Donnerstag, 20. Oktober 2011

Und die Tinte ist noch nicht trocken...


Wie sagte noch Frank Schäffler in der Talkshow am Vortag der deutschen Abstimmung um die Erhöhung des EFSF auf 780 Mrd.: “...da ist noch nicht die Tinte unter dem Vertrag trocken, da reden wir schon wieder über eine weitere Erhöhung...”. In der Tat ist die Tinte noch nicht mal komplett drauf, da reden Schäuble und sein Adlatus Kampeter, Merkel und Sarkozy bereits über eine “Hebelung” des EFSF auf wahrscheinlich das fünffache, also bis zu 2200 bzw. 3900 Mrd. Euro. Erstmal, Nachschlag garantiert. Das ganze soll am Sonntag unter Dach und Fach gebracht werden, natürlich wie immer ohne eine wirkliche Beteiligung des Parlaments. Die werden zwar über die nächsten Zauberwerkzeuge unserer Brüsseler Finanzgenies informiert, und vielleicht dürfen sie irgendwann auch noch mal den dann fertig eingetütete Fakten zustimmen.

Deutschland und Frankreich streiten noch über die Art des „Hebels“. Während Merkel und Schäuble noch die Idee einer Versicherungslösung, d.h. es werden nur 1/5=20% der Anleihen garantiert, bevorzugen, möchte Frankreich dagegen die altbekannte 100% „Lösung“ haben. Warum ist klar, schließlich beherbergt Frankreich die wahrscheinlich weltgrößte Bank BNP Paribas mit entsprechenden Außenständen.

Dazu die Süddeutsche: „...Bei den Leitlinien, die Schäuble nun verschickt hat, geht es um die konkrete Ausgestaltung der neuen Instrumente für den erst kürzlich erweiterten Rettungsschirm EFSF. Den Leitlinien und damit auch dem Modell für eine höhere EFSF-Schlagkraft muss vorher aber noch der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen. Die Koalitionsfraktionen wollten sich bereits an diesem Donnerstag in Sondersitzungen mit den Leitlinien befassen. Die FDP will eine Lösung mittragen. Das komplizierte Regelwerk liegt bisher aber nur in englischer Sprache vor. Offen ist, wann ihm der Haushaltsausschuss vor dem Gipfel zustimmen wird. Auch könnte die Opposition versuchen, eine Abstimmung des gesamten Bundestages im Plenum durchzusetzen. Grüne und SPD fordern dies mit Verweis darauf, dass eine mögliche Einführung eines Hebels das Verlustrisiko für die deutsche Haftungssumme von 211 Milliarden Euro ansteigen lasse. Die SPD beklagt außerdem, dass die Regierung sie getäuscht habe: Sie habe vor der Zustimmung des Bundestages zum EFSF im September versichert, dass er nicht ausgeweitet werde.“

Also, bei der 20% Lösung würde theoretisch der Deutsche Beitrag von zur Zeit 211 Mrd. Euro nicht ansteigen. Aber das ist wirklich nur theoretisch zu sehen. Praktisch wird die ganze Chose zur Zeit verhandelt und da kommt bestenfalls irgendetwas dazwischen heraus. Wahrscheinlich will man den Rettungsschirm „flexibel“ gestalten. Das würde bedeuten das von Fall zu Fall über die tatsächliche Höhe von Entschädigungen verhandelt würde. Und dabei ist Zahlmeister Deutschland dann nur einer von vielen, noch nicht einmal prima inter pares. Da wird sich Frankreich, bzw. die BNP Paribas, im Zweifelsfalle schon mit einer faktischen 100% Lösung durchsetzen, zumal es sowieso sonst „von hinten durch die Brust ins Auge geht“. Denn eine Minderlösung bedeutet immer, dass dann die entsprechende Bank wegen mangelhaftem Eigenkapital gerettet werden muss, auch vom EFSF, und dann sind wir selbst bei der 20% Lösung schnell wieder bei nahezu 100%. Der deutsche Garantiebeitragsanteil steigt dann entsprechend schnell über die zugehörige 1000 Mrd. Euro Marke.

Bei dem Wahnsinn fragt sich inzwischen nicht nur der Politiker sondern auch der Bürger, wo denn eigentlich das Ende der Fahnenstange sein könnte? Sie ahnen es schon auch mit 4000 Mrd. wird das Ende nicht erreicht sein. Warum? Nun, einem EU BIP von guten 10.000 Mrd. stehen nämlich Aktiva von rund 35.000 Mrd. Euro gegenüber. Selbst auf Biegen und Brechen kann das BIP aber maximal 15.000 davon gebrauchen, rund 20.000 Mrd. Euro Investmentpapiere stehen deswegen auf der Kippe. Nun, das ist die Größenordnung, von der wir zur Zeit reden müssen. Und die wird keineswegs durch die Art der bisherigen Stützung weniger, sondern langfristig immer mehr. Denn dieses überflüssige spekulative Kapital will Zinsen. Und da die Kosten dafür dem Bürger aus der Tasche gezogen werden, sinkt deren Kaufkraft und damit das BIP, was das Verhältnis weiter dramatisiert. Die Stange ist also noch sehr, sehr, lang.

Dummerweise hat das in Brüssel keiner so richtig begriffen. Stützen, hebeln und umverteilen hilft mittel- und schon gar langfristig nichts. Besonders lächerlich sind die Hebelbemühungen. Man glaubt damit die Kuh vom Eis zu bekommen, da den Banken der Investmentbranche das ja auch so gut gelingt. Man könnte sich ja mal vorsichtig fragen, warum denen das immer noch gelingt. Genau, weil die Regierungen diese Banker mit dem Geld ihrer Wähler kräftig unterstützen. Aber für EFSF und Co. gibt es keine Überregierung, die sie noch mit Geldern aus dem Irgendwo unterstützen könnte. Man lügt sich damit immer weiter in die eigene Tasche. Man kann es nur machen indem man entweder das viele Geld solange selber druckt, bis die Inflation die Schulden auffrisst (Modell USA), oder man muss die überschüssigen und kontraproduktiven Investmentassets alle samt abschreiben.

Schließlich bleibe noch die unparitätische Währungsreform, aber das Wort in den Mund zu nehmen käme keinem Politiker in den Sinn, obwohl es die schnellste, beste und letztlich billigste und gerechteste Methode wäre. Und kommen tut sie sowie so, spätestens nachdem die europäischen Hauptstädte abgefackelt sind. Und das geht schneller als man denkt. Wer hätte schon 1929, auf dem Höhepunkt der „Goldenen Zwanziger“ und kurz vor dem Crash gedacht, das knapp 16 Jahre später Europa in Trümmern liegen würde? Nun die Griechen, die zur Zeit schon das erleben was den Bürgern weiter nördlich noch bevorsteht, ziehen in einen zweitägigen Generalstreik inklusive Straßenschlachten. Und das während die IWF/EU Troika, quasi die griechische Notstandsregierung, noch mit der nächsten Milliardenüberweisung hadert.

Auch wenn das auf den ersten Blick nicht gerade sinnvoll erscheinen mag, es ist die einzige Möglichkeit des Bürgers, entscheidenden Einfluss auf das zu nehmen, was man nun mit ihnen veranstaltet. Denn es sind ja gerade die Kinder und Enkelkinder der unteren und mittleren Schichten, die in Zukunft mit massiven Entbehrungen die Zeche für etwas zahlen sollen, dass sie weder verursacht haben, noch von dem sie persönlich je etwas hatten. Sie sollen sich freiwillig in Sippenhaft begeben, und das keineswegs für ein paar Jahre, sondern für Jahrzehnte, faktisch ein ganzes Leben auch noch für die Enkel.

Dazu das Deutschlandradio: „Seit Anfang des Jahres erheben sich überall die Jungen. In Tunesien und Ägypten stürzen sie Diktatoren. In Griechenland und Spanien zelten sie vor Regierungsgebäuden. Die Jungen begehren auf, wollen aufbrechen, was verkrustet ist, fordern ihr Versprechen ein. Angetrieben von Hoffnung, Frust und Perspektivlosigkeit. In Teilen von Spanien und Italien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei nahezu 50 Prozent. Eine ganze Generation ohne Jobs und ohne Chance, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Die Situation in Großbritannien und Frankreich ist zwar besser, aber alles andere als gut. Viel zu viele jungen Menschen fühlen sich ausgegrenzt, sie sehen keine Möglichkeit der Teilhabe. Für viele ist auch der Zugang zur Bildung verbaut, weil Schule und Universität zu teuer sind. Der Frust entlädt sich in gewalttätigen Protesten wie zuletzt in Tottenham, London.“

Griechenland hatte auch nach 1945 und bis 1974 mit Bürgerkrieg, Progromen und Militärdikatatur zu kämpfen, das ist alles noch nicht so lange her. Der bekannte Griechische Künstler und ehemalige Minister Mikis Theodorakis schreibt heute daher in der Rheinischen Zeitung einen offener Brief an die empörten Bürger Griechenlands und Europas "Gegen die Marionetten-Regierung in Athen", aus dem ich hier einige zentrale Passagen zitiere : „Wir begrüßen die Zehntausende, sogar Hunderttausende von Bürgern, vor allem junge Menschen, die sich auf den Plätzen aller großen Städte versammelt haben, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen im Gedenken an das Memorandum (Rahmenvereinbarung zwischen der griechischen Regierung, EU, IWF und der EZB, seit Mai 2010 unterzeichnet und dann regelmäßig erneuert), und um den Abschied der Regierung der Schande und aller politischen Mitarbeiter zu fordern, die dem öffentlichen Wohl dienen sollten und denen es gelungen ist, Griechenland zu zerstören, zu plündern und zu versklaven........Durch ihre Proteste verteidigen die Arbeiter .. das Erbe des griechischen Volkes, das die ausländischen Banken, mittels ihrer Marionetten-Regierung in Athen, zu plündern gedenken....Wir appellieren an die griechische Polizei, nicht die Instrumente der dunklen Kräfte zu werden, die auf alle Fälle versuchen wollen, in einem gewissen Moment die Jugendlichen und Arbeiter blutig zu unterdrücken. ….Der Weg, den die Regierung eingeschlagen hat und auch weiterhin einschlägt - unter der Aufsicht von Banken und ausländischen Unternehmen, von Goldman Sachs und seinen Mitarbeitern in Europa - führt Griechenland in die Katastrophe. Dies muss sofort aufhören, es ist unerlässlich, dass sie das Land sofort verlassen. ….Warum hat er [der Generalstaatsanwalt] nicht gegen den Massenterrorismus eingegriffen, mit dem eine bankrotte Regierung unter dem Diktat der Troika EU - IWF - EZB wieder einmal versucht, das griechische Volk zu erpressen?...Die Arbeiter sind nicht verantwortlich für die Krise; der Finanzkapitalismus und die Politiker in ihrem Boot, sie sind es, die sie verursacht haben und sie ausnutzen. Ihre Programme "Rettung von Griechenland" helfen nur den ausländische Banken, und gerade denjenigen, die mittels Politikern und Regierungen in ihrem Sold, das politische Modell erzwungen haben, das zur aktuellen Krise geführt hat... “

Weiter sieht er als die einzige vernünftige Lösung: „...Es gibt keine andere Lösung als das aktuelle europäische Wirtschaftsmodell zu ersetzen, das entwickelt wurde, um Schulden zu erzeugen, und zu einer Politik der Ankurbelung der Nachfrage und der Entwicklung zurückzukehren, zu einem Protektionismus, der mit einer drastischen Kontrolle der Finanzen versehen ist. Wenn die Staaten sich nicht auf den Märkten durchsetzen, so schlucken diese sie auf, zusammen mit der Demokratie und den Errungenschaften der europäischen Zivilisation. Die Demokratie wurde in Athen geboren, als Solon (640 - 560 .v.Chr. ) die Schulden der Armen gegenüber den Reichen stornierte. Man darf heute nicht zulassen, dass die Banken die europäische Demokratie zerstören, um riesige Summen aus ihnen herauszupressen, die sie selbst als Schulden generiert haben. Wie kann man vorschlagen, dass ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs die Europäische Zentralbank führen soll? Welche Art von Regierungen, welche Art von Politikern haben wir in Europa?......Wenn Sie heute die Opferung der griechischen, irischen, portugiesischen und spanischen Gesellschaft auf dem Altar der Schulden und der Banken zulassen, wird bald die Reihe an Ihnen sein. ...Lasst uns zusammen ein neues Europa bauen; ein demokratisches, wohlhabendes, friedliches, das seiner Geschichte, seinen Kämpfen und seines Geistes würdig ist. Widerstehen Sie dem Totalitarismus der Märkte, die drohen, Europa zu zerschlagen und in eine Drittwelt zu verwandeln, die die europäischen Nationen gegeneinander aufwiegeln und unsern Kontinent zerstören, indem sie die Rückkehr des Faschismus fördern.“

„Wer mir mein Brot nimmt, der nimmt mir mein Leben“, so war es schon immer und die Reaktion der Ausweglosen wird in Europa am Ende nicht weniger heftig sein, als in Nordafrika. Und die Gejagten heißen dann nicht mehr nur Mubarak oder Gaddafi. Gaddafi ist tot, aber der Krieg der Welten hat gerade erst begonnen.

3 Kommentare:

  1. 1933 in den USA hat ein nicht gerade zu den Armen zählender dem US-Senat ziemlich eingehend erklärt, wo die Probleme lagen und wie sie zu lösen wären. Es ist damals dann in den USA teilweise etwas in Gang gekommen (New Deal, Glass-Steagall etc.), man möchte es kaum glauben - hier Auszüge der Rede damals von Marriner Eccles:
    http://londonbanker.blogspot.com/2011/09/testimony-of-marriner-eccles-to.html

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  2. Vielen Dank für den Link,

    man sieht wie erschreckend wenig lernfähig die Menschheit doch ist. Es wird immer wieder das gleiche Programm abgespult, Millionen Tote inklusive.

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