Dienstag, 26. Mai 2009

panem et circenses II: Was wollen die Parteien?


Schauen wir also in die Wahlprogramme, von rechts nach links, um zu sehen, was uns als Lösung der Systemkrise angeboten werden soll:

Beginnen wir mit der Homepage der NPD. Wie zu erwarten findet man dort nicht viel konkretes, stattdessen nur das völkische Weltbild der Partei auf zwei sehr überschaubaren Webseiten: “...Beide Systeme [Kapitalismus, Kommunismus] sind in ihrem Absolutheitsanspruch imperialistisch und führen einen permanenten Kampf um die Ausbreitung ihrer Macht. .....Für beide Systeme ist die Voraussetzung für ihren Erfolg die Umwandlung der jeweiligen Volksgemeinschaften, entweder in eine pluralistische oder in eine sogenannte klassenlose Gesellschaft .... Die Alternative heißt: Raumorientierte Volkswirtschaft....“. Naja, das hilft jetzt bestimmt weiter.

Die FDP bietet eine immerhin 77 seitige Wunschliste an. Der besondere Charme des FDP-Programms ist, dass es praktisch für sämtliche Bereiche der Volkswirtschaft nette Vergünstigungen verspricht. Eine konkrete Berechnung, wie das finanzierbar sei, enthält es genauso wie allen anderen Programme auch. Traditionell steht hier die Mittelstandsförderung, Stärkung der Eigenverantwortung (sprich Abbau von Sozialleistungen), ein vereinfachtes Steuersystem und Familienförderung im Vordergrund, weiter Privatisierung und eine Kapitalbildung soll das Umlagesystem bei Renten und Pflegeversicherung heilen. Nicht anders als bei den andern Parteien auch, nur die Details unterscheiden sich etwas. Bei allen Geschenken soll die Haushaltskonsolidierung mit einem Neuverschuldungsverbot erfolgen. Wie das funktionieren soll bleibt ein Rätsel, zumal die Kapitalbildung statt Umlageversicherung den Aktiva/Passivaüberhang noch weiter verschlimmern würde.

Die CDU scheint noch kein Wahlprogramm zu haben, lediglich das völlig veraltete Grundsatzprogramm von 2007 findet sich hier. Das übliche perpetuum mobile wird darin erklärt: „...soll die Umlagefinanzierung stufenweise durch Einführung von solidarischen Prämienelementen ergänzt und baldmöglichst durch ein kapitalgedecktes solidarisches Prämienmodell ersetzt werden...“ wie bei der FDP auch. Hätte man das aber so in den letzten 60 Jahren schon gemacht, dann lägen heute nicht 8000 Mrd. sondern 20000 Mrd. Aktiva bei den Kreditinstituten, und das System wäre schön vor 20 Jahren zusammengebrochen. Immerhin hat man realisiert, dass da irgendwo ein Problem sein könnte:„...Wir wissen, dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen und unser Ziel, Arbeit für alle zu schaffen, einander bedingen. Wir werden deshalb das Gefüge der Staatseinnahmen so erneuern, dass der Faktor Arbeit entlastet wird...“.

Sucht man auf der CSU Seite nach dem Wahlprogramm, so erscheint erstaunlicherweise als Suchergebnis Nr. 1 dasjenige der SPD, auf dem man genüsslich rumhackt. Ein eigenes hat man noch nicht, dafür aber einen gemeinsamer Wahlaufruf mit der CDU. Die zentrale Wirtschaftsaussage „..Für einen stabilen Euro: Eine stabile Währung ist Voraussetzung für eine starke Wirtschaft und stabile politische Verhältnisse. ....Wir werden diese Grundlagen für Stabilität und Wachstum gegen sozialistische Aufweichungsversuche verteidigen. Wir stehen für ein Europa der Haushaltsdisziplin und der Beitragsgerechtigkeit...“ stellt die aktuellen Realitäten auf den Kopf.


Die SPD wagt sich immerhin ein wenig ins Geschützfeuer. Kanzlerkandidat Steinmeier fordert neue Regeln für den Finanzmarkt als Ausweg: „..Die Jagd nach immer höheren Renditen, die Kurzfristorientierung in Teilen der Wirtschaft, die Maßlosigkeit bei der persönlichen Vergütung ist lange Jahre als normal erklärt worden. Der Gier sollten keine Grenzen gesetzt werden. Der Marktradikalismus hat dieses Unwesen zur Grundbedingung des Wirtschaftens erklärt. ....Märkte brauchen Regeln und eine politische, kulturelle und soziale Einbettung. Wenn dies verloren geht, gibt es schwere Verwerfungen: Pleiten, Arbeitslosigkeit, Armut und Angst. ....“. Diese Erkenntnis ist zwar so richtig, wie die Forderung nach einem einfachen Steuersystem, das von allen Volksparteien gefordert wird, aber wie die Rechnung bezahlen: “... In einer konjunkturellen Ausnahmesituation muss der Staat entschieden und gezielt mit einer antizyklischen Finanzpolitik, also mit zusätzlichen staatlichen Ausgaben über eine begrenzte Zeit, gegensteuern. ... Wir stehen dafür, dass die Schulden, die jetzt für die Konjunkturstabilisierung notwendig sind, in guten Zeiten wieder konsequent zurückgefahren werden. ....“ Zurück zahlen der Schulden? Ein Narr, wer nicht darüber lacht. Bildung soll der Clou sein: “... Um dieses Ziel erreichen zu können, schlagen wir einen Zuschlag als „Bildungssoli“ bei der Besteuerung höchster Einkommen vor. Dabei wird der Spitzensteuersatz auf 47 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 125.000 Euro (Verheiratete 250.000 Euro) angehoben. Zur Eindämmung kurzfristiger Spekulationen wollen wir eine Börsenumsatzsteuer nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer...“. Nunja, Peanuts, allein die Börsenumsatzsteuer würde wenigstens etwas am Kern des Problems kratzen.

Die Webseite der Grünen ist ziemlich ruckelig, da hat wohl einer selbst gebastelt. Dafür findet sich auf der ersten Seite der Hinweis auf das Wahlprogramm. Klickt man weiter, dann findet man sagenhafte 1200 Änderungsanträge für den Entwurf des Programms. Wenn das mal keine Diskussionskultur ist. Dementsprechend superschwammig das Wahlprogramm nur in der Entwurfsfassung, dass es wie bei der FDP auf stolze 76 Seiten bringt. Im wesentlichen soll die Lösung der Wirtschaftsmisere in einem „Grünen New-Deal“ liegen:“... Im grünen Neuen Gesellschaftsvertrag verbinden sich Klima, Gerechtigkeit und Freiheit....“ Klingt toll, was es aber konkret bedeutet bleibt völlig schleierhaft. „Wir wollen eine Einführung einer Finanzumsatzsteuer...Steuerliche Privilegien für Finanzprodukte lehnen wir dabei ab. ..... ....eine zeitlich befristete Vermögensabgabe einzuführen, mit der zweckgebunden die Kosten zur Bewältigung der Krise getilgt werden sollen..... Darum wollen wir den Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer anheben und das Erbschaftssteueraufkommen deutlich erhöhen. ...Größere Vermögen sollen künftig verstärkt zum Erbschaftsteueraufkommen beitragen, kleine Vermögen werden durch Freibeträge verschont.....Grüne Politik will Kapitaleinkommen genauso zur Finanzierung der Gemeinwesens heranziehen wie Lohneinkommen...“ Immerhin, eine Beteiligung der Finanzindustrie ist im Plan, ohne jedoch konkrete Berechnungen anzustellen.

Last, but not least, die Linke. Auch hier ist das Wahlprogramm noch in der Mache, die Sektion Sachsen vermerkt dazu: "Unser Wahlprogramm darf kein 'Wünsch-Dir-was-Katalog' werden, wir müssen auch sagen, was das kostet und wie es finanzierbar ist", was mich jetzt mal gespannt darauf warten lässt. Ein Wahlprogramm mit konkreten Zahlen drin wäre jedenfalls was ganz neues. Weiter findet sich ein Dokument zu programmatischen Eckpunkten: “...Konzerne und andere profitable Unternehmen müssen wieder deutlich mehr Steuern zahlen. Es soll wieder eine Vermögenssteuer erhoben werden, die Erbschaftssteuer auf große Erbschaften ist zu erhöhen. Steuerschlupflöcher, die insbesondere Vermögende und Großverdiener begünstigen, sind konsequent zu schließen, und Wirtschaftskriminalität ist entschiedener zu bekämpfen. Veräußerungsgewinne beim Verkauf von Wertpapieren und Immobilien wollen wir ohne Spekulationsfristen besteuern. Der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer soll auf mindestens 50 Prozent angehoben werden...... dies verlangt unter anderem Beschränkung der Wertpapier und Devisenspekulation, europäische Regelungen für die Eindämmung von Kapitaltransfers in Steueroasen sowie eine Verschärfung der Kartellgesetzgebung...“.

Soweit also die vorläufigen Programme der Parteien zur Bundestagswahl. Den schönsten „Wünsch-Dir-Was“-Katalog hat zweifellos die FDP vorgelegt, CDU/CSU/SPD unterscheiden sich bis auf Marginalien nicht wirklich, wobei einzig die SPD immerhin eine symbolische Beteiligung der Finanzjongleure ins Auge fasst. Lediglich Grüne und Linke wollen da etwas mehr wagen, aber bei beiden glaubt man sich auch noch beim Mittelstandsbauch und Betrieben bedienen zu müssen, was letztlich nur kontraproduktiv ist. Die NPD kann man bislang kaum ernst nehmen, sie zerfleischt sich ja mit Inkompetenz und Korruption innerlich selbst. Aber das muss nicht immer so bleiben, ein halbwegs charismatischer Österreichimport alla des kürzlich verstorbenen Jörg Haiders, und schon geht die völkische Sause los. Aber bei allen Parteien gilt zur Zeit: Von volkswirtschaftlich durchgerechneten Modellen ist weit und breit keine Spur.

Man erkennt aber prinzipielle Strategien, die alle in unterschiedlichen Varianten von links bis rechts verfolgt werden, und die Krise beenden sollen:

(1.) Steuererleichterungen/Geschenke in der Masse
(2.) Abbau von Sozialleistungen/ Umbau Umlagesystem auf Kapitaldeckung
(3.) Besteuerung von Hochverdienern
(4.) Besteuerung von Vermögenswerten
(5.) Mehr Kontrolle der Finanzindustrie und der Steuerhinterziehung

Nun, alle diese Strategien haben eins gemeinsam: Sie können kein Ende der Systemkrise bringen, da sie nur an den Symptomen herumdoktern. Warum dass so ist, erläutere ich im Teil III.

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