus in seinem Artikel „Die leeren Versprechen politischer Hütchenspieler“

Der Wahlkampf hat längst begonnen, und damit auch die allgemeine Berieselung mit echten und falschen Zahlen. Echtes Geld wird mit dem Hubschrauber nach oben, falsches mit unhaltbaren Versprechungen nach unten befördert. „....Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben deshalb für dieses Jahr einen wahrscheinlichen Rückgang der Bruttolöhne und Gehälter um insgesamt 2,3 Prozent errechnet. Bezahlt wird das Gutachten der Wirtschaftsforscher aus dem Etat der Bundesregierung. Die will von dieser Zahl aber nichts wissen. Aus gutem Grund: Denn wenn die Arbeitnehmer weniger verdienen, müssten nach der geltenden Rentenformel auch die Altersbezüge der Rentner leicht sinken.“

Stattdessen hat man sie erstmal erhöht, schließlich ist Wahl, und wer will schon auf diese schönen Wahlzettel verzichten. Die Rechung kommt wie immer natürlich später an, wobei der Adressat wieder derselbe ist: Das aktuelle BIP und der liebe Steuerzahler. “Das sind wirklich unangenehme Wahrheiten – noch dazu im Wahljahr. Deshalb erklären Sozialminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nun, die Löhne und Gehälter würden in diesem Jahr steigen. Und selbst wenn sie es nicht tun, schwört Scholz mit Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sorge die Regierung zumindest für gleich bleibende Renten. ....“

Nun werden Renten natürlich auch immer vom aktuellen BIP bezahlt, die Rücklagen der Rentenkassen sind praktisch Null, was zur Vordertür rein kommt wird sofort zur Hintertür heraus gekarrt. Von Zinsgewinnen, wie bei Aktionären selbstverständlich, können die Renteneinzahler nur träumen.

So schreibt der Focus: “....Dann werden Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) oder sein Nachfolger dafür die Steuern erhöhen – natürlich nach der Wahl. Das sagt im Moment allerdings kein Politiker. Stattdessen stellt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla trotz der Krise sogar Rentenerhöhungen in Aussicht. Führende Köpfe der großen Koalition agieren damit wie Hütchenspieler, die ihr ahnungsloses Publikum an den eingesetzten Geldschein glauben lassen, den sie in Wirklichkeit längst schon doppelt und dreifach kassiert haben.“

Auch die andere große Sozialkasse kriegt die Schlagseite des BIP zu spüren, schreibt der Spiegel:
„Die Wirtschaftskrise reißt ein riesiges Loch in die Haushalte der gesetzlichen Krankenkassen (GKV): In diesem Jahr brauchen die Kassen weitere Steuermittel in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. ....Der Fehlbetrag, der durch einen Rückgang bei den Beitragseinnahmen entsteht, muss nun durch Steuermittel ausgeglichen werden.“

Auf der windabgewandten Seite tut man sich naturgemäß leichter: „Die Rezession tut Aktionären nur bedingt weh: Mitten in der Krise schütten die größten deutschen Konzerne Dividenden in Milliardenhöhe aus. Selbst Unternehmen, die ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken, zahlen gigantische Beträge - Gewerkschaften und SPD sind empört.“

Das gleiche Blatt schreibt: „...So zahlen die Dax-Konzerne auch in diesem Jahr wieder üppige Gewinne an ihre Aktionäre: Aktienbesitzer können sich über einen Geldregen von mehr als 22 Milliarden Euro freuen - allein bei den 30 größten börsennotierten Konzernen. Zwar sind die Gewinne im zurückliegenden Jahr um 40 Prozent gesunken, doch die Dividenden liegen nur 20 Prozent unter dem Rekordniveau des Vorjahres. Bei einigen Unternehmen sind die Dividenden sogar gestiegen - Krise hin oder her. ... So beschloss der Autokonzern Daimler auf seiner Hauptversammlung Anfang April eine Dividende von mehr als einer halben Milliarde Euro. Bei den Beschäftigten setzt das Unternehmen wegen der miserablen Zahlen im ersten Quartal 2009 allerdings den Rotstift an: Rund 60.000 Daimler-Leute müssen weniger arbeiten - ohne Lohnausgleich.“

Na denn, einen frohen 1. Mai 2009. Ach, was war denn eigentlich der Anlass für diesen Feiertag morgen? Ach egal, hab ich vergessen. Prost.

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