Dienstag, 3. März 2009

Futurologie III: Die Vergangenheit ist die Richtung der wahrscheinlichsten Vorhersage.


Zeit ist eine schwer fassbare Größe, insbesondere die grundsätzliche Richtung des Zeitpfeils in die Zukunft. Aus Sicht der statistischen Physik kann man sagen: Vergangenheit ist die Richtung der wahrscheinlichsten Vorhersage.

Entsprechend schwammig bleibt daher häufig die Vorhersage der Zukunft. Nichts desto trotz ist auch in diese Richtung vieles erkennbar. Auch an Futurologen mangelt es nicht, allein die Konsistenz der Aussagen lässt zu wünschen übrig.

So haben wir auf der einen Seite die Schönredner und Abwiegler, auf der anderen Seite die Dr. Dooms und Endzeitprediger, dazwischen alle denkbaren Abstufungen. Nun, was soll der Bürger glauben, der sich nicht im Wirrwahr der Finanzlogik und unnötigen Fachchinesisch auskennt. Insbesondere Letzteres dient ja auch dem Dummschwätzen gleichermaßen von Anlegern, Politikern und Wahlvolk. Allein der Blick auf die Randbedingungen der Wirtschaftsordnung schafft die Freiheit, sich nicht durch verwirrende Details auf Nebenkriegsschauplätzen verheizen zu lassen (dazu kurz am Ende des Artikels).

Fangen wir mit den Schönrednern an: So etwa Allianz-Chefvolkswirt Heise heute im Focus. „...ich erwarte, dass schon in den kommenden Monaten eine Stabilisierung einsetzt...“ der wie so viele die immer wieder verschobene Talsohle grüßen sieht. „...Die Kreditparty ist eindeutig vorbei. Es folgt eine Phase der Konsolidierung. Eine weltwirtschaftliche Stagnation oder globale Depression steht uns aber nicht bevor. Dafür sprechen die zwei Billionen Dollar schweren Rettungspakete, die geldpolitische Lockerung der Zentralbanken und die gesunkenen Öl- und Energiepreise....“ zitiert ihn der Focus. Wer die Billionen stemmen soll, darüber verliert er aber kein unnötiges Wort. „..Jetzt gilt es, die Übertreibungen zu korrigieren, Verschuldung abzubauen und Überkapazitäten zu beseitigen... Dass wir einige große Belastungsfaktoren für das Wirtschaftswachstum haben, und darunter vor allem den Abbau der immens gestiegenen Staatsschulden. Dieses Abtragen der Schulden wird das Wachstum auf Jahre hinweg belasten.....“, als wenn das so einfach möglich wäre. Schließlich hat es selbst in den besten Zeiten der BRD nie einen signifikanten Abbau der Staatsschulden gegeben, sondern immer nur einen Zuwachs.

Finanzminister Peer Steinbrück hatte bei Beckmann immerhin ein Herz für Zahlen:: „..Es gibt keine objektive Grenze..“ war ihm auf die Frage, wo denn die Grenze staatlicher Unterstützungsleistungen liegen, zu entlocken. „..Er warnt vor Übertreibungen und "journalistischen Kopfgeburten", immer wieder. Und er hat Glück: Bei seinem verzweifelten Beschwören der Normalität eilt ihm als zweiter Gast bald Commerzbank-Chef Martin Blessing zu Hilfe;....Doch man muss nur genau genug hinhören, um zu merken, dass die einzige Normalität der beiden Finanzkrisen-Kämpfer die Beständigkeit des Ausnahmezustands geworden ist. ..“ schreibt der Spiegel. Die beiden vertreten hier die Gilde der zur Zeit um Ruder ackernden Krisenmanager. Deren Patentrezept ist das Auflegen immer dickerer Rettungs- und Belebungspakete zum Wohle der Wirtschaft und auf Rechnung des Steuerzahlers.

Stefan Homburg, Professor für Finanzwissenschaft in Hannover, ist dagegen ehr in der Mitte der Diskussion anzusiedeln: „..gilt als Querkopf in der Ökonomenzunft. Im Interview mit FOCUS Online redet er Klartext: Warum es keine Krise gibt – und der Chef der Commerzbank entlassen werden muss...“ schreibt der Focus in seinem Artikel „Die Bundesregierung laviert dilettantisch.“. Was Homburg auszeichnet ist, das er einen besseren Durchblick und günstigere Rezepte vorzuweisen hat: „..Der Fall Hypo Real Estate kennzeichnet den Drang der Politiker, kurzatmig Probleme zu vermeiden, koste es im Hinblick auf die Zukunft, was es wolle. Die fatalen Fehlanreize solcher Staatshilfen werden nicht bedacht. Die Enteignungspläne unterstreichen, wie dilettantisch die Bundesregierung laviert.... Besser wäre es gewesen, man hätte die HRE im Herbst in die Insolvenz gehen lassen. Dann müsste man sich heute nicht von den Altaktionären erpressen lassen. Notfalls hätte der Bund die Bank vom Insolvenzverwalter erwerben können....“.

So verschärft dieses Vorgehen die Situation weiter „...Die Rettung der Hypo Real Estate war von Anfang an eine konzeptionelle Fehlentscheidung. Sie hat zur Folge, dass Banken künftig noch höhere Risiken eingehen werden als bisher – denn im schlimmsten Fall hilft ja Vater Staat...“. Wie recht er hat, und fügt hinzu: „...Natürlich wären die Folgen einer HRE-Pleite für manche schmerzhaft gewesen – aber es gehört nicht zu den Aufgaben des Steuerzahlers, Abschreibungen privater Unternehmen zu übernehmen...“.

Für Steinbrücks Adjutanten bei Beckmann hat er klare Worte übrig: “... Auf dem Höhepunkt der Finanzmarktturbulenzen kam Chef Martin Blessing auf die aparte Idee, auch noch die Dresdner Bank zu kaufen. Dafür darf jetzt der Steuerzahler einspringen – und nicht, um eine Pleite abzuwenden. Es ist eine absolute Verrohung der Sitten, dass Herr Blessing noch immer im Sattel sitzt und sich als Starbanker feiern lässt...“, was wiederum eine unzweideutige Qualifizierung für die Beratertruppe der Bundesregierung darstellt.

Auch das es nicht Mangel an Geld, sondern Mangel an Renditen war, hat er richtig gesehen: „...Es gab nie eine allgemeine Kreditverknappung, eine Untersuchung der Bundesbank belegt das. Die vorgebliche Kreditklemme wurde von den Banken erfunden, die begründen mussten, warum sie Geld vom Staat wollen...“. Letztlich ist für ihn eindeutig, auch wenn er mit seiner Meinung wohl nicht alleine steht, die Ursache dieser selbstmörderischen Geldverschenkung ausgemacht: “... Banken gehören zu den größten Parteispendern in Deutschland, ihrer Macht kann eine Bundesregierung nichts entgegensetzen. Realpolitisch ist es besser, so traurig das klingen mag, sich gegen das Gemeinwohl und für Banker und Boni zu entscheiden. Anschließend ist diese Entscheidung durch eine gepfefferte politische Anti-Bonus-Rhetorik zu verschleiern. Union und SPD schimpfen über Boni, die sie zuvor durch Steuergelder erst ermöglicht haben.“.

Ein Glück, dass diese Weisheit aus berufener Ecke kommt. Ich wünsche Herrn Homburg alles Gute gegen die Brandung der Kollegenschelte. Zuletzt findet er aber zum Ökonomen-Mainstream zurück: „...Das Wort Krise werden Sie von mir nicht hören. Wir beobachten eine Konjunkturdelle, und es ist nicht ausgemacht, ob diese schlimmer wird als vergleichbare Abschwünge der jüngeren Vergangenheit.“ Hier verdampfen also auch irgendwo die Staatsschulden.

Der Vermögensverwalter Jan Ehrhardt ist da weniger optimistisch: “Er sagt: Die Krise dauert noch Jahre.“ meint der Focus. Mit „..Eine Erholung ist nicht in Sicht. Es wird Jahre dauern, bis die globale Wirtschaft wieder auf die Beine kommt, mindestens bis 2011. Der US-Immobilienmarkt – dort hat die Finanzkrise ihren Ursprung – ist schon längst kein Thema mehr. Die Welt leidet darunter, dass Banken sich entschulden müssen und weniger Kredite vergeben. Zugleich bemühen sich im Abschwung die Unternehmer, ihre Lager leer zu räumen. Sie investieren kaum...“ umschreibt er die momentane Situation ganz treffend. Insbesondere die Überkapazitäten und vollen Lager führen ja zur Zeit, trotz Schwindel erregender Geldproduktion, zum Erstaunen mancher zu einem deflationären Trend: Kaum ein Tag wo nicht ein Flyer mit neuen Sonderangeboten ins Haus flattert.

Wie man sein Geld beisamen hält, verrät er auch. „...Der Aktienanteil in den Depots sinkt. Dafür kaufen wir verstärkt kurzlaufende Anleihen, etwa von der Bundesrepublik oder von soliden Unternehmen wie E.on und RWE. Die laufen nicht Gefahr, pleitezugehen. Daneben greifen wir immer mehr zu Gold, in vielen Depots liegt der Anteil bei mehr als fünf Prozent...“. Denn, so weiter: „...Der Goldpreis steigt nicht von ungefähr – für Investoren bleiben bei der schwachen Börse immer weniger Alternativen. Langlaufende Anleihen etwa, sonst sehr beliebt, kommen kaum infrage: Zum einen dürfte in zwei, drei Jahren die Inflation deutlich zunehmen – zum anderen droht im Extremfall sogar Staaten der Eurozone der Bankrott....“.

Zu der Frage der Zukunft des Euros meint er: “... Fragezeichen sind angebracht. ... Die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder ist zu unterschiedlich. Es ist auf Dauer nicht vertretbar, dass die starken Länder für die schwachen Länder einspringen, die in guten Zeiten ihren Wohlstand auf Pump finanzieren. Auch Deutschland könnte schon bald vor einer Zerreißprobe stehen. ...Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Land der Eurozone. Es ist fraglich, ob sich politisch auf Dauer durchsetzen lässt, dass Deutschland für schwache Länder einspringen muss.“.

Derweil kämpft Obama in den USA, wo es noch dicker kommen könnte, mit den realen Problemen eines Messias: "Obama wird viel mehr Geld brauchen" titelt das Manager-Magazin. „...Sein rund 800 Milliarden Dollar schweres Konjunkturpaket wird ihn aber nicht weit bringen, befürchten Finanzexperten. Sollte er nicht nachlegen, könnten bis 2010 weitere acht Millionen US-Bürger ihren Job verlieren....“. So ist auch klar, das noch viel mehr ungedecktes Geld in den Ring geworfen wird: „...Die US-Regierung, die bereits jetzt mit Unsummen gegensteuert, dürfte den Einsatz noch erhöhen. Ein Staatsdefizit von einer Billion Dollar "dürfte in den nächsten Jahren die Norm werden", meint Peter Anderson, Chief Investment Officer bei RCM, dem Aktienportfoliomanager von Allianz Global Investors.... Zu dem ersten Konjunkturpaket kämen Kapitalspritzen für Finanzinstitute, Autohersteller sowie weit reichende Staatsgarantien hinzu. Die Belastungen für den Steuerzahler seien kaum abzuschätzen....“.

Langsam sieht man ein, dass man Geld mit BIP verwechselt hat: „...Die kreative Geldvermehrung durch "Mortgage Equity Withdrawal" - also der Aufnahme neuer Kredite auf die scheinbar unendlich steigenden Häuserwerte - war seit 2001 für einen Großteil des Wachstums des US-BIP verantwortlich....“. Aber nicht Geld ist BIP, sondern BIP ist Geld, ein gewaltiger Unterschied, der weitgehend verkannt wird. Alle Erleichterungen zur Konjunkturbelebung werden letztlich nur in dem explodierenden Schuldendienst landen: „...In dieser schwierigen Situation werden auch die angekündigten Steuererleichterung keine nennenswerten Auswirkungen auf den Konsum haben - die Mehrzahl der Bürger dürfte Steuerschecks dazu nutzen, ihre Schulden zu bedienen...". Ergo, der endlose Transfer von Unten nach Oben eskaliert.

Nun, was können wir für 2009 erwarten? Zunächst mal wird man versuchen, mit viel Geld auf Rechnung des Wählers die Wirtschaft so weit zu beatmen, dass man über den Wahltermin im September kommt. Die Rechnung soll erst 2010 präsentiert werden. So was kann aber schief gehen, wie wir an Dubbelju Bush gesehen haben. Dem Finanzgenie platzte die Krise mitten in die Endphase des Wahlkampfs, so dass sein republikanischer Kandidat McCain keine Schnitte mehr bekam. Wenn sich die Dinge schnell zuspitzen sollten, kann das auch unseren Volksparteien blühen.

Ob vor oder nach der Wahl, die Rechnung wird saftig: Mit den jetzt schon in Neuverschuldung und Sondervermögen angehäuften Verbindlichkeiten, bei gleichzeitig deftig sinkenden BIP und Steuereinnahmen plus steigender Kosten für Sozialtransfers (Arbeitslosigkeit), wird die tatsächliche Staatsverschuldung zum Jahresende die 100% Marke knacken.

Auch ohne große Finanzmathematik kann ein jeder sich vorstellen was das bedeutet: Bei den auch in guten Zeiten langfristig nur noch möglichen Steigerungsraten des BIP von höchstens 2%, aber Kreditzinsen bzw. Renditen von Finanzprodukten von wenigstens 5%, übersteigt dann der öffentliche Schuldendienst alleine bereits jeden möglichen Wohlstandszuwachs deutlich. Der Staat muss diesen daher von Unten nach Oben abtransportieren, er kann gar nicht mehr anders. Der Durchschnittsbürger kann sich daher in Zukunft soviel abstrampeln wie er will, er wird die Ernte nicht mehr einfahren können.

Und irgendwann will er dann auch nicht mehr. Was das bedeutet, behandeln wir später.

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