Donnerstag, 25. Oktober 2012

Mumps : Wo der Groschen Viertelspfennigweise fällt

Neue Einsichten beim Internationalen Währungsfonds: „...Von anderer, ebenfalls autoritativer Stelle wird die bisher verfolgte Politik der Krisenbekämpfung durch scharfe Austerität plötzlich hinterfragt. Das Eingeständnis des Internationalen Währungsfonds (IMF), dass der in Prognosen verwendete Multiplikator von Veränderungen der Staatsausgaben deutlich höher als bisher angenommen ist, wird von einigen Marktkommentatoren als aufsehenerregend – in der Formulierung von Steen Jacobsen von der Saxo Bank sogar als die wichtigste Makro-Geschichte des Jahres – bewertet. Beträgt der fiskalische Multiplikator nicht wie bisher verwendet 0,5 – das heisst, bei einer Kürzung der Staatsausgaben um 1% fällt das Bruttoinlandprodukt um 0,5% –, sondern bewegt er sich in Wahrheit in einer Bandbreite von 0,9 bis 1,7, dann rücken Austeritätsprogramme in ein neues Licht: Bei einem Multiplikator von über 1 wird Austerität zur falschen Medizin, denn die Wirtschaft schrumpft rascher als der Staatshaushalt, und die Schuldenproblematik verschärft sich. Die Gefahr einer Abwärtsspirale haben zwar einige Ökonomen und Marktkommentatoren häufig betont, aber Worte des IMF haben grösseres Gewicht.“. Im Klartext: endlich hat man begriffen, das staatliches Sparen nicht effektiv ist. Verwunderlich dass es so lange dauerte das zu Begreifen, denn die Sache ist schließlich lange bekannt und ökonomisch gesehen einigermaßen trivial (Beitrag 28. Januar 2010 und ff.). Und die ökonometrischen Messungen des IWF (engl. IMF) zeigen, dass es sogar noch schlimmer kommt als die Annahme von 2010, wo man auf eben genau die gemessenen 0,9 also knapp 1 käme. Im Schnitt sind es aber sogar 1,4 wegen diverser Nebeneffekte fehlender staatlicher Ausgaben. Oder anders herum und etwas verkürzt ausgedrückt: Wenn der Staat 1 Euro spart, dann verschuldet er sich (i.d.R., es hängt noch vom spez. Kapitalkoeffizient und Geschäftsbankenanteil ab, Details siehe MFT Seiten 135 ff. ) um effektiv 1,40 Euro.

Jetzt könnte man natürlich auf die Idee kommen, der Staat müsse eben entsprechend das Gegenteil tun, also mehr ausgeben. Das ist zwar durchaus nicht verkehrt, jedoch ändert auch das nichts an der Schuldenspirale. Den Grund kann man im „Netz der Spinne“ finden. Denn zwar steigert die Zusatzausgaben des Staates automatisch das BIP, allerdings ebenfalls(!) die Verschuldung, und zwar wiederum um den Faktor von rund 1,4 da dass BIP eben auch zu knapp 140% kreditiert ist. Das Ergebnis bzgl. der Gesamt-Verschuldung (engl.: total debt owned to market) der Volkswirtschaft bleibt immer gleich. Bis der Groschen fällt, dauert es aber ebenfalls noch einige Zeit.

Denn der einzige Ausweg aus der Krise ist natürlich die effektive Vernichtung von Vermögen (geht auf unterschiedliche Art). Immerhin dämmert das dem IWF auch schon „...In der Sicht von Buchheit und Gulati ist die Containment-Politik der Euro-Staaten gescheitert. Sie verweisen auf frühere Krisen, die zu Restrukturierungen der Schulden geführt haben. Während der Schuldenkrise lateinamerikanischer, asiatischer, afrikanischer und osteuropäischer Staaten in den 1980er und frühen 1990er Jahren habe das Rezept neben Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen auch eine Restrukturierung bestehender Verpflichtungen enthalten. Die privaten Gläubiger mussten wählen zwischen einer zeitlichen Verlängerung ihrer Forderungen mit begrenzten Verlusten und einem «haircut» mit entsprechend höheren Verlusten. Die mildeste Restrukturierung sei das «reprofiling» mit verlängerten Laufzeiten. Der Zwang zur Refinanzierung entfällt dann vorerst, und der Verlust der Gläubiger («net present value loss») bleibt begrenzt.“.

Na bitte, es geht doch. Wenn auch Viertelpfennigsweise. Fragt sich allerdings, wie lange es dauert bis die Erkenntnisse im Mainstream ankommen, und auch die Regierung(en) begreift, das volkswirtschaftliche Schuldenabbau durch staatliches Sparen unmöglich ist: „...Dies sei aber kein Grund, den Schuldenabbau zu stoppen - im Gegenteil: Arbeitslosigkeit sei "eine Folge unsolider Haushaltspolitik", sagte Schäuble. Lagarde hatte sich am Donnerstag dafür ausgesprochen, Griechenland bei seinen Sparprogrammen zwei Jahre mehr Zeit zu geben, um seine Krise zu überwinden....““. Wie man sieht ist man auf beiden Seiten noch nicht soweit. Denn staatliches Sparen führt unmittelbar zu Arbeitslosigkeit, und längerer Aufschub ist nur gewonnene Zeit, ohne irgendeinen Effekt auf die Zunahme der Totalverschuldung.

Ziemlich lange dürften wir uns allerdings noch gedulden müssen, bis der Mumps der westlichen Welt kuriert wird, obwohl sich die Einsichten in die richtige Richtung mehren: ,,...,Kritik an der offiziellen Schuldenpolitik äussert auch George Magnus von der UBS. Er bezeichnet die überbordende Notenbankliquidität als ansteckende Krankheit, als Mumps (most unusual monetary policies). Sie löse keine Probleme, schädige vielmehr die Wirtschaft, nicht zuletzt weil tiefe Zinsen die Spartätigkeit bremsen. Statt bescheidener Wachstumsrhetorik seien konkrete Schritte zur Verbesserung von Beschäftigung und Erwerbsquoten in Schuldenländern notwendig.“

2 Kommentare:

  1. Einerseits wird zwar kritisiert, dass staatliches Sparen zu Arbeitslosigkeit führt, andererseits staatliche Neuverschuldung ebenfalls zu ausufernder Verschuldung führt.
    So kommen wir nicht weiter. Der Staat sollte nicht einfach die Neuverschuldung ins Unermessliche treiben, nur damit die Arbeitslosigkeit eine Weile im Griff bleibt, bis das System dann doch wegen Überschuldung zusammen bricht.
    Es fehlt eine Begrenzung anhäufbarer Geldansprüche.
    Es fehlt auch eine Gegenkopplung zwischen Politik/Haushaltsbudget und Bevölkerung/Zahlungsverpflichtung für Staatsschulden.
    So lange virtuell hochgebucht wird und man selber durch den Geldsegen des Staates profitiert, wert sich kaum einer in der Bevölkerung.
    Wie wäre es damit, wenn der Staat nach einem Verteilungsschlüssel neuschulden, gleich auf die Konten seiner Bürger verteilt und somit diese jene Politiker wählen, die mit dem Geld sparsam umgehen, statt Wahlgeschenke zu verteilen und Seilschaften zu bedienen?
    Und wie wäre es mit mehr Basisdemokratie, wo die Bevölkerung über größere Ausgaben abstimmt?

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  2. Zitat "Es fehlt eine Begrenzung anhäufbarer Geldansprüche." Genau so ist es, allerdings genauer gesagt "...anhäufbarer BIP-Ansprüche". Denn Geld stellt einen staatlich verbürgten Anspruch auf aktuell erzeugtes BIP dar. Gibt es davon deutlcih zuviel, dann verliert der Schaffende praktisch den Anspruch auf den Erfolg seines eigenen Schaffens.

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