Montag, 1. Juli 2013

Der streng geheime Weltkrieg

Edward Snowden hat etwas geschafft, was den USA äußerst peinlich sein dürfte: Er hat den flächendeckende Überwachungswahnsinn der NSA offengelegt. Nicht dass dies wirklich eine Überraschung in informierten Kreisen wäre. Es war längst bekannt, nicht nur unter Verschwörungstheoretikern, sondern, nicht nur aber auch, unser Bundespräsident Gauck wusste offensichtlich im Detail davon: “Spurenvernichtung im Amt: Die Stasi hatte Beweise dafür gesammelt, daß US-Agenten die Bundesregierung ausspionierten. Doch nach der Wende ließ das Bonner Innenministerium die belastenden Akten von bewaffneten Grenzschützern abholen und nach Washington bringen…Ein Kommando bewaffneter Grenzschutzbeamter holte die Aktenbündel beim Geheimschutzbeauftragten der Berliner Gauck-Behörde ab. Seit jenem 24. Juli 1992 sind die Akten bis auf einen kargen Rest verschwunden. Die Regierung Helmut Kohls hat sie den Amerikanern zurückgegeben. Washington hatte ganz ordentlich Druck in Bonn gemacht - schließlich trugen etliche der Dokumente Stempel der höchsten amerikanischen Geheimhaltungsstufen "Top Secret" und "Top Secret Umbra".”

In den Zeiten des kalten Krieges mag man den ungenierten Geheimdiensttätigkeiten der USA auf Deutschem Boden noch achselzuckend zugeschaut haben, danach wurde es aber zunehmend absurd. Statt in irgendeiner Weise die Beschnüffelung gerade in und der BRD zurück zu fahren, wurde alles noch ganz erheblich intensiviert. Insbesondere zählt Deutschland nach offizieller NSA Doktrin als “Partner dritter Klasse”. Was im Klartext heißt: ein potentieller Feind der auch so zu behandeln sei. Im Jahre 1992 war man nun in den Besitz von mehr als 13000 Seiten hochbrisantem Material gelangt, dass nach dem Stasigesetz deutsches Eigentum war und keineswegs herausgegeben werden musste. In eilfertigem Buckeln rückte die Kohl-Administration das Material aber schnell heraus, und das auch ohne die sowieso in solchen Fällen erlaubten üblichen Kopien anzufertigen.

Zur gleichen Zeit wurde auch das Echelonsystem aufgebaut. Es ist Satelliten basiert und horcht weltweit Telekommunikationsnetze ab.
 
Das darüber auch deutsche Kommunikation abgehört wurde war eigentlich klar, so wurden auch Firmenkommunikation etwa um Auftragsvergaben und Angeboten etwa von Airbus in Konkurrenz zu Boeing offensichtlich auf diese Art durchgestochen, obwohl sich das kaum beweisen lässt. Wie auch, schließlich ist ja alles streng geheim, und parlamentarische Kontrolle hüben wie drüben ist wenig mehr als den Abgeordneten “Brei ums Maul streichen”. Wirklich interessante und brisante Informationen werden der Öffentlichkeit sowieso, aber auch den demokratisch legitimierten Gremien, vorenthalten. Das Argument ist immer das gleiche: Streng geheim, nationale Sicherheit, Terrorismus etc. pp. Das geheimste Geheimnis dabei ist allzu oft allerdings die Unfähigkeit der sammelwütigen Behörden. Wenn einem mehr als zehn Jahre eine braune Terrorgruppe und ihre schön regelmäßigen Morde entgehen oder selbst eine logistische Meisterleistung der Terroristen um Al Quaida nicht auffällt, die eben mal zwei Bürotürme in New York pulverisieren. Wie sollte das auch sein, wenn man damit beschäftigt ist seine eigenen Freunde und Bürger auszuhorchen und Industriespionage zugunsten eigener Weltfirmen betreibt.

nsa-griesheim
Griesheim NSA Abhörstation auf GoogleMaps

Die BRD und Freund dritter Klasse ist wie jetzt bekannt wurde, sogar der Hauptausgespähte im gesamtem Europäischen Raum. Ungeniert bedienen sich die USA mit Abhöranlagen mitten auf deutschem Gebiet an der Kommunikation unserer Firmen und Bürger. Das war im Kalten Krieg zwar kein Geheimnis, als in Westberlin riesige Abhöranlagen unübersehbar vom Teufelsberg aus nach Ost und West spähte. Nach dem Fall der Mauer hat man sich etwas umorientiert und ist schließlich ins geographische Zentrum Deutschlands nach Hessen, in den Ort Griesheim gezogen. Von dort aus ist die Banken und EZB Zentrale Frankfurt auch viel einfacher auszuspionieren und die weiteren Industriezentren vom Ruhrgebiet bis München liegen auch besser.

Auch wenn sich viele Regierungsmitglieder sicherlich ein paar Illusionen über das Ausmaß hingegeben haben, so ist die ganze antidemokratische Sauerei wohl bekannt. Umso mehr ist BK Merkel als auch Prs. Obama an dem Herunterspielen der Affäre überaus gelegen. Mehr als ein bisschen gespielte Erregung wird man als Bürger kaum erwarten dürfen. Dabei dürfen wir getrost davon ausgehen, dass wirklich jedes Telefonat, Email oder Googleanfrage von der NSA automatisiert nach Schlapphut-Gutdünken durchforstet wird. Verdächtig ist Jedermann, und die falschen Worte zur falschen Zeit die in den falschen Rachen eines NSA-Analysten geraten, können in Zukunft prinzipiell jedem BRD Bürger bei Zeiten wieder um die Ohren gehauen werden.

Etwa wenn Sie das nächste mal in die USA reisen wollen und am Kennedy-Airport ohne Angabe genauerer Gründe in die nächste Maschine nach Hause gesetzt werden. Oder gar schlimmeres. Die Paranoia der Staatsschützer kennt keine Grenze, das ist bei der NSA nicht anders als bei ihrem ehemaligen Feind erster Klasse, der Stasi. Von den Möglichkeiten, dem Personal, Geld und Ausstattung der NSA, davon allerdings konnte die Stasi nur träumen, während sie kleinliche Informationen irgendwelcher IM’s auf schmale Karteikärtchen mühsam per Hand tippte.

Pflichtbewusst bügelte Innenminister Friedrich sehr gereizt die kritischen Fragen der Journalisten des NDR ab: ”…dieser Antiamerikanismus geht mir gehörig auf die Nerven!”.

Die übliche Methode also der gezielten Nicht-Auseinandersetzung, ausgerechnet vom Innenminister. Berlin möchte das Thema mit etwas Theaterdonner garniert gerne aussitzen. Streit mit den USA im Wahljahr, da ist man in normalen Jahren ja schon devot bis zur Selbstauspeitschung, aber jetzt kann man den erst recht nicht gebrauchen. Die schönen Bilder der selbstbewussten Frau und die Aura der Durchsetzungsfähigkeit der Superkanzlerin kann da nur leiden, zumal bekannt wurde das auch sie selbst von den Abhöraktionen nicht ausgeschlossen ist. Denn als Partner dritter Klasse, und somit ergo Feind erster Klasse, kann man sich in seinem Protest dann nur noch lächerlich machen.

Gott sei Dank, muss man leider sagen, hat die Sache auch eine Europäische Dimension. Das übliche Aussitzen und das Konterargumente-Repertoire( “Antiamerikanismus”, ”Antisemitismus”, ”Verharmlosung der Nazidiktatur”, “linkes Gedankengut” etc. pp.) wird also kaum ausreichen. Denn selbst die EU-Kommission wurde hemmungslos ausspioniert und EU-Büros weltweit verwanzt. Von Vertrauen zwischen der alten und der neuen Welt kann keine Rede mehr sein. Insbesondere wegen dem Britenrabatt. Ja nicht der beim Zahlen der EU-Rechnungen, sondern auch der beim NSA-Skandal: Lediglich Großbritannien und sein Königreich Kanada, Australien und Neuseeland sind von der Bespitzelung offiziell ausgenommen. Denn die NSA gehört zum USAUK-Abkommen über die gemeinsame Arbeit der Geheimdienste. So gehört es zu den Aufgaben der Briten insbesondere den deutschen Internetknoten bei der Stadt Norden an der Nordsee anzuzapfen. Wie das technisch genau geschieht ist noch nicht öffentlich, aber ohne Mitwirken oder wenigstens Mitwissen deutscher Firmen und Behörden ist das kaum denkbar. Bei allen Dingen die die NSA den Deutschen antut, stecken auch immer deutsche Geheimdienste mit unter der Decke, wie weit sie allerdings informiert sind oder nur an der Nase durch die Arena geführt werden ist nicht bekannt, sprich geheim. Sehr geheim. Und vermutlich sehr unangenehm für Berlin falls es im Wahljahr zu offensichtlich würde, dass man die systematische Verletzung der Grundrechte der Bürger (Artikel 10 GG:"Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich") zumindest geduldet, wenn nicht sogar aktiv befördert hätte.

Edward Snowden ist nun auf der Flucht vor seinen Häschern. So wie auch Julian Assange der in Großbritannien immer noch in der Botschaft Ecuadors festgehalten wird. Logisch wenn man bedenkt welche enge Bindung Großbritannien an die USA, aber nicht an die EU, hat. Which side you are on? Eine Frage die sich die EU und Großbritanien, Deutschland und seine Bürger stellen müssen. Verfolgungswahn weitgehend unkontrollierter Geheimdienste oder Freiheit, Rechtssicherheit und Grundrechte für die Bürger? Und der Bürger, muss er einfach resignieren und akzeptieren? Oder verlangt er die sofortige und nachweisliche Einstellung der Bespitzelung?

Deutschland, die EU, und ihre Bürger könnten ein Zeichen setzen.

Man könnte die sofortige Schließung von Griesheim und die sofortige Entfernung der Abhörtechnik in Norden fordern, und vor allen Dingen, auch effektiv durchsetzen. Auch noch ein weiteres Zeichen wäre möglich. Weder Snowden noch Assange können in den USA auf einen fairen Prozess oder eine faire Strafe hoffen. Denn beide haben publik gemacht was den Strippenziehern hinter den Kulissen peinlich ist, wie sie die Bürger und ihre gewählten Volksvertreter belauschen, manipulieren und an der Nase herumführen. Wie die Demokratie in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Finanzkrise zunehmend erodiert und vermodert. Man kann und will nicht weitere solche Fälle dulden oder durch ein mildes Urteil provozieren.

Es wäre angemessen, wenn die EU nun Snowden  ("Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich tue und sage, aufgezeichnet wird.") und ggf. auch Assange Asyl anbieten würde.

Denn nicht die beiden sind die Feinde der Demokratie, sondern wie nun offensichtlich geworden ist, genau diejenigen die sie jagen und sich auf Gesetze berufen, deren Einhaltung scheinbar nicht nur ihren Geheimdiensten völlig schnurz ist. Des lieben Friedens wegen kann man den Amerikanern anbieten, die beiden etwa irgendwo im freien Europa vor Gericht zu stellen, nach deutschem Recht etwa. Gerne darf ein US-Anwalt kommen um dabei die Interessen der USA zu vertreten und dem Gericht und den Verteidigern Rede und Antwort zu stehen. Nach z.B. deutschem Gebaren in Gerichten, bei denen keine groteske Hollywoodreife Vorführungen hochbezahlter Topjuristen für zwölf mit dem Schlafe kämpfende Geschworene abgeliefert werden dürfen.

Wir dürfen gespannt sein, ob sich irgendetwas von Belang tut. Was die USA tun möchte, hat sie schon verlautbart: “…Jetzt reagierte der oberste Chef der US-Geheimdienste, James Clapper. Er kündigte Aufklärung an, allerdings werde diese nicht öffentlich erfolgen: "Die Regierung wird der Europäischen Union angemessen über unsere diplomatischen Kanäle antworten." Klärung werde es auch in dem beidseitigen Expertendialog über die Geheimdienste geben, den Washington vor Wochen angekündigt hat. "Wir werden diese Themen auch bilateral mit EU-Mitgliedstaaten besprechen", so Clapper weiter. Er machte aber auch klar: "Während wir grundsätzlich bestimmte, mutmaßliche Geheimdienstaktivitäten nicht öffentlich kommentieren, haben wir klargemacht, dass die USA ausländische Geheimdienstinformationen in der Weise sammeln, wie es alle Nationen tun." ” . Im Klartext: Man wird weiter machen wie bisher. No Comment, bestenfalls ein paar balsabernde Worte unter Diplomaten und Schlapphüten. Streng geheim, versteht sich.

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NSA Datenzentrum Neubau: Quelle en.Wikipedia.org/NSA

Schlimmer noch, es geht ja noch weiter: Gerade hat man in der US-Wüste ein riesiges Datenzentrum der NSA hochgezogen, für 2 Milliarden Dollar Baukosten. Das steht da nun im schmucken Raumschiff-Enterprise-Design zum Bezug und natürlich nicht um es gleich wieder dicht zu machen. Nein es soll nun richtig fliegen und wird den Wahnsinn weiter ausbauen und verschärfen.

Die USA bekommt mehr und mehr totalitäre Züge. Ein Staat der weder seinem Freund noch Feind noch Bürger traut. Und dem man umgekehrt auch nicht mehr trauen kann. Der Verrat an der Demokratie wird aber auch von unnötigem Vasallentum mit getragen. Nur ein sehr energisches Auftreten von noch freien Staaten und Bürgern kann dem Einhalt gebieten. Aber die Hoffnung auf Erfolg dürfte angesichts der Machtverhältnisse getrübt sein. Schon die Aufwertung der Bundesrepublik vom Feind erster Klasse auf Feind zweiter Klasse könnte man als respektablen Erfolg werten.

2 Kommentare:

  1. Die Spionageaktionen von USA/England sind nun keine Verschwörungstheorie mehr, was wir Gutmenschen immer geglaubt haben.
    Andererseits zeigt Deutschland keine Anzeichen eines "Partners erster Klasse". Bei uns "gehört der Islam dazu", die Bundeswehr wird langsam abgeschafft, wir träumen von der unrealistischen "Energiewende", die Linkspartei wird in jeder Talkshow hofiert und der deutsche Soldat muss nach jedem Schuss mit einer gerichtlichen Aufarbeitung rechnen... wäre ein Staat in der Pubertät, wären wir mitten drin.

    So unangenehm es für die "aufgeklärten" unter uns sein mag, dass BigBrother über uns wacht, so sehr befürchte ich unser selbstzerstörerisches Gutmenschentum, wenn sie es nicht täten.
    Sieht man sich das unseriöse Verhalten unserer Eurokollegen beim Rettungsakt an, dann erscheinen mir diese keineswegs geeigneter für "Freunde erster Klasse".

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  2. Hallo Anonym,

    im großen Ganzen muss ich Ihnen zustimmen.

    Das eigentliche Problem ist allerdings der Umstand, dass mit allen diesen Fragen nicht offen umgegangen wird. Sondern der Bürger in aller Regel nach Strich und Faden für dumm verkauft und an der Nase herumgeführt wird.

    Das gilt in der Tat z.B. auch für sämmtliche "grüne" Politik, wo ausser viel Augenwischerei wenig geschieht. Insbesondere da sich die Grünen längst zu einer Umweltindustrielobby entwickelt hat, die sich an Belanglosigkeiten wie grüne Autoplaketen hochzieht aber nichts von größerer Bedeutung mehr bewegt.

    Natürlich gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Staates die Garantie innerer und äußerer Sicherheit für den Bürger. Und Geheimdienste sind da unvermeidbar. Bei Geheimdiensten wird es aber noch viel arger, denn da werden auch die Parlamentarier regelmäßig vorgeführt.

    Allerdings ist die Kontrolle über diese nicht nur in Diktaturen sondern auch in Demokratien gelinde gesagt mangelhaft. Geheimdienste haben die Eigenschaft schnell einen Staat im Staate zu bilden. Selbst die nominellen Staatsoberhäupter werden dann plötzlich zu machtlosen Phrasendreschern degradiert, da sie sonst eingestehen müssten, dass sie dem Treiben dieser Behörden praktisch machtlos gegenüber stehen.

    Kein Wunder wenn dann wie Putin oder Netanjahu solche Geheimdienstler am Ende den Staat vereinnahmen. Da müsste sich also einiges an den Eingriffsmöglichkeiten der demokratischen Gremien ändern.

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