Dienstag, 16. Oktober 2012

"Der Untergang" oder die "Endlösung der Eurofrage"?


„Europa hätte den Feigheits-Nobelpreis verdient: Die korrupte griechische Oberschicht hinterzieht weiter Steuern, doch frische Hilfs-Milliarden sind so gut wie unterwegs – die Prüf-Troika muss nur noch ihre Zahlen frisieren.“, so schreibt der Kommentator des FOCUS. Und weiter führt er aus: „Die Entscheidung ist längst gefallen: Griechenland darf nicht pleite gehen, kann im Euro bleiben und bekommt sogar frische Hilfs-Milliarden – auch wenn die Europa-Samariter diesen neuen Finanz-Transfer verbal raffiniert tarnen werden. Vielleicht als „teilweise Tilgung alter Darlehen“ oder als „Kauf von Staatsanleihen auf Kredit“.


Möglicherweise meint Hr. Dönch, ist es auch nur eine Finte der Verachtung: „Vielleicht will uns Herr Schäuble aber auch klar machen, wie wenig er von dieser „Troika“ hält. Das wäre wiederum eine überaus dankenswerte Offenheit. Denn was ist dieses Prüf-Gremium in Wirklichkeit? Ein aufgeblasener Popanz. Eine Handvoll politischer Beamter und Angestellter internationaler Gremien tut genau das, was die geldgebenden Regierungen wollen....Wir dürfen sicher sein, dass die „Troika“-Trickser den Griechen sogar „große Fortschritte“ bescheinigen werden – und sei es auch nur bei der Steuerhinterziehung. Denn die scheint weiterhin blendend zu funktionieren.“

Denn, auch das ist eigentlich klar, warum sollten sich uralte kulturelle Eigenschaften in diesem Land (genauso wenig wie die unseren) so schnell gravierend ändern: „Erst vergangene Woche wurde bekannt, wie skrupellos sich reiche Griechen für den Fiskus arm rechnen: Einer von ihnen verdiente laut Steuererklärung nur 5588 Euro im Jahr, schaffte es aber dennoch, 19,8 Millionen Euro ins Ausland zu verschieben...Ein norddeutsches Nachrichtenmagazin verweist auf das traurige Schicksal der so genannten „Lagarde-Liste“, die 1991 Namen von griechischen Eigentümern Schweizer Konten enthält (Gesamtguthaben 1,5 Milliarden Euro). Die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde hatte sie schon im Herbst 2010 ihrem griechischen Kollegen überreicht. Dann war die Liste viele Monate lang so gut wie verschollen. Nun liegt sie bei der Athener Wirtschafts-Staatsanwaltschaft – bei Strafverfolgern, für die der Begriff „zahnlos“ noch untertrieben sein dürfte....“.

Dass das weiter hochkochende Desaster alles andere als zur Demokratie und Einheit Europas beiträgt, zeigte vor allen die Briten mit ihrer offiziellen Freude über den Friedensnobelpreis: „Während die europäischen Anführer in Brüssel und die Regierungschefs in den Hauptstädten sich im Glanz der Ehrung sonnten, ließen die Europa-Skeptiker in der EU ihrer Verachtung für das norwegische Nobelpreis-Komitee freien Lauf. ...Die Entscheidung sei pure "Satire", schimpfte Kolumnist Iain Martin im konservativen "Daily Telegraph". Der Preis komme "verfrüht", da ja noch niemand wisse, wie das "Experiment eines antidemokratischen Bundesstaats" ausgehe....Die "Daily Mail" zeigte Bilder von brennenden Hakenkreuzflaggen während Angela Merkels jüngstem Athen-Besuch und zitierte den Tory-Chef im Europaparlament mit den Worten, der Nobelpreis werde offenbar für den Frieden und die Harmonie auf den Straßen von Athen und Madrid vergeben. Selbst der EU-freundliche "Economist"-Kolumnist Charlemagne bescheinigte dem Nobel-Komitee ein "merkwürdiges Timing", da die EU doch gerade auseinanderzubrechen drohe. ...Die britische Regierung hingegen äußerte sich zunächst nicht zu dem Preis - offenbar konnte sich der konservative Premierminister David Cameron nicht einmal an diesem Tag zu einem Lob für die EU durchringen.“.

Das man in den gelackmeierten Südstaaten „not amused“ war, ist da schon leichter verstehbar: “...In Griechenland sagte ein Sprecher der linken Oppositionspartei Syriza, dank der EU befinde sich die griechische Bevölkerung in einem täglichen "Krieg". In Norwegen erklärte der Friedensrat, eine Menschenrechtsgruppe, die EU habe in den vergangenen Jahren für das "Gegenteil von Frieden" gestanden. In Deutschland kritisierte die "Welt" das "forcierte Gutmenschentum" der Jury, die über die unerfreuliche Realität der Euro-Krise hinwegsehe.“.

(Q: Wikipedia: Mühlpfordt)
Der Spaltpilz kriecht immer weiterdurch das feuchte EU-Gemäuer: „Mit dem Friedensnobelpreis für die EU soll das Projekt Europa einen neuen Schub bekommen. Doch nur einen Tag nach Bekanntgabe der Ehrung bremst Bundestagspräsident Norbert Lammert bei den Plänen, weitere Länder in die EU aufzunehmen. "Für die unmittelbar bevorstehende Zukunft halte ich die Europäische Union nicht für erweiterungsfähig", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Kroatien sei nicht reif für einen Beitritt. "Wir haben so viele dringende Aufgaben in der Konsolidierung der Gemeinschaft zu erledigen, dass wir nicht erneut den Ehrgeiz der Erweiterung an die Stelle der notwendigen Stabilisierung treten lassen sollten...Wir müssen - gerade nach den Erfahrungen mit Bulgarien und Rumänien - den jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission ernst nehmen: Kroatien ist offensichtlich noch nicht beitrittsreif." Dabei waren die Preisrichter in ihrer Erklärung zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU explizit auf den geplanten Beitritt Kroatiens und andere Erweiterungsoptionen der EU eingegangen. "Die Aufnahme von Kroatien als Mitglied im nächsten Jahr, die Einleitung von Aufnahmeverhandlungen mit Montenegro und die Erteilung des Kandidatenstatus an Serbien werden den Prozess der Aussöhnung auf dem Balkan voranbringen", schrieb das Nobelkomitee. "Im letzten Jahrzehnt hat auch in der Türkei die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft Demokratie und Menschenrechte in diesem Land gefördert."“. Alles Dinge, die man sich angesichts der Lage abschminken darf. Die blauäugige SPD und ihre grünaugigen Koalitionäre dagegen möchten gerne denselben Fehler wie mit Griechenland wiederholen: „In der SPD sorgten Lammerts Äußerungen für Unverständnis. Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich sagte SPIEGEL ONLINE, ihn verstöre Lammerts "leichtfertiges Gerede über die EU-Erweiterung". "Wer den Beitritt Kroatiens in Frage stellt, der spricht der EU die Kraft ab, auch in Zukunft Frieden in Europa zu stiften. Das ist der größtmögliche Fehlschluss aus dem Friedensnobelpreis", sagte Friedrich.“. Nun ja, die Lernkurve ist bei manchen Spielkindern eben etwas länger.

Wolfgang Schäuble versucht derweil die Flucht nach vorne und präsentiert seinen „Masterplan“ für den Euro: “...Klamme Griechen, ermattete Europäer - Deutschland ist entschlossen, beide Probleme nun dauerhaft zu lösen. Das hat Schäuble klargemacht, wenn auch fernab der Heimat....Dort sprach der 70-Jährige den wunderbaren Satz: "There will be no Staatsbankrott in Greece.". Auch der Reformeifer beim Umbau der Euro-Zone soll neu entfacht werden. "Wir müssen jetzt einen großen Schritt in Richtung Fiskalunion gehen, der über die bisherigen Vorschläge hinausgeht"...Der leidenschaftliche Europäer Schäuble will sich auf wenige Reformen konzentrieren, die es allerdings in sich haben: [1] Der EU-Währungskommissar soll genauso mächtig werden wie sein für Wettbewerb zuständiger Kollege. Letzterer kann Entscheidungen alleine treffen, er muss dafür nicht die Zustimmung der anderen Kommissare einholen. [2] Um den Währungskommissar zu stärken, müssen die Nationalstaaten auf einen Teil ihrer Haushaltssouveränität verzichten. Der europäische Top-Beamte soll das Recht erhalten, gegen die Budgets der Mitgliedsländer sein Veto einzulegen. ...Bislang kann die EU-Kommission einem Land nur empfehlen, seinen Haushalt nachzubessern. [3] Außerdem will Schäuble die europäische Politik besser demokratisch legitimieren. Das EU-Parlament soll grundsätzlich früher an allen wichtigen Prozessen beteiligt werden. ... Charmant an diesem Vorschlag ist vor allem, dass er das Demokratiedefizit Europas verringert, ohne die schwer verständlichen Entscheidungswege noch komplizierter zu machen....Auch die vier Präsidenten von EU-Kommission, Rat, Euro-Gruppe und Europäischer Zentralbank, die derzeit an einer Reform der Währungsunion arbeiten, sind im Bilde....Um sie umzusetzen, müssen die EU-Verträge geändert werden. ...Realistischer ist, dass die Änderungen frühestens Anfang 2015 in Kraft treten. Wenn, ja wenn, das störrische Großbritannien mitspielt. Falls nicht, können die EU-Verträge nicht geändert werden. Dann müssten die Regierungen der Euro-Zone ein separates Abkommen schließen - so wie beim Fiskalvertrag.“.

Haben Sie die schleimige Spur des Spaltpilzes bemerkt? „... ermattete Europäer... Haushaltssouveränität verzichten... die europäische Politik besser demokratisch legitimieren... Das EU-Parlament soll beteiligt werden... Charmant, dass er das Demokratiedefizit Europas verringert... schwer verständlichen Entscheidungswege... die vier Präsidenten von EU-Kommission, Rat, Euro-Gruppe und Europäischer Zentralbank, die an einer Reform arbeiten... müssen die EU-Verträge geändert werden... frühestens Anfang 2015...wenn Großbritannien mitspielt... falls nicht, müsste die Euro-Zone ein separates Abkommen schließen wie beim Fiskalvertrag.“. Die mangelhafte Legimitation der EU-Führung und die Unzahl an mehr oder mehr weniger gewählten Präsidenten sowie der saloppe Umgang mit alten Verträgen ist jedenfalls kein Geheimnis.

Abgesehen davon das mehr Einheit an den volkswirtschaftlichen Schuldenständen nicht das geringste ändert, so sind doch schon alleine die EURO-17 nicht in der Lage sich zu reformieren, mit oder ohne Großbritannien: „EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) lehnt die Forderung von Schäuble ab, dass die EU-Kommission ein verschärftes Eingriffsrecht in nationale Haushalte bekommen soll. "Es darf ganz sicher keinen EU-Finanzminister geben, der das Haushaltsrecht der Mitgliedstaaten relativieren kann. Wenn überhaupt, dann geht das nur mit demokratischer Legitimation", so Schulz im Gespräch mit der "Welt". ...Zugleich versucht Schäuble den Streit um die Auszahlung der zweiten Hilfstranche für Griechenland in Höhe von 31,5 Milliarden Euro zu nutzen, um Druck auf die Euro-Partner zu machen, die wie Frankreich, Spanien und Italien eine Fiskalunion bislang mehr oder weniger öffentlich torpedieren....Ähnliche Vorschläge sind allerdings bereits mehrfach gemacht worden. Durchsetzungsfähig waren sie bislang nicht. Und das weiß Wolfgang Schäuble durchaus, wenn er sie jetzt wieder aus der Schublade holt.“.

(Q: Wikipedia Kromberg)
Selbstverständlich ahnt Wolfgang Schäuble zu Recht, dass die Sache so nicht auf Dauer weiter gehen kann: „Die Angst vor einer schleichenden Geldentwertung treibt Wolfgang Schäuble um. Der Bundesfinanzminister warnt in einem Interview vor der Inflationsgefahr, die von der aktuellen Liquiditätsschwemme in der Welt ausgehe. ….Man dürfe nicht vergessen, dass ein Grund für die tiefe Finanzkrise nach 2007 die übermäßige Liquidität an den Märkten war, sagte Schäuble ...Um die Wirtschaft anzukurbeln, pumpen die Notenbanken seit Jahren Geld in das Finanzsystem. Allein die EZB hat ihre Bilanzsumme etwa verdreifacht. Zuletzt hatte die Notenbank ein unbegrenztes Ankaufprogramm für Anleihen europäischer Krisenstaaten angekündigt...“.

Nun, da die Geldschwemme allerdings fast „nur“ ins Bankeneigengeschäft fließt und nicht ins BIP (das ist längst übervoll und in Europa wegen der Sparprogramme und Nettolohnverlusten beim Konsumenten sogar abnehmend) kommt es mit dem Kaufkraftverlust der Massen zunächst zu einer Deflation. Aktuelles Beispiel ist die Autoindustrie, einer der Kernindustrien Deutschlands und Europas: Die befindet sich in einer elementaren Absatzkrise, lediglich noch Exporte von Luxuswagen nach China und eine durchschnittlich auf mehr als 30% angestiegenen Anteil der Kurzzulassungen von Neufahrzeugen durch Werke und Händler lassen die Absatzzahlen noch einigermaßen vertretbar aussehen. Natürlich verkauft man so keine Fahrzeuge und es macht die Preise gründlich kaputt und wird spätestens in 2013 seinen Tribut fordern. Und so lange die begünstigten der Rettungspakete nur damit beschäftigt sind, ihre Tantiemen außer Landes zu schaffen, wird es mit der Inflation auch nicht so schlimm.: „In den Steueroasen der Welt lagern zwischen 21 und 32 Billionen US-Dollar auf Schwarzkonten – konservativ geschätzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des ehemaligen Chefvolkswirts der Unternehmensberatung McKinsey, James Henry ...Henry verdeutlicht in seiner Studie jedoch, dass die meisten Steueroasen heute virtuell seien. Sie bestünden aus „einem Netz juristischer und quasijuristischer Einheiten und Einrichtungen“, das sich um die ganze Welt spanne. Oft seien es zeitlich begrenzte Fonds, Konten, Scheinfirmen und Investmentgesellschaften, zwischen denen das Geld hin und her geschoben würde. Diese Arbeit übernehmen Privatbanken für ihre superreichen Kunden. Henry hat die Geschäfte der 50 größten internationalen Banken analysiert und 10 Marktführer bei der Steuerschieberei identifiziert. In absteigender Reihenfolge sind das: UBS, Credit Suisse, Goldman Sachs, Bank of America, HSBC, Deutsche Bank, BNP Paribas, Wells Fargo, Morgan Stanley und JP Morgan Chase. Besonders bitter: Alle dieser zehn Banken haben zwischen 2008 und 2012 Finanzspritzen durch Staatskredite erhalten. Henry kommt zu dem Schluss: „Gewöhnliche Steuerzahler haben die größten Banken der Welt subventioniert, damit diese weiterhin ihren reichen Kunden dabei helfen können, Steuern zu hinterziehen.““.

Der ist Frau Merkel offensichtlich allerdings egal, sofern es nur um ihren„europäischen Traum“ geht: „Der Vorsitzende der nationalistischen UK Independence Party, Nigel Farage, erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. ...In dem Interview sprach Farage über ein Treffen zwischen ihm und der Kanzlerin, das vor einem Jahr stattgefunden haben soll. ... habe er Merkel darauf angesprochen, dass die deutschen Steuerzahler bereits zwanzig Jahre für die Reintegration Ostdeutschlands gezahlt hätten. „Ich sagte zu ihr: Wäre es nicht ein freundliche Geste gegenüber den deutschen Steuerzahlern, wenn sie nicht mehr ständig Blankoschecks unterschreiben müssten? Und wäre es nicht eine Befreiung Griechenlands, den Euro zu verlassen, eine stark abgewertete Drachme wieder einzuführen und so das Land wirtschaftlich zu gesunden?“ Daraufhin habe Merkel geantwortet, für sie sei dies keine Option: „Wenn Griechenland den Euro verlässt, werden andere Staaten folgen. Das wäre das Ende unseres europäischen Traumes.“ Farage: „Sie sagte: Es ist uns völlig egal, ob die Jugendarbeitslosigkeit die 60-Prozent-Marke erreicht. Es ist uns völlig egal, ob 25 Prozent der Privatunternehmen zusammenbrechen. Es ist offen gesagt sogar egal, ob ganz Griechenland zusammenbricht, solange wir das europäische Projekt erhalten.“

Na denn sind wir ja auf dem besten Weg zurück in die Zukunft. “Wir gehen unter. Aber wir nehmen die Menschheit mit!“ (famous last words: A. Hitler)  

1 Kommentar:

  1. Wie immer ein super Beitrag. Vielen Dank.
    Kann man mit dem diesjähriges Herbstbösachten rechnen? :)

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