Freitag, 3. April 2009

Systemkrise vierter Akt: Der Zug der Lemminge


Der G-20 Gipfel hat die lange erwartete Geldschwemme ausgedehnt. Die letzten Hemmungen fallen und die Börsen reagieren begeistert. So legt der DOW in den letzten Tagen von rund 6500 auf fast 8000 Punkte zu. Denn die Erwartungshaltung ist, das die neuerliche Geldschwemme nun wieder ordentliche Renditen auf Anlageprodukte ermöglicht. Zumindest kurzfristig. Entsprechend wird das einzige langfristig werthaltige Finanzprodukt, Gold, abgestossen und auch der IWF und Nationalstaaten versilbern größere Bestände. Aber bis zum nächsten Katzenjammer ist es nicht so weit, und dann ziehen die Preise wieder an.

Nun, worauf hat man sich auf dem G-20 Gipfel geeinigt? Auf größere Finanzkontrollen, dank des Drucks durch Merkel und Sarkozy und gegen die Absichten der Briten und Amerikaner. Dazu ein weiteres gigantisches Stützungspaket im Werte von 1100 Milliarden Dollar, wovon die BRD einen wesentlichen Anteil tragen muss. Nun haben diese G-20 Vereinbarungen keine Gesetzeskraft, wenn gleich sie doch eine faktisch starke Verpflichtung ergeben. Bei den Finanzkontrollen wird sich aber weit weniger tun, als notwendig.

Im Manager-Magazin von heute kann man nachlesen, wie wenig ernst man dies meint: ".... Die für Bilanzierungsstandards zuständige US-Organisation FASB hat die Regeln für die Bewertung etwa von faulen Wertpapieren am Donnerstag entscheidend gelockert. Besonders die Finanzbranche begrüßte die Aufweichung und erwartet nun unter dem Strich weniger Verluste. Kritiker warnen dagegen massiv vor weniger Transparenz.....Die bisherigen Regeln verlangten eine Bewertung der Investments zum gegenwärtigen Marktpreis ("mark-to-market-Regel"). Da es etwa für giftige Kreditpapiere in der Krise praktisch keine Käufer mehr gibt und der Preis damit gegen null geht, mussten Banken und Unternehmen drastische Abschreibungen vornehmen. Nun sollen sie bei der Bewertung neben dem Marktpreis auch eigene Modelle anwenden dürfen.....Analysten erwarten nun bereits für die in den nächsten Wochen vorliegenden Zahlen zum ersten Quartal deutlich bessere Zahlen der Banken als bislang erwartet....Die für Europa verantwortliche Rechnungslegungsorganisation IASB werde in den nächsten Wochen zusammenkommen und weitere Lockerungen beschließen, hieß es in Branchenkreisen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück machte in London beim Treffen der G20-Staaten deutlich, die prozyklische Wirkung der Bilanzierungsregeln solle abgeschafft werden....."

Im Klartext also: Einerseits erhalten die Finanzjongleure eine riesige steuerfinanzierte Geldschwemme und andererseits die Erlaubnis ihre verheerenden Bilanzen "mit eigenen Modellen" schön zu rechnen. Und natürlich die nächsten faulen Derivatkonstrukte gleich mit solch schönen eigenen Modellen zur Bilanzklitterung zu versehen, und damit offiziell die Erlaubnis zur Insolvenzverschleppung erhalten haben.

Normale Gewerbetreibende können dafür in den Knast gehen und kriegen existentielle Schadenersatzklagen an den Hals. Zuletzt etwa medienwirksam das Boulevard Lieblingspaar Franjo und Verona Pooth. Banker dürfen das jetzt mit höchster Genehmigung um die "prozyklische Wirkung der Bilanzierungsregeln" zu vermeiden. Im Klartext: Wenn jemand Pleite ist, braucht er das nicht mehr zu sagen, damit ihm die Unbedarften weiter ihre Scheine rüber rücken. Aus krimineller Insolvenzverschleppung wurde also eine legale Abschaffung von prozyklischer Wirkung der Bilanzierungsregeln gezaubert. Ein guter Kandidat für das Unwort des Jahres 2009. Zweifellos wird dieses Jahr aber noch unzählige solche Verbalakrobatiken hervorbringen.


Man lässt es also wieder laufen wie gehabt und heizt mit frischen Scheinen sogar noch an. Wie im berühmten Zug der Lemminge wandert man also Hand in Hand auf die Klippe zu, um sich dort früher oder später in den Tod zu stürzen. Während sich die Wall Street mächtig über den Durst freut, geht es in den USA zu wie in einem Entwicklungsland: So schreibt die Welt heute: Jeder zehnte Amerikaner braucht Lebensmittelhilfe "Die Wirtschaftskrise in den USA führt immer mehr Menschen an den Rand des Existenzminimums. So ist inzwischen zehn Prozent der Amerikaner auf staatliche Lebensmittelmarken angewiesen. Das ist eine Rekordzahl von 32,2 Millionen Bedürftigen." Lebensmittelmarken kenne ich zuletzt noch aus dem jüngsten Zusammenbruch des Ostblocks, als in Polen solche Marken (1981-1989) ausgegeben wurden. Da wurde der makabre Witz erzählt: "Kennen Sie schon den polnischen Hamburger? Nein? Also: Brotmarke, Fleischmarke, Brotmarke.". Die USA stehen somit an einer Wendemarke, wie Polen vor 30 Jahren.

Verblüffenderweise sind es aber gerade Vermögen, die arm machen. Denn jedem Vermögen (Bankenpassiva) stehen Schulden (Bankenaktiva) gegenüber. Und letztere wollen immer verzinst werden, und das geht endlich nur aus dem Bruttoinlandsprodukt.

Die Kreditklemme resultiert nicht aus dem Fehlen von Geld, sondern aus dem Fehlen von Renditen!

Denn wegen des exponentiellen Wachstum von Vermögen/Schulden ist das BIP/Aktiva-Verhältnis in Deutschland auf fast 1:3,5 und in USA auf mehr als 1:5 angewachsen. Deren Renditedruck auf das BIP ist damit bei weitem zu hoch. Es spielt auch kaum eine Rolle, ob es sich um öffentliche oder private Vermögen/Schulden handelt, der Unterschied besteht nur darin, wer das Renditeinkasso übernimmt: Der Staat oder die Banker, jedenfalls immer beim Schaffenden. Auch hier will niemand Klartext reden, deswegen tue ich es hier:

Die einzige Möglichkeit aus der Krise heraus zukommen, ist daher die massive Vernichtung von Vermögen!

Denn nur dann kommt man wieder zu einem stressfreien Verhältnis zwischen BIP und Aktiva, also deutlich unter 1:2. Dies würde bedeuten, dass man von den 8000 Mrd. Euro Aktiva in Deutschland rund 4000 Mrd. kontrolliert abschreiben würde. Alternativ könnte man theoretisch auch das BIP relativ zu den Aktiva verdoppeln. Das geht aber schon lange nicht mehr, die Wachstumsraten des BIP hinken nämlich dem Aktivawachstum prinzipiell weit hinterher.

Die Handlungsanweisung an die politisch Verantwortlichen ist eindeutig: Das BIP/Aktiva-Verhältnis muss wieder deutlich verjüngt werden! Das lässt sich kontrolliert machen, wenn man das Problem beim Namen nennt: Die gewaltig angehäuften Großvermögen müssen wenigstens um den Faktor 2 reduziert werden, besser mehr. Andernfalls werden die Bürger auf Dauer vom Gewinn der Wirtschaft abgekoppelt und verlieren jedes Vertrauen in die Führung. Eine massive Vermögensreform ist natürlich der casus belli für die einflussreichste Oberschicht der Gesellschaft. Aber die Folgen werden keinen Vergleich aushalten mit dem was geschieht, wenn die Bürger dem demokratischen Staat in Scharen davonlaufen. Was dem Ostblock geschah, droht sehr bald auch dem demokratischen Kapitalismus! Bedenken Sie: Die in den letzten Jahren angehäuften Vermögen sind mittelfristig sowieso verloren, ganz egal wie man es macht. Lässt man aber die Dinge laufen, dann werden sie sich selbst bereinigen. Dann aber ohne jede demokratische Ordnung! Das ist die Lehre aus den Zwanziger Jahren, nicht das Fehlen wahnwitziger Konjunktur- und Stützungsprogramme.

Das Treffen Papens mit Hitler im Haus des Bankiers Schröder am 4. Januar 1933 in Köln gilt als die „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ . Unter der Vermittlung des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder einigten sich hier Franz von Papen und Adolf Hitler auf die Reichskanzlerschaft Hitlers. In der berühmten eidesstattlichen Erklärung Schröders im Nürnberger I.G.-Farben-Prozess von 1947 heißt es zu diesem Treffen:
„Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange Zeit an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. November 1932 einen ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, dass die Nationalsozialisten - einmal an der Macht - eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden.“

Die Chance sich solchen Entwicklungen entgegen zu stemmen besteht jetzt! Und nicht morgen oder übermorgen, weil man just vor unbequemen Wahrheiten zurück schreckt. Von 1929 bis 1933, dass waren gerade einmal 4 Jahre. Sollen wir 2013 wieder vor einem vergleichbaren Problem stehen? Oh Herr, lass der Politik Hirn wachsen!

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