Montag, 16. Juli 2012

DEPPUS MAPPUS MAXIMUS : Der EnBW-Deal

Börsen sind Spekulantenbarometer: sie spiegeln wieder, welche Entwicklung der Preise von Finanzprodukten die Spielteilnehmer zukünftig erwarten. Börsen haben daher etwas mit Wirtschaft zu tun, sie „sind“ aber nicht die Wirtschaft, schon gar nicht die Realwirtschaft. Trotzdem wird fälschlicherweise in den Medien regelmäßig suggeriert, die Börsen seien ein direktes Abbild der Realwirtschaft, geht es ihnen gut, gehe es allen gut. Das ist selbst redender Unfug, auf die Spitze getrieben durch die Angewohnheit, nach jedem EU-Krisengipfel und zugehörigem „Rettungspaket“ sogleich ängstlich auf die Reaktionen der Börsen zu starren.

Die Entwicklungen und Reaktionen der wichtigsten Indices, so hier etwa der DAX, taugen durchaus als Stimmungsbarometer und damit als „Expertise des Bauchgefühls“ der Investoren bzgl. noch kommender Entwicklungen. So weit so gut, und ganz ähnlich, und i.a. etwas genauer, arbeitet der Ifo-Geschäftsklima-Index, bei dem regelmäßig eine Reihe bedeutender Wirtschaftsteilnehmer nach ihrer Einschätzung der weiteren Ereignisse befragt werden. Die Ergebnisse sind erstaunlich ähnlich, wenn man die längerfristigen Grafiken einmal vergleicht:

Die tendenziellen Verläufe von DAX und Ifo-Index gleichen sich. Beides sind "Bauchgefühl"-Indices. Datenquelle. Wikipedia (DAX und. Ifo).

Wie man sieht lassen sich die Euphorie an den Börsen mit den Entwicklungen des Ifo-Index gut korrelieren, auch Wirtschaftskapitäne sind halt beeinflußbar von der Stimmung der Finanzindustrie. Und: schlimmer, sie unterliegen offensichtlich bei der mittelfristigen Einschätzung denselben Problemen, und gerade kurz vor einem großen Knall steigen sowohl der Spekulanten DAX als auch der Fachmann/frau Ifo-Index auf Höchststände. Wenn Börsenwerte sich kurzfristig stark ändern, dann hat das nur selten etwas mit der wirtschaftlichen Lage zu tun, es ist in aller Regel lediglich die aktuelle Änderung der Nachfrage nach dem zugehörigen Finanzprodukt, in diesem Falle eben nach einer bestimmten Aktie. Wer also über den Tellerrand von ein paar Jahren, dito Legislaturperioden, hinaus denken möchte, der braucht schon mehr als die Hilfe eines solchen Index. Und wer mehr als „Oma's Kleinhäuschen“ investieren möchte, der braucht also auch mehr Expertise, als ausgerechnet die des Bankberater auf der Gegenseite des Verhandlungstisches, dem da schon die Dollarscheinchen in den Augen glänzen. 

Glücklich wähnte sich dagegen Verhandlungsgenie Mappus, wo auf der Verkäuferseite seine wohl „besten“ Freunde saßen. Da brauchte man sich dann nicht mehr in peniblen Kleinkram zu ergehen, wie etwa einer eigenständige Preisermittlung; ebenso das übliche peinliche Gezänke um die Beraterprämien konnte entfallen. Und natürlich, um die lästige Beteiligung von Parlamenten, Beamten und madigen Fliegen aus der Rechtsabteilung brauchte er sich dann auch nicht weiter zu kümmern, schließlich war er ja so schon von echten Freunden umgeben.

Wen wundert's, wenn sich Ministerpräsidenten als absolutistische Monarchen wähnen, die mit ihren besten Freunden im Hintergrund alleine die ökonomische Welt bewegen können. So Mappus Rex's Freund Dirk Notheis : “Notheis studierte Betriebswirtschaft sowie Politologie und Philosophie. Ab 1992 war Notheis als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ministers Erwin Vetter (CDU) im Staatsministerium Baden-Württemberg tätig. Notheis engagierte sich frühzeitig politisch für die Junge Union. Von 1995 bis 1999 arbeitete er bei der damaligen Südwestdeutschen Genossenschafts-Zentralbank AG, Frankfurt. 1999 wechselte er zu Morgan Stanley. Seit 2006 ist er Mitglied des Vorstands der deutschen Morgan Stanley, seit Februar 2009 ihr Vorstandsvorsitzender.“

Notheis promovierte übrigens zum Thema “Ansatzpunkte und Strategien zur Akquisition von Unternehmensspenden: eine explorative Studie zum Spendenmarketing spendenakquirierender Organisationen.“. Nun ja, „Honi soit qui mal y pense“. Jedenfalls eine glückliche Fügung also: „Im Dezember 2010 kaufte das deutsche Bundesland Baden-Württemberg beraten von Morgan Stanley für 4,67 Milliarden Euro einen Aktienanteil von 45,01 % am baden-württembergischen EnergiekonzernEnBW. Mit Nebenkosten und Garantien kostete das Aktienpaket sogar 5,9 Milliarden Euro. Laut Staatsministerium Baden-Württemberg erfolgte die Vergabe an Morgan Stanley ohne Ausschreibung....Im Juni 2012 zeigte sich in einem öffentlich gewordenen E-Mail-Kontakt, dass Notheis Mappus’ Aussagen für die Preisverhandlungen aufgeschrieben hat und dass ein auf den wechselseitig persönlichen Vorteil bedachtes Verhältnis zwischen Notheis und Mappus geherrscht hat. So schrieb Notheis an Mappus, nachdem der Deal gelang: "Was für ein Nikolaustags-Geschenk!“ Er instruierte seinen Duz-Freund Mappus ausführlich vorab, seine Seilschaften spielen zu lassen, damit das für Morgan Stanley hochprofitable Geschäft abgeschlossen werden konnte: „so ein Deal ist nicht ganz einfach für Ordoliberale. Du solltest idealerweise einen renommierten Volkswirt haben, der das Ganze gut findet.“ „Es sollte jemand sein, der Dir einen Gefallen schuldet.“"

Naja, dass dürfte ja nicht so schwierig sein : “...Dies und das „besondere Vertrauen der Verkäuferseite“ in diese Bank nannte Mappus als Grund für die Beauftragung von Morgan Stanley Deutschland. Im Februar 2012 wurde aus einem Bericht der baden-württembergischen Landesregierung bekannt, dass auch die EdF Morgan Stanley als Beraterbank beauftragt hatte und dass die Investmentbank dadurch teilweise mit sich selbst verhandelt habe.....Die Zustimmung des Landtages zu einer Kapitalgarantie des Landes in Höhe von 5,9 Milliarden Euro wurde erst nachträglich – nach Unterzeichnung der Verträge – eingeholt. Mappus begründete dieses Vorgehen mit dem Eintreten eines „...unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses...“ laut Artikel 81 der Landesverfassung [was hier nach allgemeinen juristischem Verständnis auf keinen Fall gegeben ist, da selbst herbei geführt]. Den für das Notbewilligungsrecht nach diesem Verfassungsartikel zuständigen Finanzminister Willi Stächele weihte Mappus erst wenige Stunden vor Vertragsunterzeichnung ein. Die bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingegangenen Anzeigen blieben trotz der Vorwürfe damals ohne Folgen....“.

Gravierend für diese unglaubliche Verfilzung zwischen politischen Gefälligskeitsfreunden, aber auch Teilen des Rechtsstaates, zeigt die Weigerung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, trotz der ganz offensichtlichen Verfassungsrechtsverstöße überhaupt nur ein Ermittlungsverfahren (gegen mutmaßliche Parteifreunde) aufzunehmen. Und weiter: „...Das Handelsblatt schrieb am 17. Oktober 2011: „Es war, sieht man von der Bankenrettung einmal ab, die größte Verstaatlichung in der Bundesrepublik. Der zu schlampig dokumentierte Deal erschwert die Suche nach den Schuldigen. Die Mappus-Regierung hat nicht viele Spuren hinterlassen. … Es war, sieht man von der Bankenrettung einmal ab, die größte Verstaatlichung in der Bundesrepublik. Gleichzeitig war … [es] das am dilettantischsten abgeschlossene Geschäft dieser Größenordnung, das je eine staatliche Organisation einfädelte. Es verstieß gegen Recht und Gesetz, es missachtete die Hoheit des Parlaments sowie verschiedene Rechts- und Haushaltsgrundsätze – von kaufmännisch ehrhaftem Verhalten einmal ganz abgesehen.“.“

Nach der für Mappus überraschend verlorenen Wahl änderten sich die Verhältnisse allerdings radikal: „...Am 6. Oktober 2011 verkündete der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg sein Urteil zum EnBW-Kauf. Er urteilte, dass der damalige Finanzminister Stächele mit der Unterschrift unter die Notbewilligung zum Ankauf der EnBW-Aktien ohne Beteiligung des Parlamentes gegen die Verfassung des Landes Baden-Württemberg verstieß. Stächele trat am 12. Oktober 2011 als Landtagspräsident zurück....Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt seit Juli 2012 nun doch wegen Verdachts der Untreue gegen Mappus. Aus einem Gutachten des Landesrechnungshofes haben sich "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für den Tatverdacht ergeben. Mappus wird vorgeworfen, für die EnBW-Aktien mindestens 840 Millionen Euro zu viel gezahlt zu haben. Diese Zahl ermittelte ein weiteres Gutachten, das von der grün-roten Nachfolgeregierung in Auftrag gegeben und von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton erstellt wurde. Am 11. Juli 2012 wurden die Wohnung von Stefan Mappus und rund 50 andere Objekte von der Polizei durchsucht. Am 13. Juli 2012 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft auch gegen Ex-Finanzminister Willi Stächele und Ex-Staatsminister Helmut Rau (beide CDU) ermittelt."“.

Aber Mappus hätte ahnen müssen, wie armselig er in den Händen eines gewieften Investmentbankers dastehen würde. So Notheis selbst in einem Interview von 2009 : „...[karriere.de:]Ist Politik ein schmutziges Geschäft? [notheis:]Nein, ganz im Gegenteil. Politik war für mich immer die Freude an der Auseinandersetzung um das beste Argument und die Freude daran, die Strukturen der Gesellschaft so zu formen, dass alle Menschen gute Lebensbedingungen vorfinden. ... [karriere.de:] Ist in der Politik zu wenig wirtschaftlicher Sachverstand? [notheis:] Die Rekrutierungsmechanismen der Parteien lassen heute Karrieren von wirtschaftlich erfahrenen Menschen kaum mehr zu. Wenn Sie heute Berufspolitiker werden wollen, also erst Abgeordneter, dann Minister, müssen Sie sich schon ganz früh auf die reine Politik festlegen und die Ochsentour starten. Das heißt der Dreiklang - Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal - ist irgendwie zwangsläufig, weil systemisch bedingt. Diese Mechanismen limitieren natürlich den wirtschaftlichen Erfahrungsschatz in der Politik....“.

In kompletter Selbstüberschätzung und Inkompetenz zahlte Mappus bei weitem mehr als notwendig gewesen wäre „...Laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thorton wäre ein Preis von 34,05 Euro pro Aktie angemessen gewesen, Mappus hatte aber 41,50 Euro (inklusive Dividende) bezahlt. Mit der Expertise will Grün-Rot ihre Klage gegen die EdF vor dem Internationalen Schiedsgericht in Paris stützen. Das Land fordert von dem französischen Stromkonzern 2 Milliarden Euro des Kaufpreises zurück.“. Und „nebenbei“ kamen ja noch 1,2 Milliarden an „Nebenkosten“ zu dem Dealpreis hinzu, ein Tatbestand der z.Z. noch nicht mal näher untersucht worden ist. Legal, illegal, scheißegal, für Politiker des Schlages Mappus spielen Parlament und Verfassung offensichtlich nur eine sehr nachrangige Rolle. 

So schreibt die Frankfurter Allgemeine: „..„Am Ende des Tages“ wirkten alle mit: Beim ENBW-Milliardengeschäft war die Zustimmung des Parlaments reine Formsache. Dennoch ist das Wirtschaftsdrama der private Verrat des Stefan Mappus. Am Anfang hatten Stefan Mappus und Dirk Notheis noch versucht, den ENBW-Kauf nach den Regeln der Verfassung zu schließen. ...Das machte die französischen Verkäufer nervös, denn ein Parlament ist unberechenbar. Also erteilte der Investmentbanker Notheis ihnen eine Lektion: „In der parlamentarischen Geschichte von Baden-Württemberg“, dozierte er in einer Mail an die Franzosen, „gab es keine Entscheidung der Regierung, die nicht vom Parlament verabschiedet wurde. Die parlamentarische Zustimmung ist eine reine Formalie.“ Tatsache: „Am Ende des Tages“, wie Mappus gern sagt, war die Zustimmung des Parlaments für das Milliardengeschäft reine Formsache. ...Und nicht er allein, alle wirkten mit: sein Kabinett (einstimmig), seine Landtagsfraktion (einstimmig) und die Koalitionsfreunde der FDP-Fraktion (einstimmig, bei einer Enthaltung). ...ENBW ist kein Paradebeispiel für die Fiesheit der Banker, sondern ein Paradebeispiel für die Gefahren, die lauern, wenn Politiker Manager spielen. Hat man diesen Kern des Skandals herausgeschält, finden auch all die Verstöße und bizarren E-Mails ihren Platz. Kauft der Staat mit Steuergeld, kommt es eben auf ein paar Euro mehr oder weniger pro Aktie nicht an. Dann können Kontrolleure im Parlament oder Kabinett zu Abnickern degradiert werden. „Kriegst Du Willi Montag früh in den Griff?“, erkundigte sich Notheis bei Mappus. Oder müsse man Finanzminister Stächele, der die Milliarden verpfänden sollte, doch schon Sonntagnacht einweihen? Kein Vorstand könnte mit seinem Aufsichtsrat so umspringen. ...Die Bürger hatten das große Pech, dass genau dieser Landeschef kaufte, dem „am Ende des Tages“ die zersetzende Wirkung seines Tuns auf Gewaltenteilung und demokratische Kultur egal war. Schnurzpiepegal war ihm das wirtschaftliche Risiko der Machtverschiebung von Staatsdienern auf staatsferne Dienstleister. ...Dass Mappus’ Vertrauter Notheis dessen Unerfahrenheit in Geschäftsdingen krass zum eigenen Vorteil ausnutzte - „Du brauchst keine zweite Fairness Opinion!“ - und bei der Gegenseite sogar für Mappus die Preise verdarb - „Mein Freund würde wohl auch für einen höheren Preis kaufen“ -, das kann man nicht mehr als Wirtschaftsdrama verstehen. So etwas hätte kein Banker gegenüber Kunden gewagt. Es war ein privater Verrat...“.

Bei alledem ist noch gänzlich ungeklärt, wer der Beteiligten bei dem „Geheim“-Deal auf Kosten der Steuerzahler die Hand aufgehalten und auch gefüllt bekam. Da sind zunächst mal die Tantiemen in mehrstelliger Millionenhöhe die Morgan Stanley einsteckte, und von denen Notheis vermutlich mindestens nach den Bankintern üblichen Regeln, ebenfalls per großzügigen Boni profitierte. Aber das wird lange noch nicht alles sein. Natürlich erstmal der Verkäufer, der natürlich statt des damaligen Börsenwertes um die 34 Euro nun stolze 41,50 Euro pro Aktie erhielt. Natürlich wird es das in der Branche übliche „Fore-Running“ gegeben haben. Denn immer wenn eine kleine Clique als einzige wissen, dass bald ein ordentlicher Deal ansteht, so decken sich diese im Vorhinein reichlich mit Aktien ein (oder stoßen sie ab, falls ein umgekehrter Schock ansteht). Das wird mit Sicherheit auch bei den Hauptbeteiligten zu finden sein, wenn man nur gründlich genug die Kontenbewegungen filzt. Insbesondere würde es mich nur wenig wundern, wenn der „gute Freund“ nicht nur schon Aktien, die schon seit geraumer Zeit auf Sinkflug waren, von EnBW besessen hätte, sondern im Vorfeld reichlich hinzu gekauft hätte. Um sie kurz nach dem Deal gewinnträchtig wieder abzustoßen. 

Der Mappus-Deal bescherte der EnBW-Aktie ein Handelsvolumen, das zuletzt nur vor dem Lehman-Crash erreicht wurde. Der Mappus-Deal ließ den Handelswert der EnBW-Aktie sprunghaft von ca. 34 auf 41,5 € hochschnellen. Nach der künstlichen Hausse geht der langfristige Trend aber wieder auf den alten zurück.
Was man ja auch musste, denn natürlich hat die Aktie ihren alten Sinkflug nach der künstlichen Mappus-Hause weiter fortgesetzt und notiert zur Zeit so um die 30 Euro. Macht ja nix, ist ja nicht sein Geld, zumal es ja nicht weg ist, es ist jetzt nur in anderen Händen.... Eine alt bekannte Methode, die auch angesichts der bekannt gewordenen, zynischen und jedes Rechtsverständnis vermissen lassenden, Emails zwischen Notheis und Mappus als ziemlich sicher durch geführt gelten dürfte. Für so dumm, dass er das verbotene Forrunning selbst praktizierte, für so dumm halte ich Mappus allerdings auch wieder nicht. Der Vorteil des MP Mappus lag im Besonderen darin, dass er sich mit dem Giga-Deal als großer Wirtschaftslenker im damaligen Wahlkampf präsentieren wollte; als derjenige der dem Staat einer seiner vormals, ebenso von einer CDU-Regierung, veräußerte Preciose zurück eroberte. Eine Wahlkampffinanzierung für und auf Kosten seiner potentiellen Wähler also. Nur, die Atom-Katastrophe von Fukushima machte ihm wenige Tage nach dem Deal, der sonst auf sorgfältig legale Weise erst nach dem Wahltage zustande gekommen wäre, einen kräftigen Strich durch die Rechnung.

Chartsprünge durch solche Giga-Deals sind häufig durch kriminelles, aber schwer nachweisbares, Forrunning begleitet. In dem Chart werden leider gleichzeitige grüne Balken (Einkäufe) und rote Balken (Verkäufe) sich gegenseitig überdecken, so dass hier nicht alle Bewegungen sofort erkennbar sind. Am ersten Tag des Mappus-Deals ist aber die Situation ziemlich eindeutig: Den Einkäufen von Mappus (ca. 65.000 Einheiten) stehen Verkäufe der Aktionäre von satten 78.000 Einheiten gegenüber. Das ist ein sicheres Anzeichen für kriminelles Forerunning: Dabei kauft der Händler (Morgan Stanley oder andere Eingeweihte) kurz vor der Giga-Order Aktien zum billig Preis ein, wenige Minuten später kommt dann der Hauptdeal zum Maximumspreis hinterher. Der Gewinn wird auf Kosten des Hauptkäufers kassiert. Solche Insidergeschäfte sind aber verboten. Auch im Nachhinein ging das gewinnträchtige Spiel weiter, mit den After-runs. Da wurden weitere Aktien für das Mappuspaket aufgestockt, etwa 40.000 Einheiten, wo Aktionäre ihre Altaktien gewinnbringend weiter reichten. Im weiteren Verlauf kamen noch einige Zocker hinzu (grüne Einkäufe) die an eine weitere Hausse glaubten und so leichte Opfer für weitere Abzocke wurden. Die Firma dankt, und eine fleißige Staatsanwaltschaft sollte sehr gut durchleuchten, wer der beteiligten welche Aktienportfolios wann erwarb und wann er sie veräußerte. Da dürfte sich noch manch ein Name oder eine Verbindung von Interesse finden.
Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn Mappus seine letzte Wahl gewonnen hätte. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft würde weiter im Wege stehen, und nur die wenigen zäh recherchierende Journalisten würden so langsam aber sicher, wie im Falle Guttenberg, die Wahrheit ans Licht kitzeln. Während dessen aus Berlin von „Mutti“ (so nannten Mappus und Notheis die Kanzlerin in ihren Emails) eine Solidaritätsadresse nach der anderen abgegeben würde um den „verdienten“ Staatsmann Mappus in BW auf dem Sockel zu halten. Zumal die Sache genauso eine Bundespolitische Entsprechung hat: „...Dass heute, ein gutes Jahr später, wohl keine Landesregierung mehr so schnell ihr Parlament übertölpeln wird, könnte auf Dauer gar als Verdienst von Stefan Mappus gewertet werden. Auf Bundesebene muss schließlich noch immer das Bundesverfassungsgericht nachhelfen...“. Wobei letzteres noch fraglich ist, bis zum 12. September will sich das Bundesverfassungsgericht dafür, oder dagegen, Zeit lassen.

Mit dem Untersuchungsausschuß in Sachen EnBW wird die Sache noch nicht gleich zu Ende sein, da wird noch manch ein Kalauer ans Tageslicht kommen, auch aus den Beteiligten wie Morgan-Stanley als auch aus EnBW selbst. Angesichts der Tragweite suchen die willigen Helfer des Deals längst das Weite, und jeder sucht Rettung mal in „Offenheit“ oder mal Deckung unterm Teppich: „..Bei der CDU wächst die Angst, das Thema könne die Partei noch im Bundestagswahlkampf belasten. „Das kann im Untersuchungsausschuss des Landtages, beim Schadensersatzprozess und bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weit in das Jahr 2013 hineinreichen“, sagte der ehemalige Ministerpräsident und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger dem „Spiegel“. Zuvor war der Appell von Bundesministerin Annette Schavan für mehr Einigkeit in ihrem Heimatverband verhallt. Landeschef Strobl erklärte in der Zeitung „Die Welt“: „Unsere Probleme entstanden wahrlich nicht dadurch, dass die CDU Stefan Mappus nicht geschlossen genug gefolgt ist.“ Hauk sagte dem „Focus“, es wäre scheinheilig, „Geschlossenheit zu demonstrieren, wo keine ist“....“.

Diese unglaubliche Polit-Posse ist dermaßen umfangreiche und blöde, dass man einem Drehbuchschreiber sein Werk wegen dem völlig durchgeknallten Plot gleich wieder zurück reichen würde. Es schreit aber gerade zu nach einer Verfilmung im satirischen Stile des „Schtonk“. Kaum zu übertreffen die Mischung aus Macht, Gier, Betrug und völliger Inkompetenz der Hauptverantwortlichen, eine Geschichte von Seilschaften und gegenseitigen Gefälligkeiten und rücksichtslosen Beutezügen auf Kosten Dritter, von den Mechanismen der Politik und der Verfilzung mit privaten Unternehmen und Banken sowie der Desinformation der Öffentlichkeit gekrönt von Rechts- und Verfassungsbruch bis zum Abwinken.

Ein unglaublich Schauerspiel. Weniger unglaublich als der Plot ist allerdings, dass die Hauptverantwortlichen dieses Demokratiedesasters am Ende vermutlich juristisch wieder einigermaßen ungeschoren davon kommen werden. Man könnte es dann ggf. Staatsräson nennen. Oder je nach dem wie es läuft, vielleicht auch Staatsversagen.

Zum Abgewöhnen, ein paar der bislang bekannt gewordenen Emailauszüge:
  • [Handelsblatt:]  „Du solltest drei Landräte, ohne den Aufsichtsratsvorsitzenden, zu einem vertraulichen Gespräch zunächst ohne Angabe von Gründen ins Staatsministerium einladen“, diktierte Notheis. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsste über die Verstaatlichung der Energie Baden-Württemberg (EnBW) zwar informiert werden. Aber, so Notheis, erst „kurz davor“.
  • „Du solltest ihn anrufen und bitten, dass er das Meeting mit Sarko organisiert. Oder Du fragst Mutti [BK Merkel], ob sie Dir das arrangieren kann.“
  • „Dein Bruder [René Proglio, Frankreich-Chef von Morgan Stanley und Bruder des Verkäufers Henri Proglio.] hat dem Deal bereits zu einem Preis von 40 Euro (pro Aktie) zugestimmt, und wir wissen, das ist mehr als üppig.“
  • Mappus habe die Kanzlerin in der Hand, schrieb der Investmentbanker [an den Verkäufer, der zweifelte ob der Deal am Parlament vorbei möglich wäre...] . Der baden-württembergische Ministerpräsident kontrolliere 30 Prozent der Parteitagsdelegierten der CDU. Mappus „kann Angela mit seinen Truppen töten“, erklärte Notheis.
  • Mappus brauche einen Anwalt, schrieb Notheis. „Mein Vorschlag wäre Gleiss Lutz, Herr Dr. Schockenhoff. Vorteil: verschwiegen und gut.“ Außerdem sei ein Medienberater nötig. „Würde hierzu Hering & Schuppener, Alexander Geiser nehmen“, riet Notheis. „Er wird den richtigen Spin bei FAZ, Handelsblatt, FTD etc. erzeugen und dich aufs Titelblatt bringen.“ Und um die Franzosen einzunorden, sei ein Treffen mit Präsident Sarkozy am besten. Hier setzte Notheis wieder auf die Kanzlerin. Zitat: „Du fragst Mutti, ob sie dir das arrangieren kann.“
  • „Du wirst Anrufe von zahlreichen Banken bekommen“, schrieb Notheis an Mappus. „Sie werden dich drängen, ihnen ein Mandat zu geben. Du musst das alles ablehnen (!!) und sagen, dass du bereits vollständig beratungstechnisch aufgestellt bist. Bitte achte darauf, dass du das durchziehst. Das verursacht sonst erheblich Sand im Getriebe, und das kann ich jetzt nicht gebrauchen.“
  • „Geht es auch, die Rechnung in ca. drei Wochen zu stellen und die Bezahlung nach der Wahl durchzuführen?“[Mappus an Notheis bzgl. Honorar für morgan Stanley] .Antwort Notheis: „Für dich mach' ich doch alles!“
  • [swp:] "Wenn Du [Mappus] ihn [Finanzminister Willi Stächele] am Montagmorgen in den Griff bekommst, dann würde ich ihn doch nicht vorab informieren. Habe nochmals darüber nachgedacht."
  • [Bild:] „Da hat sich das Land für 4,67 Milliarden einen Haufen Schulden eingekauft.“
  • „Der Ex-MP scherzte in einer anderen Mail: „P.S.: Fall die Kohle nicht mehr reicht, spendier ich im Stami [Staatsministerium] warmes Essen und warme Getränke...““

Fortsetzung folgt demnächst in diesem Theater....


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