Freitag, 22. Mai 2009

Präsidentenwahl 2009: Der 60. Geburtstag oder Dinner for One


So wie uns jedes Jahr an Silvester Miss Sophie mit Ihrem Dinner for One erfreut, so sollen wir uns morgen an der Wiederwahl von Horst Köhler gegen Gesine Schwan, in Einheit mit dem 60. Jahrestag der Gründung der BRD, ergötzen: „The same procedure as last year, Miss Gesine?" fragt da der Horst, und Gesine wird antworten: „The same procedure as every year, Horst“. Aufgrund der Parteienräson und des im Vorfeld gesicherten Wahlverhaltens werden wir im Gegensatz zur Silvesterversion vermutlich nicht „I think I'll retire“ von Gesine hören, aber sicher von Horst: „Well, I'll do my very best“.

Die Bundesversammlung dürfte auch in1000 Jahren nicht den Mut aufbringen, in so harten Zeiten wie jetzt einmal ein Machtwort zu sprechen. Sie wird nicht entgegen dem vorgesehenen Abstimmverhalten und gegen einen der Mitkonstrukteure der Systemkrise stimmen. Die Kandidatin Gesine Schwan wird nicht nur deswegen nicht gewählt werden, weil Sie entgegen dem Mainstream klare Worte sagte, sie wird vorallen Dingen nicht gewählt, weil ihre Wahl die aktuelle Machtbalance ins Wanken bringen könnte.

Im Hintergrund läuft derweil der erfolgversprechende Putsch der Finanzoligarchen gegen die Demokratie lustig weiter. Die Schaefflerisierung der Republik macht zügig Fortschritte. Nach dem man die Banken mit großzügigsten Milliardengeschenken bedacht hat, sind nun auch die industriellen Finanzjongleure an der Reihe sich zu bedienen. Ob sich Milliardärin Schaeffler oder Porsche Chef Wiedeking in derivatärem Größenwahn verhoben haben, sie können mit baldigen finanziellen Segnungen rechnen, ganz im Gegensatz zu ihren Angestellten, die mit Entlassungen und Gehaltseinbußen gerade stehen dürfen.

Während man die viel größere "Proleten"-Marke Opel noch schnell in den Bankrott schicken wollte, gerettet jetzt nur durch windige Investoren und die Angst vor den Wahlen, so ist man bei der kleineren Edel-Hausmarke Porsche klammheimlich schnell mit von der Partie: "Der angeschlagene Autobauer Porsche hat bei der KfW einen Kredit beantragt. Zur Höhe machte das Unternehmen keine Angaben. Nach Informationen der „Stuttgarter Nachrichten“ geht es um eine Milliarde Euro. Weitere 1,5 Milliarden Euro sollen dem Stuttgarter Konzern mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg zufließen, berichtete das Blatt. Dabei stehe eine direkte Finanzierung über die LBBW ebenso zur Debatte wie eine Bürgschaft des Landes, mit der ein Bankkredit abgesichert wird. Ein Regierungssprecher wollte den Bericht nicht kommentieren. Porsche hatte erst vor kurzem einen Zehn-Milliarden-Kredit aufgenommen. Darüberhinaus besteht laut früheren Angaben ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von 2,5 Milliarden Euro.". Da bedankt sich der Wendelin sicher gerne bei den diesmal so schnell hilfreichen Landes- und Bundespolitikern.

Was glauben die Verantwortlichen in den Parlamenten eigentlich, wie sie damit in den nächsten Jahren davonkommen sollen? Glauben die ernsthaft, dass sie dem Bürger ab 2010 schlüssig erklären können, dass sie Krankenkassenleistungen rationieren, Renten- und Pensionen kürzen, Lohnverzichte und Steuererhöhungen durchsetzen, Kindergärten schließen, Lehrer entlassen, staatliche Leistungen zurücknehmen und Gebühren allerorten erhöhen, Mehrwertssteuer rauf, Kilometerpauschalen wieder wegnehmen, Alkohol- und Tabaksteuern raufsetzen müssen? Und alles nur, weil man den Reichsten der Reichen ihre Vermögen aus enthemmter Geldschöpfung sichern musste? Und deswegen die explodierten Staatsschulden und Zinsabtragungen auch bei den ärgsten Einschnitten für die arbeitende Bevölkerung in hundert Jahren nicht abzahlen können wird?

So einen runden Jahrestag hatten wir vor ziemlich genau 20 Jahren schonmal: Schauen wir was das Deutsche Historische Museeum dazu schreibt: "Die DDR-Führung verkennt die Wirklichkeit. Während Fluchtwelle und Demonstrationen die Grundfesten des Staates erschüttern, feiert sie in altgewohnter Weise am 7. Oktober 1989 den 40. Gründungstag der DDR. In mehreren größeren Städten kommt es zu Protesten und Demonstrationen. Die Sicherheitsorgane gehen mit massiver Gewalt gegen die Demonstranten vor. Mehr als 1.000 Menschen werden verhaftet. Die staatlichen Feierlichkeiten enden in einem Fiasko, die Unruhen treffen das Regime empfindlich. Die Fiktion einer Einheit von Volk und Partei ist sichtbar zerbrochen."


Demokratie und Kapitalismus ist nicht das Gleiche. Die beiden Begriffe haben dem Grunde nach so gar nichts mit einander zu tun, sie bilden keineswegs eine Einheit. Wer wegen diesem Missverständnis jetzt die arbeitende Bevölkerung an das Kapital verrät, versetzt mittelfristig der Demokratie den Todesstoß. Was im Moment, allen voran in den USA, aber auch hier in Europa läuft, ist nichts anderes als ein aus dem tiefsten inneren Machtkreis kommender Putsch gegen die freiheitlich demokratische Ordnung.

Der Preis wird hoch sein. Wenn demnächst die Wahrheit auf den Tisch kommt, dann könnte im Jahre 2029 im Deutschen Historischen Museeum der gleiche Text in geringfügiger Abwandlung auftauchen: "Die politische Führung der BRD verkennt die Wirklichkeit. Während Milliardentransfers zu Gunsten der Vermögenden und zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung sowie Demonstrationen die Grundfesten des Staates erschüttern, feiert sie in altgewohnter Weise am 23. Mai 2009 den 60. Gründungstag der BRD. In mehreren größeren Städten kommt es in den folgenden Monaten zu Protesten und Demonstrationen. Die Sicherheitsorgane gehen mit massiver Gewalt gegen die Demonstranten vor. Mehr als 1.000 Menschen werden verhaftet. Die staatlichen Feierlichkeiten enden in einem Fiasko, die Unruhen treffen die Regierung empfindlich. Die Fiktion einer Einheit von Volk und Staat ist sichtbar zerbrochen."

Wer sich jetzt nicht an die grundsätzlichen Probleme herantraut, der wird in den kommenden Jahren die politische Verantwortung übernehmen müssen. Angesichts des Dilemmas kann man eigentlich seinem schlimmsten Feind nicht wünschen, dieses Jahr irgendwo in die Verantwortung gewählt zu werden.

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