Dienstag, 24. August 2010

Die Kernspaltung der Gesellschaft

Jüngst erregt der dramatische Appell von 41 Wirtschaftsführern an die Regierung Aufsehen, von der Besteuerung der Unternehmensgewinne der Atomindustrie abzusehen, die aus der vorgesehenen Verlängerung der Laufzeiten veralteter Reaktoren entstehen.

Nun, Jammern gehört bekanntlich zum Geschäft, erst recht wenn die Geschäfte so richtig dick sind. Konkret geht es um die Abwehr der so genannten Brennelementesteuer und der Erhöhung der Ökosteuer, jeweils vom erwarteten Umfang in Höhe von etwas mehr als 2 Milliarden, zusammen also knapp 5 Milliarden Euro jährlich. Die Debatte resultiert daraus, dass man den bereits 2002 beschlossenen Ausstieg rückgängig macht und damit der Atomindustrie durch die bereits vollständig abgeschriebenen Atommeiler einen gigantischen Zusatzverdienst als Geschenkpaket serviert.

Altruistische Dankbarkeit der solchermaßen Beschenkten, in Form eines Anteils am unverhofften Gewinn für den Staat, und damit im Effekt für den Durchschnittsverdiener und Steuerzahler, darf man natürlich nicht erwarten. In höheren Kreisen, wozu sich keineswegs nur die unmittelbar Begünstigten Energiemanager zählen dürfen, sondern selbstverständlich Deutschlands größter Vermögensverwalter Ackermann sowie etliche abgehobene Politgrößen, aber weniger selbstverständlich Nationalfußballmanager Bierhoff, so zu sagen als einziger quasi-Vertreter des kleinen Mannes, dort schaut man dem geschenkten Gaul selbstverständlich erstmal gründlich tief ins Maul bis zum finalen Darmausgang.

Plötzlich soll die ganze Industrie, durch den vorgesehenen Anteil an der Beute für die Allgemeinheit, in ihren pekuniären Grundfesten erschüttert sein. Wieder einmal werden Otto-Normalverbraucher und seine Volksvertreter gründlich dummgeschwätzt mit der durchsichtigen Absicht, das fette Geschenk so groß wie möglich zu machen. Der Erfolg der schmierigen Männerbande ist absehbar, ihr Adlatus Westerwelle schwenkt schon bereit willig auf Linie ein und auch Frau Merkel wackelt bereits bedenklich in den Knien: „Denn geradezu beiläufig erklärte Kanzlerin Angela Merkel, wenn in der brisanten Atomfrage eine andere Form als die Brennelementesteuer gefunden werde, "ist es auch gut". Diese "andere Form" soll ein Vertrag mit den Konzernen sein.“. Dieser Vertrag soll nach deren Vorstellung letztlich in einen großen Geldtopf münden, aus dem sich selbige Energiekonzerne dann wieder zur Begleichung von Betriebsausgaben, etwa der Forschung nach erneuerbaren Energien, möglichst frei bedienen können. Zur Verwaltung dieses Topfes, gegen kleine Unkostenbeteiligung des Bürgers versteht sich, bietet sich der selbstlose Josef von der Deutschen Bank an. Netter Kerl eben.

Klar, jeder der durch Solidaritätsbeiträge irgendwelcher Art bedroht ist, darf sich dagegen wehren, wenn er möchte. Das Ackermann der Meinung ist, das Gewinne grundsätzlich privat und Schulden öffentlich sind, ist seinem Berufsverständnis klar geschuldet. Was aber treibt den National-Oliver hier an? Ist er einfach nur „dumm wie eine Schnitte Brot mit ohne was drauf“ sich so unverschämt einspannen zu lassen? Nun, so dumm sieht er nicht aus und ist es auch nicht. Bierhoff’s Gründe sind privater Natur, sein Vater gehörte zum Führungskreis der RWE AG. Als Privatperson hat er natürlich das Recht zur freien Meinungsäußerung, er unterschrieb die Anzeige allerdings mit seinem Titel „Manager Deutsche Fußball-Nationalmannschaft“. Und das ist vielleicht nicht dumm, aber jedenfalls ausgesprochen dreist.

Genauso verlogen, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, ist ein Hr. Fuchs, der selbigen Aufruf mit „Dr. Michael Fuchs, Unternehmer“ unterschrieb. In Wahrheit ist er nicht weniger als der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union: “ Für seine Beteiligung an dem energiepolitischen Appell gerät Fuchs nun in den eigenen Reihen in die Kritik. „Das verletzt die ungeschriebene Regel, wonach sich ein Mitglied der Bundestagsfraktion auf diese Weise nicht äußert“, sagte der Obmann der Union im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU), den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. „Das ist so außerhalb des Anstandes und der Solidarität mit den Kollegen, dass man das nur verurteilen kann“, so Göppel weiter. So etwas habe er, seit er im Bundestag ist, noch nicht erlebt.....Kritik kam auch von Fraktionsvize Christian Ruck (CSU): „Ich halte es für seltsam, dass sich Herr Fuchs mit einem Appell an die eigene Kanzlerin wendet“, sagte er. Dies sei schon „etwas skurril“.“

Das ist etwa so, als wenn ein Abteilungsleiter eines Unternehmens in einem öffentlichem Aufruf seinem Arbeitgeber seine Geschäftspolitik um die Ohren schlägt. Konsequenzen hat es in diesem Fall natürlich nicht, denn Merkel schlug unterdessen einen mäßigenden Ton an: „Es sei wichtig, dass sich die Befürworter der Kernenergie zu Wort meldeten, sagte sie der „Bild am Sonntag“.“ Anders natürlich sieht das Grünen-Chef Cem Özdemir „...warf den großen Energiekonzernen hingegen vor, im Kampf um den Erhalt ihrer Pfründe „immer unverschämter aufzutrumpfen“ und der Bundeskanzlerin auf der Nase herumzutanzen....Die Energiekonzerne griffen zu allen Mitteln, um Druck gegen das Gemeinwohl auszuüben. Der Grünen-Chef kritisierte außerdem scharf, dass die Bundesregierung die Entscheidung über die Brennelementesteuer verschoben habe, die jährlich 2,3 Mrd. Euro bringen soll. Kanzlerin Merkel werde von der Atomlobby regiert, bilanzierte er. Es räche sich nun, dass die Atomindustrie sehr große Privilegien genieße. Die bisher gezahlten Subventionen summierten sich seit den 1950er-Jahren auf geschätzte 164 Mrd. Euro.“

Yep, genau die 164 Milliarden, deren Zins und Zinseszins auch von Ottonormalbürger aufgebracht werden müssen und die die bereits abgeschrieben Gelddruckmeiler wesentlich mitfinanziert haben. Da dürften nicht nur die Energieriesen, sondern auch der Hr. Ackermann einmal Dankeschön sagen und auch dem Oliver sein Pappi. „Die Energie-Monopolisten, ihnen eng verbundene Manager und Lobbyisten werfen der Gesellschaft den Fehdehandschuh hin“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagfraktion, Ulrich Kelber, Handelsblatt Online. „Mit aller Macht wollen sie ihre kurzfristige Gewinnmaximierung gegen die volkswirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Interessen Deutschlands durchsetzen.“.

Nun, ich persönlich bin gar nicht so grundsätzlich gegen Atomkraftwerke oder auch die Verlängerung von Laufzeiten. Gerade weil ich von Dreck und Leid der Braunkohleförderung persönlich betroffen bin, betrachte ich diese Frage etwas vorsichtiger als diejenigen, die ihren grünen Strom nur aus der rosaroten Steckdose beziehen und ihre Texte auf biologisch 100% abbaubaren Tastaturen daddeln.

Das hier offen klaffende Problem ist jedoch die Kernspaltung der Gesellschaft zwischen der Oberschicht, die sich regelmäßig erfolgreich gegen Belastungen wehren kann und im Gegenzug sogar weitere Geschenke, wie etwa die Mehrwertssteuersenkung der Hoteliers, einstecken darf, während der fast alles zahlende Mittelstand klaglos seiner Ausplünderung gegenüber steht und scheinbar keinen ernsthaften Versuch unternimmt, dies zu verändern.

Man muss sich darüber im klaren sein, dass in einer Gesellschaft, in der alle Finanzhaushalte überstrapaziert sind, jedes Geschenk an den Einen nur durch eine Belastung des Anderen zu finanzieren ist. Wohl gesagt, es geht hier im speziellen Fall sogar nur um einen Anteil an einem riesigen Geschenk, nicht etwa um eine zusätzliche Belastung einer sowieso schon öffentlich begünstigten Industrie. Der Bürger wird letzten Endes selber schuld sein, wenn er sich solchermaßen an der Nase herum führen lässt. Unter Aufstand gegen die Verhältnisse versteht er bisher leider nur, das man bei der nächsten Landtagswahl der Regierung mal so richtig einen einschenkt, indem man dann das Kreuzchen statt beim Teufel beim Beelzebub unterbringt. Nicht nur Banker und Politiker, auch Energieriesen und sonstige Nationalfuzzies wissen soviel revolutionäre Energie zu schätzen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich werde ihn baldmöglichst freischalten. Diese Funktion dient lediglich der Vermeidung von Spam- und Flame- Kommentaren und dient niemals einer Zensur.