Donnerstag, 4. März 2010

Griechenland: Ein Sanierungsfall der keiner ist

Nach Hartz-IV-Bashing erleben wir zur Zeit das Attika-Bashing als neue Variante eines Problems, das keines ist. Jedenfalls nicht in der suggerierten Form. Natürlich muss sich Griechenland vorhalten lassen, jahrzehntelang mit geschönten Zahlen hantiert zu haben. Und Steuerflucht und Korruption in selten auffälliger Weise toleriert und sogar gefördert zu haben und ständig mehr Geld aus zu geben, als man einnimmt. Alles Symptome aber mit denen die Anderen, die jetzt mit dem Finger nach Athen zeigen, auch mehr oder weniger stark zu kämpfen haben.

Symptome der gleichen Krankheit des gleichen Virus, den alle westlichen Gesellschaften lange schon im Blut haben. Nur das schon immer Griechenland weniger Abwehrkräfte gegen diese Krankheit besaß. Schlimmer noch, es wurde zusätzlich, wissentlich der Immunschwäche, mit diesem Virus infiziert. Und zwar von Denjenigen die jetzt angesichts der saftigen Arztrechnung, die sie wegen der Zahlungsunfähigkeit des Patienten wohl oder übel übernehmen müssen, zu jammern beginnen.

Das Attika die Infektion mit dem Euro langfristig nicht überleben würde, war schon bei Einführung der Gemeinschaftswährung klar. Ebenso, dass die aus Athen vorgelegten Daten so nicht ganz stimmen konnten, aber so genau wollte man es auch gar nicht wissen. Hauptsache der Euro konnte durchgeboxt werden, ein gemeinsames Geld, das mangels gemeinsamer Wirtschaftspolitik zu einem gewaltigen Leistungsbilanzdefizit zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Regionen führen musste. Das es zuerst die immun geschwächten Südländer, allen voran Griechenland, dahin raffen würde ist nun wirklich keine Überraschung. Auch die Anderen Südländer sind bereits hoffnungslos krank, wenn auch die Symptome noch nicht offen ausgebrochen sind und die Patienten ans Bett fesselt. Es ist aber nur eine Frage der Zeit.

Gleichzeitig mit Einführung des Euros war man aber so schlau zu vereinbaren, dass man prinzipiell keine Arztrechnungen der Anderen Infizierten übernehmen würde, in der vagen Hoffnung das dann jeder schon fleißig für seine Gesundheit trainieren und abspecken würde. Mit dem starken Euro stellte man aber vor allen Dingen effektiv billige Kredite zur Verfügung, in vorher dort ungekannten Ausmaße. Es war so, als liefere man einem Alkoholiker ununterbrochen Wagenladungen voll der feinsten Drinks um ihn gleichzeitig zur Enthaltsamkeit und Askese aufzufordern. Um sich nun zu wundern, dass daraus nichts geworden ist und man den Patienten im Koma vorfindet. Und dass die Alkoholverkäufer, die deutschen Banken halten einen Löwenanteil der griechischen Staatsanleihen, seine Schnapsrechnungen nicht mehr bezahlt bekommen, weil der Patient arbeitunfähig geworden ist.

Der Patient, der sich an einen 1200 Promille und ständig steigenden Blutalkohol gewöhnt hat, soll sich nun selbst helfen, indem er weniger säuft und endlich damit beginnt, seine Alkoholrechnungen abzustottern. Oder wenigstens die Stundungszinsen dafür erarbeitet, oder, wir sind auch mit viel weniger zufrieden, zumindest die Zunahme seines Pegels von 127 Promille jährlich auf 85 Promille senkt. Damit die Schnapswirte wenigstens nicht den Glauben an einen ihrer besten Kunden verlieren. Andernfalls müssten Sie die Schnapspreise erhöhen, gerade auch für die anderen Kunden die schon etwas glasig drein schauen.

Schön wäre es, wenn der Patient mit der üblichen Schulmedizin zu heilen wäre. Das ist aber aus ganz fundamentalen Gründen nicht mehr möglich. Die gängige Schulmedizin sind nämlich die altbekannten betriebswirtschaftlichen Rezepte. Man redet von einem Sanierungsfall, die Griechen müssten nur reichlich sparen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Für einen Betrieb ist das tatsächlich möglich, denn er kann Leute entlassen und mit besseren Maschinen und Konzepten seine Produktivität und Einnahmen erhöhen. Das Problem, nämlich einerseits die Arbeitslosen und andererseits das Mehr an Produkten, das nun von den Konkurrenzbetrieben nicht mehr verkauft werden kann, diese Probleme haben dann einfach die Anderen. Der Betrieb ist schließlich saniert. Bei der Volkswirtschaft ist das fundamental anders, da werden die Problem nur herumgereicht, aber nicht beseitigt.

Die Ursache dafür ist die bei positiver Verzinsung unvermeidbare Vermögensschere, der Zwang zur Verzinsung der exponentiell anwachsenden Vermögen ist irgendwann nicht mehr bedienbar. Spart der Staat nun um diese zu bedienen, so stärkt er genau die Ursache des Problems, entzieht der Wirtschaft aber Konsumkraft und damit den Antrieb. Die Folge ist noch mehr Arbeitslosigkeit und Firmenpleiten bei abnehmenden Bruttoinlandsprodukt. Gleichzeitig steigen durch die Schuldenbedienung aber die Vermögen und damit die Zinsforderungen nur weiter an, und das schädliche BIP zu Bankenaktiva Verhältnis eskaliert weiter.

Am23. Januar 2009 im Blogbeitrag „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ stellte ich schon mal fest: „Das Verlangen nach einer praktikablen Lösung gleicht nun dem Ruf nach einem perpetuum mobile: Retten wir den Staat, dann crashen die Banken, retten wir die Banken, dann crasht der Staat.“.

Nun, wer es immer noch nicht glauben mag, der kann sich bei dem Finanzmathematiker Prof. Dr. Jürgen Kremer auf dem Rhein-Ahr-Campus in Remagen schlau machen. Kremer hat, als einer der ganz wenigen Ökonomen den Fundamentalzusammenhang auch schon erkannt und publiziert. Sein mathematisches Modell ist ein wenig detaillierter und im Prinzip eine numerische Integration äquivalent zu meinem differentialanalytischen Modell über mehrere verknüpfte Haushalte. Er hat ja auch mehr Zeit für so etwas, die Ergebnisse sind jedoch exakt dieselben.

Eine Entschuldung, sprich Sanierung, der Volkswirtschaften ist durch Sparen ganz prinzipiell nicht mehr möglich.

Das in die Köpfe abgehobener Politiker, überforderten Schul-Ökonomen und ahnungslosen Journalisten zu transportieren ist mehr als überfällig. Besonders schuld an dem Dilemma ist die klassische Ökonomie, die diese mathematisch eigentlich leicht einsehbaren Zusammenhänge nie richtig begriffen hat ([1],[2],[3],[4],[5],[6]Powerpoint Kremer,[7]Java Applet Kremer).

Nur bei unserer Mutter der Nation bin ich mir da noch nicht so sicher. Angela Merkel ist seit der Koalitionsbildung seltsam auf Tauchstation gegangen. Das liegt sicherlich zum größten Teil an Ihrer typischen Taktik, erstmal andere Koalitionspolitiker ins öffentliche Messer laufen zu lassen, um dann als überlegene Figur aus dem Hintergrund alles wieder in die beste Ordnung zu bringen. Sprich in die Richtung, die sich aufgrund des Medienechos als die politisch vernünftigste Lösung anbietet. Es sei Ihr gegönnt, solange sie damit gut fährt. Aber in den letzten Monaten hatte ich fast den Eindruck, dass Sie als Physikerin vielleicht doch zurück zu ihren Wurzeln und damit zu der unausweichlichen Erkenntnis gekommen ist, das Sie der Kapitän eines leck geschlagenen Seelenverkäufers mitten im Pazifik geworden ist. Da wäre es schon verständlich leicht melancholisch zu werden.

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