Donnerstag, 16. April 2015

Vive la Revolution - INET PARIS 2015 – Reisebericht


Nach 2012 Berlin war ich in diesem Jahr zum zweiten mal zur internationalen INET Konferenz nach Paris eingeladen (INET - YSI). Was das Institute for New Economic Thinking (links [1];[2]; wikipedia) so genau ist, wird nicht Jedem gleich bekannt sein. Das Institute for New Economic Thinking (INET) wurde Ende Oktober 2009 gegründet, um nach der Finanzkrise neue Denkansätze für die Volkswirtschaftslehre zu entwickeln. Der Hauptsitz der Denkfabrik („Thinktank“) ist New York. Geschäftsführer ist der Ökonom Robert Johnson, früherer Managing Director des Hedge-Fonds Soros Fund Management. Es geht darum neue Paradigmen zu finden und den „marktfundamentalistischen Konsens“ der Wirtschaftswissenschaften zu erschüttern. Mitbegründer sind unter anderem die Nobelpreisgewinner George Akerlof, Sir James Mirrlees, A. Michael Spence und Joseph Stiglitz. George Soros unterstützt die Projektgründung mit 50 Mill. US-Dollar. Weitere Geldgeber waren Jim Balsillie und William Janeway. Insgesamt kamen 200 Mill. US-Dollar zusammen.  

Vorne ganz links im Bild: Der Gründer George Soros als Zuhörer - Liberte, egalite, fraternite - Paris OECD 2015

Die dritte Konferenz war im April 2012 in Berlin zum Thema: “Paradigm Lost: Rethinking Economics and Politics", und nachdem ich mich 2011 beworben hatte, erhielt ich meine erste Einladung dorthin. In meinem Blog habe ich damals diese Konferenz nur am Rande erwähnt. Der Grund war dass die Konferenz mir persönlich zwar viel gebracht hat, aber im großen Ganzen waren die Vorträge und Diskussionen noch recht konservativ geprägt. Also eher eine IET statt INET Konferenz, bestenfalls eine InET bezüglich des New Thinking. Tiefpunkt für mich war damals die Gesprächsrunde mit Joschka Fischer, Ex-Grünen-Idol und inzwischen neoliberaler Industrielobbyist, mit großer Klappe und dabei unbelastet von störendem ökonomischen Sachverstand. Trotzdem hatte ich aber Gelegenheit hervorragende Kontakte zu knüpfen die bis heute fortdauern, denn natürlich waren auch in Berlin bereits Neue Denker unterwegs. Insbesondere Prof. Dirk Bezemer mit dem ich seitdem auch immer wieder mal wissenschaftlich zusammen arbeite. 

Die INET 2015 fand in den Räumlichkeiten der OECD in Paris statt.

Nun war ich in Paris 2015 wieder dabei.

Zu meinem Erstaunen hat sich in den drei Jahren doch ein deutlicher Wandel in der Ökonomenwelt vollzogen: Dass heißt, die, nach neoklassischer Sicht völlig unmögliche, nun aber negative Rolle von zu viel Geld in zu wenigen Händen auf das Wachstum und den allgemeinen Wohlstand, ist endlich ganz oben angekommen. Zumindest bei den kritischen Topökonomen außerhalb Deutschlands. Zwar konnte man aufgrund der zeitlichen Überschneidung der vielen Talks nicht allen beiwohnen, man musste seine eigenen Schwerpunkte setzen, und von daher kann ich nicht für alle sprechen. Aber ein Eindruck, den ich bereits in Berlin hatte, bestätigte sich für mich erneut: Deutsche Topökonomen hinken, insbesondere den Angloamerikanern, regelmäßig um Jahre hinterher. Dass hängt offensichtlich mit der amerikanischen Lockerheit und Unternehmenskultur zusammen: So ist es in den USA nichts besonderes, wenn ein Unternehmer mal ein richtig fette Pleite hinlegt. Es wird kaum als Makel sondern als wichtige und wertvolle Erfahrung hingenommen, die es einem ermöglicht es beim nächsten mal eben besser zu machen. In Deutschland sieht das ganz anders aus: So eine Pleite ist ein Makel, der wie Pech und Schwefel ein Leben lang am Betroffenen hängen bleibt. So offensichtlich auch in der Wissenschaft: Während deutsche Ökonomen zur Nibelungentreue an ihren alten Ideen neigen, auch wenn sie sich längst als falsch erwiesen haben, so schmeißt der Amerikaner sie über Bord, wenn sie denn ausgedient haben: O.k., wir haben wohl seit 1970 viel neoliberalen Mist gebaut; Schwamm drüber, vergiss es einfach, lasst uns ganz neu aufsetzen... 

Hans-Werner Sinn bei seinem Talk
So etwa hat auch Werner Sinn die Lehre Konrad Adenauers noch nicht verinnerlicht: „Wat scheert misch mein Jeschwätz von jestern...“. Und so hat er seinem Pariser Talk zwar die praktisch hoffnungslose Lage der Währungsunion korrekt analysiert, aber zur Lösung nur die längst überholten neoklassischen Argumente angeführt. Nämlich, Schuld ist immer der kleine Mann/Frau, der/die eben, insbesondere im Süden Europas, einfach nur nicht produktiv genug ist. „Produktiv sein“, oder „Produktivität“, dass ist ein Unwort das positiv klingt, aber seinen gezielt negativen und asozialen Inhalt zu verschleiern sucht: Es bedeutet der Arbeiter und Angestellte sei halt einfach zu teuer, er müsse billiger werden. Bedeutet im Nachgang dann natürlich auch, er muss auch Anzahl mäßig weniger Bedeutung in der Produktion haben, wobei er weniger unterm Strich verdienen soll, und dass bei mehr Arbeitszeit, und last but not least, natürlich damit auch einen höheren Anteil seines Einkommens zur Finanzierung des Staates und der Sozialsysteme, sprich Steuern und Abgaben, zu leisten habe. 

Neoliberaler Unfug der sich am Ende immer in den Schwanz beißt, denn „produktivere“ Angestellte erhöhen zwar den Gewinn des Unternehmens, zerstören aber über die auf Dauer zwangsläufigen Mindereinnahmen der Konsumenten den Binnenmarkt. Denn Produktivität ist nichts anderes als (Preis der Ware) geteilt durch (Preis des Lohnes). Ist die kleiner (1-Abgabenquote), dann kann der Beschäftigte natürlich nicht mehr die Ware selbst kaufen. Neoliberale glauben dann aber an einen Kettenbriefeffekt, der besagt: Na dann entstehen wegen der verbesserten Gewinnsituation der Unternehmen aber doch viele mehr Betriebe mit noch mehr Arbeitern, die können ja dann den Rest konsumieren. Das ist natürlich Unfug, denn die müssen ja genauso oder noch mehr produktiv sein, dass heißt ebenfalls eine Überproduktion gemessen an der Kaufkraft produzieren. Da wird gar nichts besser. Das klappt nur, wenn man wie Deutschland in der ungewöhnlichen Situation des absoluten Exportweltmeisters ist. Kaufen tut die Produktion bei uns nämlich bereits zu gut 50% das Ausland, die damit die Kaufkraftlücke schließen. Das geht aber nicht ewig so weiter, irgendwann geht auch der Auslandsnachfrage die Puste aus.

Zusammen gefaltet- Da wird dem Sinn ganz schlecht
Solange bis dann soziale Unruhen genauso zwangsläufig folgen müssen. Das wurde in einem weiteren Talk näher ausgeführt, worauf ich noch zurück komme. Werner Sinn wurde dann vom direkt folgenden Redner auch schon wieder regelrecht zusammen gefaltet. Woraufhin „Unser Werner“ auch gleich die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Konsens ist inzwischen dass, was natürlich schon lange auf der Hand liegt, das Problem lässt sich nur da bekämpfen, wo es ursächlich aufmacht: Bei den gigantischen Geldvermögen, die die Realwirtschaft zunehmend mit ihren Renditeansprüchen abwürgen. Wer nicht bereit ist, massiv und nicht kleckerweise, an die großen Vermögen heranzutreten, der hat keinerlei Chancen die Schlange am satten Biss in den Schwanz zu hindern. 

Also genau das Gegenteil von dem, was Brüssel und Berlin, aber auch Washington und London, zur Zeit protegieren. 

Und dass auch unbelastet von der negativen Erfahrung der relativen Wirkungslosigkeit der neoliberalen Maßnahmen weiter zu führen gedenken. Als aktuelles Beispiel etwa die neoliberale SPD unter Gabriel die sich jetzt für eine Aktionärsmodell zur Finanzierung der deutschen Infrastrukturlücke stark machen: „Zinssparen mit Autobahnen statt Mini-Renditen bei Lebensversicherungen: Bürger sollen sich künftig an der Finanzierung großer Infrastruktur-Projekte beteiligen und so bessere Erträge erzielen können. Diese Idee gehört zu einem Zehn-Punkte-Plan einer Expertenkommission, die im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Vorschläge erarbeitet hat, wie der Investitionsstau von 90 bis 100 Milliarden Euro rasch aufgelöst werden kann. ....Die Experten wollen vor allem Regeln lockern, damit große Versicherungskonzerne und Pensionsfonds beim Bau von Straßen, Brücken oder Verwaltungsgebäuden mitmachen. „Es gibt wahrscheinliche keine bessere Partnerschaft“, sagte der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen. Die Finanzwirtschaft sucht wegen der Mini-Zinsen an den Märkten händeringend nach neuen Geldanlagen, um ihre Kunden bei der Stange zu halten. ...Die Verbraucher sollen von Milliarden-Investitionen vor ihrer Haustür direkt profitieren können....Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Vorschläge mit großer Offenheit prüfen. Was davon noch vor der Wahl 2017 umgesetzt wird, ist aber ungewiss. ...“

Gabriel das Schaf, hat wieder den Bock zum Gärtner gemacht. Das die Lebensversicherungen keine Renditen mehr abwerfen und daher, als nicht unwesentlicher Teil der Altersversorgungen, langsam aber sicher in eine tödliche Schieflage geraten, ist des Pudels Kern. Diese gelten nämlich zu Recht als einer der schlimmsten Finanzzeitbomben die demnächst reihenweise hochgehen könnten. Kapital „gesicherte“ Altersversorgungen sind nämlich auch ein neoliberaler Unfug der langfristig niemals aufgehen kann. 

Warum? Ja, weil Geld und Zins nun mal kein eigener Wert ist, sondern nr den Anspruch auf jeweils aktuell geschaffene Werte der Bevölkerung darstellen. Zum Neoliberalen Weltbild gehört aber, dass geld in sich selbst einen wert hätte. Also einfach mehr Geld produzieren, egal wie, und man hat eben mehr Werte und ergo Wohlstand und auch Altersversorgung. Purer Unfug. Denn in dem Moment wo die angelegten Summen realisiert, also ausgegeben werden sollen, treffen sie eben nur auf das dann vorhandene BIP. Und dass wird bei Vermehrung der Geldsumme natürlich immer knapper, was dann zu Preissteigerungen führen muss (bei Immobilien sehen wir das bereits) und damit jeglichen „Gewinn“ zunichte macht. Altersversorgung, egal wie man es dreht und wendet muss nämlich IMMER aus dann aktuellem BIP berappt werden, egal ob über ein Steuer-, Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren. Da beißt die Maus eben keinen Faden ab. Und solange man alle Sozialkosten alleine über die Beschäftigten abrechnet, anstatt an die relativ dazu gigantisch gewachsenen Vermögen heranzugehen, dann kann sich das auch niemals rechnen.

Der Produktive Idealmensch

Wie alle neoliberalen Modelle klingt das Gabriel'sche Infrastruktur Projekt erst mal positiv.

Zumindest solange man den Verstand genügend weit herunterfährt. So weiter im Text: „...Eine komplette Privatisierung von Bundesstraßen und Autobahnen lehnt die Kommission jedoch ab. ...Vergleichbare Energiewende-Fonds waren beim Ausbau der Stromnetze in der Praxis aber gescheitert....Die Gewerkschaften kritisierten in einer abweichenden Stellungnahme, dass der Sparkurs sowie frühere Steuersenkungen zu Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen von jährlich 45 Milliarden Euro geführt und damit die Investitionslücke maßgeblich verursacht hätten. „Das Ergebnis ist verheerend: Öffentliche Ausgaben wurden gekürzt, viele öffentliche Dienstleistungen sind dem Rotstift zum Opfer gefallen oder wurden privatisiert.“…. “

Nun, genauso ist es. Denn was bedeutet denn „...Die Finanzwirtschaft sucht wegen der Mini-Zinsen händeringend nach neuen Geldanlagen...“ und „...die Verbraucher sollen von Milliarden-Investitionen direkt profitieren können...“? Erstmal ist es dass förmliche Eingeständnis der Tatsache, dass man seit 2008 private Schulden in öffentliche Schulden verwandelt hat und deswegen vom Bürger zwar immer mehr Steuern und Abgaben benötigt, aber gleichzeitig sämtliche Staatliche Leistungen herunterfahren und gar schuldig bleiben muss. Ausweg wäre jetzt natürlich Diejenigen, die seit 2008 unglaubliche Milliardenbeträge einkassiert haben, gründlich zur Kasse zu bitten. Das geht aber weit über den Horizont Neoliberaler Zauberschüler alla Gabriel hinaus. Nein, war natürlich nur ein Witz, wäre doch gelacht, selbstverständlich soll der Bürger jetzt wieder die Zeche, und zwar zusätzlich noch zu seiner Abgabenlast, selbst bezahlen. 

Denn Stufe 1 bedeutet: Der Bürger soll einen weiteren Teil seiner Einkünfte, die dann für persönlichen Konsum ausfallen, in die Infrastruktur (die eigentlich der Staat bereits verpflichtend(!) aus seinen Steuern hätte erstellen müssen!) stecken. Soweit so schlimm. Aber dann kommt ja die eigentliche Stufe 2 hinterher: Er soll damit auch noch einen Gewinn einfahren! Ja wie dass denn? Nun gut, psssst..., nicht er sondern die Versicherungswirtschaft, aber bitte sagen Sie dass jetzt nicht weiter, und schon gar nicht dass Sie das von mir haben. Nun aber, Gewinn machen heißt nun mal seine Einlage plus eine anständige Verzinsung, explicitis verbis diese auch noch oberhalb des aktuellen Nullzinsniveaus, zurück zu bekommen. Lieber Gabriels und Wolfgangs, wo sollen denn diese Einnahmen herkommen, die dafür notwendig sind? Haben sie da etwa ein Kettenschema im Sinne des Politikerpartygebers Carsten Maschmeyer? Das kann ich ihnen gleich sagen, dass kann nur kurzzeitig gelingen, sehr bald fehlen bei so was nämlich die Idioten die noch ihr letztes Hemd in diese Tulpenzwiebelblase investieren müssten. Nein man kann das natürlich nur gegenfinanzieren, indem man dann Maut verlangt, nicht nur für die Autobahn, sondern schließlich für alles und jedes Brückchen und Sträßchen dass der Staat seinem Steuerzahler schuldig geblieben ist. Und zwar kräftig, denn es sollen ja auch noch Übermarktübliche Zinsen dabei herausspringen! Das heißt aber, dass genau der Bürger der sein Geld hier investiert hat, es via Maut und Co. Ein zweites mal bezahlen muss, und zwar plus Zinsen; plus Gewinn für die Brückchenbauer plus Gewinne und Provisionen und Boni der Versicherungswirtschaft. Unterm Strich ist er dann wieder der geleimte, aber pssst..., nicht weiter sagen, der Bürger und sein Staat ist halt im allgemeinen blöd genug den Mist zu fressen.

So schreibt der Lokalkompass ganz richtig: „Gabriel stoppen: Kein Ausverkauf unserer Infrastruktur an Versicherungen und Banken! Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bereitet gerade im großen Stil die Privatisierung unserer Daseinsvorsorge vor. Lebensversicherer und private Rentenversicherungen sollen sich in Ausbau und Betrieb unserer Infrastrukturen einkaufen können: Straßen, Schulen, IT- und Energienetze oder Wasserwerke sollen als Anlageobjekt dienen. Ein sogenannter Expertenrat, u.a. bestehend aus Vorständen der Deutschen Bank, der Allianz und von ERGO erarbeitet dazu weitreichende Vorschläge – geheim und über die Köpfe der Menschen hinweg. ...Die Daseinsvorsorge ist eine Kernaufgabe staatlicher Tätigkeit, sie darf nicht privatisiert werden. Auch Teilprivatisierungen wie Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPPs) lehnen wir ausdrücklich ab. Die Renditeinteressen privater Anleger stehen unseren Interessen an einer zuverlässigen Infrastruktur unvereinbar gegenüber. In der Finanzkrise wurden die Banken von den BürgerInnen gerettet, und jetzt stehen die privaten Versicherungen Schlange, um an Steuergeld zu kommen! Die öffentliche Hand bezahlt zurzeit für langjährige Staatsanleihen Zinsen unter einem Prozent. Nun sollen wir Steuer- und Gebührenzahlenden auf einmal für fünf, sieben oder mehr Prozent Rendite an Versicherungen aufkommen. Und das über 30 Jahre garantiert! Wir brauchen keine “neuen Finanzierungsmodelle”, die den Staat nur zusätzlich belasten....Daseinsvorsorge dient den elementaren Bedürfnissen der Menschen. Der Zugang zu ihr muss gesichert sein, für uns und für die nachfolgenden Generationen. Eine funktionierende Daseinsvorsorge und erschwingliche Leistungen der Grundversorgung sind unverzichtbare Kernelemente sozialer Gerechtigkeit....“. Anschließend finden wir im Artikel auch den Aufruf zu einer entsprechenden Petition, der man sich anschließen kann. Ob unsere Scheuklappenpolitiker aber darauf reagieren ist noch fraglich. Friedlicher Protest ist zwar gefragt, wird aber im allgemeinen wenig genug gewürdigt.

Und dann Wolfgang Schäuble und die Griechenland-“Rettung“

So kündigt er an, auch im Falle eines Ausscheidens der Griechen aus der Währungsunion, die griechischen Banken weiter zu stützen. Unglaublich, ein Armutszeugnis und Demaskierung der Rettungspaketes als genau dass, was es immer nur war: Eine reichen und Investorenrettung auf Kosten des Kleinen Mannes, insbesondere eben auch in Deutschland. Noch schlimmer vielleicht, dass da nicht ein journalistischer Aufschrei über diese Demaskierung der gescheiterten Griechenland-Austerität der Bundesregierung einher geht. Was, wie wir später noch sehen werden, mit der korrumpierten und prekaritären Situation der großen Massenmedien einher geht. 

Yanis Varoufakis bei vor seinem Talk im Gespräch mit Nobelpreisträger Joseph Stiglitz
Erleuchtend war hier natürlich der Stargast, der Griechische Finanzminister YanisVaroufakis. Varoufakis „Problem“ ist dass er in erster Linie ein sehr guter Wissenschaftler, aber (noch) kein Politiker ist. Also, er ist genau dass, was man in Brüssel schon länger nicht mehr sehen, geschweige denn hören will: Ein kritischer Ökonom eben. So erklärte er die Situation in Brüssel oder Berlin als eine Kultur der Verweigerung („culture of denial“) und Stiglitz fügte an, dass kritische Ökonomen in Brüssel inzwischen grundsätzlich gar nicht mehr vortragen dürfen, egal ob Nobelpreisträger oder was sonst noch. Bezüglich der „Reformliste“ erklärte er uns, dass er natürlich eine habe, aber dass man im Gegensatz zu den Brüsseler Gepflogenheiten erst mal bei den Reichen, die in Griechenland faktisch gar nichts zum Staat beitragen, anfangen möchte. Natürlich gibt es auch bei den armen Griechen Strukturprobleme, so sind etwa 30% des Arbeitsmarktes Schwarzarbeit, aus verständlichen Gründen, aber da ist ja inzwischen mehr als gesund wäre gerupft worden. Das wiederum passt weder Schäuble noch sonst einem Finanzminister in der EURO-Zone, nicht immer aus lobbyistischen Klientelgründen, sondern einfach auf Grund der Erfahrungstatsache, dass das Armenrupfen eine schnelle Reform, das überfällige Rupfen der reichen Oberschichten aber ein scheinbar hoffnungsloses Projekt für den Sankt-Nimmerleinstag ist. 

Ein Rätsel war mir immer, wieso eigentlich Merkel, Schäuble und Westerwelle dem groben Unfug der Reichenrettung in Griechenland damals zugestimmt haben. Trotz aller Kritik aus Ökonomenkreisen und der eigenen Koalition, gegen jeden normalen Menschenverstand, und somit inzwischen mehr als 300 Mrd. Euro Kredite, und faktisches Steuergeld, in ein Fass ohne Boden versenkt haben. Und sich heute offiziell darüber wundern, dass die Staatsschulden in Griechenland danach nicht gesunken sondern gestiegen sind. So dumm, zu glauben mit zusätzlichen Krediten, die inzwischen vom Betrag her so groß sind wie die damalige gesamte Staatsschuld darstellte, einen überschuldeten Staat sanieren zu können, so dumm kann man eigentlich ja nicht sein. 

Und so wurde mir im Nachgang von einem wohl informierten Teilnehmer gesteckt, dass der Grund seitens der Franzosen kam. Sarkozy (und in Nachfolge Hollande) haben Schäuble und Merkel praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt: Wenn Deutschland bei dem offensichtlichen Wahnsinn nicht fleißig mitmachen würde, dann drohte man unverblümt, die Deutsch-Französische Freundschaft faktisch aufzukündigen und die ganze EURO-Gruppe auseinander zu sprengen. Daraufhin setzte man mit aller politischen Gewalt die Sache in Bundestag und Koalition durch, dem Deutschen Michel versichernd, dass es ja nur Kredite seien die man mit Gewinn sogar zurück bekommen würde. Wohl wissend dass dies gar nicht der Fall sein konnte, wohl hoffend das der Blitz erst sehr viel später einschlagen und womöglich eine neue (linke) Regierung in der BRD treffen würde. 

War aber nichts. Das Geld ist jetzt schon definitiv weg. Also, nicht wirklich weg, es befindet sich lediglich in anderen bereits wohl vergoldeten Händen. Weg ist es nur für den Deutschen Steuerzahler. Nun stünde der Offenbarungseid, nämlich gelogen, betrogen und Milliarden versenkt zu haben, kurz bevor, falls Griechenland tatsächlich den Default (möglicherweise um den 12 Mai herum) erklärt. Da die nächste Bundestagswahl aber noch weit und nicht überstanden ist, kommt das für die aktuelle Große Koalition natürlich nicht in Frage, schon gar nicht für das Duo Merkel / Schäuble. Deswegen erklärt Schäuble nun die nächste Stufe des Wahnsinns für eröffnet: „Die Regierung arbeitet offenbar an einem Plan, Griechenland auch nach einer Staatspleite im Euro zu halten. Demnach soll die EZB nach dem Bankrott weiterhin die griechischen Banken finanzieren.....Die EZB hatte erst am Dienstag entschieden, den Geldhahn für griechische Banken weiter offenzuhalten. Die EZB stockte nach Angaben aus Bankenkreisen den Rahmen für Nothilfen (ELA) der Athener Notenbank an die Geldhäuser um 800 Millionen Euro auf inzwischen 74 Milliarden Euro auf. ...Sollte Griechenland zahlungsunfähig werden, müsste die EZB die Versorgung Griechenlands mit Euros einstellen, was einen Kollaps der dortigen Banken bedeuten würde....Die Zeit berichtete, der in der Bundesregierung diskutierte Plan ziele darauf ab, die griechischen Banken soweit zu sanieren, dass sie auch nach einem Staatsbankrott an den Geldgeschäften der EZB teilnehmen könnten. Auch die Übernahme der griechischen Banken durch andere europäische Banken ist denkbar....“. Im Klartext, man will den Griechen Default im Falle des Falles einfach ignorieren. Und dann schlechtem Geld noch mehr gutes Geld des EU_Steuerzahlers hinterher werfen. „Sanieren“ und „Übernehmen“ griechischer Banken heißt nichts anderes, als eine Abschreibung der gewaltigen Summen auf Kosten der großen Investoren zu verhindern und stattdessen den Deutschen Michel und den französischen Balduin in Haftung für die entstehenden Bad Banks zu nehmen. 

Paradies Perdu - Das verlorene Paradies - Gemälde Louvre Paris
Ein Folgewahnsinn der die Deutsche Rechnung noch weiter aufbläst, mit dem einzigen Ziel den Offenbarungseid weiter hinaus zu ziehen. Denn was wäre sonst? Man müsste mitten in der Wahlperiode zugeben 328 Milliarden Euro, und davon knapp ein Drittel oder 100 Milliarden Euro des Deutschen Wählers versenkt zu haben. Was die Staatsschuld sprunghaft erhöhen und die schwarze Null natürlich als das entlarvt was sie ist: Schnee von gestern der die waren Schuldverpflichtungen völlig ausblendet. Der Wähler würde es der Koalition aber sicher vergelten, und so kann jetzt nicht sein was nicht sein darf. Also schieben über den Wahltermin 2017, die Präsentation der dann nochmal verdoppelten Rechnung soll die nächste Koalition ausbaden. Nach uns die Sintflut.

Schäuble klammert sich derweil an den Neoliberalen Glauben dass der freie Markt es schon richten würde: „...Nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble muss Athen darauf hinarbeiten, Vertrauen an den Märkten zurückzugewinnen. „Griechenland muss einen Weg finden, wie es das Vertrauen an den Märkten zurückgewinnen und seine Wettbewerbsfähigkeit [Produktivität] stärken kann“, sagte Schäuble am Mittwoch in der Columbia University in New York....“. Nun Schäuble ist kein Ökonom, sondern Jurist. Soll heißen „pacta sunt servanda“ wie unsinnig die Verträge auch immer sein mögen. Ansonsten ist er von Neoliberalem Gedankengut durchdrungen und kann von daher schon die neoklassische Produktivitätsfalle auch nicht durchschauen. 

Schäuble zieht derweil weiter vom Leder, so die FAZ: „...Schäuble hat sich in Rage geredet. ….So dann ein kalkulierter Ausbruch: „Und jetzt sagen sie mir, wir hätten das Land zu Tode gespart.“ Griechenland selbst sei schuld an seinem Zustand, ist das Mantra dieses Auftritts des Finanzministers – und nicht Europa, nicht Brüssel und schon gar nicht Berlin....Doch Schäubles Diskussionsbeiträge sind doppelbödig. Zwar richtet er über die derzeitige Regierung in Athen. Doch er meint mehr. „Ein Land, das seit Jahrzehnten durch das Versagen seiner Eliten und nicht wegen Europa und nicht wegen Brüssel und nicht wegen Berlin, sondern wegen des ausschließlichen Versagens seiner Eliten leidet und weit über seine Verhältnisse lebt und durch den Euro noch mehr über seine Verhältnisse gelebt hat, muss sich allmählich langsam an die Realität annähern. Und wenn die Verantwortlichen in diesem Land das Volk belügen, dann ist es nicht verwunderlich, dass das Volk so reagiert.“ Die Eliten, die Verantwortlichen? ….Wie nebenbei räumt er eine – auch in den Reihen der eigenen Unionsparteien – populären Forderung ab, es sollten endlich einmal die griechischen Reeder besteuert werden, die Reichen also. Er spielt mit Worten und Publikum. Mal schnell zu sagen, ruft er, „wir ändern die Verfassung, dass die Reeder auch Steuern zahlen“, das sei ein „schönes Versprechen“. Will heißen: eine irreale Forderung. „Sie werden Reeder in Griechenland nicht besteuern. Denn wenn Sie’s einführen, dann sind die weg, wenn sie nicht schon längst weg sind.“ ….Ein „Gott sei Dank“ ruft er aus, weil es in Deutschland ein geringeres Maß an „Euro-Skepsis als in anderen Ländern“ gebe. Nach Frankreich solle man doch schauen – und auf die Stärke des Front National dort. Und dann – wieder einmal tut er so, als stocke ihm die Sprache – richtet er den Blick auf die eigene Bundestagsfraktion. „Hart genug“ sei es für ihn im Februar gewesen, ruft er, als es um die Beschlussfassung des Bundestages zur Verlängerung des sogenannten Griechenlandpaketes ging. „Mühsam“ sei das gewesen. Schäuble richtet den Blick auf die vielen Gegenstimmen in seiner eigenen CDU/CSU-Fraktion – und auf die Dutzenden persönlichen Erklärungen von Unionsabgeordneten. Bald sei es genug, bald nie mehr wieder – das war deren Duktus. ….Er rempelt gegen den griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis, der früher gegen den Eintritt seines Landes in den Euroraum gewesen sei und sich nun auf ein „Jetzt sind wir halt drin“ beschränke. Schäuble spricht das so aus, dass es mal richtig lapidar klingt. Noch immer sei – in Relation gesehen – die Zahl der Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung größer als in jedem anderen europäischen Land, ruft er. Und auch die Löhne seien höher – höher als selbst in Spanien. Als der DGB-Vorsitzende erwähnt, die Löhne in Griechenland seien drastisch gesenkt worden, kommt Schäuble noch mehr in Rage.....„Jetzt muss endlich mal geliefert werden“, ruft tags darauf der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer den Griechen zu. Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende, verstärkt das noch. Gegenüber Griechenland dürfe es „kein Nachgeben“ geben, sagt er den Abgeordneten seiner Fraktion. „Wer nachgibt, gefährdet Europa.“ ….Beide müssen so reden. Sie sitzen mit Schäuble in einem Boot, wenn im Frühsommer tatsächlich ein neues Griechenland-Paket im Bundestag anstünde. Manche Europapolitiker der CDU sagen voraus, es wäre mit der Koalition am Ende, wenn ein solches Paket von der Bundesregierung vorgelegt würde – und dann an Widerstand der Abgeordneten von CDU und CSU scheiterte. Also hat der Europäer Schäuble versichert: „Wir wollen Europa und den Euro verteidigen.“ Kauder versichert: „Wir wollen, das Griechenland in der Eurozone bleibt.“ Das wiederum pflegt auch Angela Merkel wortgleich zu sagen.“

"Die Griechen" - "Die Franzosen" - "Die Jugend" - Sie werden eines Tages der Politik von heute zu danken wissen....Paris bei Nacht, April 2015.

Bemerkenswert ist hier Schäubles Aussage „[Griechenland] das seit Jahrzehnten durch das Versagen seiner Eliten und nicht wegen Europa und nicht wegen Brüssel und nicht wegen Berlin, sondern wegen des ausschließlichen Versagens seiner Eliten leidet und weit über seine Verhältnisse lebt und durch den Euro noch mehr über seine Verhältnisse gelebt hat, muss sich allmählich langsam an die Realität annähern....“. Einerseits erkennt er also dass es genau die „Eliten“ sind, die das Land in Not gebracht haben, und obendrein gibt er auch noch zu dass mit dem Euro alles noch schlimmer wurde. Nun sollte man meinen, dass Schäuble der fulminante Unterschied von „Den Griechen“ und „Den Eliten“ bekannt sein sollte, woraus natürlich entsprechende drastische Konsequenzen resultieren müssten. Aber nein, und das ist eben die „Culture of Denial“: es sind nach seiner Auffassung „Die Griechen“, die angeblich über Ihre Verhältnisse gelebt haben, und damit sind die 60% Jugendarbeitslosen also nicht nur selbst Schuld, sondern auch für die Rückzahlung der in die griechischen Eliten, u.a. gerade durch Schäuble, versenkten Milliarden zuständig. Bis zum Sankt Nimmerleinstag womöglich. Aber es sind eben nicht die Arbeitenden und erst recht nicht die jugendlichen Arbeitslosen, die aus gutem Grunde ja genau die neue Link-Rechts-Regierung gewählt haben, die sich das Geld vor und während der Troika-Reformen in die Taschen gestopft haben, sondern eben just genau diese Eliten. Jeder mit einer rechten Seele als Demokrat müsste also klar für Reichenbesteuerung und Abschreibung der Schulden, nicht nur in Griechenland argumentieren, anstatt die Zukunft Europas, unsere Jugend, mit trauriger Aussichtslosigkeit zu bestrafen. Allein die neoliberale Ideologie und die Brandmarkung sozialer Politik als bösen roten Kommunismus von vorgestern verhindert bei diesen Politikern jede demokratisch vernünftige Denkweise.

So treiben wir also, oder werden getrieben, in das unabänderliche Chaos der nächsten Jahre. 

Der neoliberale Wachstumswahnsinn, dass heißt alte Schulden immer nur durch neue und höhere Schulden zu ersetzen, Renditeansprüche des Kapitals unter dem „Produktivitäts“-Mäntelchen auf Kosten der Arbeitenden durchsetzen, die Steuer und Abgabenlast fast vollständig alleine dem abhängig beschäftigten Mittelstand aufzubürden, die politische Verweigerung sich dem resultierenden Demokratiebetrug und den absehbaren sozialen Folgen zu stellen, das kann und wird kein gutes Ende nehmen. Das Beispiel der arabischen Länder, Afrikas und Lateinamerikas, der Ukraine und ja selbst der USA vor Augen, werden die Realitäten über den nächsten Wahltag hinaus ausgeblendet auf dem Weg ins ganz große Chaos, dass den Untergang des Euro's noch übertreffen wird. 

Richard Hyman bei seinem Vortrag: "...what is benchmark for successful resistance?"
Liberté, Égalité, Fraternité ou la mort - Vive la révolution!

Das Motto der Tagung war passend zu Paris „Liberté, Égalité, Fraternité“, Freiheit, Gleichheit (vor dem Gesetz) und Brüderlichkeit. Ursprünglich ging das revolutionäre Wortspiel allerdings etwas weiter „... ou la mort“, oder uns ist der Tod. Bon. Wer es nicht sehen will, der möge es tun, aber nicht überrascht, enttäuscht oder wütend sein wenn sie denn kommt, la revolution

Und in der Tat wurde das Thema sehr anschaulich referiert und durch Statistiken untermauert, wie sehr wir längst auf die nächste große Revolution auch hier im Westen der Welt zusteuern. Für die drei Talkgäste Andrea Fumagalli, Richard Hyman und Daniel Chomsky war die Sache jedenfalls klar: Es ist nicht die Frage ob die Revolution kommt, sondern lediglich wann, wo und wie. Beim wie war man sich lediglich darin einig, dass es irgendwie möglich sein sollte die anstehende Revolution auf den Straßen und im Netz irgendwie in friedlichen, aber trotzdem erfolgsversprechenden Ansätzen, zu kanalisieren. Allgemein bekannt, wenn auch unschöne Realität ist nämlich leider, dass ausschließlich friedlicher Protest kaum eine Resonanz in den Medien findet. Sofern nicht Millionen durch die Straßen ziehen wird es regelmäßig ignoriert oder bestenfalls amüsiert zur Kenntnis genommen. 

Chomsky zeigte an statistischen Analysen der New York Times, wie sehr dieses Blatt, dass tatsächlich hoch renommiert und keineswegs „rechts“ ist, doch die Wirklichkeit systematisch verfälscht und mit weitem Vorsprung lediglich reflektiert und publiziert, was die Meinung der Besitzer des Blattes und zweitens und danach der Regierung ist. Und damit ist die NYT noch ein harmloser Fall. Tatsächlich betrifft es praktisch alle großen und bedeutenden Medien im Westen. Zwar sind Journalisten grundsätzlich frei, aber es sind auch Angestellte die ab und an was essen müssen. Da sind einerseits die „freien“ Mitarbeiter, die sich keinen Streit mit der Redaktion leisten können; und selbst die Festangestellten sind schnell aus dem Geschäft, wenn sie den Interessen der Unternehmensleitung mehr als einmal auf die Füße treten. Ein Grund lässt sich immer finden, falls nicht objektiv schon einer da ist. 

Zwar muss hierzulande kaum ein Journalist fürchten wegen kritischer Berichtserstattung unangenehme Bekanntschaft mit einer 9mm Makarov zu machen, aber die Angst vor Jobverlust ist absolut real. Qualitätsjournalismus, insbesondere investigativer, ist ein Ausnahmefall in den großen Blättern geworden. Inhaltlich muss man da auf das Netz und die Vielzahl der unbezahlten Journalisten, Blogger und Twitterer ausweichen, wobei wiederum die Qualität der Recherche und Darstellung dann kaum zu garantieren ist. Ein Teufelskreis der Demokratie auch an dieser Front: Gerade heutzutage müsste ein demokratischer Staat vielmehr und uneigennützig in einen (ggf. staatlichen, aber nicht staatlich beeinflußten) wirklich freien, unabhängigen, investigativen Qualitätsjournalismus investieren.

Austeritarianismus

Hyman hat einen schönen Begriff für den seit der Jahrtausendwende weltweit grassierenden Umstand der Ausbeutung durch das Kreditwesen im Gleichschritt mit staatlicher Austeritätspolitik gefunden: AUSTERITARIANISM – „Austeritarianismus“ in Anlehnung an die heutige Welt und dem ebenso korrupten und bankrotten Feudalismus des „Ancient Regime“, welches in der französischen Revolution mündete. Das Problem ist alle Jahrhunderte das Gleiche: Man könnte leicht aus der Geschichte lernen und Strukturen der Politik, Wirtschaft und Finanzen dahingehend nachhaltig verändern, dass solche sozialen Katastrophen nie mehr auftreten. 

Könnte man, hat man aber noch nie so richtig getan. Warum nur? mag man sich fragen. Der Grund ist dass sich diese Strukturen, die die Wohlhabenden und Mächtigen über den grünen Klee begünstigen, nach einem vorherigen Zusammenbruch schleichend und über für den individuellen Bürger viel zu lange Zeiträume erneut und nach den immer gleichen Regeln aufbauen. Wenn dann nach 40 oder 50 Jahren jemand bemerkt, dass man längst schon wieder auf der Eisbergroute fährt, ist alles zu spät. Selbst die schlimmsten Fehler der Vergangenheit und selbst schreiendes Unrecht sind dann längst erneut im komplexen Machtapparat wieder etabliert und in ehernen Gesetzen und Verträgen fixiert. So wie etwa die nun im Deutschen Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Klingt gut, ist aber neoliberaler Unfug und macht praktisch den Austeritarianismus zur Deutschen Staatsverfassung

Das grotesk dumme und völlig unsinnige Gesetz da hinein zu bekommen war eine Kleinigkeit, es jemals wieder heraus zu befördern grenzt ans Unmögliche. Und so war auch der Tenor in den Gesprächen, ich weiß nicht mehr genau wer es war der diese Zitat brachte, aber egal, es schwebte sinngemäß in jedem Talk mehr oder weniger stark im Hintergrund:



Wir befinden uns auf der Titanic.
Den Eisberg haben wir bereits hinter uns.
Nur gesunken sind wir noch nicht.


Naja, immerhin, nicht alle sind ertrunken die auf der Titanic waren, nur so etwa Zweidrittel. Wer zum überlebenden Drittel gehören möchte, der muss sich allerdings langsam eine realistische Möglichkeit überlegen in eines der wenigen übrig gebleibenen Rettungsboote zu gelangen. Mit der Strategie noch mehr Wasser in den Rumpf zu pumpen kann dies jedenfalls nicht gelingen.

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