Mittwoch, 25. September 2013

Nach der Wahl – Hauen und Stechen um die Pfründe

Der Ausgang der Bundestagswahl 2013 ist ein wenig seltsam gewesen. Wie allseits erwartet, natürlich, konnte Angela Merkel die mit Abstand größte Fraktion der Wähler auf ihre Seite bekommen. Das scheinbar fulminante Ergebnis ist bei genauerem Hinsehen allerdings nicht so überzeugend, wie die 41,5% für die Union es erst mal erscheinen lassen. Denn die enormen Zugewinne von fast 8% gehen praktisch ausschließlich auf die Wählerwanderung von der FDP zur Union zurück. Unterm Strich hat die Tigerentenkoalition also sogar rund 2% verloren und nichts wirklich gewonnen. Denn zur absoluten Mehrheit reichte es ja dann doch nicht für Angela.

Überhaupt Angela. Der ganze „Wahlkampf“ der Union bestand praktisch nicht aus irgendwelchen Sachargumenten, sondern fast ausschließlich aus der Suggestion „Mutti wird es richten!“. Erfolgreich hat man es geschafft, den Euro und sein Dilemma nahezu vollständig aus dem Wahlkampf und den Köpfen der Wähler heraus zu halten. Ansonsten gab es nur Verlierer, unter denen sich Angela nun einen devoten Koalitionspartner heraus suchen darf. Was sach-politisch kein Problem sein dürfte, denn es sind ausschließlich Euro-Träumer in den Bundestag gekommen, die AfD scheiterte knapp an der 5%-Hürde. Aus der Traum von einer kompetent-nervenden Gegenstimme im Schulden-Abnick-Parlament also. Denn selbst die Linke hält ja noch am Euro-Desaster im Grundsatz fest.

Was allerdings nicht bis 2017 auch so bleiben muss. 

Der 4,7%-Warnschuss der AfD an den Euroblock wird nicht ganz untergehen. Und im Gegensatz zur letzten Legislaturperiode dürfte die, in der Tat recht geschickte Hinausschieben der Probleme über die nächste Wahl, Taktik nicht mehr so einfach auf gehen. Einerseits rückt auch für die BRD die Präsentation der offenen Rechnungen näher, andererseits haben die Loser-Fraktionen durchaus interessante macht-politische Optionen.

Die FDP flog, wenigstens eine schöne Pointe, aus dem Bundestag heraus. Die von der FDP kalkulierte Vergesslichkeit der Wählerschaft ging nämlich nicht so auf, wie gedacht: Nach der Wahl 2009 schenkte man für lausige 1,1 Mio. Wahlspende der Hotelklientel einSteuergeschenk ein, dass sich bis dato auf rund 5 Mrd. Euro zum Nachteil des Durchschnittverdieners aufgetürmt hat. Das zu vergessen war schwierig, denn es blieb dann praktisch der einzige „Erfolg“ des heillosen Klientel-Kindergartens der freien Demokraten. Den Rest der letzten vier Jahre hätte die FDP auch Urlaub auf den Azoren machen können, es wäre weniger schlimm aufgefallen als das weiter Personal- und Sachdesaster der Partei. Den Piraten ging es auch nicht besser: Mit lausigen gut 2% wurde man völlig abgemeldet. Auch wenig Wunder, denn wer sich mit dieser Partei ein wenig beschäftigt hat, sah außer Kompetenzstreitigkeiten und Postengerangel wenig erhellendes dort in letzter Zeit.

Krötenkoalition?  (Bild: wikipedia, author: wildfeuer)
Die anderen Loser des 22.ten Septembers dürfen sich allerdings in einer nicht so unkomfortablen Situation wähnen: Allen voran Grüne und SPD, beide mit unter dem Strich Verlusten, aber zusammen mit der künstlich ausgegrenzten Linken „stark“ genug, um einigen Druck in die Waagschale zu werfen. Das bei der verblichenen FDP die Köpfe reihenweise rollten, mag keinen wirklich wundern. Bei den Grünen ist es aber auch so gekommen: Die angeblich Verantwortlichen für das wenig begeisternde Ergebnis werden nun, im üblichen Postengerangel um die Pfründe, durch neue Köpfe ersetzt. Tendenz: „Rechtsruck“ wie sich die Medien ausdrücken, jedoch genauer gesagt ist es eine Anbiederung an die CDU und damit an die sogenannte Mitte. Diese vermeintliche „bürgerliche Mitte“ die von Union und SPD ehedem schon fast ununterscheidbar beackert wird, dazu gesellt sich in schöner Machtgeilheit nun auch noch die ehemals revolutionären Grünen.

Auch wenn die Mehrheit der Deutschen laut Umfragen sich eine Große Koalition wünschen, so wäre der Schwarz-Grüne Coup für Merkel gegebenenfalls aber doch praktischer. Denn die schlappe, aber doch deutlich stärkere SPD, könnte, ja müsste, spätestens in der Mitte der Legislaturperiode beginnen den eigenen Kanzlerkandidaten Mister X aufzubauen, und eventuell sogar z.B. per konstruktivem Misstrauensvotum, zu inthronisieren, bevor es in eine ggf. sogar vorgezogen Neuwahl geht. Denn je nach dem wie die Dinge laufen erlauben dass die Mehrheitsverhältnis einer einigermaßen geschickt agierenden SPD durchaus.

Die Krötenkoalition

Grün-Schwarz, die Farben der Kröte, dagegen hat andere Optionen, die weniger grausam für die Union erscheinen müssen. Zumal wenn sich die Grünen nun endgültig entkernen und aus grünen EU-Bürokraten schwarz lackierte zaubern. Die Krötenkoalition hat, was den Grünen vielleicht gar nicht so klar ist, mehr Vorteile für Merkel als für die in die Ministerpöstchen drängenden Spitzen-Grünen. Klar, auch die grünen können das übliche Spielchen mit eigener Profilierung und möglichem Koalitionsbruch treiben, aber zu welchem Preis am Ende? Schließlich war sie schon in den letzten Jahren mehr und mehr zur grünlackierten FDP mutiert, denen Umweltindustrie-Klientelpflege weit über realem Umweltschutz geht. Nach einer solchen Koalition dürfte die Transformation der Grünen zum ganz normalen Spießertum aber dann endgültig vollzogen sein. Das dann neue Klammeräffchen der Union dürfte sich in der nächsten Wahl somit kaum mehr als das tolle diesjährige Ergebnis der Freien Demokraten erhoffen. Merkel dagegen könnte alle Pleiten, Pech und Pannen den Post-Trittins anlasten und die Super-Strategen der SPD erneut abhängen, insbesondere gerade dann, wenn es zu einem Koalitionsbruch und Neuwahlen käme.

Die anstehenden Koalitionsverhandlungen sind also so interessant als die Wahl auch und natürlich das weite Feld der Polit-Taktiker. Die SPD hat schon am Wahlabend geschickterweise den Ball einfach bei der Union liegen lassen und verlautbart, dass es nun ja nicht Sache der SPD wäre nach einer Mehrheit zu suchen. Als hätte man nie selbst auf eine Große Koalition spekuliert. Und natürlich Sache der gegenseitigen Ausschließeritis, um nicht so schnell in Zugzwang zu geraten. Seehofer, der bayrische König geadelt durch absolute Mehrheiten im Freistaat südlich des Mainlinie, schloss jede Koalition mit den „Pädos“ der Alt-Grünen aus, und mit den Linken kann angeblich niemand. Verständlich, schließlich wollen die ja vorwiegend von Oben nach Unten anstatt von Unten nach Oben umverteilen. Das passt natürlich nicht so einfach zusammen, auch wenn sich die Linke noch so bereitwillig als Partner anpreist. Der wahre Grund der Machttaktiker ist natürlich ein anderer: Wie beim Poker muss man den anderen Mitspielern suggerieren, dass man selbst das beste, und jeder andere eben deutlich schlechtere Karten hätte. Wer als Erster von seiner vorgeblichen Allmachtsposition abrückt, wird im folgenden Geschacher um die Pfründe die deutlich schlechtere Ausgangsposition haben.

Der Umgang mit der Linken ist insofern amüsant, als dass man sie zwar als Paria behandelt, jedoch ihre Sitze im Parlament als passives Druckmittel jederzeit zu nutzen bereit ist. Und letztlich, die totale Annäherung aller Parteien an die ominöse Mitte ist ja auch an der Linken nicht vorbei gegangen. Im Grunde genommen ist sie heute genau das, was die gute alte Tante SPD ehemals war: Nämlich eine, wenn nicht die einzige, konsequente Vertreterin der Interessen der kleinen Arbeiter und Angestellten gegenüber denen, die hinter den Kulissen die Strippen der Macht wirklich in der Hand halten. Und, wenn es wirklich nicht anders ginge um eine/n Kanzler/in zu stellen, selbst die CDU/CSU wäre faktisch in der Lage, mit einigen gegenseitigen Kompromissen natürlich, mit der Linken zu koalieren. Was allerdings wenig wünschenswert wäre, denn der Effekt wäre dann die Egalisierung auch der letzten noch aus der Reihe tanzenden Parlamentsfraktion auf die mittelmäßige Einheitslinie.

Die Grünen wiederum haben ihre alten Gallionsfiguren rund um Trittin in vorauseilender Panik abgesägt und damit genau das gemacht, was man unter gewieften Pokerspielern niemals tun darf: Als Erster mit den Wimpern zu zucken. Womit man praktisch schon verloren hat, egal welchen Einsatz man nun bringt, unterm Strich wird man am Ende etwas verlieren. Man versucht nun der Union möglichst aalglatt in den verlängerten Rücken zu schlüpfen.

Nun, die Karten sind ausgelegt. Die Leimruten ebenfalls. 

Freuen wir uns also auf ein erfrischendes Gerangel um Macht und Posten. Wie es ausgeht ist noch unklar und spannend. Selbst eine vorgezogene Neuwahl, wenn sich alle Beteiligten weigern irgendeine Koalition ein zugehen, ist möglich. Allerdings eher unwahrscheinlich, denn die Versuchungen der Macht sind dafür normalerweise zu groß und das Risiko einer noch schlechteren Neuwahl auch. Oder auch der faule Kompromiss einer Minderheitsregierung, bei der sich Merkel je nach Bedarf die wenigen fehlenden Stimmen bei irgendeiner anderen geneigten Fraktion sucht: „In der SPD ist es in diesen Tagen wichtig, die Deutung der Ereignisse zu bestimmen, die seit dem Wahlabend so verworren sind, dass man sie nur schwer ordnen und noch schwerer steuern kann. Für sie persönlich bedeute eine Koalition der SPD gemeinsam mit den Grünen und der Linkspartei keinen Wortbruch, sagt die Parteilinke Mattheis entschieden. Sie fügt hinzu: „Ich glaube auch, dass man über eine Minderheitenregierung nachdenken kann.“ Gemeint ist, dass sowohl SPD wie Grüne eine Koalition mit Angela Merkel ausschlagen und sich die Kanzlerin von Fall zu Fall ihre Mehrheiten suchen muss. Es ist die Position einer kleinen Gruppe in ihrer Partei...Aber in einem trifft die Abgeordnete sehr genau die Seelenlage ihrer SPD: Die Aussicht auf eine Neuauflage der großen Koalition unter Merkel ist ein Albtraum, dem die Genossen liebend gern entkommen würden – um fast jeden Preis, aber wohl nicht um den Preis von Neuwahlen, bei denen Merkel erneut triumphieren und die FDP wiederauferstehen könnte.“.

Das scheint man nun auch in der Union als Wolkenkuckucksheim ins Auge gefasst zuhaben, vielleicht auch nur als weiteres Druckmittel aus den hinteren Reihen des Parlaments: „Zumindest eine Minderheitsregierung kommt für die CDU nicht infrage. Das hatte Angela Merkel schon kurz nach der Wahl klargestellt...Erste Abgeordnete der Union bringen deshalb bereits Neuwahlen ins Gespräch: "Wenn sich Rot und Grün verweigern, zum Wohl unseres Landes Verantwortung zu übernehmen, muss neu gewählt werden, sagte etwa CDU-Politiker Christian Hirte der "Bild"-Zeitung". CDU-Vorstandsvize Armin Laschet mahnte sowohl SPD als auch Grüne, sich Koalitionsverhandlungen mit der Union nicht zu verschließen. Die Partei, die Neuwahlen zu verantworten hätte, würde von den Wählern abgestraft werden. SPD und Grüne sollten es nicht drauf ankommen lassen", sagte Laschet der "Welt".“. Naja, die CDU aber auch nicht unbedingt, der Achtungserfolg der AfD könnte dann nämlich ausgebaut werden. Schließlich wanderten die FDP-Verluste, die nicht bei der Union ankamen, nahezu vollständig zur AfD hinüber.

Die nächsten Wochen dürften für den politischen Beobachter und Journalisten also richtige Freude und fette Beute aufkommen lassen. Nur, die wirklich wichtigen Themen dieser Tage werden wie im Wahlkampf auch, erneut weitgehend ausgeblendet bleiben: Die Ursachen und Folgen des Finanzdesasters, und der Krieg, die sich beide wie Metastasen der gleichen Pest durch die Welt fressen.

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