Montag, 2. Mai 2011

Der Tod des Helden


Nun, des einen Terroristen ist auch immer des anderen Helden. Der vielleicht größte Held der arabischen Welt seit Saladin ist nun tot. Hingerichtet durch eine US-amerikanische Spezialeinheit, wobei die Tatsache an und für sich kaum überraschen kann als der späte, aber Wahlkampf günstige Zeitpunkt, knapp 10 Jahre nach der größten Schmach für die USA seit dem Angriff auf Pearl Harbour in 1941 durch die Japaner. Letztere bekamen die Rache der Weltmacht mit zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zu spüren, ersterer jetzt durch einen gezielten Kopfschuss im pakistanischen Asyl. Wobei die angewendete Hinrichtungsmethode nun von deutlich mehr Gnade, als auch Respekt zeugt, als noch beim intimen Bushfeind Saddam Hussein. Die Seebestattung der sterblichen Hülle des Helden wurde auch praktischer Weise gleich auf hoher See vorgenommen. Wie genau das geschah, mit dem nötigen Respekt oder eben nicht, das werden wir vielleicht noch erfahren dürfen. Oder auch nicht.

Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte in seiner ersten Stellungnahme: "Dies ist ein sehr wichtiger Moment, nicht nur für die Familien derer, die am 11.September [2001] ihr Leben verloren, sondern für alle, die für eine gute Zukunft für unsere Kinder arbeiten. Für eine Zukunft in Frieden, Freiheit und Zusammenhalt. ...".

Viel zynischer kann man es kaum ausdrücken. Denn für den Frieden in der Welt wäre es taktisch viel klüger gewesen, den sowieso isolierten Terrorführer weiter seiner faktisch pakistanischen Bewachung zu überlassen. Was den Frieden und Zusammenhalt angeht, fügt sich nun in gleicher Logik und Rede nahtlos an: „...Die USA versetzten derweil ihre diplomatischen Vertretungen rund um den Globus in höchste Alarmbereitschaft. Zudem rief die US-Regierung auch ihre Bürger in aller Welt zur Wachsamkeit auf. In einer Mitteilung des Außenministeriums wurden Bürger in besonders brisanten Regionen "angesichts der Unsicherheit und Unberechenbarkeit der gegenwärtigen Lage dringend" aufgerufen, Massenversammlungen oder Demonstrationen zu meiden...“

Osama ibn Laden war weder ein Taliban noch je ein Afghane. Er war, wie nahezu alle der Angreifer des 11. Septembers 2001 ein Saudi: „...Doch in die Geschichte wird der Milliardärssohn aus Dschidda, genannt "Abu Abdullah", als einer der gefährlichsten Terroristen aller Zeiten eingehen. Vom Doppelanschlag auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi 1998 mit mehr als 200 Toten über den 11. September 2001 mit knapp 3000 Todesopfern bis zu den Bomben von Bali, Madrid und London, letztlich auch Bagdad und Kandahar: All diese Akte wären ohne sein Netzwerk, sein Geld, seine Beharrlichkeit und seine Ideen nicht zustande gekommen....Die Lebensgeschichte des wahrscheinlich 1957 geborenen Osama beginnt als die eines Sonderlings. Als Spross einer schwerreichen Unternehmerfamilie, die beim saudischen Königshaus in der Gunst stand, wäre er weniger aufgefallen, wenn er es den meisten seiner zahllosen Geschwister und Halbgeschwister gleichgetan und das Leben als Mitglied der eben erst entstehenden globalisierten Jet-Set-Elite genossen hätte...Osama Bin Laden war ein Phänomen. Er unterschied sich grundlegend von den selbstherrlichen Araberführern, war aber in seiner Bescheidenheit selbst eitel....“

Die Verwicklung Saudi-Arabiens in den islamistischen Terror gegen den Westen wurde, genauso wenig wie deren Gemeinsamkeit in der Entwicklung der arabischen Atombombe mit Pakistan, je über Gebühr im Westen strapaziert. Schließlich war und ist die Feudalmonarchie Saudia-Arabiens, die mit Demokratie und Menschenrechten weit weniger am Hut hat als Gaddafi in Libyen, wichtigster Verbündeter der USA und Garant für die Sicherheit Israels im Nahen Osten.

Ob man die hinkende Weltsicht auch in Zukunft weiter fahren kann ist fraglich. Jedenfalls ist die Freude in den USA über den kleinen Sieg gewaltig und der nächste auf der Todesliste der Navy Seals ist natürlich der Libyer: “...erklärte der ehemalige Präsidentschaftskandidat [Mc Cain] am Sonntag, es wäre in Ordnung, wenn Machthaber Gaddafi durch einen gezielten Nato-Luftangriff auf seine Kommandozentrale getötet werden würde. "Wir sollten sein Kommando und seine Kontrolle ausschalten, und wenn er dabei getötet oder verletzt wird, ist das gut", erklärte der ehemalige Jagdbomberpilot der US-Armee.“

Das die betont westliche Sicht nicht wirklich überall geteilt wird, macht aber auch schon Russland klar: “Scharfe Kritik an dem Luftangriff [auf Gaddafi und die Tötung seines jüngsten Sohnes] kam unter anderem von der russischen Regierung.“. Und auch China ist in Bezug auf die westlichen Interventionen im arabisch-islamischen Raum anderer Ansicht. Wer Weltmacht bleiben will, oder eben werden will, derjenige muss den Nahen Osten kontrollieren können.

Die nächsten Wochen werden die weitere Entwicklung des Weltkrieges zeichnen. Ob El Quaida nun Racheakte im Westen durchführt, steht dahin. Das Gerücht einer nuklearen Waffe dürfte dabei sicherlich ins Reich der Märchen aus Tausend und Einer Nacht anzusiedeln sein: “...Die in Europa versteckte Atombombe werde „einen atomaren Höllensturm“ verursachen, drohte Chalid Scheich Mohammed laut Wikileaks vorliegenden Geheimunterlagen des US-Verteidigungsministeriums, aus denen am Montag die britische Zeitung „Daily Telegraph“ zitierte. Woher die Gruppe die Bombe nehmen wollte, ist unklar...“. Kein Märchen ist dagegen die Freude an den Börsen: “Die Anleger haben mit Aktienkäufen auf die Tötung Osama bin Ladens reagiert. Die Börse in Tokio legte zu. Auch der Dollar gewann an Wert. Allerdings ist fraglich, ob diese Reaktionen nachhaltig sind.“. Neben der Fraglichkeit der Nachhaltigkeit dieser Reaktion bleibt da die nüchterne Frage, was überhaupt in den Gehirnen dieser Zocker da so vor sich geht.

Viel bedeutender sind jedoch die Folgen bei einem weiteren Demokratie- und Menschenrechts“vorbild“, nämlich Pakistan: „...The death of the 54-year-old Bin Laden, who had a US$50 million reward on his head, is also likely to mark the beginning of a shift of the war theater from Afghanistan to Pakistan, al-Qaeda insiders tell Asia Times Online. Asia Times Online contacts in the North Waziristan tribal area - a militant hotbed - confirmed that several meetings had already been convened in the town of Mir Ali to formulate strategies. They all confirmed an immediate and fierce retaliation against Pakistan and the breaking up of all ceasefire agreements with the Pakistan military.....The US has put all its embassies on alert, warning Americans of al-Qaeda reprisal attacks. This corresponds with information obtained by Asia Times Online that Bin Laden's death is likely to revive international terror operations against Western capitals that had been frozen following the great Arab 2011 revolt. Late last month, Bin Laden warned that al-Qaeda would unleash a "nuclear hellstorm" if he were captured, according to classified diplomatic documents released by WikiLeaks....Over the past few years, Bin Laden had become more of a popular iconic figure than a nuts and bolts leader - most organizational policies were run by his deputy, Egyptian Dr Ayman al-Zawahiri, and other ideologues. Therefore, operational mechanisms can be expected to remain the same. On the basis of interaction with top al-Qaeda leaders, this correspondent has no doubt in predicting that Operation Osama Bin Laden marks the beginning of a shift of the main war theater from Afghanistan to Pakistan and that all previous efforts for reconciliation between Pakistani militants and Pakistan will be sabotaged and all guns will turn towards the Pakistani military establishment...“

Pakistan, in den entscheidenden Fragen westlich überheblichen Freiheitsverständnis keinen Deut besser als Libyen oder Saudi-Arabien, aber genauso neuralgisch entscheidend für die westliche Vorherrschaft im Nahen Osten wie die Saudischen Waffenbrüder, und damit dem vorläufigen Überleben Israels, darf nicht von der Stange gehen. Das weiß auch El Quaida.

Und da sind wir nur einen Schritt von China entfernt. Da wartet man zur Zeit noch ab, wie sich der Westen heillos in den Supranationalen Krieg verheddert: „...Die Nato hat sich in Libyen in eine fast ausweglose Situation manövriert. Durch die Unterstützung der Rebellen im Osten des Landes hat sie deren sich bereits abzeichnende Niederlage zwar gestoppt. Doch von einem Sieg sind die Aufständischen noch sehr weit entfernt. Wie es derzeit aussieht, wird das auch so bleiben, solange die Nato ihr militärisches Engagement nicht deutlich ausweitet (etwa durch den Einsatz von Bodentruppen) - oder eben Gaddafi ausschaltet. Das Problem: Beide Varianten sind durch das Mandat des Uno-Sicherheitsrats zum Schutz der Zivilbevölkerung kaum gedeckt - auch wenn mancher Nato-Jurist dies nun gern so auslegen möchte. Schon jetzt fühlen sich China und Russland übertölpelt, weil sie durch ihre Enthaltung im Sicherheitsrat den Weg für einen Militärschlag geebnet haben, der nun deutlich heftiger ausfällt, als sie sich das anfangs ausgemalt hatten. Gezielte Anschläge auf Gaddafis Sippe werden diesen Eindruck nur noch verstärken und weiteres Vertrauen zerstören. Kaum vorstellbar, dass es danach noch einmal einen ähnlichen Beschluss im Uno- Sicherheitsrat geben wird....“.

Und in Syrien sieht es ja nicht besser aus, und auch dort wird man irgendwann eingreifen müssen. Denn auch dieses wichtige Land, Schutzmacht des Libanons und wegen den Golanhöhen im Dauerstreit mit Israel, darf strategisch nicht links liegen gelassen werden. Mit den Golanhöhen hat Israel nicht nur ein paar nette Berge und Schießschanzen annektiert, sondern auch eine in dieser Gegend so elementar wichtige Ressource für das Überleben der Menschen in der Wüste an sich gerissen: Wasser.

Die Stärke Israels, und damit des ganzen Westens im Nahen Osten, ist schon immer die Uneinigkeit der Arabischen und Islamischen Länder untereinander gewesen. Einigkeit dort wird explosiver sein, als jede Nuklearwaffe. Das sich jetzt gerade die Fatah und Hamas einigen „...Eine Aussöhnung zwischen den beiden Palästinensergruppen gilt als entscheidende Voraussetzung für eine Wiederbelebung des festgefahrenen Friedensprozesses mit Israel. Einer der wichtigsten Streitpunkte zwischen ihnen ist jedoch die Frage, wie der jahrzehntelange Konflikt mit Israel beigelegt werden soll. Die Fatah ist für Friedensverhandlungen, die Islamisten lehnten dies bislang ab....“ ist nur für westliche Naive ein gutes Zeichen.

So machte Netanjahu auch ganz praktisch klar: „...Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte negativ auf die Versöhnung der zerstrittenen Palästinenserfraktionen. "Die Palästinenserbehörde muss zwischen einem Frieden mit Israel oder einem Frieden mit der Hamas wählen", sagte Netanjahu am Mittwochabend nach Angaben seines Büros. Ein Frieden mit beiden sei unmöglich, weil Hamas offen die Zerstörung des Staates Israel anstrebe. ...“. Die Botschaft ist klar: Entweder ihr bleibt uneinig, dann könnt ihr einen Frieden nach Israels Maßstäben bekommen, oder ihr seit einig, dann aber kann es keinen Frieden geben. So zynisch es ist, so Realität nah ist die Aussage des Falken Netanjahu. Denn nichts ist so tödlich für Israel und den Westen, als die Einigkeit seiner Feinde im Nahen Osten.

Der tote Saudi von heute morgen kann daher noch um ein vielfaches gefährlicher werden, als Er es zu Lebzeiten jemals war.

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