Donnerstag, 28. Januar 2010

Spar'nschmarr'n: Warum der Staat gar nicht mehr sparen kann


"Wunsch und Wirklichkeit" titulierte der Spiegel unlängst: "Wirtschaftskrise und Schuldenrekord - zumindest Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor diesem Hintergrund längst alle finanzpolitischen Träumereien aufgegeben. Deshalb bereitet er die Bürger nicht auf Steuerentlast- ungen vor, sondern kündigt lieber umfangreiche Kürzungen ab dem kommenden Jahr an......Im Koalitionsvertrag hatten Union und Liberale sich nach wochenlangem Ringen auf 24 Milliarden Euro Steuerentlastungen verständigt. Allerdings enthält der Vertrag einen Finanzierungsvorbehalt und den Hinweis auf die neue Schuldenbremse. Die Mehrheit der Deutschen lehnt wegen der Finanzprobleme jüngsten Umfragen zufolge Steuerentlastungen ab. ....."

Das ein verschuldeter Staat erstmal Schulden abbauen sollte, statt neue zu machen, dass leuchtet auf den ersten Blick ein. So sehr, dass die Bürger sogar das von der FDP versprochene Steuergeschenk in Höhe von 24 Mrd. Euro mehrheitlich ablehnen und somit offensichtlich bereit sind, für dieses ehrende Ziel weitere Belastungen auf sich zu nehmen.

Nun allerdings, ist das Makroökonomisch gesehen aber wirklich sinnvoll? Was auf mikroökonomischer Ebene, für den privaten Haushalt oder einen mittelständischen Betrieb auf der Hand liegt, muss es keineswegs in der Gesamtschau der Volkswirtschaft sein. Dazu also wieder einmal der Blick auf die Zahlen, über die wir da reden müssen.

Zunächts einmal betragen die offiziellen Schulden von Bund, Länder und Gemeinden zur Zeit etwa 1700 Mrd. Euro. Bei den zur Zeit künstlich absurd niedrig gehaltenen Zinsen sind dafür pro Jahr "nur" gut 40 Mrd. Euro Zinsen zu entrichten. Dazu kommen aber noch einmal erheblich versteckte Schulden, wie etwa die Sondervermögen zur Bankenrettung hinzu, für die weitere Milliardenbeträge anfallen. Sollten die Zinsen in absehbarer Zeit auf realistische Werte steigen, was sie müssen um die Welt nicht in den sicheren Spekulationskollaps zu treiben, so steigen diese Zinsforderungen schnell auf Werte weit oberhalb der 100 Mrd. Euro/Jahr Grenze. Dann liegt allein der Zinsdienst über der 20% Marke des Haushalts, was von Ökonomen als die Schmerzgrenze angesehen wird, ab dem der Staatsbankrott kaum noch vermeidbar ist. Für neue deutsche Staatsanleihen werden zur Zeit 3,25% Zinsen fällig, was schon auf eine Zinslast von über 55 Mrd. zielt.

Aber bleiben wir erstmal bei den billigen alten Anleihen und gehen wir zudem von den viel zu niedrigen Zinssätzen und dem geschönten Schuldenstand aus. Dann müsste Schäuble und seine Kollegen in den Ländern und Gemeinden pro Jahr insgesamt mindestens 50 Mrd. Euro sparen, um überhaupt eine geringfügige Tilgung der Schulden zu erreichen. Spart er weniger, so wachsen die Schulden trotzdem durch Zins und Zinszins weiter ins Unermessliche. Die Rede ist zur Zeit aber eher von 10 Mrd. Euro pro Jahr, was keinen nennenswerten Effekt auf die steigenden Schuldenstände hat. Aber selbst bei 50 Mrd. Euro jährlich würde es Generationen dauern, den Schuldenstand wieder auf vernünftige Größenordnungen zu bringen, erst unsere Urenkel würden einen merklichen Effekt davon haben.

Um einen mittelfristig messbaren Effekt zu erreichen, müssten bei bald realistischen Zinsen um 5% und einer vernünftigen Tilgungsrate von ebenso 5% schon rund 170 Mrd. Euro jährlich, ohne die Sondervermögen zu berücksichtigen, gespart werden. Inklusive letzterer müssten es um den Dreh von 200 Mrd. Euro pro Jahr sein. Nur, selbst dass ist nicht nur graue Theorie, es ist absoluter Unfug, weil es nichts bringt. 200 Mrd. pro Jahr wäre nichts anderes als eine Bankrotterklärung und selbst 50 Mrd. erwürgt die öffentliche Hand.

Aber würgen wir einfach mal kräftig und sparen 50 Mrd. pro Jahr. Was wäre der Effekt? Zunächst einmal weiß jeder Betriebswirt, dass man mindestens rund 50.000 Euro Umsatz jährlich braucht, um einen Arbeitsplatz zu ermöglichen, mit weniger rechnet sich das nicht. Nehmen wir auch mal das BIP, zur Zeit rund 2400 Mrd. Euro. Davon werden etwa 42 Millionen Arbeitsplätze, vom 1-Euro-Jobber bis zum Boni verwöhnten Bankmanager, finanziert. Nach Adam Riese also rund 57.000 Euro pro Jahr und Arbeitsplatz, was diese Erfahrungstatsache sofort wieder spiegelt. Der Staat wiederum ist der größte Deutsche Arbeitgeber, denn unsere Staatsquote beträgt rund 50%. Das bedeutet das die Hälfte des BIP irgendwie durch die Hände des öffentlichen Dienstes fließt. Das aber nur nebenbei.

Denn der Staat spart ja nirgendwo, er bildet so gut wie keine Rücklagen, sondern gibt alle seine Einnahmen an anderer Stelle wieder aus. Er schleust die kompletten Einnahmen wieder in den Wirtschaftskreislauf. Und schafft damit direkt oder indirekt pro Milliarde Staatsausgaben rund 1.000.000.000/50.000=20.000 Arbeitsplätze. Spart er 50 Mrd. jährlich, so werden diese Gelder dem Wirtschaftskreislauf entzogen und faktisch auf die Konten der Spekulanten transferiert. Denn von einer Steuerentlastung der Bürger in gleicher Höhe kann ja keine Rede sein, im Gegenteil deren Belastungen durch Steuern, Abgaben und Gebühren sowie sinkenden staatlichen Transferleistungen steigen stetig weiter oder müssen im günstigsten Fall wenigstens gleich bleiben.

Spart der Staat also 10 Mrd. respektive 50 Mrd. jährlich, so vernichtet er damit 200.000 respektive 1 Million Arbeitsplätze. An jedem Arbeitsplatz hängen aber typischerweise noch Frau und Kind, durchschnittlich sind dann 3 zusätzliche Mäuler durch staatliche Transferleistungen zu unterstützen, nicht nur durch Hartz IV, sondern auch durch Kassenbeiträge, Miethilfen, soziale Brennpunkte usw. Dass sind pro Nase wenigstens 1000 Euro im Monat, oder rund 36.000 Euro jährlich, sehr günstig gerechnet. Der Nettoeffekt reduziert sich damit auf lausige 28% Einsparungen, pro Milliarde Euro also nur 280 Millionen.

Der Staat muss also nominal drei bis viermal soviel sparen, wie er glaubt. Für ein bisschen Tilgung also mindestens 150 Mrd. jährlich und für eine mittelfristig merkliche Entlastung sogar 600 Mrd. Euro jährlich. Schon die erste Zahl ist natürlich der faktische Bankrott des Staatswesens. Die Schulden werden also weiter unaufhaltsam steigen, mit realistischen Sparansätzen kann man im günstigsten Falle die Zeit bis zum Kollaps etwas hinauszögern.

Die Konsequenz aber ist grausam einfach: Wie bei jedem überschuldeten Betrieb hilft eigentlich nur noch die geregelte Insolvenz, die Gläubiger müssen sich dann mit einem Bruchteil der Verbindlichkeiten zufrieden geben und der Laden startet unter neuem Namen und Führung von vorne. Im Falle von Staaten ist dies natürlich eine unparitätische Währungsreform.

Der Schuldendienst ist auch ein Grund dafür, dass die westlichen Staaten an der Droge des billigen Geldes festhalten. Denn erhöht man den zur Zeit noch absurd niedrigen Leitzins, so steigen nicht nur die Risiken der spekulationsbelasteten Banken exponentiell, sondern es explodiert auch der Zinsdienst der Staaten.

Oder der Staat macht jetzt eben das, was auch viele Betriebe machen, wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht: Irgendwie umschulden, alte Kredite durch neue ablösen, alte Zinsschulden mit neuen Krediten bezahlen, die werden damit zwar nicht geringer, aber laufen dafür noch ein bisschen länger. Zudem wird der jeweils nächste Auftrag mit dem Geld des letzten vorfinanziert und das geht so lange gut, bis irgendwann keine neuen Aufträge, hier also Staatsanleihen die von irgendeinem gezeichnet werden, eingehen. Das nennt man dann Konkursverschleppung. So ergeht es zur Zeit Griechenland, dass verzweifelt versucht seine faulen Anleihen etwa den Chinesen anzudrehen, weil die EU sie nach ihren Statuten nicht selbst ankaufen darf. Das böse Ende ist absehbar, die Welt bewegt sich auf Messers Schneide.

Was also ist zu tun? Es gibt grundsätzlich natürlich zwei Blickwinkel auf diese unlösbare Situation. Nämlich der Blickpunkt derjenigen, die ihre Einnahmen aus Kapitalverwertung ziehen, und den derjenigen, die ihre Einnahmen aus Arbeit in den Betrieben erhalten. Wem von den Beiden nützt das Sparen, das man in Deutschland noch kürzlich mit Hilfe einer grundgesetzlichen Schuldenbremse betoniert hat?

Demjenigen der seine Einnahmen fast ausschließlich aus Arbeit bezieht praktisch kaum, denn seine Belastungen steigen immer weiter und er bekommt immer weniger dafür raus. Dem Kapitalbesitzer dagegen nutzt es erheblich, denn seine Vermögen bleiben, zumindest vorläufig, stabil und steigen sogar weiter. Bezahlt der Staat seine Verpflichtungen dagegen mit reichlich Schulden und frisch gedrucktem Geld per Staatsanleihen, so leiden im wesentlichen die Kapitalgeber. Deren Vermögen, die immer Schulden eines Anderen sind, inflationieren mittelfristig, der Durchschnittsverdiener braucht aber erstmal nicht zur Kasse gebeten werden. Längerfristig gesehen werden aber Alle ihre Federn lassen müssen.

Die grundgesetzliche Schuldenbremse wird sich, falls man sie ernsthaft einhalten will, wenn überhaupt kann, sich erstmal gegen die wenden, die eigentlich geschützt werden sollten, nämlich den Durchschnittsbürger. Das sollte Einem auch der kurzfristige Erfolg der Konjunkturmaßnahmen aus 2009 klar machen. Dass wir bislang von Massenarbeitslosigkeit verschont blieben, und das Minus des BIP mit 5% noch vergleichsweise billig ausfiel, liegt nicht daran das der Staat gespart hätte. Es gelang nur, weil er sich massivst neu verschuldet hat. Um Zeit zu gewinnen müsste er eigentlich damit gründlich weitermachen. Wenn er ernsthaft spart, explodiert die Arbeitslosigkeit und die Demokratie kommt über die sozialen Kosten, besonders der sekundären via Armut, sozialer Brennpunkte, Kriminalität und Gewalt, und in der Folge erstarkenden radikaler Parteien, wieder in die gleiche Zwangslage wie in den 1920er Jahren.

Wer dagegen etwas unternehmen will, der muss klotzen und nicht kleckern. Die Finanzindustrie weiter mit Samthandschuhen anzufassen ist tödlich. Barack Obama ist letzte Woche in Vorlage gegangen, seine Chancen etwas effektives zu ändern sind jedoch denkbar gering. Denn mit dem Verlust der Senats-, und absehbar der Kongressmehrheit, sind ihm praktisch die Hände gebunden. Zumal die amerikanischen Bundesgerichte mit fünf republikanischen zu vier demokratischen Stimmen beschlossen haben, dass ab sofort Wirtschaftsunternehmen und Lobbyisten mit unbegrenzten Summen die amerikanischen Wahlkämpfe beeinflussen dürfen. Einen massiver Angriff auf die Demokratie kommentierte ein sichtlich geschockter President Obama das höchstrichterliche Urteil.

Rise and Fall of the Empire, jede zweite Generation erlebt große Geschichte. Die Veränderungen der nächsten Jahre werden auch unsere Urenkel noch mit Erstaunen in den Schulbüchern lesen.

Freitag, 22. Januar 2010

Erstaunliche Einsichten


Manchmal geschehen erstaunliche Dinge. "Obamas Bankenplan: Mit fremdem Geld zockt man nicht" tituliert heute das Manager-Magazin. Grund für den Sinneswandel ist ein verlorener Senatsposten und ein alter Haudegen der FED: "Paul Volcker ist 82 Jahre alt und braucht auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen. Seit Monaten rührt der ehemalige Fed-Präsident die Trommel für eine Aufspaltung der Großbanken.".

Mit dem Verlust der strategisch wichtigen Senatsmehrheit wird es schwer für Barack Obama, noch irgendetwas von großem Gewicht durch zu setzen. Die Jahrhundertreform des US-Gesundheitswesen steht deswegen jetzt vor dem Scheitern. Zumindest wird er sie auf Druck der Republikaner erheblich verwässern müssen. Und es drohen noch weitere solcher Wahlen, die für seine Parteikameraden aufgrund gesunkener Popularitätswerte des Präsidenten zur Zeit kaum noch zu gewinnen sind.

Bleibt also nur die Flucht nach vorn? Endlich geht er an den Kern des Problems heran, nämlich das Investmentbanking. Bis jetzt zwar nur mit lauten Worten, aber alleine diese ließen schon die größten Börsen weltweit einbrechen. Selbst die Deutsche Bank erlitt noch an einem Tag 4,5%-Verlust ihres Aktienwertes.

Er hat ins Wespennest gestochen: "...Privilegien wie die Einlagensicherung, den günstigen Zugang zu Krediten der Zentralbank, aber auch die implizite Garantie einer staatlichen Rettung im Fall einer Pleite, sollen nach Obamas Vorschlag nur noch solche Institute genießen, die sich auf dieses Brot- und Buttergeschäft beschränken.", also die klassischen Geschäftsbanken. Ob er die Wespenbrut, vorallen Dingen sehr schnell und vollständig, ausräuchern kann, ist allerdings mehr als fraglich. Zumal es nur die halbe Wahrheit ist, denn die bereits angesammelten Geldmengen auf der Investmentseite müssten auch drastisch abgeschrieben werden, um einen länger fristigen Erfolg zu ermöglichen.

Davon sind wir noch ganz weit entfernt, aber immerhin, eine der wichtigsten politischen Personen in dem Giga-Monopoly beginnt sich in die richtige Richtung zu bewegen.

Dienstag, 19. Januar 2010

Silvio Westerwelle oder die käufliche Republik


Sie kennen die Situation: Sie gehen in die angesagteste Pizzeria der Stadt und wollen unangemeldet noch bevorzugt speisen. Also lassen sie sich vom Kellner einen Tisch zu weisen, und drücken ihm bei der Gelegenheit schon mal 10 Euro Trinkgeld in die Hand. Der Erfolg liegt sprichwörtlich auf genau dieser Hand, sie bekommen also einen guten Tisch und bevorzugte Bedienung. Ihren geldwerten Vorteil zahlen jetzt die anderen, weniger spendablen, Gäste, die für die gleichen Menupreise nun an einem schlechteren Tisch länger warten müssen. Natürlich könnte der Kellner ihre noble Spende auch einfach kassieren und ansonsten ignorieren, aber dann kann er sich sicher sein, dass er bei nächster Gelegenheit kein Trinkgeld mehr von Ihnen bekommt. So einfach ist das.

In der Politik soll das angeblich anders sein. Man konnte es längst ahnen, nun ist es offiziell: Die so seltsam merkwürdige Mehrwertssteuerbegünstigung für Hoteliers, die der Steuerzahlernormalbürger nun mit mehr als 1 Milliarde Euro jährlich ausgleichen muss, hatte ihre pekuniäre Ursache in einer formidablen Spende von insgesamt rund 2 Millionen Euro an die beiden Parteien FDP und die CSU. Selbstverständlich weisen beide jede mögliche Verbindung zwischen ihrem persönlichen Einsatz in der Koalitionsrunde für die Belange der Hoteliers und der jetzt erfolgten Megaspende zurück, völlig "absurd" und nicht nachvollziehbar sei angeblich der Vorwurf. Zumal man ja die Spende in der "Trinkgeldkasse" des Bundestages den Vorschriften entsprechend angemeldet hätte. Richtigerweise anmelden musste, was ein Unterschied ist, denn sonst wäre man nicht nur dem Verdacht der Korruption ausgesetzt, sondern tatsächlich kriminell geworden.

Nun ja, man hält den Bürger für blöde, ja sogar für saublöde. Und vielleicht sind wir es ja auch. Denn das, was aus dem Skandal keinen werden lässt ist einerseits unsere Gleichgültigkeit, und andererseits die Tatsache, dass so ziemlich jede Partei solche Leichen im Keller hat. Und das die Lobbyisten- und Industriefinanzierung der Parteien in Gesetze gegossen wurden, die unsere Volksvertreter selbst beschlossen haben. Wobei allerdings die Unionsparteien und die FDP als traditionell wirtschaftsnahe Parteien die deutlich meisten dieser Trinkgelder vereinnahmen, und daher auch die größeren Spendenskandale zu verdauen haben. Die nach wie vor ungeklärten Verbleibe der Millionenbeträge aus der Kohlzeit haben ja erst zu einer Verschärfung der Bedingungen geführt. So etwa die Anzeigepflicht der Einnahmen beim Bundestag.

Dem US-Bürger dagegen ist schon lange klar, das zwischen Trinkgeld und bevorzugter Bedienung unabdingbare Zusammenhänge bestehen. Deswegen sind dort die gesetzlichen Bestimmungen für diese Art der Klientelpolitik auch viel transparenter und härter. Eine direkte Industriefinanzierung ist dort verboten. In der Praxis nützt es zwar auch nicht so wahnsinnig viel, aber immerhin weiß man dort, welche Lobbyisten man ggf. auf dem Wahlzettel ankreuzt. In Europa hinkt man dem hinterher. So weit wie in Italien sind wir indes noch nicht, wo regelmäßig mutmaßliche Spitzen-Mafiosis in höchste Regierungsämter gelangen, wie etwa Giulio Andreotti oder Silvio Berlusconi. Letztere werden von den Italienern übrigens bevorzugt gewählt. Wie Umfragen zeigen aus dem Grunde, dass man solchermaßen erfolgreichen "Geschäftsleuten" am ehesten zutraut, mit dem Sauhaufen da oben klar zu kommen. Möglicherweise haben sie ja nicht so unrecht damit.

Nicht vergessen sollten wir derweil, wer sonst noch im Koalitionspoker begünstigt wurde. So etwa die Erben. Keineswegs trifft das den Durchschnittserben von „Oma’s klein Häuschen“. Denn der ist aufgrund der hohen Freibeträge des alten Erbrechts sowieso weitgehend außen vor. Es trifft vor allen Dingen die Erben riesiger Finanzvermögen, die nun besser wegkommen. Zufall? Irgendein Zusammenhang mit Spenden der Finanzindustrie? Honi soit qui mal y pense.

Man mag einwenden, auch der Durchschnittsbürger würde via der vorgesehenen Steuerentlastungen profitieren. Weit gefehlt, der unbeugsame Finanzminister Schäuble macht längst klar, dass daraus nicht viel werden wird: "Ob, wann und wie viel, das entscheiden wir Mitte 2010, wenn wir den Haushalt 2011 und den Finanzplan bis 2014 aufstellen.". Im Zweifelsfall muss der Bürger seine Entlastungen an anderer Stelle durch verringerte staatliche Leistungen und höhere Abgaben und Gebühren selbst bezahlen. Die entscheidende Steuerschätzung kommt zufälligerweise kurz nach der NRW-Wahl im Mai. Danach wird rasiert, und welche Bartstoppel dann stehen bleiben und welche nicht, lässt sich leicht vorhersagen: Die Steuerentlastungen für Erben und Hoteliers werden bestehen, die der Bürger unterm Strich gerechnet nicht nur entfallen, sondern durch die notwendige Querfinanzierung Ersterer sogar noch schlechter gestellt werden.

Übrigens, was machen gute Restaurants, um das Trinkgeldunwesen besser in den Griff zu bekommen? Ja, sie machen eine Trinkgeldkasse, in die alle Zuwendungen reingelegt werden müssen. Und später an alle Beteiligten, also nicht nur die Kellner, sondern auch die normalerweise leer ausgehenden Beschäftigten in der Küche, paritätisch verteilt werden. Ein gutes Beispiel auch für die Parlamente, denke ich. So könnten alle, jetzt nur anzeigepflichtigen, Zuwendungen und Spenden in eine Kasse eingezahlt werden, die dann paritätisch an die in den Parlamenten vertretenen Parteien ausgezahlt werden. Damit wäre einerseits die, notwendige, Parteienfinanzierung gewährleistet. Andererseits könnte kein Spender mehr unmittelbaren Einfluss auf "seine" Politiker nehmen, sondern müsste, ganz altruistisch, nur das allgemeine demokratische Parteiensystem unterstützen.

Zu befürchten ist allerdings, dass eine solch altruistische Kasse vergleichsweise leer bliebe. Warum wohl?

Donnerstag, 14. Januar 2010

Die Fünfte Welle


Das Schreckgespenst der Hyperinflation ist in den Kolumnen der Ökonomen und Politiker noch kein Thema. Von Journalisten auf diese Möglichkeit angesprochen reagieren diese irgendwo auf der Skala zwischen belustigt und empört. Nur wenige Ökonomen scheinen an diese finale Lösung zu glauben, die Schönredner sind noch deutlich in der Überzahl.

Bei den Wenigen gibt es einerseits bekannte politische Wirrköpfe und ökonomische Untergangspropheten wie Lyndon LaRouche: „....Betrachtet man zunächst diesen..Aspekt dieser Krise, so besteht das einzige Gegenmittel für die USA in einer plötzlichen, drastischen Konkurssanierung ihres Finanzsystems.....Wenn der..vorgeschlagene notwendige Kurswechsel der US-Politik verhindert wird, wird die ganze Welt in die größte Depression der..Geschichte stürzen. Es käme zu einer immer rascheren Verringerung der Weltbevölkerung auf ein Niveau..von mehr als 6,5 auf weniger als 2 Milliarden Menschen; es wäre der ungeheuerlichste Völkermord in der Geschichte. ....“; andererseits Inflation-light-Propheten der seriösen Fraktion, wie etwa Anfang 2009 der HWWI-Chef Thomas Straubhaar, der für eine zwar kräftige, aber moderate Inflationsphase plädiert:“... Er rechne „mit einer Geldentwertung zwischen fünf und zehn Prozent pro Jahr für die Zeit nach 2010“.“.

Allzu viel geben kann man aber darauf nicht, denn es steht unter dem Menetekel der erwiesenen Unfähigkeit eines Großteils der Ökonomen, wie man noch einmal dem lesenswerten Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Die Ökonomen in der Sinnkrise, Lisa Nienhaus und Christian Siedenbiedel; April 2009) entnehmen kann: „...Ein Frechdachs, wer nachzuschlagen wagt, was sie vor einem Jahr gesagt haben. Doch aufschlussreich ist es in jedem Fall. Anfang 2008 war die Welt nämlich noch in Ordnung. Die Ökonomen sprachen von einer Abkühlung im Jahr 2009. Ein Wachstum von 1,2 Prozent, 1,5 Prozent, 1,8 Prozent sei zu erwarten, hieß es damals, aber weiß Gott keine Rezession, nicht einmal Stagnation. Ach ja. Dann kam die Krise - und mit ihr wurde offenbar, wie sehr die professionellen Prognostiker in Deutschland daneben gelegen haben. Sie haben sich täuschen lassen, sind kollektiv der Illusion erlegen, die Finanzmärkte seien stabiler, als sie es tatsächlich waren. Sie haben die Kreditkrise erst nicht kommen sehen - und dann nicht geglaubt, dass sie sich zur Wirtschaftskrise auswachsen würde. Das Versagen betrifft nicht nur die Institute der Konjunkturforscher. Es betrifft alle Ökonomen. Jeder von ihnen betrachtet die Weltwirtschaft oder Teile von ihr mit einiger Aufmerksamkeit. Jeder hätte warnen können. Doch kaum einer hat erkannt, was kommen könnte. Und die wenigen, die etwas ahnten, haben nicht laut genug um Hilfe gerufen....“

Was aber, und, Wann kommt es? Wie in einem früheren Beitrag bereits gezeigt, wäre schon aus rein technischer Sicht bei einem ungestörten Finanzsystem eine Hyperinflation etwa zwischen 2024 und 2030 zu erwarten Hinzu kommt aber noch eine leicht vergessene Zeitbombe. Denn der demographische Wandel und die Generation der Babyboomer schlagen genau in diese Periode hinein. Die aufgeschobenen Renten- und Pensionsverpflichtungen hauen nämlich ausgerechnet in dieser kritischen Phase noch zusätzlich in die Kerbe. Allein die Pensionsverpflichtungen für den öffentlichen Dienst sprengt dann das System endgültig aus allen Nähten. Schon in 2004 warnte der US-Top-Ökonom Laurence Kotlikoff: „....Demografische Alterung und Staatsschulden treiben Deutschland auf eine Situation zu, die „der deutschen Hyperinflation von 1923 ähneln wird“....“. Wer also etwa irgendwelche Sparverträge mit Fälligkeitsdatum von z.B. 2026 sein Eigen nennt, der sollte diese Verträge möglichst bald versilbern. Das Geld ist sonst mit Sicherheit verloren, selbst in Ihrer Stammkneipe um die Ecke ist es besser angelegt.

So lange dürfte es aber nicht dauern. Dazu zunächst noch ein Exkurs zum sogenannten Fiat-Money: Fiat-Money ist Kreditgeld, bei dem seitens des Emittenten keine Einlöseverpflichtung besteht und dessen Akzeptanz durch gesetzliche Vorschriften sichergestellt wird. Fiatgeld wird Geld, indem es von den gesetzgebenden Organen dazu erklärt wird. So sind sowohl der Euro als auch der Dollar reines Fiatgeld. In vielen politischen Systemen mit Fiatgeld kam es selbst noch in jüngster Vergangenheit zu Hyperinflation: In den 1920er Jahren in Deutschland, 1922 in der Sowjetunion, 1921–1923 in Österreich, 1921–1924 in Ungarn, 1921–1924 in Polen, 1943/44 in Griechenland, 1945/46 in Ungarn, 1949/1950 in der Volksrepublik China,1985 in Bolivien, 1988 in Nicaragua, 1989 in Polen, 1989/1990 in Brasilien, 1989/1990 in Argentinien, 1990 in Peru, in den frühen 1990ern im ehemaligen Jugoslawien, 1990–1994 in Zaire, 1992 in Russland, 1992–1994 in Georgien sowie 1994 und 1996/1997 in Angola, 2006 Zimbabwe usw. usf.. Die Reihe findet so schnell kein Ende.

Fiat-Money des Einen ist immer durch die Schulden eines Anderen gedeckt. Ob der die tatsächlich je zurück zahlen kann, dass spielt erstmal keine Rolle. So können Staaten praktisch beliebig viele Schuldverbriefungen herausgeben, solange sie nur in der Lage sind, wenigstens die Zinsen dafür zu decken und geneigte Abnehmer dafür zu finden. Im schlimmsten Fall wie zuletzt die eigenen Notenbanken. Zu dieser Art der Notenpresse schrieb die Hypovereinsbank am 13.3.09 in einem Dossier die Gefahr abschwächend: „...Allerdings ist der Griff zur Notenpresse nicht eine zwangsläufige Folge der Krise. Hierfür gibt es vor allem drei Gründe:
1. Die Mehrzahl der Staaten verfügt über ein gut ausgebautes Steuersystem. Die Versuchung, Geld zu drucken, ist damit geringer als etwa in den Anfangsjahren der Weimarer
Republik.
2. Die Zentralbanken weltweit sind unabhängiger als in der Vergangenheit. Ein Aufkauf von Staatsanleihen durch die Geldpolitik ist in der Mehrzahl der Länder per Gesetz verboten. Selbst die Federal Reserve hat es in den letzten Wochen mehrfach abgelehnt, öffentliche Papiere aufzukaufen und dafür Geld auszugeben.
3. Das rasante Ansteigen der amerikanischen Geldbasis lässt sich nicht automatisch mit Inflation in der Zukunft gleichsetzen. Die Geschäftsbanken in den USA schöpfen keine Kredite und pumpen es nicht in den Wirtschaftskreislauf, sondern stopfen die Löcher in ihrer Bilanz....“


Nun, alle diese drei Rettungsanker sind aber in der Zwischenzeit längst gelichtet: (1) Das „gut ausgebaute Steuersystem“ stößt schnell an seine Grenzen, denn die Bereitschaft mehr Steuern und Abgaben zu bezahlen ist, insbesondere bei den vergleichsweise steuerfeindlichen US-Bürgern, nicht unbegrenzt durchsetzbar. Die staatstreuen Deutschen machen da nur vorläufig eine Ausnahme, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Das wird sich vermutlich ändern, sobald dem Bürger klar wird, dass wir da nicht über Kleckersbeträge wie 20 Euro im Monat reden. (2) Die angebliche Unabhängigkeit der Zentralbanken hat nichts genützt. Lächerliche sechs Tage nach obigen Hypovereinsbank-Dossier begann die FED mit genau diesen Aufkauf öffentlicher Papiere. Die Briten und Europäer folgten etwas später. (3) Wenig später war es mit dem Löcher stopfen in der Bilanz vorbei. Selbstverständlich pumpen die Banken das billige Zentralbankgeld in die Aktien-, Rohstoff-, Derivaten- und CarryTrade-Märkte und haben alle Indizes, wenige Monate nach dem Dossier, aufgeblasen wie einen Stratosphärenballon.

So schreibt Thorsten Polleit, Honorar-Professor an der Frankfurter Schule für Finanzmanagement: „...Der Niedergang der Fiat Money produzierenden Länder ist unübersehbar geworden. Sie können sich nur über Wasser halten, indem ihre Zentralbanken immer mehr Basisgeld produzieren und für die Schulden privater Banken bürgen. Die Fed beispielsweise vergrößerte ihre Einlagen, Banknoten und Münzen von 870,9 Milliarden US-Dollar im August 2008 auf 1.734,3 Milliarden US-$ im Januar 2009. Die Extra-Reserven stiegen von 1,9 Milliarden US-$ auf 789,2 Milliarden US-$. Die Extra-Reserven erlauben der Bankwirtschaft...die Geldausgabe zu erhöhen. Die Geldbasis expandiert, indem die Zentralbank faule Kredite von Privatbanken übernimmt, um die Kreditvergabe dieser Banken zu vergrößern. Dieser Prozess gewinnt an Fahrt: Am 18. März 2009 kündigte der Exekutivausschuss der FED an, dass noch einmal 1.550 Milliarden US-$ an Sicherheiten gekauft würden. Das FOMC erwägt außerdem das Basisgeld zu vermehren um Privathaushalten und Kleinunternehmen mehr Kredit zu gewähren. Die FED produziert Inflation - und diese Tatsache steht in scharfem Kontrast zu dem, was die etablierten Ökonomen sagen, dass nämlich die Geldvermehrung nur die Liquidität im Interbankenverkehr verbessert, den Geldwert in den Händen der Verbraucher, Firmen und der Regierung nicht beeinflusst wird. ....“. Und da sind sie, die Schönwetterökonomen, die kein Problem mit der wundersamen Geldvermehrung haben. Wenn diese wirklich nur die Liquidität im Finanzsystem befördern würde, dann frage ich mich, warum wir überhaupt die ganzen Jahre gearbeitet und Steuern gezahlt haben, anstatt einfach die „Liquidität“ zu erhöhen.

Und weiter. „..Das wachsende Geldvolumen treibt die Preise nach oben, seien es Verbraucher- oder Vermögenspreise. Durch die wachsende Geldmenge wird ein Pseudoboom herbeigeführt, der zu Fehlinvestitionen führt. Solange Kredit- und Geldzufuhr nicht nachlassen, wird letzteres nicht offenbar. Wenn sich das Geldwachstum ganz plötzlich verlangsamt, werden die Erwartungen der Investoren enttäuscht und finanzierte Projekte, die in einer Welt mit immer mehr verfügbarem Geld und steigenden Preisen wirtschaftlich gewesen wären, gehen Pleite. Eine Politik, die den künstlichen Boom aufrecht erhält, erfordert noch höhere Zuwächse an Geld. Ludwig von Mises sah, dass dies zu einem Desaster führen würde: Es gibt kein Mittel um den endgültigen Kollaps zu verhindern, der durch eine Kreditexpansion herbeigeführt wurde. Die Alternative besteht lediglich darin, ob die Krise eher kommt, weil man freiwillig auf eine weitere Kreditexpansion verzichtet oder später als finale und totale Katastrophe des damit verbundenen Währungssystems....“.

Der große Ökonom Mises wusste, wovon er sprach. Er durchlebte die Zeit der großen Inflation von 1914-1923 in Europa. Damals wie heute kam die Hyperinflation im Schlepptau der Umwandlung steigender Staatsschulden in Geld für Sozialausgaben, Subventionen und Reparationszahlungen: „...Mises war sich der letzten Konsequenzen klar, ....Ab einem gewissen Punkt würde dies zum Bankrott in einer immensen Größenordnung führen, verursacht durch eine Kreditkontraktion und Geldmangel (Deflation)...“

Kreditkontraktion und Deflation? Genau, das ist das aktuell drückende Szenario. Wie es weiter geht, hängt bekanntlich auch von der Psychologie der Marktteilnehmer, also auch von Ihnen lieber Leser, ab: „...Wenn die öffentliche Meinung erst einmal davon überzeugt ist, dass das Wachstum der Geldmenge weitergeht und nie aufhören wird und dass konsequenterweise die Preise aller Waren und Dienstleistungen immer weiter steigen werden, dann wird jedermann eifrig soviel kaufen, wie er kann und seine Barreserven klein halten. Denn unter diesen Umständen steigen die Kosten für den Unterhalt von Barreserven, durch die progressiven Kaufkraftverluste. Das Opfer, das für das Halten von sonst vorteilhaften Bargeldreserven gebracht wurde, wurde unverhältnismäßig groß. Dieses Phänomen nannte man während der großen Inflation in den Zwanzigern, die Flucht in die Sachwerte oder Katastrophenhausse....“.

Eine in diesem Zusammenhang lesenswerte Analyse der Ursachen ist der Artikel von Ellen Brown: „Erinnerungen an die Hyperinflation in Weimar-Deutschland: Brauchen wir jetzt wieder Schubkarren? Eine neue Betrachtung der Hyperinflation in der Weimarer Republik.“. Denn es war nicht einfach die staatliche Verschuldung, die die verheerende Hyperinflation endgültig in Fahrt brachte: „..Das wirkliche Problem besteht in einem erschreckenden Berg von außerbilanzlichen Krediten und Derivatausfällen in Höhe von 20 Billionen Dollar. Man denke intensiv darüber nach, was in der Weimarer Republik passiert ist, denn jeden Tag sieht es hier danach aus, als würde sich diese Entwicklung in Ursache und Wirkung wiederholen …Lit.: Jim Sinclair, »Fed Actions a Bandaid on a Gaping Economic Wound« reprinted in Go for Gold, 18. September 2007. …” Nun, wie aus dem Studium des treffenden Artikels folgt, damals wie heute lag das wirkliche Problem erst in der Rolle der Derivatenhändler, die auf eine fallende Reichsmark setzten und mit ihren Carry-Trades, damals genauso wie heute, den Schlammassel erst möglich machten.


Schauen wir also auf die Statistik der 1923er-Inflation. Die folgenden Zahlenreihen kommen vom Deutschen Historischen Museum. Die Inflation begann bereits 1914, als zur Finanzierung des Weltenbrandes Kriegsanleihen des Staates aufgesetzt wurden. In den Nachkriegsjahren ab 1919 begannen, verschärft durch die enormen Reparationsforderungen der Gewinnermächte, diese ihre Wirkung zu entfalten. Erstaunlich bei der Betrachtung der Graphik ist aber, dass dies trotzdem noch lange gut ging, bzw. nur einen moderaten Verlauf der Steigerung der Lebenshaltungskosten (gelbe Linie) provoziert. Selbst in der Hochphase der Inflation war das so, es setzte zwischenzeitlich sogar eine fast 2-jährige Deflationsphase ein. Den tieferen Grund dafür mag man u.a. dem obigen Artikel von Brown entnehmen.


Wie wenig von einer Hyperinflation in den Jahren 1920 und 1921 zu spüren war, zeigt die Detailgraphik auf: Es sind die Daten für den deflationären Kern der Hyperinflation, nämlich die Steigerungsraten der Indizes (d/dt). Obwohl die Katastrophe unmittelbar bevorstand, war in diesen zwei Jahren davon nichts zu ahnen: Die Preise in den zentralen Jahren blieben stabil oder fielen sogar. Dann aber ging es rasant los, bereits im November 1923, gerade zwei Jahre später, war dann alles restlos über den Jordan. Man hatte garnicht mehr genug Nullen um die Preise noch zu definieren, ab 1924, knapp 10 Jahre nach Beginn des Dramas, gab es die Währungsreform. Schon Monate vorher, nur ein Jahr nach der trügerischen Ruhe, konnte man seine Brötchen mit Milliardenbeträgen pro Schrippe bezahlen: »Das war entsetzlich. Entsetzlich! Und es kam urplötzlich. Niemand war darauf vorbereitet. Die Regale in den Läden waren leer. Man konnte mit seinem Papiergeld nichts kaufen.“


Betrachten wir noch einmal die Daten der 20er Jahre in besserer Auflösung. Man sieht, dass eine Hyperinflation nicht in einem durch läuft, sondern dass sich diese wellenartig entwickelt und zwischendurch an verschiedenen Preisfronten wieder mal kurzzeitig (auf den grün bepfeilten Tableaus) zum Halten kommt. Auf obigem Bild erkennen wir besonders am externen Währungsstandard (Dollar gegen Reichsmark) etwa acht Wellen, deren Höhe zu-, und deren zeitliche Länge immer weiter abnimmt. Ab der fünften Wellen folgen alle 3 Monate weitere exponentielle Anstiege bis zum finalen Exitus. Wie man sieht, es kann erstaunlich schnell gehen, auch wenn man sich angesichts einer ruhigen Preisfront beruhigt fühlt. Die Indizes der Darstellung sind Dollar, Aktienpreise, Lebenshaltungskosten. Der Dollar war damals im Vergleich zur Reichsmark stabil und taugt daher als ein Referenzindex. Das ist heute allerdings völlig anders: Alle großen Weltwährungen, Dollar und Euro, aber auch Yen und Franken hängen mit im Strudel. Als unabhängigen Referenzstandard kann man daher heute nur etwa den Goldpreis nehmen.


Nun seit 2009 befinden wir uns genau in einer solchen Deflationsphase, wo die Preise ungewöhnlich stabil und sogar fallend sind. Wir müssen daher diese Phase etwas näher unter die Lupe nehmen, denn ein ähnliches Szenario wie in den 1920er-Jahren dürfen wir heute wieder erwarten. Zunächst wieder der Kernbereich der 23er-Hyperinflation. Wir sehen das sich während der noch ruhigen Phase der Dollar in mehreren Wellen aufbäumte, obgleich die Lebenshaltungskosten und auch die Aktienpreise weitgehend stabil blieben. Erst die dritte Dollarhausse brachte das Karussel in Schwung, Lebenshaltung und Vermögenspreise (Aktien) folgten auf dem Fuß. Die sechste bis achte Welle ist schon außerhalb dieser linearen Graphik, denn die Preissteigerungen überstiegen jedes denkbare Maß und lässt sich nur auf einer logarithmischen Skala, wie in obigen Graphiken, darstellen. Die zeitliche Länge der Wellen betrug dabei etwa (1w) 5 Jahre (2w) 9 Monate, (3w) 12 Mon. (4w) 4 Mon. (5w bis 8w) 3 Monate.


Mangels eines geeigneten Währungsstandards müssen wir heute aber den Goldpreis unter Beobachtung nehmen. Die letzten Graphiken sind die Notierungen der Londoner Goldbörse vom Januar 2000 bis zum Januar 2010. An dieser maßgeblichen Edelmetallbörse wird täglich zweimal der Goldpreis festgelegt. Seit 2000 hat sich der Preis pro Unze fast vervierfacht. Das etwas unterschiedliche Verhalten von Dollar, Pfund und Euro Notierung resultiert aus den schwankenden Wechselkursen.


Um diese und auch die kurzfristigen statistischen Schwankungen auszublenden normalisieren wir den Wert zunächst auf Basis des Januar 2000 und wenden ein gleitendes Mittel über 5 Monate an. Jetzt sind die Wellen der Notierungen besser zu erkennen. Wir sehen das sich Dollar, Pfund und Euro früher immer gleich bewegt haben, aber seit 2008 ist dies nicht mehr der Fall, da sich alle drei Währungen in leicht unterschiedlichen Turbulenzen befinden. Daher bilden wir in der nächsten Graphik den Mittelwert aller drei normalisierten Währungen, um diese Turbulenzen heraus zu filtern.


Jetzt erst sind die typischen inflationären Wellen des externen Währungsstandards zu erkennen. Sie sind (1w) 6 Jahre, (2w) 22 Monate, (3w) 12 Mon., (4w) 9 Monate und wir befinden uns nun offensichtlich am Anfang der 5.ten Welle.

Ist das etwa schon die fünfte und tödliche Welle, die der 1923-Hyperinfaltion voraus ging? Nun, es ist nicht unmöglich, jedenfalls muss man die Goldnotierungen im Auge behalten. Man muss berücksichtigen, dass einerseits der betroffene Wirtschaftsraum größer als 1920 und mit China eine große Senke vorhanden ist, aber andererseits natürlich auch vielmehr Schrottpapiere und schnellere computerunterstützte Derivatehändler unterwegs sind. Zudem bekämpfen die Notenbanken mit ihrer Liquiditätsflut zwar nicht die Ursachen, aber immerhin die Symptome, was bekanntlich auch oft lebensverlängernde Wirkungen hat. So darf man die absehbare Katastrophe diesmal etwas später erwarten, vielleicht hält das System eine, zwei oder auch drei Wellen mehr aus. Falls nicht, könnte die Inflation frühestens bereits Mitte 2010 starten, falls doch, kaum viel später als etwa in 2013. Die eigentliche Hyperinflation und fällige Währungsreform wäre danach etwa "um den Dreh" zwischen 2012/13 und 2016/17 anzunehmen.

Naja, nichts ist an der Prognose so schwierig wie die Vorhersage.... Das Problem des Durchschnittsparers ist natürlich rechtzeitig zu erkennen, wann er aus seinen Papierassets aussteigen soll. Wenn es nämlich erstmal losgeht, sind die brauchbaren Pfründe längst weg und nichts mehr zu holen: the early bird get’s the worm. Das Deutsche Historische Museum schreibt zum Abschluss seiner Darstellung: „...Zu den Verlierern der Inflation zählten vor allem diejenigen, die über keine "Sachwerte" verfügten und deren Ersparnisse von Stunde zu Stunde an Wert einbüßten. Demgegenüber profitierten Großindustrielle von der Geldentwertung: Vor allem Hugo Stinnes nutzte die Inflation, um sich über Kredite ein Wirtschaftsimperium zusammenzukaufen.“

Nun, das sagt schon das Wesentliche. Was könnten die politisch Verantwortlichen in dieser Situation nun tun, um das Absehbare abzuwenden? Ein drastischer und wirksamer Schritt wäre die sofortige Unterbindung des weltweiten Investmentbanking und die Vernichtung der riesigen und unsinnigen Derivate-Assets. Dies würde erstmal das Feuer im Ofen löschen, aber die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schrittes ist praktisch Null. Denn viel zu stark ist das Investmentbanking nicht nur mit den klassischen Geschäftsbanken, sondern auch mit der Gesellschaft und der Politik verwoben. Und man muss sich fragen, ob es überhaupt sinnvoll wäre. Denn in der Praxis sind höchstens halbherzige Schritte in diese Richtung möglich und zu erwarten, und diese würden das Leiden der Volkswirtschaften letzendlich nur mehr oder weniger deutlich verlängern. Möglich aber wären solche Schritte. Oder doch lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende?

Wir werden sehen was die Politik des Jahres 2010 noch so bringt.

Mittwoch, 13. Januar 2010

Liquidität und Inflation

Die Standardbehauptung der Staatsbanker, die derzeit das Weltfinanzsystem mit billigem Geld überfluten, ist, dass die rasant zunehmende Liquidität keinen besonderen Einfluss auf zukünftige Inflationsraten habe, sondern lediglich die Geldverfügbarkeit (Liquidität) des Finanzsystems fördern würden. Des weiteren wird behauptet, dass man die überschüssige Liquidität später wieder abschöpfen könnte.

In einem gewissen Sinne ist dies gar nicht so verkehrt. Denn die riesigen Vermögen die auf den Bankkonten vor sich hin dümpeln, und daher gar nicht in den Konsum und auch kaum in Investitionen gehen, sollten mangels tatsächlich ausgeübter Kaufkraft keinen negativen Effekt auf die Inflationsraten haben. Die Aktiva/Passiva der Banken an und für sich haben keinen Einfluß, es sind lediglich die Renditen die sich negativ auf das BIP auswirken. Denn diese müssen letztendlich, sei es direkt oder indirekt, aus dem aktuellen BIP gedeckt werden. Solange das Verhältnis Renditen zu Wachstum (BIP) einigermaßen ausgeglichen ist, ist auch das o.k. Problematisch wird es erst, wenn die absoluten Renditeforderungen an das BIP dessen Wachstum übersteigen. Vor der DotCom-Krise betrugen diese Renditeforderungen bis zum 12-fachen des Wachstums der Realwirtschaft.


So sind es zunächst mal auch nur diese Renditen, die die Inflation befeuern. Dazu schauen wir uns wieder die Daten der Bundesbank (Aktiva/Passiva) und des Statistischen Bundesamt (BIP) seit 1950 an. Die erste Doppel-Graphik zeigt das nominelle Wachstum der Aktiva und das des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die untere Teilgraphik ist das effektive Wachstum nach Abzug der offiziellen Inflationsrate. Wir sehen dabei drei Dinge: 1.) Das effektive prozentuale Wachstum der Vermögen übertrifft jederzeit das Wachstum des BIP, von zwei geringfügigen Ausnahmen abgesehen: Einmal Ende der 1960er Jahre und einmal Ende der 1980er Jahre. 2.) Das Wachstum des BIP folgt dem Wachstum der Aktiva in geringem Abstand. Das ist kein Wunder, denn das Wachstum der Renditen korreliert auch mit Kreditvergaben an die Realwirtschaft, die sich spätestens im Folgejahr mit entsprechenden Zuwächsen bedankt. 3.) Der positive Abstand der Renditen vom BIP-Wachstum war Anfangs des Wirtschaftswunders enorm, bis zu 16%-Punkte, und nahm später tendenziell immer weiter ab.


Die nächste Graphik zeigt nun den Zusammenhang zwischen der Differenz aus Vermögenswachstum und BIP-Wachstum zur offiziellen Inflationsrate. Wie man überdeutlich sieht, folgt die Inflationsrate dieser Differenz auf dem Fuße mit etwa einem Jahr Abstand. Denn die Differenz der Renditen korreliert letztendlich mit dem durch das BIP nicht gedeckten Anteil der Renditen, die nur durch Inflationierung gedeckt werden können. Diese Graphik hat allerdings noch einen Mangel: Der Liquiditätszuwachs ist nicht einfach von der prozentuallen Änderung, sondern vor allem vom zunehmenden Volumen der Vermögen betroffen.


Daher multiplizieren wir das effektive prozentuale Aktiva-Wachstum mit dem zugehörigen Aktiva/BIP-Verhältnis und erhalten die nächste Graphik. Im Vergleich mit der absoluten Wachstumraten erkennt man den Inflationsstau, der sich besonders in jüngster Vergangenheit aufgebaut hat.

Anhand dieser Daten lässt sich also belegen, dass der Liquiditätszuwachs tatsächlich die Inflation befeuert, wenn auch zunächst „nur“ über die Renditen. Für diese sind aber vorwiegend die Investmentbanker verantwortlich, denn mit normalen Kreditgeschäft ist für die Banken kaum noch ein Blumentopf zu gewinnen. Investmentbanking, dass ist heute vor allem das so genannte Eigengeschäft unter den Banken. Dabei werden zwischen den Banken Derivate, also aus Krediten abgeleitete Produkte, gehandelt, statt das die Bank klassisch nur als Makler zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer auftritt.

Desweiteren erkennen wir in der ersten Graphik interessante Effekte. So nahm die Spreizung zwischen Gewinnen aus Vermögen und Gewinnen aus Produktion von 1950 bis 1969 immer weiter ab, um am Ende sogar negativ zu werden. Das klassische Bankgeschäft des Kreditvermittlers hatte sich regelrecht totgelaufen. Das dann 1971 die anteilige Goldbindung aufgehoben und eine reine Schuldenbindung eingeführt wurde, ermöglichte dann eine neue Runde der Gewinnmitnahmen. Diese beiden Jahresdaten korrelieren ganz bestimmt nicht zufällig, sondern der Druck der Banker auf die Politik musste genau in diese Richtung zielen, um das eigene Geschäft wieder flott zu machen. Trotzdem vermindert sich die Spreizung bald wieder zu Null und wurde 1990 sogar wieder negativ.

Ergo brauchte man die nächste Stufe, nämlich die Zunahme des Investmentbankings und die Erlaubnis, auch den Eigenhandel unter den normalen Geschäftsbanken durchzuführen. Schon seit dem Ende der 1980er Jahre war eine zunehmende Übernahme von Investmentbanken durch Universalbanken zu beobachten. So wurde 1999 der Glass-Steagall Act von 1933, der nach der Wirtschaftskrise der zwanziger Jahre eingeführt wurde, aufgehoben und erlaubte nun auch offiziell den Banken ihr eigenes Spielcasino zu betreiben. Daraufhin explodierte das Geschäft schlagartig und mündete schnell in die DotCom-Krise. Kaum hatte man sich 2003 davon erholt, wurde die nächste Sau durchs Dorf getrieben, diesmal die unseeligen Subprime-Derivate. Der Crash folgte spätestens Ende 2008. Diesmal konnten die Banker aber die Verluste nicht mehr selbst auffangen, da sie ihre relativ zum Gesamtvolumen immer dünner gewordene Eigenkapitalbasis deutlich überstrapazierten. Der Staat hat es gerichtet und das klebt nun dem Steuerbürger wie Blei an den Füßen; und die nächste Sau jagt schon längst wieder durch die Gassen. Auch die wird bald krepieren, das mit kostenlosen Liquiditätsspritzen gemästete Nutztier heißt jetzt vor allem CarryTrades.

Es ist in der Tat das Investmentbanking, dass das wesentliche Problem darstellt. Denn es lässt sich zeigen, dass das klassische Bankgeschäft bei gesättigten Volkswirtschaften uninteressant wird, weil die Zinsen für normale Kredite wegen des zunehmenden Überangebots an Geld langsam gegen Null laufen. Aber dazu mehr in einem späteren Artikel.

Und das Überangebot wird über kurz oder lang in Sachwerte fließen, und die Inflation dann erst richtig befeuern. Denn die überschießende Liquidität kann, etwa von der FED, gar nicht wie behauptet effektiv vom Markt genommen werden. Dafür müsste man nämlich einerseits die Zinsen wieder merklich anheben, was aber die CarryTrades der letzten Monate erdrutschartig in Bewegung setzt. Zweitens müsste man die Staatsanleihen, die man in letzter Zeit massenweise zur Geldvermehrung zurück gekauft hat, wieder an Interessenten bei den Bankern und Anlegern abstoßen. Die werden aber vermutlich den Teufel tun.

Und die Vertrauenskrise in die Wertbeständigkeit der Bankkonten nimmt langsam Fahrt auf, wie das Manager-Magazin schreibt: „..."Die Inflationserwartung an den Märkten nimmt sowohl für die USA als auch für den europäischen Raum seit Monaten zu", sagt Stefan Freytag, Vorstand der Wilhelm von Finck AG. "Im Januar 2009 spiegelte sich in der Bewertung der inflationsgeschützten Bundesanleihe mit fünf Jahren Laufzeit noch ein Erwartungswert von durchschnittlich 0,4 Prozent Geldentwertung pro Laufzeitjahr. Im Juli vergangenen Jahres waren es schon 0,85 Prozent." Inzwischen, so der Vermögensverwalter, ist der Wert auf 1,45 Prozent angestiegen. Tendenz: weiter steigend... Noch nie in der Geschichte wurden ähnliche "Abermilliardenbeträge" in das Weltfinanzsystem gepumpt wie in den vergangenen Monaten. Es sei daher denkbar, "dass am Ende - insbesondere, wenn die derzeit eifrig diskutierten Exitstrategien der Notenbanken auf sich warten lassen - doch noch inflationäre Tendenzen aufkommen....“

Das Ende allen Unglücks wird schließlich durch eine so genannte Kaufhausse ausgelöst, die dann entsteht, wenn die Marktbeteiligten ihren Anlagen nicht mehr vertrauen und diese gegen Sachwerte aller Art eintauschen möchten. Selbst nur ein Bruchteil der Passiva=Vermögen überfordert dann aber die Volkswirtschaft komplett, so wie 1923 schon einmal praktiziert.

Montag, 11. Januar 2010

Welt am Scheideweg

"...Wahnsinn war für Albert Einstein die Dummheit, immer das Gleiche zu tun, aber andere Ergebnisse zu erwarten. Das gilt auch für den Glaubenssatz »Wachstum, Wachstum über alles«. Ost und West, Nord und Süd sind sich einig wie feindliche Zwillinge, dass dies der Garant für Wohlstand und Beschäftigung ist. Sinkt das Wachstum, verfallen ganze Nationen in kollektive Depression...." schreibt jüngst die ZEIT: "...Studien von William Clark belegen, dass in den vergangenen 40 Jahren die Natur weit stärker geschädigt wurde als in den 500 Jahren zuvor. In der Prognose der Internationalen Energieagentur steigt der Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 um weitere 60 Prozent an, überwiegend aus fossilen Quellen. Allein in den vergangenen acht Jahren erhöhte sich die Konzentration des klimaschädlichen Kohlendioxids um 30 Prozent."

Wirtschaftlicher Wohlstand und Klimaerwärmung sind eng korreliert ([1],[2]). Eindrücklich lässt dies auch ein simpler Vergleich zwischen der Klimaerwärmung und dem Verlauf des BIP bzw. Vermögensentwicklung der, für die Welt beispielhaften, BRD erahnen. Denn Wohlstand entsteht aus dem Verbrauch von Rohstoffen und deren, immer Energieverbrauch behafteten, Verarbeitung zu höherwertigen Produkten. Dies ist gänzlich unvermeidlich. Selbst wenn bessere Umwelttechniken einen etwas besseren spezifischen Energieverbrauch pro Wohlstandseinheit ermöglichen, es macht den Bock leider nicht fett. Es bleibt letzendlich eine Marginalie.

Macht ist Geld, Geld ist Wohlstand, Wohlstand ist Rohstoff- und Energieverbrauch. Nicht von ungefähr sind damit Kriege und kriegsähnliche Zustände korreliert: "....Um das knapper werdende Öl wird seit mehr als 20 Jahren Krieg geführt. Viele Konflikte in Afrika sind nur vor dem Hintergrund des ökologischen Kolonialismus zu verstehen, mit dem sich China, die USA, Russland oder auch EU-Staaten den Zugriff auf Rohstoffe sichern wollen. Seit 1992 gehört das zum Aufgabenkatalog der Nato." schreibt die ZEIT weiter. Diesem fatalen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wohlstand, Klimawandel und Kriegen ist schwer zu entgehen: "....Ohne grundlegende Wirtschaftsreformen wird sich nichts ändern. Die Klimakrise wie die Finanzkrise sind zwei Seiten des Wirtschaftskriegs mit der Zukunft, getrieben von der Finanzgier des Kapitalmarkts und der Ausplünderung der natürlichen Lebensgrundlagen. Dieser Krieg kann nicht mit denselben Methoden beendet werden, mit denen er immer noch geführt wird. Vielmehr müssen wir die Ursachen, Triebkräfte und Interessen dahinter verstehen. Dann erst ändert sich etwas.....Es geht um Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit. Ohne eine im wahren Sinne des Wortes nachhaltige Kultur, die Genügsamkeit und Selbstbeschränkung kennt, sind diese Werte nicht zu verteidigen oder zu erreichen."

In einer Welt des wirtschaftlichen Niedergangs steigt die Bereitschaft zur Fluchtnach vorne. Heute führt der Focus ins Feld: "...Die USA schließen einen Angriff auf den Iran nicht mehr aus. Nach Worten des für die Region zuständigen Generals Patraeus haben die US-Streitkräfte „Notfallpläne“ für mögliche Militärschläge gegen iranische Atomanlagen ausgearbeitet...Mit Blick auf stark gesicherte und teilweise unterirdische iranische Atomanlagen meinte der General: „Natürlich können sie bombardiert werden.“". Zumal der Iran zur Zeit ein schwaches Bild abgibt, Im SPIEGEL-Interview warnte Said Montaseri kürzlich "...vor dem Untergang des Gottesstaates. Sollte etwa der iranische Oppositionsführer Mussawi getötet werden, hätte das "katastrophale Folgen"." Der schon lange in der Luft liegende Schlag gegen das Mullahregime ist auch für den Friedensnobelpreisträger Obama zu verführerisch. Aber die Folgen sind eine Destabilisierung der notorischen Unruhegegend des Nahen Ostens; der anstehende Schlag des Westens gegen den islamischen Staat wird nicht nur den Iran ins Schwimmen bringen. Die westlichen Verbündeten und Regionalmächte Saudi Arabien und Israel geraten dadurch ebenfalls mittelfristig in eine kritische Situation.

Zwar ist ein Atomstaat und Regionalmacht Iran nicht wirklich prikelnd für uns, aber man wird wohl hier den Teufel mit Beelzebub austreiben. Zunächst wird es zu großer Empörung gegen den Westen und gegen Israel im arabischen Raum kommen. Mit dem unaufhaltsamen Niedergang des US-Dollars folgt danach, über kurz oder lang, Saudi Arabien durch riesige Abschreibungsverluste in den Strudel politischer Umwälzungen. Welche Regime dann in Iran und Saudi-Arabien residieren bleibt ungewiss, dass sie uns jedoch nicht sonderlich freundlich gestimmt sein werden ist um so gewisser. Mit dem Kollaps von Dollar und Euro wiederum verfällt auch die Fähigkeit der Nato für Israel in einer eventuellen Neuauflage eines isarelisch-arabischen Konflikts einzugreifen. Letztlich bringt man das was man schützen will, nämlich einerseits die Ölvorräte, andererseits die westliche Enklave Israel, auf die Abschußrampe. Denn die Kriegsregionen Irak und Afghanistan, aber auch die weiteren islamischen Regionalmächte Ägypten und vorallem Pakistan sind nicht auf ewig für den Westen aboniert. Da kann es schnell eng werden.

So schreibt die WELT heute: "....Die wirtschaftliche und politische Lage ist schlimmer als die meisten annehmen. Die große Aufgabe der Bundesregierung besteht darin, die Wirtschaft zu retten. ..... Es ist eine sehr enge Verbindung mit der Finanzwirtschaft eingegangen und hat letztendlich deren Sichtweise auf das Wirtschaftsgeschehen übernommen. Mit diesem Schritt verlor die Politik über die Jahre hinweg nicht nur den Blick auf die ökonomische Realität, sondern tatsächlich auch ihre Macht. Das zeigt sich besonders jetzt in der Krise, denn sie hat praktisch keinen Einfluss mehr auf die realwirtschaftlichen Entwicklungen und verliert zunehmend das Vertrauen der Gesellschaft....Dagegen stellt das, was der Finanzwirtschaft flankiert von der Wirtschaftswissenschaft gelungen ist, alles Vorstellbare in den Schatten. Sie haben es tatsächlich geschafft, in der öffentlichen Wahrnehmung wesentliche Teile des gesamten Wirtschaftsgeschehens vollständig auszublenden und ausgerechnet ein „Spielcasino“ als zentrales Organ der Wirtschaft zu etablieren. ... Es fand im wahrsten Sinn des Wortes der Zug der Lemminge statt."

Und die Politik steht dem Desaster, das gerade erst beginnt, hilflos gegenüber: "...Für die Politik ist die Situation ein Desaster. Viele Akteure der Finanzwirtschaft haben sich als skrupellose Zocker entpuppt und die Wirtschaftswissenschaft hat dieses Treiben mit realitätsfremden Theorien legitimiert. ...Alle Fixpunkte, die früher der sicheren Orientierung dienten, stellen sich inzwischen als Trugbilder heraus. Da der Politik ökonomische Kompetenz fehlt, steht sie jetzt vollkommen orientierungslos der wirtschaftlichen Realität gegenüber: Die Finanzwirtschaft ist wieder in ihre alten Verhaltensmuster zurückgefallen und produziert mit noch mehr Liquidität bereits die nächste Krise. Die Wirtschaftswissenschaft befindet sich in einer Selbstfindungsphase, deren Ende nicht abzusehen ist und es darf bezweifelt werden, ob dabei für die Gesellschaft überhaupt etwas Brauchbares herauskommt. Währenddessen setzen sich in der Realwirtschaft die Erosionsprozesse ungehindert fort. Die Lage wird immer unübersichtlicher, die Meinungsäußerungen aus der Politik werden immer chaotischer, weit und breit ist kein vernünftiger Lösungsansatz zu sehen, und es regiert nur noch das Prinzip Hoffnung."

Das Jahr 2010 beginnt spannend zu werden. Fragt sich allerdings, ob wir diesen Krimi wirklich bestellt haben.

Donnerstag, 7. Januar 2010

Weimar 2.0: Die Ruhe am Strand


Weihnachten vor fünf Jahren. Touristen genießen in Phuket den frühen Morgen an den Stränden. Gegen acht Uhr zieht sich das Meer ungewöhnlicherweise um einige hundert Meter zurück. Das ungewöhnliche Phänomen lockt viele Menschen zum Meer hin, um die nun dort auf dem trockenen zappelnden Seekreaturen zu bewundern. Die meisten aber bleiben gelangweilt auf ihren Badedecken liegen. Nur ganz Wenigen ist dieses typische Vorzeichen einer kommenden Katastrophe bekannt, denn bei einem schweren Seebeben zieht sich häufig das Meer weit zurück bevor Minuten später eine umso gewaltigere Welle heranstürmt. Die aufgeklärten Beobachter treten die sofortige Flucht in höher gelegenes Gelände an und retten sich damit. Fünfzehn Minuten später beginnt für die Zurückgebliebenen das große Sterben: In den nächsten Minuten und Stunden kommen 231000 Menschen in den bis zu sechs aufeinander folgenden Flutwellen des Tsunamis, ausgelöst durch das Sumatra-Andamanen-Beben vom 26. Dezember 2004, um.

Die Time-Reporterin Ripley äußerte dazu in einem Interview: "Frage: Viele Opfer des Tsunami hätten überleben können, wenn sie die Warnsignale wie schnell zurückfließendes Wasser und unruhige Tiere richtig gedeutet hätten. Warum haben wir derart verlernt, unsere Umgebung zu verstehen? Ripley: Selbst in Gebieten, in denen es häufiger zu Katastrophen kommt, legen Hotels keine Warnhinweise in den Zimmern aus - weil sie die Gäste nicht mit so was belasten wollen. Wir leben immer verstreuter und schneller und verlieren das Wissen, das früher in der Gruppe weitergegeben wurde. Dazu kommt diese hässliche Angst vor Verantwortung. Gleichzeitig vertrauen wir immer mehr auf Technik. Wir warten also auf eine Meldung des Satellitenwarnsystems, während uns früher unsere Großeltern erzählt hätten, wie die Vorzeichen eines Tsunami aussehen und dass wir dann besser schnell auf einen Berg steigen sollten."

Nun, was hat diese kleine Geschichte mit der so genannten Finanzkrise zu tun? Es ist das, das die jetzige Situation bezüglich der Weltökonomie absolut vergleichbar ist der Situation der Menschen Weihnachten 2004 am Strand, an dem sich das Meer scheinbar unerklärlich weit zurückgezogen hat. Auch sind es wieder nur ganz wenige Ökonomen, die die Vorzeichen richtig einzuschätzen vermögen. Die Masse schaut gelangweilt zu, die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wollen ihre Klientel lieber nicht mit Warnhinweisen belasten, und man vertraut auf unsichere technische Hilfsmittel wie etwa die Börsenorakel und Unternehmensumfrageergebnisse. Die relative Idylle täuscht über die drohende Katastrophe hinweg. In der Tatsache rollt aber auf uns eine Finanztsunami zu, die die Katastrophe von 2004 noch weit in den Schatten stellen wird, auch und sogar im Hinblick auf die damit verbundenen weltweiten Zerstörungen und Todesopfer.

Übrigens dauert das Eintreffen einer Tsunami-Flutwelle zwischen etwa 5 und 45 Minuten nach dem zurückziehen der See, und so schwierig wie die für die Fluchtstrategie so wichtige Vorhersage am Strand ist, ist jetzt die Vorhersage, wann die eigentliche Finanztsunami einschlägt. Nur die Wahrscheinlichkeit, das sie kommen wird, ist praktisch hundertprozentig. Durch analytischen Vergleich mit den Finanzzusammenbrüchen des letzten Jahrhunderts kann man dazu etwas mehr sagen, das werde ich in einem meiner nächsten Blogbeiträgen vornehmen.

Schauen wir also derweil auf den freigelegten Seeboden und die darauf zappelnden Kreaturen. So schrieb der Spiegel kürzlich: "Es ist der Skandal des Jahres: Die Investment-Banker, die fast die Welt in den finanziellen Abgrund gerissen hätten, spielen wieder ihr Billionen-Monopoly. Wir erleben jetzt den Showdown zwischen einer globalen Geld-Oligarchie und der Politik..."

Genau das ist die Realität. Kurz nach dem Schock der Lehmann-Pleite waren weltweit Politiker zu Änderungen am viel zu freien Finanzhandel bereit. Doch außer viel Gerede ist nicht dabei herum gekommen. Ganz im Gegenteil wurde die Finanzwirtschaft, und vor allem die brandgefährliche Investmentsparte, von weiteren Fesseln befreit. Im Ergebnis des G20-Gipfels dürfen die Banken nun ihren wahren Finanzstatus noch undurchsichtiger gestalten als vorher, indem die eh schon schwachen Bilanzierungsvorschriften weiter entschärft wurden.

Weiter lesen wir: "... Wer solche Renditen erwirtschaften will, der braucht schon die ganz große Geldmaschine, das Investmentbanking - er braucht: Mega-Transaktionen mit Wertpapieren jedweder Art, den sogenannten Eigenhandel, also die Spekulation auf eigene Rechnung, Derivate, also die Kreation und den Verkauf abgeleiteter Wertpapiere. ...Sie sind wieder da, die Investmentbanker, die Masters of the Universe. ...Und zugleich der Skandal des Jahres, wenn nicht der ganzen Epoche."


Ausgerechnet die Profiteure des entfesselten Kapitalismus der Nach-Reagan-Zeit, die mit ihren Spielbankmethoden das Finanssystem völlig überdehnt haben, die dann die westlichen Demokratien dazu zwangen die Belastungen der längst vorhersehbaren Zusammenbrüche auf den Durchschnittsbürger abzuwälzen, die machen seit Monaten wieder genauso weiter wie vorher: "...Während die Realwirtschaft sich nur mühsam nach dem Tiefschlag der Finanzkrise aufrappelt und die Arbeitslosenzahlen allerorten weiter steigen, melden die großen Investmentbanken Rekordgewinne und verteilen fröhlich dicke Boni....Sie profitieren von dem Notenbankgeld, das es für sie praktisch zum Nulltarif gibt. Sie sind es, die all die Schuldscheine der Regierungen an die Investoren weiterreichen und satte Provisionen bei diesem Geschäft einstreichen. "Ich bin wirklich schockiert, wie wenig sich geändert hat", sagte kürzlich kein Geringerer als Ed Yardeni, der ehemalige Chefstratege im Investmentbanking der Deutschen Bank...."

Zu recht nannte Bundespräsident Köhler, selbst Bankfachmann, das Investmentbanking ein "Monster". Ein Monster, das die Politik selbst gezüchtet hat und von dem sie sich bis heute umschmeicheln lässt. Schlimm genug, aber schlimmer noch dass sich die westlichen Demokratien völlig unfähig zeigen, das Monster in den Griff zu bekommen: "...Dies sind Wochen einer historischen Weichenstellung. Es wird sich spätestens Anfang 2010 erweisen müssen, ob die Staaten und ihre Bürger tatsächlich hilflos einer global agierenden Finanz-Oligarchie ausgeliefert sind, wie es derzeit den Anschein hat."

Die Finanzindustrie zeigt natürlich keine Spur von Resignation, die Zeiten für Finanzhändler sind so rosig wie noch nie: "...Wir sind derzeit Zeuge, wie eine kleine Clique von Geldhändlern die Regierenden und die gewöhnlichen Steuerbürger regelrecht vorführt und verhöhnt. Dies seien "die profitabelsten Zeiten, die es jemals gegeben hat", sagt ohne jedes Zeichen von Scham Bill Winters, der Chef des Investmentbanking von J.P. Morgan.Lloyd Blankfein, der Chef der Über-Bank Goldman Sachs..."Ich bin bloß ein Banker, der Gottes Werk verrichtet.""

Und die Demokraten des Westens sind völlig überfordert, irgendetwas nachhaltiges daran zu ändern. "...Die Regierenden in London und Washington haben ihre Länder im vergangenen Jahrzehnt abhängig gemacht vom Wohlergehen der Geldbranche. Die Wall Street regiert schonseit langem in Washington mit. London ist nach New York das zweitgrößte Zentrum der Hochfinanz und will es bleiben; da darf man das Monster nicht mit allzu lästigen Auflagen verärgern. Und die Chinesen hoffen darauf, in jene Geschäfte einsteigen zu können, die im Westen nicht mehr möglich wären.". Und die Risiken des gewaltigen Vermögensüberhangs sind kein bisschen weniger geworden, im Gegenteil: ".. Die Risiken werden sogar noch größer. Zum einen, weil die großen Banken dank der Krise und dem Exitus mancher Konkurrenten noch größer geworden sind. Zum anderen, weil sich die Banker nach den Erfahrungen der vergangenen 14 Monate sicher sein können, dass der Staat sie im Falle eines Falles vor der Pleite bewahrt - und sie deswegen umso unverdrossener in die Risiken einsteigen..."


Diese unentwirrbare Verquickung von Politik und Finanzgewerbe wird mittelfristig in die Katastrophe münden. In Diktaturen hat uns solches Verhalten und das absehbare Ende noch nie verwundert. Aber ausgerechnet die westlichen Demokratien, auf deren Kräfte wir so stolz sind und waren, die zeigen sich genauso unfähig. Gespeist aus gierigen Finanzwirten, willfährigen Politikern, Gefälligkeitsökonomen, mangelhaft unbissigen Journalisten und irritierten, desinformierten und oft auch desinteressierten Bürgern. Vor allem ist es Letzterer, der die Zeche bezahlen soll und der sobald das, spätestens nach dem Fußballrausch des Sommers 2010, konkret wird, auch sprunghaftes Interesse zeigen wird. Und dann muss bald die Systemfrage gestellt werden: "...Es ist auch in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung mit ihren systemrelevanten Einkommensunterschieden nicht dauerhaft hinnehmbar, dass eine kleine Gruppe von Zeitgenossen Gewinne von geradezu obszönen Dimensionen einstreicht; eine Gruppe zumal, die kein eigenes Geld riskiert und keinerlei reale Werte schafft.Und noch unerträglicher ist es, dass uns diese Finanzaristokratie mit ihrem Billionen-Monopoly, wie derzeit allenthalben befürchtet wird, erneut in ein das System sprengende Bankendesaster treibt - dann allerdings eines, in dem die Regierungen gleich mit in die Zahlungsunfähigkeit rauschen würden, mangels weiterer Kreditwürdigkeit. ..."

US-Prasident Obama wehrt sich tapfer auf verlorenem Posten: "... "Ihr nehmt Boni von zehn, zwanzig Millionen Dollar in Anspruch, nachdem Amerika wirtschaftlich das schlimmste Jahr seit Jahrzehnten durchgemacht hat, und ihr habt das Problem verursacht." Gut gebrüllt. Aber die Entscheidungen trifft nicht der wohl gesonnene Präsident, sondern letztlich der Kongress. Und da sitzen dank Lobbyistenarbeit mehr Freunde als Gegner der Wall Street. ...". Eine Chance auf grundlegende Änderungen hat er nicht, zumal das Personal des US-Finanzministeriums und die engsten Finanzberater unmittelbar aus ehemaligen Managern des Investmentbankings, so etwa Goldmann-Sachs, rekrutieren. Und so fluten die Zentralbanken weiter das System mit kostenlosem Geld, das von den Finanzjongleuren ungeniert und unbehindert in ihr Schneeballsystem der wundersamen Geldvermehrung eingespeist wird. Allen voran die USA können damit gar nicht aufhören, wohl wissend dass, sobald man allzu heftig auf die kaum vorhandenen Bremsen tritt, der völlig überladene Karren umstürzen wird, um eine noch nie da gewesene Finanztsunami zu entfachen.

Unsere Demokratien stehen faktisch vor der bedingungslosen Kapitulation: "...Was derzeit bei den globalen Bemühungen um eine neue Finanzarchitektur passiert, ist die bevorstehende Kapitulation demokratischer Regierungen vor der Macht des Geldgewerbes. ..Das Zwillingspaar Demokratie und Marktwirtschaft, das sechs Jahrzehnte in der westlichen Welt so hervorragend funktioniert, das Freiheit und Wohlstand geschaffen hat - diese segensreiche Kombination versagt bei der Aufarbeitung der Finanzkrise. ..Die überfällige Zäsur, die Entmachtung des Investmentbanking, wird, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, ausbleiben. Wir dürfen weiter zusehen, wie sich eine kleine Schar von Geldhändlern auf das Unanständigste bereichert und das Wohlergehen von Milliarden Menschen aufs Spiel setzt..."

Zwar ist Deutschland bei weitem nicht so von den entfesselten Investmentbankern abhängig wie die USA oder Großbritannien, aber auch hierzulande wehrt sich kein Demokrat mehr wirklich ernsthaft. Der Idee einer Bonibesteuerung, sowieso nicht mehr als ein winziger Tropfen auf einem rot glühenden Stein, erteilte Finanzminister Schäuble eine klare Absage: „...Aus der SPD kam am Mittwoch auch deshalb prompt der Vorwurf, Schäuble gehe der Finanzbranche auf den Leim. Der Minister erklärte, die Bundesregierung diskutiere derzeit mit ihren internationalen Partnern, wie die Finanzbranche als Mitverursacher der aktuellen Krise an den Kosten der Krisenbewältigung beteiligt werden kann. Zu den Konzepten gehöre auch eine international abgestimmte Finanztransaktionssteuer, sagte Schäuble. ...“

Außer Konzepten wird daraus aber nicht viel werden, zumal es das Grundproblem des Finanzüberhangs auch nicht löst. So was lässt sich nur im Alleingang machen, und es täte dem Standort Deutschland mittelfristig sogar besonders gut. Denn durch eine einseitige Besteuerung von Finanztransfers würde das überflüssige und schädliche Investmentbanking aus Deutschland raus und in andere kranke Ökonomien reingedrängt. Die könnten sich dann mit dem Problem rumschlagen, während unsere Banken sich wieder auf das gesunde, wenn auch scheinbar weniger profitable, Geschäft der Kredite mit der Realwirtschaft konzentrieren müsste.

Aber davon dürfen wir nur träumen.

Sonntag, 3. Januar 2010

Tandemvipera's Neujahrsgruß

Das Jubiläumsjahr 2009 ist um, das neue Jahrtausend wird zweistellig, es lebe das neue Jahr 2010. Auch im neuen Jahr wird der Fokus dieses Blogs auf der Beobachtung und Analyse der sogenannten Finanzkrise liegen. Aber auch das Sonstige soll nicht unbeachtet bleiben. In ersten Jahr 2009 hatte dieser Blog rund 8000 Seitenzugriffe aus 51 Ländern der Erde. Ich danke allen meist unbekannten Besuchern und insbesondere denjenigen, die Kommentare und Mails an mich sandten. Bitte nutzen Sie die Möglichkeiten zur elektronischen Kommunikation, ich werde im Rahmen meiner Zeit versuchen alle Mails und Kommentare ausreichend zu beantworten.

Was wird uns in 2010 nun beschäftigen?

Finanzkrise: Sie ist noch lange nicht vorbei, da es sich eben nicht um eine der vielen lapidare Finanzkrisen, sondern um eine fundamentale Systemkrise handelt. Da sie bislang nur an den Symptomen und nicht an den Ursachen behandelt wird, ist ein unmittelbares Ende nicht abzusehen. Zumal sie mit denselben Mitteln bekämpft wird, mit denen sie verursacht wurde: Schulden. Wobei die Schulden des Einen immer die Vermögen der Anderen bedeuten. Das macht ihre Bekämpfung politisch praktisch unmöglich; technisch dagegen wäre es relativ einfach: Man müsste "nur" möglichst schnell rund zweidrittel aller Vermögen vernichten.



Europa: Ein Land nach dem Anderen schlittert in die Pleite. Kleine Länder wie Island oder Dubai können noch leicht von den Anderen aufgefangen werden. Aber auch die Großen schlittern schon, manche sind technisch schon Pleite wie USA oder Großbritannien, aber werden das noch lange kaschieren können. Mit Griechenland (12 Mio. Einwohner) musste aber Ende 2009 schon das erste EURO-Land den politischen Offenbarungseid leisten. Der Euro, aber auch die EU selbst, gerät damit auch an den Rand des Abgrunds.

Welt: Führungsmacht in der Welt ist nicht nur die Macht mit dem größten Militär, sondern vor allem die ökonomische Kraft, die diese gewaltige Militärmaschinerie bezahlen kann. Mit der völligen Überschuldung der USA gerät damit auch die weltweite Verteilung der Macht ins Wanken. Insbesondere weil das Wohl und Wehe des Dollars an der weiteren Finanzierung der US-Schulden durch die aufsteigende Weltmacht China hängt. Wie lange wird das noch gut gehen? Schon jetzt bestimmen die Chinesen wo es lang geht, so etwa bei der chaotisch endenden Klimakonferenz von Kopenhagen. Wann endlich reißen sich die Chinesen Taiwan unter den Nagel? Mehr als eine diplomatische Note wäre seitens der USA schon heute nicht zu erwarten. Aber China hat selbst innere Probleme: Die ausstehende Demokratisierung des Landes, die unterdrückte Opposition und die Menschenrechte, die Sozialversicherungen, der Männerüberschuß auf dem Lande, die Überhitzung der Konjunktur und damit die zum Bersten gefüllte Börse, die Dollarbindung der Landeswährung und vieles mehr.

Krieg und Frieden: Auf nachhaltigen Frieden im Nahen Osten und Afghanistan kann man nicht mal hoffen, aber es kommen weitere Konfliktherde hinzu. Der Iran steht seit den gefälschten Wahlen in 2009 zunehmend auf der Kippe. Zwar wird kaum einer im Westen einem scheidenden Mullahregime nachtrauern, aber was danach kommt muss nicht unbedingt besser sein. Zumal die lokale Hegemonialmacht Iran durchaus für eine gewisse Stabilität in dieser Gegend sorgen konnte. In Afghanistan steht auch die Bundeswehr im Krieg und von der Erreichung des ursprünglichen Zieles, der Etablierung eines stabilen demokratischen Systems dort ist man so weit entfernt wie nie zuvor. Der unheilvolle Zusammenhang dieser Kriegsregion mit der Atommacht Pakistan verheißt nicht viel Gutes. Etwas weiter östlich grüßt dann auch schon Nordkorea. Das ganze Menu wird zusätzlich angeheizt durch die historische verbürgte Tatsache, dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten Aggressionen und Tendenzen zur Flucht nach vorne zunehmen: Krieg gilt oft als letzter Ausweg um innere Konflikte zu übertünchen und alte Rechnungen zu begleichen.

Deutschland: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Anfang Mai ist in NRW die Landtagswahl zu bestreiten. Das größte deutsche Bundesland entscheidet über seine Vertretung im Bundesrat mit über die Handlungsfähigkeit der amtierenden Bundesregierung. Bis zum Wahltag muss die Regierung Merkel/Westerwelle also den Ball flach und die Wähler bei der Stange halten. Spannend also, ob es ihr gelingt die vorgesehenen Grausamkeiten an der Mittelschicht so lange noch zurück zu halten. Zumal neben der Rekordverschuldung weitere Belastungen unausweichlich sind. Die nächste Blase steht vor dem Platzen, die Garantien aus den Sondervermögen zur Bankenrettung werden sukzessive fällig, die künstlich durch Abwrackprämie und Kurzarbeitergeld aufgeblähte Konjunktur verlangt nach weiteren Stützungsmaßnahmen, die notleidenden Sozialkassen sind Kredit gestützt zu füllen, und die Kollapspartner wie Griechenland müssen auch noch vom größten Nettozahler der EU gefüttert werden.


Demokratie und Weimar 2.0:
Aussicht auf Besserung der Krise: Nicht wirklich. Zumal die Drohung mit der selbst gelegten Fußangel der grundgesetzlichen Schuldenbremse der Handlungsspielraum auf nahezu Null reduziert wurde. Aber mit Sparen ist die Kuh, trotz allem Populismus in diese Richtung, nicht vom Eis zu bringen. Denn mit einer Staatsquote von rund 50% ist der Staat in Deutschland praktisch der größte Arbeitgeber überhaupt und tritt als direkter und indirekter Finanzier von etwa der Hälfte aller Arbeitsplätze auf. Nicht zuletzt der Grund dafür, das wir bislang auf dem Arbeitsmarkt noch ziemlich glimpflich davon kamen. Aber das wird nicht ewig so bleiben, denn öffentliches Sparen bedeutet unterm Strich den Verlust von Arbeitsplätzen, und keineswegs nur im öffentlichen Dienst sondern gleichermaßen auch in der privaten Wirtschaft. Mit den sozialen Verwerfungen nehmen unweigerlich die Gefahren für die Demokratie zu, denn man muss schlüssig erklären können, warum man unten alles weg nimmt um das zu finanzieren, was man oben in der Gesellschaft reichlich auf den Gabentisch legt. Mit solchem Gehabe ist ein demokratisches System aber in Frage gestellt. Dazu passt dann auch die zunehmende Tendenz demokratische Freiheiten zu unterminieren um den zu erwartenden Widerstand aus allen Richtungen zu behindern: Telefon- und Internetüberwachung, Beeinflussung und Behinderung der freien Pressearbeit, Nacktscanner am Flughafen, Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen etc. pp. wird uns in Atem halten.

Fußball WM 2010 in Südafrika: Nicht umsonst hat Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Grausamkeiten für den Sommer 2010 angekündigt: Oben geben, Unten nehmen. Wenn die Nationalelf wie so häufig bis in die Finalen kommt, dann geht im allgemeinen Fußballrausch das Streichkonzert in Berlin völlig unter. Interessant wird, neben den hoffentlichen Erfolgen unserer Elf, aber auch die Randbedingungen in Südafrika sein. Denn die Sicherheitslage für Touristen ist dort schon in normalen Zeiten nicht immer gesund. Aber natürlich wird uns am meisten aufregen, ob die Deutsche Mannschaft nun einen entscheidenden Elfmeter "verballackt" oder nicht. Und auch ich werde wohl vor irgendwelchen öffentlichen Videoleinwänden jubeln oder trauern.


So wünsche ich allen Lesern ein frohes und interessantes Jahr 2010. Zweiteres kann ich zumindest fest versprechen.