Donnerstag, 26. Februar 2009

Barbarische Kritik: Thierse-Rücktritt gefordert.


Der Berliner Anwaltsverein fordert den Rücktritt von Bundestagsvizepräsident Thierse. Dieser hatte es riskiert, das aktuelle Emmely-Urteil als "barbarisch" anzuprangern.

Nun, war es das tatsächlich? Aus rein juristischer Sicht sicherlich nicht, denn nach Gesetzeslage konnte das Gericht in der Sache garnicht anders entscheiden. Es handelt sich nämlich um Arbeitsrecht und eben nicht Strafrecht. Und da kommt es nicht auf den Wert eines Gutes an, ja noch nicht einmal darauf, ob überhaupt etwas unterschlagen wurde. Es reicht für die fristlose Kündigung alleine der begründete Verdacht des Unternehmens.

So begründet das Arbeitsgericht Berlin: "Das oft gebrauchte Argument der „Unschuldsvermutung“ greife hier im Übrigen nicht; es gehe nicht um eine Verurteilung aufgrund des Strafrechts, vielmehr werde das (arbeitsrechtliche) Kündigungsrecht vom „Prognoseprinzip“ beherrscht, das danach frage, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts dringender Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Straftat des Arbeitnehmers noch zumutbar sei oder nicht. .....Zu ihren Lasten allerdings sei ins Gewicht gefallen, dass sie als Kassiererin unbedingte Zuverlässigkeit und absolute Korrektheit zeigen müsse. Der ihr obliegende Umgang mit Geld, Bons etc. setze absolute Ehrlichkeit voraus, der Arbeitgeber müsse sich bei einer Kassiererin auf diese unabdingbaren Voraussetzungen verlassen können.... Durch eine entsprechende Tatbegehung einer Kassiererin entstehe ein irreparabler Vertrauensverlust. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass gerade dieser Vertrauensverlust gegenüber der als Kassiererin beschäftigten Klägerin, nicht aber der Wert der Sache (1,30 €) maßgeblicher Kündigungsgrund sei...."

Das Problem taucht erst beim Blick über den Tellerrand des Gerichtsaals auf: Denn dieses, nicht gerade Arbeitnehmer freundliche Gesetz, findet ja gerade nur Anwendung auf wirklich kleine Fische. So etwa schon im berühmten "Bienenstich-Urteil" von 1984. Da hatte eine Bäckereiverkäuferin nach Feierabend heisshungrig einen übrig gebliebenen Bienenstich verschlungen. Der wäre zwar am nächsten Arbeitstag nur noch für die Tonne gewesen, oder vielleicht hätte der Bäcker in auch gerne selbst einverleibt, jedoch das Gericht entschied hart: Der Bäcker durfte seine Mitarbeiterin fristlos feuern wegen dieser verderbten Tat an fast verderbtem Eigentum.

Wie sieht es nun jenseits, und oberhalb, des Tellerrandes aus? Da gibt es Banker und Vorstände von Landesbanken oder privaten Geldhäusern, die Milliardensummen auf Kosten des Steuerzahlers verbrennen. Und als wäre das nicht schon genug, zahlt man sich trotzdem Millionenboni aus, finanziert ebenfalls vom Steuerzahler, der gerade selbige Banken vor dem Bankrott retten musste. Die Verantwortlichen könnte man auf Grund des gleichen Gesetzes ebenfalls fristlos, und ohne Boni, feuern. Aber da ist ja gar kein Arbeitgeber, der genau das einfordern würde. Im Gegenteil, es sind genau diese Leute die für sich natürlich eine Unschuldsvermutung geltend machen, so als ob ihr Verhalten keine Zweifel an "unbedingter Zuverlässigkeit und absoluter Korrektheit" in Geldangelegenheiten aufkommen liesse. Entstand hier etwa kein "irreparabler Vertrauensverlust"?

Nun, wo kein Kläger, da kein Richter. Thierse sagte der Berliner Zeitung: "Das ist ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität." Dass eine Angestellte nach 31 Jahren wegen einer Nichtigkeit in die Arbeitslosigkeit gestoßen werde, verletze das Gerechtigkeitsempfinden. Das Gericht hätte durchaus anders entscheiden und ihre langjährige Arbeit berücksichtigen können.". Und da hat er im Prinzip recht.

Zwar wäre das Gericht um eine Anerkennung der Kündigung nicht herumgekommen, aber es hätte ohne weiteres auf diese soziale Schieflage des Gesetzes, und insbesondere seiner hochaktuellen ungleichen Anwendung hinweisen können. Es hätte ihm klar sein müssen, dass das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung empfindlich gestört wird. Und es hätte, statt eine Berufung beim Bundesarbeitsgericht abzulehnen, gerade dort eine Überprüfung dieser unsozialen Merkwürdigkeiten anregen können.

Der Ausdruck "barbarisch" bzw. "Barbar" stammt aus dem griechischen und bezeichnete ursprünglich diejenigen, die kein oder schlecht Griechisch sprachen. Es bedeutet soviel wie der "Stammler" bzw. stammeln, lallen. Für die Römer waren Barbaren die Völker, die nicht über die gehobene Kulturstufe Roms verfügten. Es waren die Völker jenseits des römischen Tellerrandes. Im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff abfällig in der Bedeutung „unzivilisierte, ungebildete Menschen“ verwendet.

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