Freitag, 9. Juli 2010

Ackermann-Knick und Wirtschaftsmikado: Ein Blick auf die aktuellen Zahlen


Es sind wieder ein paar Monate ins Land gegangen, und somit Zeit und Möglichkeit die Entwicklung der Volkswirtschaft anhand der offiziellen Statistiken zu beobachten.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei natürlich die Entwicklung des Aktiva/BIP-Verhältnisses. Dazu ziehen wir wieder die Zahlen der Bundesbank heran, die zur Zeit bis zum Mai 2010 reichen und betrachten die erste Graphik. Hier die Zahlen seit 1950 bis zum Mai 2010, in Milliarden Euro, wie sie die Bundesbank als Summe aller Finanzinstitute für Deutschland ausweist. Die eklatante Steigung ist unverkennbar, insbesondere wenn man bedenkt, dass das BIP 2009 gerade einmal gut 2400 Mill. Euro aufweist.

Die gleichmäßig exponentielle Steigung, die auf Grund der Zinseszinsdynamik der Vermögen nicht anders zu erwarten ist, weist auf den ersten Blick drei Unregelmäßigkeiten auf: a) Um 1990 ein heftiger Sprung nach oben, der durch die Hinzunahme der DDR entstanden ist. Viel neues Geld für wenig BIP. b)Um 2000 der DotCom-Einbruch. Zwar steigen die Aktiva (=Passiva=Vermögen) weiter an, aber der Dämpfer ist deutlich erkennbar. c) der Dritte Knick 2008 ist allerdings anders: er weist erstmalig deutlich nach unten, um rund 5% übrigens. Dieser kam nach der Lehmannpleite.


Der letzte Knick stimmte erstmal hoffnungsvoll, denn wenn die Vermögen zurück gehen, dann bestünde auch eine Chance das neuralgische Aktiva zu BIP Verhältnis zu verbessern. Dazu betrachten wir die letzte Entwicklung von 1991 bis 2010 genauer in der nächsten Graphik.


Da der Einbruch der Aktiva (das sind die Werte der Assets, Kredite etc. pp.) mit einem Einbruch des BIP um ebenfalls etwa 5% in 2009 einherging, hat sich an dem Aktiva/BIP-Verhältnis von mehr als 3 kaum etwas getan, hier ist keine Verbesserung zu erkennen. Bemerkenswert auch der gut erkennbare Anstieg des Aktiva/BIP-Verhältnis von noch erträglichen 2 auf nicht mehr schmerzfrei verkraftbaren 3 und mehr. Dieser Ansteig fällt genau mit der Freigabe des Investmentbankings für Geschäftsbanken durch die USA in den 90er-Jahren zusammen.

Allerdings muss man sich fragen, wo die fast 600 Mrd. Euro geblieben sind. Lehman Brothers verursachte lediglich einen Gesamtschaden von 50 bis 75 Milliarden Dollar, daran kann es nicht hängen. Das lässt sich aus den Zahlen der Bundesbank leider nicht direkt heraus lesen. Die Gesamtzahl der Aktiva (=Anlagen, Assets, Kredite usw.) ist zwar immer mit den Passiva (=Einlagen, Vermögen) ausgeglichen.

Unklar ist die Außenhandelsbilanz der Kreditwirtschaft, auf die nicht so mit Argusaugen geschaut wird, wie auf die Außenhandelsbilanz der Realwirtschaft. Unklar auch, wie eine Bank überhaupt Geld weg bekommt, denn selbst wenn man lausige Assets verkauft, man bekommt ja frisches Geld oder andere Assets im Tausch dafür. Geld wird, außer beim Pleitegehen von Anleihebegebern, nie vernichtet sondern wandert lediglich in andere Hände. Wo also blieb die erkleckliche Summe?

Bei der Suche nach der Kohle wird man, wen wundert's, bei einer der größten Investmentbanken der Welt, der Deutschen Bank fündig. In deren Geschäftsbericht finden wir die verlorenen Milliarden. Denn die Ackermann-Bank verringerte Ihre Bilanzsumme in 2009 um mehr als 700 Mrd. Euro, nämlich von 2202 auf 1501 Mrd. Euro.

Geht man in die einzelnen Positionen, so sehen wir auch, wo der Unterschied entstanden ist. Er entstand aus der Aktiva Position „Zum Fair-Value bewertete finanzielle Vermögenswerte“, wobei der Löwenanteil der Unterpunkt „Positive Marktwerte aus derivativen Finanzinstrumenten“ ist. Allein dieser Punkt macht ein Minus von 630 Mrd. Euro aus. In der ausgeglichenen Bilanz findet sich der Punkt in den Passiva (=Einlagen) unter „Negative Marktwerte aus derivativen Finanzinstrumenten“, und die Fair-Value Summe entsprechend unter „Zum Fair-Value bewertete finanzielle Verpflichtungen“, die von 1334 auf gute 722 Mrd. Euro ( -612 Milliarden Euro) zurück gingen.

Den deutlichen Knick in der Gesamtdeutschen Bilanz verdanken wir also nur einer einzigen, aber der mit Abstand größten Investmentbank unter Leitung von Hr. Ackermann. Deswegen dürfen wir den Bilanzeinbruch ruhig „Ackermann-Knick“ taufen. Leider geht aus der Bilanz nicht hervor, wer der Leidtragende der verringerten „finanziellen Verpflichtungen“ der Deutschen Bank ist.

Dazu zunächst einmal die folgenden Graphiken:


In obigem Ausschnitt sehen wir den Effekt, den Josef Ackermann auf die Bilanz der DB hatte. Vor bzw. seit seinem Antritt in 2002 dümpelte die DB so vor sich hin, mit einer Bilanzsumme von weniger als 1000 Mrd. Euro, immerhin schon rund die Hälfte des damaligen deutschen BIP’s. Als Ackermann dann 2006 zum Chef erkoren wurde, ging die Post erst so richtig ab. Mit Hilfe des Investmentbankings katapultierte er bis 2008 die Bilanzsumme auf sagenhafte 2202 Mrd. Euro, was fast dem gesamten deutschen BIP entsprach. Und das alleine in einer einzigen Bank vereint, kein Wunder also wenn Merkel den Acki zum Geburtstagskaffee einlädt, denn man befindet sich ja auf „Augenhöhe“.


Mit dem Lehman Crash änderte sich die Situation. Denn jetzt kamen die Finanzderivate, mit denen Ackermann dass gigantische Volumen aufgebaut hatte, in Verruf. Man muß sich allerdings fragen, ob es sich hier um Verluste oder reine Luftbuchungen handelt. Denn das ausgewiesene Eigenkapital ist für 2008 knapp 32 Mrd. € (=1,5% der Bilanzsumme) und für 2009 knapp 38 Mrd. € (=2,5% der Bilanzsumme). Hier also gar kein Verlust, sondern sogar ein Gewinn von rund 6 Mrd. oder rund 19%. Eine Rendite, mit der Ackermann zuletzt gut prahlen konnte. Wenn man bedenkt, wie winzig das Eigenkapital im Verhältnis zur Gesamtbilanz immer noch ist, muss einem aber böses schwanen.

Interessant ist auch der Posten „Forderungen aus dem Kreditgeschäft“ unter Aktiva. Das ist nämlich genau das klassische Geschäftsbanken Geschäft mit der Realwirtschaft. Dieser Posten betrug in 2008 gut 269 Mrd.€ und in 2009 nur noch gute 258 Mrd.€. Einerseits sieht man daran, dass das klassische Geschäft in 2008 nur 12,2 % und in 2009 leicht verbessert nur 17,2 % ausmachte. Weit mehr als 80 % der Geschäftstätigkeit ist also das Investment, oder besser gesagt, das Aufblasen von Bilanzen ohne realen Hintergrund. Andererseits sieht man auch daran, wie wenig eigentlich die Realwirtschaft vom riesigen Geldkuchen benötigt und warum die Banken so sehr auf Derivatehandel angewiesen sind.

Der fragliche Posten ist nun nach der Fair-Value-Methode bewertete Finanzderivate. „Fair-Value“, also fairer Wert, ist eine neuere Bilanzierungsmethode, um den Banken die Möglichkeit zu geben, Werte, für die es aktuell gar keinen Markt mehr gibt, noch mit einem positiven Wert zu bilanzieren, statt sie ganz abschreiben zu müssen.

Interessant zu wissen wäre es jetzt natürlich, wie sich der Passiva-Posten genau zusammen setzt, also wer die fraglichen Papiere mit seinen Einlagen hält. Das geht aus der Bilanz natürlich nicht hervor sondern ist das Geschäftsgeheimnis der DB. Im idealen Fall wäre es eine reine Luftbuchung. Also etwa Ackermann kauft in 2006, sagen wir, Derivat-Papiere zum Preis 100. Die steigen in der Hausse bis 2008 auf 500 und werden nach Marktpreis bilanziert und ermöglichen den Aufstieg. Nach 2008 werden sie eigentlich wertfrei, werden aber zum Fair-Value mit 200 bilanziert. Das wäre dann immer noch ein Gewinn, aber da nie realisiert eine Luftbuchung ohne das je ein Euro mehr geflossen wäre, als die ursprünglichen 100.

Wahrscheinlicher jedoch ist, dass sich auf der Passiva Seite eine Unzahl von Banken und Personen aus Europa und der ganzen Welt tummeln, die zu ganz unterschiedlichen Zeiten und Preisen dort eingestiegen sind. Wenig wundern würde mich, wenn dazu auch die von uns so geliebten, staatlich gestützten und depperten Landesbanken der Bundesländer gehören. Deren Bilanzen geraten dann unter den entsprechenden Bilanzierungsdruck in Stress, für den im Zweifelsfall natürlich wieder der deutsche Michel einstehen soll. Jedenfalls zeigen die Zahlen, wie fragil und Investment abhängig die deutsche Finanzwirtschaft, allen voran die Deutsche Bank, ist.


Der Stress lässt sich wiederum gut an den Änderungsraten dA/dt der Aktiva ablesen. Die Änderungsrate ist im Prinzip die effektive Verzinsung der Aktiva, sofern der finanztechnische Netto-Außenhandelsbeitrag nahe bei Null ist. Es sind genau diese Renditen die für die effektive Belastung des BIP’s sorgen und den Arbeitern und Angestellten der Realwirtschaft das Geld aus der Tasche saugen. Der Effekt ist dann, dass trotz Gewinn- und Produktionssteigerungen aller Orten der inflationsbereinigte Nettobetrag des verfügbaren Einkommens der Bevölkerung, im Schnitt, nachlässt.

Da die Gesamtaktiva/passiva A exponentiell wachsen, muss aus (finanz-)mathematischen Gründen auch deren Änderung dA/dt exponentiell wachsen, um die Renditeforderungen zu erfüllen. Nun sehen wir in den tatsächlichen Zahlen ein paar Buckel und Täler. Die Buckel erfreuen den Kapitalverwalter, die Täler erzeugen Stress. Die erste nichtmarginale Abweichung vom exponentiellen Trend seit 1950 sehen wir in dem kräftigen Buckel von 1990. Dieser resultiert aus der Übernahme der DDR und des nahezu 1:1 Umtausches der Ost-Mark in D-Mark. Das Geld hat sich die Finanzwirtschaft in die Tasche gesteckt, im BIP gibt es keinen solchen kräftigen Buckel! Im Gegenteil, an diesem Buckel zahlt der kleine Mann bis heute ab, ohne Aussicht auf ein Ende.

Nach der Wende folgte Kohl’s zweiter genialer Finanzcoup, die Einführung des Euros. Seit 1994 bestand das Europäische Währungsinstitut, ab 1999 war der Euro die verbindliche Buchungswährung. Die bereits angehäuften Unmengen von Geld trafen auf den startenden Internetboom, in denen Garagenfirmen schnell zu Milliardenunternehmen und viele genauso schnell wieder abstürzten. Zum erstenmal war der Bogen total überspannt, es kam zur DotCom-Krise der Jahrtausendwende. Nach nur zwei Jahren Abstieg folgte aber sogleich der nächste exponentielle Aufstieg, um in 2008 mit der Lehmannpleite erneut abzustürzen, und seit 2009 beginnt schon wieder der nächste exponentielle Anstieg.

Dies sieht man besonders schön, wenn wir die Anstiege, nach der DDR-Blase, einfach einmal aneinander reihen, unter Auslassung der beiden Abstürze:


Wir sehen dann den exponentiellen Anstieg, wie ihn die Finanzindustrie dringend bräuchte um zufrieden zu sein, was das stagnierende BIP aber unmöglich je noch hergeben kann.

Der Absturz in 2009 ergab zum ersten mal eine negative Differenz zum Vorjahr. Wir sehen daran, wie sich in kürzer werdenden Abständen immer neue Blasen aufstauen, die zu immer tieferen Abstürzen führen. Es ist der seit 2000 wirksame Verteilungskampf zwischen Vermögen und BIP. Warum es vor allen Dingen ein Verteilungskampf ist, sehen wir auch in der nächsten Graphik:


Zum Vergleich sind hier die offiziellen Zahlen der Aktiva- und der BIP-Entwicklung seit 1991, sowie deren Ausgleichsgeraden auf Monatsbasis, aufgetragen. Im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte stiegen die Vermögen im Monat um 24,82 Mrd. und das BIP um durchschnittlich 4,1 Mrd. Euro. Das heißt, pro 1 Euro zusätzlicher Produkte wurden durchschnittlich 6 Euro Vermögen geschaffen.

Es besteht daher eine zunehmende Deckungslücke von wenigstens 5 Euro pro Euro Wachstum. Und jeder zuviel gedruckte Euro stellt einen weiteren realen Anspruch gegen das hoffnungslos unterlegene BIP dar! Bei dieser massiven Waffenungleichheit hat der Schaffende und seine Volksvertreter kaum eine Chance auf den Sieg im Verteilungskampf.

Im Gegenteil, aus Volksvertretern sind längst Kapitalvertreter geworden. So bestehen die aktuellen Sparbeschlüsse in keinem Punkt aus der Belastung der Vermögen, die genau diese Deckungslücke verursachen. Ganz kontrovers dazu werden die abhängig Beschäftigten, egal ob 1-Euro-Jobber oder Spitzenverdiener, weiter massiv und zusätzlich belastet.

Von den Kapitalvertretern wird in diesem grausamen Krieg nur eines vergessen: Man sägt mit der jetzigen Finanzpolitik genau den Ast ab, auf dem man sitzt. Nicht nur das Kapital in letzter Konsequenz allein durch die Schaffenden der Realwirtschaft in aller Welt erzeugt wird, es wird auch allein durch deren Schaffen garantiert und erhalten. Mit dem fleißig gedruckten und zur Verfügung gestellten Geld bläst man nur kurzfristige Blasen auf und mit der Kostenfinanzierung durch die kleinen Leute ruiniert man zuerst den Durchschnittsbürger, dann die Wirtschaft und schließlich im finalen Kollaps die Währungen. Und damit genau die Vermögen, die man zur Zeit um jeden Preis schützen will.

So kommen wir schließlich auf die Beobachtung des Goldpreises zurück. Denn mangels einer Krisen freien westlichen Währung, gibt nur dieser als externer Währungsstandard ein einigermaßen zuverlässiges Bild des Zustandes des Geldes wieder:


Zunächst mal die unbereinigten Zahlen seit 2000. Der Anstieg des Goldpreise in Dollar, Pfund und Euro setzt sich weiterhin fort. Seit einigen Tagen hat er allerdings einen leichten Knick nach unten erfahren, der sich aufgrund der schwankenden Dollar/Euro-Relation vor allen Dingen in Euro gerechnet deutlich zeiogte: So fiel der Preis in wenigen Tagen von rund 1050 auf 950 Euro pro Unze, während in Dollar gerechnet der Preis weiterhin um 1200 Dollar verharrte.


Realistischer ist der gemittelte, normierte und geglättete (5-Monatsmittel) Wert des Goldes. Hier sehen wir einen unverminderten Anstieg und eine mehr als Vervierfachung des Wertes in nur zehn Jahren. Ob der leichte Einbruch der letzten Tage statistisch relevant ist, muss sich erst noch in den nächsten Wochen zeigen. Vermutlich liegt es daran, dass die gestressten Banken und Anleger zur Abwendung von Pleiten zur Zeit einiges von ihren eisernen Reserven locker machen müssen. Aber immerhin war der Anstieg der seit Jahresbeginn nicht ganz so darstisch, wie man erwarten durfte. Das dürfte als Zeichen zu deuten sein, dass die gigantischen Rettungsprogramme, insbesondere die 750 Milliarden für den Euro, vorläufig noch Wirkung zeigen.


Zum Schluss noch ein Blick auf die gemittelten Werte der drei Währungen: Hier sieht man die deutlichen Unterschiede zwischen Euro und Dollar und Pfund. Letztere leiden nämlich viel stärker unter realer Inflationstendenz. Insbesondere das hoffnungslose Pfund und auch der US-Dollar, dessen Wirtschaftsdaten um keinen Deut besser lauten als die der Griechen. Nur mit dem Unterschied, dass vom Greenback die ganze Welt abhängt und ihn so lange stützt wie nur irgend möglich.

Die nächsten Blasen lauern aber nun in den Startlöchern. Sei es die chinesischen Immobilien oder die amerikanischen, insbesondere die ab 2011 fällig werdenden notleidenden Kredite für Gewerbeimmobilien, die die Subprimekrise im Volumen weit übertreffen werden. Sei es die anstehenden Refinanzierungen von Krisenstaaten, Hedgefonds, Großindustrien und Banken weltweit, die Nullzinsfalle der Zentralbanken oder die Eigenankäufe von Anleihen, es liegen scharfe Minen allenthalben herum.

Wo es zuerst kracht? Schwer zu sagen, es ist wie beim Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

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