Donnerstag, 29. April 2010

Frank Plasberg: Hart und gar nicht fair


Zwar gab es im gestrigen TV auch das Fünfer-Duell zur NRW Wahl, aber im Vergleich zur aktuellen Runde bei Plasbergs "Hart aber fair" war das kaum erhellend. Dagegen machten die Plasberg-Duellanten, Hermann Gröhe, CDU-Generalsekretär, Oskar Lafontaine, Parteichef der Linken, Kostas Papanastasiou, Grieche und „Lindenstraßen“-Schauspieler, Michel Friedman, Journalist, Nikolaus Blome, Leiter der Berliner BILD-Zeitung und Jorgo Chatzimarkakis, FDP-Europaabgeordneter und griechisch stämmiger Saarländer weit mehr Spass. Assistiert wurde Plasberg von dem ausgewiesenen Finanzexperten Ulrich Stockheim.

Denn gerade die Heterogenität der dort Versammelten, die auch nicht alle unmittelbar in NRW engagiert sind, gab beim wirklich ernsten Problem der letzten Tage einen wunderbaren Einblick in die Verfassung der Nation. In den politisch vorgegebenen Gleisen vermochte nur der Generalsekretär der CDU Gröhe zu bleiben, er war der einzige tapfere Schönfärber der Situation, alle Anderen fielen mehr oder weniger aus ihrer üblichen politischen Rolle.

Kostas Papanastasiou, bekannt als früherer Schankwirt aus der "Lindenstrasse" vermochte zwar nichts kompetentes zur Lage vorzubringen, beleuchtete jedoch die verständliche Stimmungslage griechischstämmiger Bürger Europas, die nun als Prügelknabe Europas herhalten müssen. Das mussten Sie auch bei Plasberg, was die Sache weder ehrlicher noch gerechter macht. Denn auch wenn Papanastasiou die richtigen Worte fehlten, der Durchschnittsgrieche kann wirklich nicht viel für die Situation. Bei den kulturell und wirtschaftlich vorgegebenen Randbedingungen war die Euro-Einführung dort von vorne herein Harakiri, und allen Wirtschaftsexperten war das von Anfang an klar. Aber auch damals siegten wie üblich die Schönfärber und Realitätsverweigerer im Schlepptau Helmut Kohls und vieler Anderer sämtlicher Länder und Parteien.

Oskar Lafontaine blieb weitest gehend zahm, und streute hier und dort etwas Salz in die offenen Wunden. So die nach wie vor fehlenden Regulierungen der Finanzmärkte. Von denen Europa so weit entfernt wie Obama in den USA ist.

Jorgo Chatzimarkakis, FDP-Europaabgeordneter und Koalitionsvertreter titschte förmlich zwischen realitätsferner Koalitionstreue und griechischer Wirklichkeit hin- und her. Wobei er ständig Generalsekretär Gröhe ans Bein pinkelte, der nur bemüht war, die Katastrophe zu einem Erfolg der Kanzlerin umzudeuten. So stieg Chatzimarkakis auf Plasbergs witzig gemeinten Vergleich zwischen den kleine Bestechungsbriefen und der deutschen Privatversicherung ein: „Wenn sie es hochrechnen, ist es mit dem Fakelaki sogar billiger, ein Einbettzimmer zu bekommen, als bei uns mit der Privatversicherung“. Unisono bei beiden Koalitionären war jedoch die offensichtliche Unfähigkeit, das Wesen der finanztechnischen Vorgänge um Griechenland im speziellen, und den EURO im Ganzen zu begreifen.

Nun war die Sendung mit dem Untertitel "Wie viele Euros nach Athen - verbraten die Griechen unser Geld?" schon als Griechen-Bashing angelegt, und etliche Einspielfilme sollten das angebliche Luxusleben der Griechen auf unsere Kosten demonstrieren. Die mit Abstand größte Sachkompetenz fand man, wie nicht anders zu erwarten, beim Finanzexperten und Wallstreet-Kenner Stockheim. Kompetenz fand man auch beim, leider sehr zurück haltenden, Lafontaine und natürlich dem gewohnt journalistisch gezielt den Punkt nachhakenden Friedmann. Auch wenn Friedmann sich nicht als Finanzfachmann auswies, so hat er eben diese Fähigkeit sich nicht dummschwätzen zu lassen, sondern bei zentralen Fragen gezielt nach zu bohren und auch nicht aufzugeben, bevor eine einigermaßen befriedigende Antwort gegeben wird.

Und man fand finanztechnische Kompetenz ausgerechnet beim schlimmsten populistischen Griechen-Einprügler, der BILD-Zeitung, bei ihrem Berliner Chef Nikolaus Blome. Denn was ist die politische Vorgehensweise seit 2008 in Wirklichkeit? Das alt bekannte Motto, „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“. Waren anfangs Zahlen so um die 8 Mrd. in Umlauf, stellte sich nach der letzten Krisensitzung heraus, das man von 100 bis 120 Mrd. ausgehe, und jüngst lokalisierte FDP Brüderle den Bedarf bei wenigstens 135 Mrd. Euro. Wolfgang Schäuble versucht das als Nullsummenspiel darzustellen, denn es seien ja „nur“ Kredite, die irgendwann zurück gezahlt würden.

Das ist natürlich völliger Blödsinn, und der Wolfgang weiß das ganz genau. Es sind nur rollierende Kredite, von denen die BRD 27%, also mehr als 36 Mrd. Euro übernehmen muss. Von Rückzahlung kann natürlich keine Rede sein, denn das ist in der gesamten Nachkriegsgeschichte der BRD zu keiner Zeit je dem ungleich stärkeren Deutschland gelungen. Dass das Geld vom strukturschwachen Griechenland zurück kommt ist so realistisch, wie das Mövenpick nächstes Jahr ein Hotel auf dem Mars eröffnet.

Die einzige Möglichkeit die Schulden zu tilgen ist nun halt mal, sie einfach zu streichen. Oder wenigstens zur Hälfte, der „Haircut“ eben. Auch Umschuldung oder volkstümlich Pleite genannt. Die Hälfte von 330 Mrd. ist übrigens 165 Mrd., und das ist die Summe von der man sprechen muss. Und das wissen, und äußerten auch schon, Deutsche Bank Chef Josef Ackermann, der anwesende Finanzexperte Stockheim, und last but not least, eben besagter BILD-Chef Blome.

So lange man für die Schulden einspringt, werden sie nämlich nicht kleiner sondern nur noch größer. Das bei der geregelten Insolvenz auch einige Andere, vornehmlich Finanzinstitute die nicht so schlau sind wie Ackermanns Bude, mit über den Jordan gehen ist klar. Auch die muss man abwickeln, denn der Pelz wird beim Waschen nun mal nass. Das man von den notwendigen Vorgängen nichts verstand zeigten nicht nur die Koalitionäre, sondern auch Plasberg selbst. So fuhr er Blome ins Wort mit der Begründung Letzterer, die Schulden der Griechen seien ja in Euro ausgewiesen, und bei einer Währungsreform mit Einführung einer neuen Drachme, die dann schnell abwerten müsste, wären die Schulden so gar noch größer.

Um es noch mal klar zu sagen: Das ist Quatsch! Denn die alten Schulden würden mit einer echten Insolvenz, wo nicht der deutsche Michel einspringt, einfach annuliert. Für die alten Schuldtitel gäbe es für die Gläubiger bestenfalls 10% des alten Wertes in Neuen Drachmen ausgezahlt. Und die würden natürlich sogar noch kurzfristig abgewertet.

Genau das ist aber das, was die internationalen, und vor allen Dingen die Gläubiger in der BRD, nicht wollen. Die möchten natürlich das der deutsche Michel die Zeche übernimmt, also wieder private Schuldtitel in öffentliche umgemünzt werden, so wie 2008 und 2009 nach der Lehmankrise auch. Und die großen Zocker wie Goldman Sachs und Deutsche Bank setzen, vermutlich erfolgreich, darauf, dass die Regierungen Europas, und ganz besonders die Deutsche, auch so blöde sind es wieder zu tun. Dafür benötigt man nur ein paar finanztechnische Nebelkerzen diesen Kalibers.

Und so brachten die beiden Experten Blome und Stockheim die Sache auf den Punkt: Stockheim, von Plasberg gefragt, ob ihm die Entwicklung Angst mache: Ja, es mache ihm Angst, und das beste ist es seine Klütten in Gold zu tauschen. Und Blome sprach es aus: «Ich glaube, die Wette läuft längst nicht mehr gegen zahlungsunfähige Länder, sondern gegen die Bundesrepublik. Man spekuliert und fragt sich: ‹Wie oft wird die Bundesregierung noch finanziell eingreifen?›»

Genau darum geht es, Griechenland ist nur das Plänkelgefecht, die eigentlich Schlacht findet nach Lissabon und Madrid in Brüssel und vor Berlin statt: Die BRD und der EURO sind das Ziel und Generalfeldmarschall Blankfein hat beste Aussichten nicht nur eine Schlacht, sondern den ganzen Krieg zu gewinnen. Denn die vernebelte gegnerische Generalität vergaloppiert sich derweil überfordert und unkoordiniert immer tiefer in den Morast ihres Waterloo’s.

2 Kommentare:

  1. Lieber Herr Genreith,
    ich finde Ihre Äußerungen zu den Staatsschulden (nicht rückzahlbar etc.) sehr interessant, eigentlich selbsterklärend und es wundert mich, warum es keinen der Mächtigen gibt, die diese Selbstverständlichkeiten ausspricht. Nach jeder Krise wird irgendein Müll erfunden, der die nächste Krise verhindern soll, wobei die Lösungsansätze lachhaft sind (z.B. Schuldenbremse ins Grundgesetz einbauen, greifft dann, wenn die jetzige Regierung (bzw. insbesondere Herr Schäuble nicht mehr an der Macht ist). Auf Dauer kann nur Inflation oder Schuldenkappung den Staaten wieder Handlungsfahigkeit zurückgeben.

    Worauf Sie nicht eingehen ist die andere Seite der Münze: Wo sind die Guthaben? Sind es die kleinen Sparer, sind es amerikanische Pensionsfonds, Lebensversicherungen oder irgendwelche anonymen Miliardäre?
    Muss nicht auch mit Irrtümern wie der Existenz einer kapitalgedeckten Altersvorsorge aufgeräumt werden? Es gibt einen einfachen Spruch: Das Brot, was ich als Rentner essen werde, kann ich nicht heute schon backen. Ich bin zum Zeitpunkt meines Rentnerdaseins auf die Stärke der Volkswirtschaft und auf der dann herschenden Solidaritätsberitschaft der Gesellschaft angewiesen.

    Die Thesen, die Sie vertreten, sind eigentlich einfach verständlich und auch in der Vergangenheit bereits oft belegt worden (z.B. Spiegel Geschichte Sonderheft über Geld (Nr. 4/2009). Keine Währung wird über Jahrhunderte bestehen können z.B. aufgrund von Akkumulation an einzelnen Stellen. Die Humanität verbietet es, wenn das Geld nur noch bei wenigen ist, die anderen verhungern zu lassen.

    Ein Punkt, den ich selbst nicht klar lösen konnte, ist der Punkt der Vertragseinhaltung bzw. Vertragstreue. Es gibt auch ein Recht der Gäubiger auf Vertragseinhaltung, sprich, dass Schulden zurückgezahlt werden. Wenn man dieses Recht bricht, sei es über Inflation oder über Schuldenkappung, besteht nicht die Gefahr von Sodom und Gomorra, eine Zeit ohne Rechtssicherheit, ohne Vertragstreue, wo das Abschliessen von Verträgen nichts mehr bedeutet.

    Ich kann diese Frage nicht beantworten: Wie schafft man es, die Ungleichheit in der Welt zu beenden, den Staaten Handlungsfähigkeit zurückzugeben und gleichzeitig ein Umfeld des Vertrauens und der Rechtssicherheit zu beawahren?

    Gruß
    Jürgen M.

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  2. Lieber Hr. Jürgen M.,

    in der Tat ist die Lösung des Konflikts, egal wie man es macht, keine schmerzfreie Angelegenheit. Am Ende steht praktisch immer eine Währungsreform. Nur wie kommt man dahin ohne vorher im Chaos zu versinken und durch die Macht der Straße dazu gezwungen zu werden?

    Vertrauen, Rechtssicherheit, Vertragstreue, dass sind wichtige Güter auf beiden Seiten der Medaille. Auf der Kapitalseite versucht man zur Zeit diese zu erhalten, während man auf der Seite der Realwirtschaft dieselben Werte mit Füssen tritt.

    Die Folgen dürften verheerend sein. Um sie zu verhindern müsste man jetzt wirklich tabula rasa, reinen Tisch, machen.

    Insbesondere den Kaptalbesitzern müsste klar gemacht werden, dass diese nach dem Chaos von Bürgerrevolten und kollabierendem BIP auf dem Nichts sitzen würden. Dagegen würde eine geregelte Währungsreform diesen immerhin 10 bis 20% der Vermögen erhalten. So ist ein ehgmaliger Millardär mit 100 Millionen im Säckel ja kein armer Mann. Zumal diese dann wieder stabil wären.

    Ein Top-Beispiel ist die ehemalige SU. Russland musste nach dem Rubelkollaps einen Währungsschnitt machen. Nach kurzer Zeit ist es nun ein kaum verschuldetes aufstrebendes Schwellenland. Und auch die Investoren sind längst zurück.

    Das größte Problem liegt, man muss es so offen sagen, nicht nur in der Inkompetenz, sondern vielmehr in der Feigheit der meisten Politiker. In der Feigheit vor der Wahrheit und der sicheren Rache der Wähler, angefacht durch die gezielten Verdrehungen der jeweiligen Gegenseite.

    Hier könnte nur eine wirklich große Koalition, über sämtliche Parteien hinweg, die Kuh vom Eis bringen. Soweit sind wir leider noch lange nicht.

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