Dienstag, 26. Mai 2009

panem et circenses I: Wer bezahlt den Staat?


Wenn wir in diesem Jahr mehr als einmal zur Urne gerufen werde, dann sollte man vielleicht wissen, was unsere Parteien so vor haben. Dazu gibt es schließlich Wahlprogramme. Dank Internet sollten die eigentlich leicht zu finden sein. Ich habe gestern einmal nachgeforscht, das Ergebnis ist nicht wirklich beruhigend. Vielleicht liegt es daran dass man, nicht zu Unrecht, davon ausgeht, dass sie sowieso niemand lesen möchte. Zudem scheint man sich noch völlig im Unklaren über die tatsächliche Situation zu sein, die Programme lesen sich wie Wunschlisten an den Weihnachtsmann: Friede, Freude und Lebkuchen für alle inklusive.

Durchweg und ohne Ausnahme scheinen konkrete Zahlen der natürliche Feind der Politik zu sein, keine der Parteien verschleudert Energie und Zeit mit Mathematik. Obwohl der Staat jährlich Millionen für seine statistischen Bundes- und Landesämter ausgibt, wo doch die ernüchternden Zahlen leicht zu eruieren wären. Denn diese unangenehmen Ziffern lassen keinen Spielraum für Wolkenkuckucksheime.

Holen wir die Hausaufgaben also nach, und schauen mal beim Statistischen Bundesamt: Wer zahlt also welche Steuern? Die größten Brocken sind die Mehrwertssteuer, direkt gefolgt von der fast gleich ergiebigen Lohnsteuer. Alles andere folgt weit abgeschlagen auf den Rängen. Für das aktuelle gesamtwirtschaftliche Problem ist es wenig erheblich, welche Einkommensgruppen dafür gerade stehen, sondern erst einmal die Frage, was kommt aus den rund 2400 Mrd. BIP, und was aus den rund 8000 Mrd. Vermögen?

Das Ergebnis ist wenig überraschend: 97,2 % steuert das BIP, lächerliche 2,8 % (rund 15 Mrd. Euro) die Vermögen bzw. Vermögensgewinne und Erbschaften bei. Rechnet man noch dazu, das Steuern noch lange nicht alles in der Finanzierung des Sozialstaates sind, es kommen nämlich noch die Kranken- und Pflegeversicherungen (gesetzlich und privat) und auch die Renten- und Pensionenbeiträge usw. mit jeweils weiteren rund 500 Mrd., dann ist der tatsächliche Anteil der Vermögen an den Kosten des Sozialstaates rund 1%. Selbst wenn wir nur die jährlichen Zinsgewinne (ca. 600-800 Mrd.), die letztlich alle aus dem BIP kommen, heranziehen, dann liegt deren tatsächliche Versteuerung bei rund 2%. Ein lächerlicher Betrag, denn die angeblichen 25% der Abgeltungssteuer, die sowieso viel zu niedrig gegen die aktuell maximal 42% für Lohnabgaben sind, werden in der Praxis nicht mal im Entferntesten erreicht. Der Grund ist weniger Steuerflucht und Steuerhinterziehung, sondern schlicht der Umstand, dass die meisten Gewinne aus Finanzprodukten ganz legal steuerfrei sind.

Nichts desto trotz verdanken wir es der fleißigen Lobbyarbeit der Finanzjongleure, dass nicht mal bei den einschlägigen Parteien eine ernsthafte Diskussion über die auch nur halbwegs gleichberechtigte Finanzierung des Staates von der Vermögensseite her aufkommt. Denn bedenken wir noch, dass die exponentiell angestiegenen Vermögenswerte bereits rund das 3,5 fache des BIP erreicht haben, so liegt deren relativer Anteil an der Finanzierung unseres Staates bei absolut vernachlässigbaren 0,3%. Gleichwohl ziehen sie mit ihren Zinsforderungen, erfolgsbedingt, rund 800 Mrd. Euro auf direktem oder indirekten Wege aus dem Bruttoinlandsprodukt ab, also rund 30% des Zugewinns der Realwirtschaft.

Statt auf Vermögen fokussiert sich die Diskussion auf die Besteuerung hoher Einkommen, als wenn dass das Problem lösen würde. Denn diese Einkommen gehören genauso wie die Mindereinkommen zum BIP, und zahlen sogar den Löwenanteil der Einkommenssteuer: „...Bei der Einkommensteuer sind das derzeit rund 180 Milliarden Euro jährlich. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) trägt das oberste eine Prozent der Steuerpflichtigen – zweifellos wirkliche Spitzenverdiener – mehr als 20 Prozent zum Steueraufkommen bei. Von den oberen fünf Prozent der Steuerpflichtigen stammen laut Bundesfinanzministerium (BMF) 40 Prozent der Einkommensteuern. Und die Gering- und Durchschnittsverdiener? Von den unteren 50 Prozent der Steuerpflichtigen kommen lediglich 6,2 Prozent, von den unteren 20 Prozent gar nur 0,3 Prozent des Steueraufkommens...“ schreibt dazu der Focus.

Aber es sind nicht nur die Steuern: „..Denn die OECD-Zahlen fassen Steuern und Sozialabgaben – etwa für Renten- und Krankenversicherung – zusammen. .....Den Spitzenwert erreichen Singles mit einem Einkommen von 63 000 Euro jährlich: Ihre Abzüge liegen bei satten 53,7 Prozent. Ab dann sinkt die Belastung wieder leicht: Für Alleinstehende mit einem Jahresbrutto von 110 000 Euro liegt sie laut OECD bei 50 Prozent...“ Es handelt sich hier um den so genannten Mittelstandsbauch, die gut verdienende bürgerliche Mitte ist der Zahlmeister der Nation.

Da ist nun wirklich nicht mehr viel zu holen. Man kann zwar noch das eine oder andere Prozentchen herauskitzeln, aber es löst das eigentliche Problem, den Zinsdruck der Aktiva, in keiner Weise. „...Und die riesigen Steuerausfälle, auf die sich die Bundesrepublik laut Arbeitskreis Steuerschätzung [minus 316 Mrd. Euro] einstellen muss? ... Müssen da nicht die Wohlhabenden im Lande stärker zur Kasse gebeten werden? ... Wer das Rezept gegen die finanzielle Schieflage im Schröpfen der Reichen sieht, hat auf Sand gebaut. Schon die Schätzungen vor Einführung der heute geltenden Reichensteuer gingen von Mehreinnahmen von maximal 1,3 Milliarden Euro aus. ...“ Zudem haben alle Parteien ein mehr oder weniger buntes Geschenkpaket geschnürt, das solche Einnahmen mehr als auffrisst.

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