Dienstag, 9. März 2010

Meinungsreform bei Beckmann

Griechisches Weinen konnten wir gestern Nacht bei Beckmann's Runde erleben. Normalerweise habe ich keinen großen Nerv für Talkrunden, aber die Persönlichkeiten dieser illustren Runde waren diesmal wirklich interessant gesät. Sei es Theo Waigel, der wieder einen Termin beim Augenbrauenfriseur bräuchte, oder die intelligente und auch mit 58 immer noch bezaubernde Vicky Leandros. Trotzdem hätte ich wohl weitergezappt, wenn da nicht ein ausgezeichneter Finanzexperte, Mr. DAX Dirk Müller, in der Runde gesessen hätte.

Und so begann die Runde zum Griechischen Schuldendrama, dank Müller, dann auch gleich kontrovers. Kaum hatten die üblichen Schuldentilgungsphantasien angehoben wandte Müller ein, dass weder die Schulden in Griechenland noch sonst wo in der westlichen Welt je zurück gezahlt werden könnten, was Theo Waigel auch gleich mit einem sachkundigen "Wa-Wa-Wa-Wa" konterte.

Überhaupt machte Mr. EURO Theo Waigel nicht nur optisch den Eindruck des getretenen Dackels. Sekundiert wurde er vom FDP-EU-Politiker Chatzimarkakis, der den Spagat zwischen EURO-Kritik und Koalitionstreue zum EX-Unions-Finanzminister Waigel versuchte. Nach dem er Waigel für seine eskalierten Schuldenorgien deckelte und dieser mit „Wa-Wa-Wa- ich hatte ja die Wiedervereinigung zu bewältigen...“ zurück dackelte, konnte man sich schnell auf einen Schuldigen, SPD-Finanzminister Eichel einigen, den man für die Aufweichung der 3%-Verschuldungsregel der EU heranziehen konnte. Chatzimarkakis gebetsmühlte dann noch die fällige Lebensleistung-Wiedervereinigungs-Lobhudelei um dann endlich zum Punkt, dass nämlich alle Staaten diese Schuldenstände aufbauten, mit jedes Mal anderen Begründungen warum es nun angeblich nicht anders ginge, kam.

Das die kleinen Südländer letzlich das taten, was die Großen vormachten, lag auf der Hand. Zumal Chatzimarkakis richtigerweise anmahnte, das schließlich gerade die Deutschen als Exportweltmeister von dem griechischen Bilanzdefizit bestens profitiert hatten. Hermes Hodolides, bekannt als Vasry Sarkakis aus der Lindenstraße, konnte sein Leid über die Verdrängung der typischen griechischen Einzelhandelskultur durch deutsche LIDL-Ketten in jedem griechischen Bergdorf ergänzen.

Breiten Raum nahm natürlich der „Stinkefinger-Skandal“ des Focus Titels ein, den eine griechische Göttin mit erregierten Mittelfinger und der „EU-Betrüger“-Schlagzeile zierte. Nun ist der Focus ja kein Regierungsblatt, was diesen Beleidigungs-Skandal daher ein wenig an den Mohammed-Karikatur-Streit erinnern lässt. Alexandros Stefanidis, Journalist der Süddeutschen, erklärte dazu die Seelenlage seiner Landsleute. Stefanidis beschrieb die Tage unter dem Titel „Highway to Herllas“ wie Bestechung das öffentliche Leben in Attika bestimmt und Vicky Leandros, mit praktischer Erfahrung in griechischer Politik, stellte klar, dass nach den jüngsten Spargesetzen in Griechenland nicht die wirklich Reichen sparen und höhere Steuern zahlen sollen, sondern es nur die weniger Begüterten trifft, die teilweise zwar drei Jobs aber nur 700 Euro im Monat haben. Der Hit war ein Einspieler des FDP-Politikers Frank Schäffler, der zuletzt publikumswirksam forderte, das Attika ja seine Inseln verkaufen könnte um wieder liquide zu werden. Schäffler, selbst Finanzdienstleister und im Beirat des Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen, ist übrigens auch ein Vertreter der Idee eines „neuen Geldes“, wie man u.a. in seinem Blog nachlesen kann.

Zurück zur EURO-Schwäche fragt Beckmann dann ganz naiv Herrn Waigel, wie denn das eigentlich mit den Wetten gegen den EURO funktioniere. Mit dieser speziellen Frage war Theo Waigel sichtlich überfordert, nach anfänglichem Stottern rezitierte er einiges über Vertrauen in die Währung, wie „Müllers Lieschen“ das so kennt und glaubt. Dirk Müller sprang zur Seite und versuchte zu erklären was ein CDS ist, Hr. Waigel offenbar so unbekannt wie dem Rest der Runde, und Chatzimarkakis viel mit dem schönen Vergleich, den ich vor einigen Tagen schon mal gelesen hatte, auch gleich ins Wort, „...dass das so sei als wenn man eine Feuerversicherung für sein Nachbarhaus kaufen würde.“

Falls Sie die Sendung ebenfalls gesehen haben und an dieser Stelle an Ihrem Verstand zweifelten, weil sie noch immer nicht begriffen haben wie das mit den Wetten auf den EURO funktioniert, dann kann ich Sie beruhigen. Es wurde nicht erklärt. Aber ich will es hier nachholen: Also, wer heutzutage einen größeren Packen Derivate oder Anleihen kauft, der kauft auch in der Regel eine Ausfallversicherung dafür ein. So musste man etwa für eine Griechenlandanleihe von 10 Mio.Euro in 2009 etwa 100.000 Euro jährlich an Versicherungsprämie (CDS Credit Default Swap) zahlen, für die gleiche Menge an sicheren Deutschen Anleihen dagegen nur 44.000 Euro. Für Finanzhaie sind solche Versicherungspolicen aber nichts anderes als jedes andere „Finanzprodukt“ auch. Man kann sie kaufen und damit handeln, wie mit jeder anderen Börsenware auch. Wenn ich also weiß, dass demnächst ein große Menge solcher Policen nachgefragt werden , kann ich im Vorfeld schon mal einen Haufen davon kaufen. Das allein steigert schon mal die Preise dieser Papiere. Wenn dann die Anleihe startet, fragen die Investoren diese Policen nach, und treffen auf höhere Preise. Die höheren Preise wollen sie natürlich auf die geforderten Renditen für die Griechenanleihen aufgeschlagen wissen, damit sich ihre Renditen unterm Strich noch lohnen. Somit steigen die Spreads zwischen deutschen und griechischen Anleihen zusätzlich zum normalen Risikoaufschlag und die Refinanzierung für Letzteren wird schon wieder teurer. Damit steigt natürlich auch das tatsächliche Ausfallrisiko.

Die Policen die ich nun vorweg gekauft habe, kann ich einerseits mit gutem Gewinn an die Investoren die sie brauchen weiterverkaufen, oder, wenn ich Risiko liebe, erstmal behalten. Denn die Versicherungssumme wird fällig, auch wenn ich gar keine Anleihen halte. Gelingt es mir in der Folgezeit also Griechenland in die Knie zu zwingen, sagen wir nach drei Jahren, so bekomme ich für 100.000 Euro mal 3 Jahre = 300.000 Euro dann 10.000.000 Euro ausgezahlt. Eine Rendite von mehr als 1000 % pro Jahr, da wird selbst Ackermann mit seinen 25% blass vor Neid. Nun haben sich die Prämien durch die Spekulationen der jüngsten Zeit auf sagenhafte 400.000 Euro pro Jahr erhöht, aber auch das ist immer noch ein einträgliches Geschäft, zumal es die erhoffte Ausfallwahrscheinlichkeit der Griechen dramatisch erhöht. Kein Wunder also dass sich die schlimmsten Bankster der Wallstreet zusammengesetzt haben, um das auf die Schiene zu bringen. Denn es ist wie beim Poker, man muss den Einsatz nämlich so hoch bringen, dass kein Anderer, hier also besonders der EU-Zahlmeister Deutschland, beim Zocken noch mithalten kann. Und da stehen die Chancen für diese Ganoven wirklich gut.

„Die Banken, die wir gerade gerettet haben, bringen uns nun mit ihren Spekulationen wieder in die Bredouille: die Commerzbank, die Deutsche Bank...“ wetterte dahin gehend Chatzimarkakis. Denn in der Tat saß auch sofort Ackermann im Boot, als es darum ging die Griechenlandanleihe unter Dach und Fach zu bringen. Allein an den Gebühren für die Vermittlungen der weltweiten Staatsanleihen, von den Banken verursacht, bringt satte und sichere Gewinne. Da kann man auch mit 25% Eigenkapitalrendite zufrieden sein.

Nun soll natürlich der Durchschnittsgrieche, „römisch dekadent“ wie unsere Hartz-IV-ler, die Zeche durch tiefste Einschnitte im sowieso mageren Familienbudget aufbringen. Was natürlich nicht geht, da sich hier die Volkswirtschaft nämlich in den Schwanz beisst: Der resultierende Konsumausfall lässt die Wirtschaft kollabieren und die Schulden werden mittelfristig daher nicht fallen sondern weiter steigen. Dirk Müller mahnte hier zu Recht an, dass auf dem Höhepunkt der Finanzkrise durch die schwarz-gelbe Koalition erklärt wurde, dass man mit allen Mitteln den Konsum ankurbeln müsse. Und von den Griechen verlangt man nun aber das genaue Gegenteil, nämlich das sie sich tot sparen. Mr. DAX Müller brachte es auf den Punkt: „Entweder wir akzeptieren jahrzehntelange Transferzahlungen oder wir entlassen die Griechen aus der Euro-Zone.....Und wenn uns Spanien um die Ohren fliegt, dann geht es um ganz andere Summen!“.

„Warum schafft es die Politik nicht, diesen Gaunern das Handwerk zu legen?“ fragte schließlich Beckmann. Theo Waigel glaubte tatsächlich den EU-Schmarrn, dass man die Folterwerkzeuge gegen die Spekulanten auspacken würde. Ob dieser grotesken Naivität konnte Dirk Müller nur noch lachen, denn es sind ja genau diese Spekulanten der Wall Street, ohne die die Staaten in Europa und Übersee unmöglich ihre jährlichen Refinanzierungen der Staatsanleihen hinbekämen. Es gibt nämlich gar keine Käufer mehr, die die exponentiell angewachsenen Volumina dieser Anleihen überhaupt noch stemmen könnten. Und auch die werden es nur noch relativ kurze Zeit schaffen. So ist dem Finanzexperten Müller längst klar: „Wie werden die Schulden weltweit neu verhandlen müssen. Nennen Sie es Währungsreform, wenn sie wollen. In den nächsten 5 bis 15 Jahren werden wir eine Währungsreform erleben.“

Prompt dackelte es aus der hinteren Ecke „Wa-Wa-Wa-Wa...“. Aber statt nun den wirklichen Kern des Problems in die Diskussion zu bringen, und vielleicht Fernsehgeschichte zu schreiben, erwürgte Beckmann sofort mit seiner Weichspülerart die aufkeimende Meinungsreform und zwang die Runde zum gemütlichen Teil des Abends. Bei Griechischem Wein und der nicht erwiderten Aufforderung an Vicky, „Theo wir fahr’n nach Lodz“ zu intonieren.

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