Donnerstag, 11. Februar 2010

Murrays Gesetz und Biorendite: Vom Unsegen der Subventionen

Mit dem Hartz IV Urteil ist nun die Diskussion um die Regelsätze entbrannt. Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld...passend zum heute beginnenden Karneval.

Es sei hier auf einen lesenswerten Artikel der Zeitung WELT ([1],[2]) hingewiesen, der im Rahmen der Hartz IV Diskussion natürlich nicht zufällig zeitgleich mit dem Urteil der Verfassungsrichter in diesem Publikationsorgan erschien: "Höhere Sozialleistungen steigern die Geburtenrate von arbeitslosen Frauen. Bill Clinton kürzte in Amerika die Bezüge - mit Erfolg " von Gunnar Heinsohn, emeritierter Professor der Universität Bremen. Im Zentrum seiner wirtschaftswissenschaftlichen Forschungen steht die Theorie der „Eigentumsökonomik". Auch ist Heinsohn Urheber der These, nach welcher ein Jungmännerüberschuss (youth bulge) einen Geschlechtermangel innerhalb einer Gesellschaft verursache, der sich in Kolonisation, Krieg oder Terrorismus abbauen müsse. Zudem forderte er internationale Hilfsorganisationen auf, durch ihren Einsatz die „Kinderproduktion“ in Krisengebieten und Entwicklungsländern nicht weiter zu fördern. Heinsohn neigt zwar zu Zynismus und der Artikel ist auch etwas ruppig, zudem werden die Thesen Heinsohn durch seine eigenen Berufskollegen selten geteilt. Aber ohne Zweifel ist der Artikel ein sehr interessanter Beitrag zur Diskussion.

Das Subventionen, egal ob sie nach oben oder unten gegeben werden, nicht unbedingt das Problem bekämpfen für das sie eingeführt wurden, sondern im Gegenteil oft noch verstärken, ist hinlänglich bekannt. So etwa, wenn man in den Niederlanden die teure Produktion von Nahrungsmitteln in Gewächshäusern subventioniert die anderswo in Europa wie Unkraut gedeihen, nur um die Konkurrenzfähigkeit der niederländischen Preise gegen die südländische Konkurrenz zu garantieren. Die Folge ist dann natürlich noch mehr von dem Gemüse, dass dann noch mehr nach Subventionen schreit. Genauso, wenn man Investmentbanken, die den größten Teil der Geldschwemme zu verantworten haben, mit weiterem billigem Geld versorgt, damit sie nicht gleich zusammenbrechen. Und damit sorgen sie für noch mehr Schwemmen und noch mehr Bedarf an Unterstützung.

Aus den Erfahrungen der Amerikaner kann man das gleiche Problem aber auch für die Sozialsysteme ableiten:"...Was nun unternimmt Bill Clintons Gesetz gegen eine schnell zunehmende Jugend, die nicht ausbildungsfähig ist und ihre zahlenden Mitbürger mit Gewalt bedroht? Ab 1. Januar 1997 kürzt es körperlich gesunden Amerikanern den bis dahin lebenslangen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe auf fünf Jahre. ...Wieder passiert etwas scheinbar Widersinniges. Obwohl Amerika seine Ausgaben gegen Armut herunterfährt, nimmt die Zahl der Armen nicht etwa zu, sondern ab. Erhalten am Vorabend des Gesetzes im Jahre 1996 noch 12,2 Millionen Bürger Sozialhilfe, so sind es 2005 nur noch 4,5 Millionen....Schon die bloße Ankündigung des Gesetzes bewirkt, dass sich zwischen 1994 und 1996 über 500.000 amerikanische Familien aus der Sozialhilfe verabschieden. Die Verwandten machen Druck. Denn an sie würde sich nun wenden müssen, wer weiter auf fremde Kosten leben wollte. „Den Steuerzahler kannst Du meinetwegen abzocken, aber versuch nicht, mit neuen Gören bei mir zu landen“, heißt es jetzt derb, dafür aber auch sehr eingängig.....Die Zahl der Morde [in New York] sank von 1990 bis 2009 um fast 80 Prozent, von 2245 auf 461. Das spricht sich global herum. Mehr als je zuvor streben tüchtige junge Menschen aus der ganzen Welt in den Big Apple. Auch Los Angeles und Chicago melden drastische Rückgänge der Gewaltkriminalität."


Bei der statistischen Betrachtung zeigt sich, dass Menschen zwar nicht immer und im Einzelfall, aber im großen Durchschnitt eben sehr rational handeln. Und zwar egal ob er bestens ausgebildeter Banker oder arbeits- und chancenloser Unterschichtler ist. Jeder neigt eben dazu den ökonomisch einfachsten, und damit auch vordergründig sinnvollsten, Weg für seinen Lebensunterhalt einzuschlagen. Und da sind (vor allen Dingen zeitlich unbegrenzte) Subventionen wahres Gift, denn sie verzerren den Markt der Möglichkeiten bis zur Unkenntlichkeit. Das gilt aber entgegen der tendenziösen Art obigen Artikels genauso für die europäische Landwirtschaft als auch für risikoverliebte Finanzzocker. So wie der Banker der immer von der Rettung durch die öffentliche Hand ausgehen kann und durch billiges Zentralbankengeld zum Zocken geradezu aufgefordert wird. Er müsste schon ziemlich blöd sein das teure Geschenk nicht anzunehmen! Und wenn wir Heinsohns statistischen Argumenten vertrauen dürfen, dann lag es für junge Frauen der US-Unterschicht durchaus nahe, eine lebenslange Biorendite in Form von staatlich garantierter Unterstützung für sich selbst und immer neue Unterschichtkinder in Anspruch zu nehmen. Es klingt rassistisch, aber es scheint statistisch belegt. Und es ist aus der Sicht eines grundsätzlich rational handelnden Menschen auch nur zu verständlich.

Weiter führt Heinsohn aus: "...Während der Tod der Familie beklagt wird, erweist sie sich in Hartz IV als jung und vital. Während unter den rund sieben Millionen Hartz IV-Empfängern unter 65 Jahren 34 Prozent jünger als 20 Jahre alt sind, erfreuen sich in der zahlenden Gruppe mit 55 Millionen unter 65 Jahren gerade einmal 20 Prozent solcher Jugend.". Und so wie lange Zeit auch in den USA, sind es vor allem schlecht gebildete Zuwanderer, die einen mächtigen Anteil an dem Problem bilden: "...Die Zuwanderer in Deutschland dagegen verfügen über niedrigere Bildungsabschlüsse als ihre Landsleute daheim. Deshalb haben – ungeachtet der dabei mitgezählten Eliteimmigranten aus Iran oder Russland – bei der Migrationsbevölkerung mit 14 Prozent siebenmal mehr keinen Schulabschluss als bei den Einheimischen. ....Deutschland rekrutiert also vorrangig aus Milieus, die schon daheim im Leistungswettbewerb ausgeschieden sind. Wie sollten die jenseits ihrer Grenzen plötzlich Elitepools für Akademiker bilden? ....Und diese Auswahl ist auch der entscheidende Grund dafür, dass jeder der in Deutschland 40 Millionen Erwerbstätigen schon 2008 auf Zusatzschulden von 25000 Euro für die Versorgung von Migranten sitzt."

Angloamerikaner handeln beim Thema Zuwanderung dagegen sehr viel eigennütziger als wir, vielleicht auch weil man kein moralisches Problem mit der jüngeren Vergangenheit des letzten Weltkrieges hat: "...Vor allem Anglo-Länder wie Kanada und Australien gehen deshalb einen diametral anderen Weg. ..Diese Länder wollen, dass ihre Kinder gescheiter werden als die Eltern und ihre Zuwanderer tüchtiger sind als die Durchschnittsbürger. ...Nur wer den Aufnehmenden etwas bieten kann und ihnen nicht gleich in die Taschen greifen muss, darf hoffen, von ihnen auch angenommen zu werden. ...Wer etwas kann, darf in jeder Farbe schillern. Wer aber schon daheim nicht mitgekommen ist, darf auch mit lautstarkem Verweis auf Haut und Haare nicht herein. Alles unter 40 Jahren wird entschlossen angelockt, solange es nur "highly skilled" ist."

Heinsohn weist zum Schluss dann auf des Pudels Kern, den wesentlichen finanzpolitischen Engpass, hin: "...Von Deutschlands 40 Millionen Erwerbspersonen stecken - mit sinkender Tendenz - gerade noch 24 Millionen in Vollzeitbeschäftigung.". Hier schlampt er sogar ein wenig, denn von den 24 Millionen könnte man auch noch etwa 3 Millionen Beamte abziehen, die zwar auch kräftig Steuern zahlen, deren Sozialabgaben aber komplett entfallen. Und genau diese 21 Millionen sind diejenigen, die den Löwenanteil aller Abgaben und Subventionen nach Oben und Unten zahlen müssen: Nämlich an die restlichen gut 60 Millionen Einwohnern, die, aus welchem Grunde auch immer, mehr vom Staat heraus bekommen als sie hinein geben.


Das Fatale dabei ist: Sozialtransfers finden entgegen der allgemeinen Wahrnehmung des Begriffes nicht nur nach Unten, sondern schon immer, ganz wesentlich nach Oben statt. Insbesondere sind es nun die exponentiell zunehmenden Transfers nach Oben, die dem Staatshaushalt unweigerlich das Genick brechen werden. Das dies noch durch parallel dazu steigende klassische Sozialausgaben verstärkt wird ist klar.

Und da wiederum liegt der Pferdefuss von Murrays Gesetz und auch des Artikels von Heinsohns: Durch den seit der Jahrtausendwende stark gestiegenen Renditedruck der Bankenaktiva auf die Realwirtschaft geht die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten immer weiter zurück. Und die ja tatsächlich bereits stattgefundene Kürzung der Sozialtransfers nach Unten konnte nicht durch Schaffung neuer Vollzeitstellen aufgefangen werden. Es ist die Erfahrung der letzten Jahre, denn die tatsächliche deutliche Verschlechterung der Bezüge aus Arbeitslosengeld hinzu Hartz IV hat, entgegen den Erfahrungen aus den wirtschaftlich noch intakten 1990er Jahren in den USA, nichts positives an der Situation geändert. Im Gegenteil ist es schlimmer geworden. Denn damit Murrays Gesetz funktionieren kann, braucht der rational entscheidende Mensch natürlich auch eine gangbare Alternative. In unserem Fall also einen fairen Arbeitsplatz. Und wenn der nicht vorhanden ist, bleibt ihm nur die Schattenwirtschaft, zu der leider auch die Kriminalität zählt.

Auch wenn Heinsohns Einwand zu spät kommt, es ist jedenfalls ein interessantes Beispiel für die Wirkung von Subventionen. Grundsätzlich können Subventionen sinnvoll und hilfreich sein, dann wenn sie gezielt und zeitlich begrenzt sind. Aber genauso grundsätzlich gilt: Zeitlich unbefristete bzw. Subventionen auf die man sich immer verlassen kann, sind echtes Teufelszeug! Denn das betroffene System stellt sich nach einer gewissen Kohärenzzeit darauf ein und nutzt als homo oeconomicus diese Subventionen maximal aus. Und das gilt eben für alle Schichten der Gesellschaft!

Einen Tag später gab FDP-Chef Westerwelle seinen Kommentar an gleicher Stelle ab, worin er ganz korrekt den Finger auf das Kernproblem legt:“...Es scheint in Deutschland nur noch Bezieher von Steuergeld zu geben, aber niemanden, der das alles erarbeitet. Empfänger sind in aller Munde, doch die, die alles bezahlen, finden kaum Beachtung. Die Mittelschicht in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren von zwei Dritteln auf noch gut die Hälfte der Gesellschaft geschrumpft. Damit bröckelt die Brücke zwischen Arm und Reich. Eine Gesellschaft ohne Mitte fliegt auseinander, und der Politik fliegt sie um die Ohren. ..“. Das Kernproblem ist, dass es genau diese Mittelschicht ist, die den absoluten Löwenanteil der Kosten der Gesellschaft bezahlt. Und zwar alle Transfers, die nach Unten genauso wie die nach Oben. Wobei aber die letzteren definitiv gar nicht notwendig wären. Gerade diese haben aber exorbitant zugenommen. So nur als eines von vielen Beispielen die jüngste Mehrwertsteuerentlastung für die Hoteliers. Den Steuerausfall in Milliardenhöhe muss jetzt genau dieser Mittelstand wieder ausgleichen.

Und so sind Westerwelles Schlussfolgerungen aber typisch neoliberal. Einerseits stimmt natürlich der Einwand „...Was sagt eigentlich die Kellnerin mit zwei Kindern zu Forderungen, jetzt rasch mehr für Hartz IV auszugeben? Wer kellnert, verheiratet ist und zwei Kinder hat, bekommt im Schnitt 109 Euro weniger im Monat, als wenn er oder sie Hartz IV bezöge. Diese Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Leistungsgedanken besorgt mich zutiefst. Die Missachtung der Mitte hat System, und sie ist brandgefährlich. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein....“. Aber der Skandal liegt eben nicht an den zu hohen Regelsätzen, die ja lediglich das Existenzminimum abbilden sollen. Und da wurde ja schon knapp gerechnet. Der Skandal ist, das sich anständige Arbeit in den unteren Lohngruppen definitiv nicht mehr rechnet. Das ist inzwischen in allen westlichen Staaten so, die USA prägten dafür den Begriff der „working poor“. Also Diejenigen, die arm sind trotz Arbeit. Und das liegt eben daran, dass die Gewinne aus dem Wachstum des BIP nicht mehr unten ankommen können. Denn die Renditeforderungen der Vermögensüberhänge saugen jedes noch erdenkliche Wachstum sofort auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Unseriös ist auch, wenn man den Leistungsgedanken bei der Unterschicht, nicht zu Unrecht, einfordert, aber gleichzeitig kein Problem damit hat wenn Milliardenversenker, bei privaten sowieso aber auch bei Landesbanken, Millionenboni einstecken obwohl sie nichts als Unheil angerichtet haben. Unseriös ist es wenn man den Mittelstand mit der Finanzierung der Stützung von spekulativen Supervermögen belastet, aber keine einzige zugkräftige Idee einbringt, wie man die Verursacher dieser Katastrophe, die Investmentbanker, für die Kosten ihrer Rettung gerade stehen lassen könnte. Im Gegenteil setzt gerade Westerwelle als Anhänger der neoliberalen Pferdeäpfeltheorie auf weitere Entlastungen der sowieso kaum belasteten Oberschicht.

So zitiert der Spiegel heute die Aussagen einiger Politiker: „...Baden-Württembergs neuer Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) forderte mit Blick auf die Hartz-IV-Diskussion dagegen analog zu Westerwelle, Leistung müsse sich in Deutschland wieder mehr lohnen. "Wer viel leistet, wer morgens aufsteht und arbeiten geht, der muss im Geldbeutel mehr haben als derjenige, der das nicht tut"". Und ebenso stimmig ist natürlich: “...Pinkwart [FDP] kritisierte die Union, eine Steuerreform von der Steuerschätzung im Mai abhängig zu machen: "Wenn es um die Rettung von Banken oder Konzernen wie etwa Opel geht, ist irgendwie immer Geld da. Wenn es aber darum geht, denen mehr von ihrem Geld zu belassen, die den Karren ziehen, dann soll angeblich kein Geld da sein."

Denn die größte Subvention der Menschheitsgeschichte ist nicht nur die Bankenrettung, sondern vor allen Dingen das billige Zentralbankgeld. Zwar sollte es eigentlich dazu dienen die Banken wieder liquide zu machen, um dann wieder vermehrt Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben. Das ist aber, insbesondere in einer Wirtschaftskrise, bei weitem nicht so gewinnbringend wie die Verwendung des praktisch kostenfreien Geldes für Spekulationsgeschäfte. So besonders die Carry Trades. Denn nichts hindert die Banken bzw, ihre Investmentsparte dieses Geld einfach irgendwo in der Welt auf gut verzinste Konten zu legen. Verstärkt wird der Effekt durch die effektive Abwertung von Euro und Dollar. Damit erzielt man Renditen von 10 bis 20% jährlich ohne einen Handschlag zu rühren. Jede Bank wäre kein homo oeconomicus wenn sie dieses Geschäft nicht machen würde. Die Vermögensblase wächst dadurch weiter und diese Subvention bewirkt unterm Strich genau das Gegenteil von dem, wofür sie gemacht wurde.

Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Unzweifelhaft richtig ist, dass man Subventionsmissbrauch auch bei den Sozialleistungen geeignet bekämpfen muss. Es ist aber leider nur ein Nebenkriegsschauplatz, der vom wirklichen Problem ablenkt. Es wird auch leicht zum Vehikel, den Volkszorn weg von den massiv Begünstigten oben auf die weniger Begünstigten unten abzuwälzen. Der berechtigte Zorn der Working Poor und der Mittelschicht soll bei der nächsten Wahl in NRW nicht die Klientelpolitiker der Oberschicht sondern die politischen Klientelvertreter der Unterschicht treffen.

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