Mittwoch, 10. März 2010

David und Goliath: Die Normalität des Grauens


Halten Sie obiges Bild für eine Aufnahme des NASA - Marsrovers? Egal, auch wenn es so aussieht, es ist etwas ganz anderes. Gestern erschien ein Artikel im Online-Spiegel mit dem Titel: "Obamas Killerdrohnen: Schattenkrieg des Friedensfürsten".

Thema ist die zunehmende Verwendung von unbemannten Killerdrohnen zur Liquidierung militärischer Gegner per Fernsteuerung. "...Was sich derzeit beobachten lässt, ist die massive Ausweitung einer neuen Methode der Kriegsführung unter Führung der USA. Es ist ein Krieg der schnellen Erfolge und der Entscheidungen im Halbdunkel. Ein Krieg, der scheinbar sauber ist und doch auf staatlich angeordneten Mord hinausläuft. Von dem es kaum Bilder gibt, der aber in den kommenden Jahren mit Gewissheit noch weiter eskalieren dürfte." fasst der Spiegel zusammen.

Denn "...Wie hoch ist der Preis dafür, einen Terroristen ein für alle Mal unschädlich zu machen, indem man ihn umbringt? Im Laufe von 14 Monate hat der US-Auslandsgeheimdienst CIA mit ..sogenannte Drohnen, 15-mal den vermuteten Aufenthaltsort des Anführers der pakistanischen Taliban bombardieren lassen....Insgesamt, so die Schätzungen, starben bei den 16 Angriffsversuchen zwischen 207 und 321 Personen - und nicht alle waren Taliban, das ist gewiss."

Die hochtechnisierte Methode der Kriegsführung ist verführerisch, denn sie ermöglicht ungefährdet eigener Verluste gezielte Angriffe auf Schlüsselpersonen oder Einrichtungen des Gegners. Eine naheliegende Versuchung, der auch Obama erliegt: "...In den 13 Monaten seiner Amtszeit hat Obama bereits mehr Raketen aus Drohnen abfeuern lassen als Bush in acht Jahren.....Künftig..werden ein Drittel aller angeschafften Flugzeuge unbemannt sein. Schon heute befinden sich zu jedem Zeitpunkt des Tages mehrere Drohnen über Pakistan im Einsatz gegen Terroristen. Und im Himmel über dem Jemen, dem Irak, über Afghanistan und Somalia sind sie ebenfalls aktiv.....Nur noch 50 wirklich entscheidende Qaida-Kader seien am Leben, wird vermutet. Die Drohnen gelten als effektivste Waffe gegen sie."

Die militärische Bequemlichkeit des Krieges an der Gameconsole mit Joystick hat natürlich seinen Preis: "Obama, der Friedensfürst? Der linke Flügel der Demokraten sieht das längst anders. Juristen und Menschenrechtler ebenfalls. Niemand kann außerdem präzise sagen, wie viele Zivilisten bei den Attacken neben den Terroristen sterben. ....Die Schätzungen darüber, wie hoch der Anteil ziviler Opfer bei den Angriffen ist, gehen weit auseinander: Von zehn Prozent bis 90 Prozent reichen die Angaben..."

Natürlich sind andere hoch technisierte Armeen, die Israelis sowieso schon lange, auch am werkeln: "...Auch die Briten nutzen in Afghanistan Drohnen, und selbst die Bundeswehr verlässt sich auf die Dienste der US-Drohnen-Piloten.". Unvermeidbar damit Vorfälle wie in Kunduz, bei dem nach Ernst zu nehmenden Zeugenaussagen vielleicht kein einziger Taliban, dafür aber 140 Dorfbewohner, selbstredend Frauen und Kinder zerfetzt wurden.

Die moralische Bewertung dieser Vorgänge fällt jedoch schwer. Zwar sind Kriege das grauenhafteste das sich Menschen gegenseitig antun können, aber trotzdem oder deswegen(?) ist er auch quasi die Normalität der Auseinandersetzung ungleich gesinnter Gruppierungen. Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit der handelnden Menschen hat sich seit der Antike nicht geändert, dafür aber die Effektivität der Waffen erheblich.

Und damit auch die Normalität des Grauens. Da es mit dem Gladius des Legionärs, technisch nicht viel mehr als ein geschärftes Stück Blech, körperlich ziemlich harte Arbeit war unbeteiligte Menschen abzuschlachten, entfiel dies damals „notgedrungen“ größten Teils. Dagegen ermöglichen moderne Massenvernichtungswaffen vom Maschinengewehr bis zur Nuklearbombe heute ein relativ anstrengungsloses Vernichtungswerk. Roboterkriege, deren Beginn wir jetzt erleben, bringen nun eine ganz neue Qualität in das Geschäft des Grauens.

Natürlich müssen Gemeinwesen das Recht und die Möglichkeit haben, sich gegen Unrecht des bösen Nachbars zu wehren, zumal wenn der nicht weniger kriegerisch ist. Aber wer zieht die Grenzen, wer entscheidet was Recht oder Unrecht ist? Das Titelbild des Spiegels, das Videobild eines US-Drohneneinsatzes, scheint die Drohne bei Ihrem Einsatz gegen einen Taliban-Pickup zu zeigen. Die „Taliban“ erkennt man neben dem Truck, wie sie sich hinter einer Wand verstecken. Auf dem Bild erkennt man die Koordinaten des Fluges: Sie lauten North 36 39 03 West 115 39 53.

Ähem..West? Kann ja nicht so recht stimmen, also greifen wir zu GoogleEarth und tippen einmal die Koordinaten ein. Wie anhand der Daten kaum anders zu erwarten, landen wir nördlich des Spielerparadies Las Vegas in der Wüste von Nevada. Kurz neben dem „Taliban-Truck“ sehen wir die oberflächlichen Reste einer unterirdischen nuklearen Explosion. Das Bild, das uns gezeigt wurde, entstammt lediglich der Propagandabteilung der US-Air Force deren Basis Indian Springs sich wenige Kilometer südlich der Stelle befindet. Wer in dieser Gegend mit Google sucht, findet reichlich Bilder der Atomwaffentests des letzten Jahrhunderts. Das Nevada-Nuklear-Test-Gelände Tonapah befindet sich in den weiteren nordwestlichen Wüsten der Gegend.

Zwischen dem Miliärspielgelände im Norden und der Finanzspielstätte Las Vegas im Süden glänzt das Provinznest Indian Springs mit den üblichen westlichen Kleinbürgerhäuschen, Supermärkten und US-typischen Kirchen der unterschiedlichsten christlichen Sekten wie der „First Baptist Church“ oder der Mormonenkirche „Church of Jesus Christ of latter days Saints“. Den Heiligen der letzten Tage stößt der biblische Widersinn des dort betriebenen Massenvernichtungswahnsinns, Hauptarbeitgeber der Region, nicht allzu sehr auf. Deren Homepages beschäftigten sich praktisch nicht mit dieser für echte Christen eigentlich auf der Hand liegenden Thematik. Deren Sorge gilt mehr den Bibelstudien alla „Ladies Morning Bible Study“ oder der Organisation von Grillparties anstatt Friedensmärsche zu organisieren.

Das Sie mit den Taliban des Ostens etwas gemein haben könnten, etwa die kreative Auslegung der jeweils heiligen Schrift im eigenen gefälligen Sinne, daran scheint man keinen Gedanken zu verschwenden. Und so stößt einem erneut der religiös motivierte Wahnsinn in dieser Welt auf, der sich seit der Erfindung monotheistischer Religionen bis in die moderne Zeit der Nuklearwaffen und Finanzderivate hinein gerettet hat. Unversöhnlich die Feindseligkeiten, vor kurzem noch der Ersatzreligionen des Kapitalismus und Kommunismus, jetzt erneut der Christen des Westens und der Islamen des Ostens, eingekeilt dazwischen ein kleines jüdisches Land, an seiner engsten Stelle kaum 15 km breit, und nicht weniger kreativ in seiner Auslegung der Schrift und Radikalität der Verteidigung der vorgeblich eigenen Interessen.

Besonders grotesk ist natürlich der Umstand, dass diese drei Weltreligionen auf dem gleichen bronzezeitlichen Religionstestament aus dem heiligen Land rund um Jerusalem stammen und damit letztlich nur Sekten des gleichen historischen Ursprungs sind. Und auch nach mehr als 3000 Jahren, nachdem einige Priester des Morgenlandes die frühzeitlichen Geschichten der menschlichen Kultur aufschrieben, diese Mythen und Religionsgrundsätze immer noch erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Menschheit ausüben.

Bemerkenswert auch der Umstand, wie Aufstieg und Fall des jüdischen Staates mit dem „Rise and Fall of the Empires“ einhergeht. Der unabhängige Staat wurde bereits um das Jahr 70 durch Rom geschlagen und eliminiert. Aber erst in der Folge des Unterganges des römischen Reiches im 5. Jahrhundert geriet das Land in andere Hände. Ab 636 unterstand das Land der arabische Herrschaft und seit dieser Zeit wird Palästina mehrheitlich von Arabern bewohnt. Der Untergang des römischen Reiches war vom gleichen Virus verursacht, an dem heute Allen voran, die Noch-Weltmacht USA leidet. Nachdem der Staat im dritten Jahrhundert praktisch pleite war, geriet es zur Militärdiktatur der so genannten Soldatenkaiser. Nach der Währungsreform des Diokletian konnte es sich ins vierte Jahrhundert und mit der Neuerrichtung des oströmischen Staates (Konstantinopel, Byzanz, heute: Istanbul) noch einmal ein wenig über Wasser halten. Das Westreich kollabierte im fünften Jahrhundert vollständig, das Byzantinische Reich, unbelastet der Vermögensturbulenzen des Westreiches, konnte sich noch, zwar ständig schrumpfend, bis ins hohe Mittelalter hinein retten.

Auch die Neuerrichtung des Staates Israel hängt wieder mit dem Untergang eines Imperiums zusammen. Die erste größere Zuwanderung von Juden nach Palästina erfolgte zwar schon wieder, nach mehr als 1200 Jahren, um 1882. So waren es aber zunächst nur Wenige, 1903 waren es gerade einmal auf 5216 Einwohner angewachsen, die vor politischer und religiöser Unterdrückung aus ihren Herkunftsländern geflohen waren. Das Gebiet war Interessengebiet des damaligen Weltreiches Großbritannien, dass sich aufgrund seiner rund um den Globus gestreuten Kolonien zu Recht rühmen konnte, das Reich zu sein, “in dem nie die Sonne unterging“.

Auch das Britische Empire ging unter, nachdem es sich in den zwei Weltkriegen des letzten Jahrhunderts hoffnungslos, vor allen Dingen bei einer seiner Überseekolonien, den USA, verschuldet hatte und eine Kolonie nach der Anderen nicht mehr halten konnte. Militärmacht ist nun halt mal in erster Linie Wirtschafts- und Finanzmacht. Eine conditio sina qua non. Als das britische Mandat für Palästina am 14. Mai 1948 endete, verkündete am gleichen Tag David Ben Gurion: Die Errichtung des Staates Israel erfolge Kraft des „...natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UNO-Vollversammlung“. Elf Minuten(!) später erkannten die neue Weltmacht der Vereinigten Staaten von Amerika Israel an, aber noch in der Gründungsnacht erklärten die düpierten arabischen Staaten Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien dem neuen Staat den Krieg.

Und nur durch die finanzielle, politische und militärische Unterstützung der USA, aber auch Europas, konnte und kann sich Israel überhaupt dauerhafte gegen die arabische Übermacht in der Region halten ([1],[2],[3],[4]). Die nun hoffnungslose Überschuldung der USA, mehr noch als die Europas, lässt keine große Hoffnung zu, dass es auf längere Sicht dabei bleiben könnte. Die USA werden in historisch kurzer Zeit ihre Stellung an Ihren Hauptgläubiger, nicht anders als vormals die Briten an die Amerikaner, nun an China abtreten müssen. Ob sie in der Folge des Niederganges in einigen Jahrzehnten überhaupt noch in der Lage sind die Spritrechnungen für ihre sündhaft teuren Trägerflotten bezahlen zu können, sei dahin gestellt.

In der Folge wird das Fundament des Staates Israel ohne Zweifel gefährlich erodieren. Es ist eine absehbare Entwicklung, nicht im Detail, aber im großen Ganzen wenig zweifelhaft. Israel kann dagegen wenig tun, außer jetzt die Zeit zu nutzen einen für alle Seiten, besonders aber der zukünftig strategisch besser dastehenden ölreichen arabischen Seite, akzeptable Friedensregelung zweier unabhängiger Staaten in Palästina zu ermöglichen. Einen Frieden um „jeden Preis“, denn sonst ist in den nächsten Jahrzehnten das Ende absehbar.

Stattdessen macht man zur Zeit, in Verkennung der Tatsachen, das genaue Gegenteil und rennt sehenden Auges in sein Verderben. Man hält sich bestenfalls nach gut dünken an Abmachungen, wenn überhaupt, und tritt UNO-Beschlüsse regelmäßig mit Füßen. Vernebelt von radikal-religiösen Siedlern, im Glauben an die Gott gegebene eigene Unverwundbarkeit Davids gegen Goliath, und aus dem Unrecht des Holocaust schöpfenden Glauben an das unbegrenzte eigene Existenz-Recht, pinkelt man selbst den besten Freunden regelmäßig ans Bein: „Die Ankündigung [Siedlungsausbau auf palästinensischem Gebiet] sei "genau jene Art von Maßnahme, die das jetzt notwendige Vertrauen unterwandert und den konstruktiven Gesprächen zuwiderläuft, die ich hier in Israel hatte", hieß es in einer in Washington veröffentlichten Erklärung Bidens vom Dienstag. "Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, die Verhandlungen unterstützt, und nicht eine, die sie verkompliziert", betonte er..... Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte in einem Telefonat mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, eine "adäquate" Antwort. Es sei "klar, dass Israel keinen Frieden will"...“. Israel ist sich selbst der größte Feind. Wenn man dort nicht bald in der weltpolitischen Realität ankommt, dann wird man auch den nächsten Untergang einer Weltmacht wieder teuer bezahlen müssen. Denn Frieden muß man machen, solange man noch stark ist. Später kann man ihn machen, die Anderen müssen aber nicht mehr.

Es ist die Normalität des Grauens, die die Menschen seit archaischen Zeiten immer wieder aufs Neue einholt. Es hat sich wenig geändert, kaum kulturell, dafür aber viel zivilisatorisch. Geschichte wiederholt sich, und schlimmer noch, sie beliebt auch nach über 3000 Jahren immer noch virulent zu sein, selbst für Diejenigen die sich nie einen Deut für sie interessiert haben.

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