Dienstag, 14. Juli 2015

Griechische Tage: Der Hunger zwingt's rein, der Geiz hält's drin

Brüsseler Wahnwitz: Am Ende kommt immer das raus, was am Anfang schon da war: Die “Institutionen”, sprich der kleine Steuerzahler aus EU und BRD, zahlt weiter gigantische Summen in ein Fass ohne Boden, dass nur dazu dient große private Investoren schadlos zu halten, und die Griechische Bevölkerung wird weiter ausgequetscht wie eine Zitrone um wenigstens die Zinsen für das Chaos ein zu treiben. Das ganze hatte man nicht anders auch bereits vor der letzten Wahl in Griechenland, die Europas Buhmann Tsipras bekanntlich gegen die alten korrupten Parteien gewonnen hatte. Den ganzen Aufwand hätte man sich unterm Strich sparen können, auf beiden Seiten der Fronten sind die Dinge nun eher noch schlimmer als vorher.

Man fasst sich an den Kopf, wobei, ehrlich gesagt hatte ich nichts anderes erwartet, über soviel konzentrierte Dummheit. Lediglich in der Zeit, als Yanis Vourofakis aktiver griechischer Finanzminister und Verhandlungsführer in Brüssel sowie beim IWF war, da hatte ich ein bisschen Hoffnung. Oder sagen wir besser Altersnaivität. Nein, es ist wirklich hoffnungslos, und die EU wird niemals das Zeug dazu haben, zu einer echten Lösung zu finden. Der Grund ist immer derselbe: Da hat man ausnahmsweise mal einen Fachmann in den Gremien, also Prof. Varoufakis der volkswirtschaftlich eins und eins einigermaßen zusammenzählen kann, und schon läuft die Brüsseler Pleitierspolitik Amok. Da heißt es dann, man müsse nun doch wieder zu dem Punkt kommen, wo man mit „Erwachsenen“ reden könne, vulgo, Realitäts verweigernden Staatschefs und ihren in aller Regel ungelernten Finanzministern.

Wer das System versteht, darf sich freuen: Goldman Sachs und ihr Chefpilot Lloyd Blankfein war an der Verschleierung der Staatsschulden beim EURO-Beitritt der Griechen maßgeblich beteiligt. Und wie andere Investoren fein raus, seit dem "Hilfsprogramm" für "die Griechen", dass im Effekt ein reines Bail-Out Program für Private Gläubiger war.
Es war abzusehen, wenn man den man rekapituliert, was in den letzten fünf Jahren tatsächlich abgelaufen ist. Ende 2009 war klar geworden, das Griechenland pleite ist. Das Rumgezetere zog sich aber noch bis Anfang 2010. Ergebnis: Man eröffnete das erste „Hilfspaket“ für Griechenland. Alle Experten prophezeiten schon damals, dass es nicht helfen würde und auch nicht das einzige Paket sein würde. Immerhin, Schäuble und Merkel schien dies auch in 2010 schon einzuleuchten. Aber statt einen realistischen Cut zu machen, ließ man sich aus vordergründig politischen Motiven, gerade aus Frankreich (damals noch konservativ unter Sarkozy), dumm schwätzen der damals noch konservativen Regierung in Athen das Geld zu überweisen. Die gesamten Staatsschulden betrugen damals so rund 330 Mrd. Euro, und die bis heute aufgelaufenen Hilfen betragen, summa summarum, 324 Mrd. Euro. Müllers Lieschen würde nun einfach damit rechnen, dass ja nun die Sache erledigt sei, denn damit müssten die Griechischen Schulden ja praktisch Null sein.


Schweinefraß : Der Hunger zwingt's rein, der Geiz hält's drin

Pustekuchen, sie sind keinen Cent geringer. Warum? Nun die „Hilfen“ waren ja nur Kredite, und die wurden unterm Strich dazu verwendet, die privaten Gläubiger (=Vermögensbesitzer, Banken, Fonds, Versicherungen, Reiche etc.) hinter diesen Schulden auszuzahlen und damit Schadfrei zu halten. Das einzige was passiert ist, wirklich das einzige, denn die Reformen die jetzt von Tspiras und Co. Gerade eingefordert werden hätten die als korrupt bekannten Altparteien ja auch schon längst durch führen können und müssen, ist dass aus privaten Schulden nun öffentliche Schulden des lieben kleinen Steuerzahlers in ganz Europa wurden. Das exakt gleiche Schema übrigens, dass auch auf sämzliche Bailouts der Banken, so etwa Commerzbank, Hypo Real Estate, WestLB und BayernLB etc. usw. zutrifft: Private wurden auf Kosten des kleinen Mannes ausgezahlt. Was dann dazu geführt hat, dass, wenn man in Brüssel zusammen trifft, nun nicht mehr über Gläubiger sondern unter Gläubigern spricht. Oder besser gesagt, streitet.

Dieses systematische Schadfrei Halten großer Kapitalbesitzer auf Kosten der Arbeitenden ist nun mehr als nur bedenklich. Man könnte meinen, die ganze "Brüsseler Bande" ist entweder dumm wie Brot oder korrupt wie schlimmste afrikanische Despoten. Auch wenn so etwas in einzelnen Fällen nicht völlig von der Hand zu weisen wäre, im allgemeinen ist es natürlich nicht der Fall. Es ist das altbekannte Dilemma, dass viele Köche im Allgemeinen den Brei verderben. Es nützt wenig bis gar nichts, wenn einzelne fünf-Sterne Köche dabei sind, denn ein Jeder aus der Masse der mächtigen Frittenbudenköche rühren in das Menü genug ihrer drittklassigen Ingredienzien unter, damit am Ende etwas kaum noch genießbares heraus kommt. Das nennt man dann allerdings nicht vulgär „Schweinefraß“, sondern einen demokratischen „Kompromiss“. Oder etwas feiner, eine tragfähige gemeinsame Lösung „bei der die Vorteile die Nachteile überwiegen“. Um im Bild zu blieben, der Vorteil soll sein, dass der Fraß erst mal satt macht, und die Hoffnung besteht, dass das widerliche Zeugs nicht gleich wieder ausgekotzt wird – ganz nach dem Küchenkalauer „Der Hunger zwingt's rein, der Geiz hält's drin“.


Das Brüsseler Pilotenspiel

Selbstbezüglichkeit trifft nicht nur auf Brüsseler Machtmenschen zu. Eine Volkswirtschaft ist, anders als Betriebswirtschaft, fundamental selbstbezüglich. Wenn schon die Menschen im allgemeinen keinen großen Vertrag mit nüchternen Tabellen und Zahlengrößen haben, bei selbstbezüglichen Systemen hakt es dann meist völlig aus. Selbstbezüglich sind wissenschaftlich gesehen alle Systeme, die von konkurrierenden Größen in einem geschlossenen System abhängen. In der Volkswirtschaft sind das Produktion und Kapital, insbesondere aber auch Schulden und Vermögen, die in der volkswirtschaftlichen Summe völlig(!) identisch sind. Besonders letzteres ist zwar mindestens besseren Bankern wohl bekannt, und die daraus folgenden logischen Schlüsse sind eigentlich so schreiend simpel und zwingend, dass ihre konsequente Verneinung in Politikerkreisen, aber auch in Kreisen der Lobby-Volkswirtschaft, schon psychopathische Züge aufweist.

In Züge historischer Vergesslichkeit sowieso, denn alles dass hatten wir auch schon im letzten Jahrhundert, und in dem davor auch, usw. 1987 gab es im damaligen noch-West-Berlin (wer hätte übrigens damals ahnen wollen, dass dieser Status zwei Jahre später kollabieren und 3 Jahre später passe sein würde? Nur als Warnung an alle Diejenigen, die glauben die scheinbar noch heile Welt von heute sei langfristig sicher.) das „Pilotenspiel“:

"Geteilte Stadt: Seit über zwei Monaten geht ein Riß durch die Bevölkerung; er trennt jene, die sich dem „Pilotenspiel“ angeschlossen haben von jenen, die nichts von diesem „Spiel“ wissen oder wissen wollen. Über 40 000 Mitspieler soll es bereits geben. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen „Unbekannt“ wegen „Glücksspiel und versuchten Betruges“.

Das „Pilotenspiel“ ist ein Glücksspiel nach Art der Kettenbriefe, bei dem es darum geht, eine Aufnahmegebühr von 3000 Mark irgendwann vervielfacht zurückzubekommen, indem neue Mitspieler ihre Aufnahmegebühren an den jeweils Spielältesten entrichten. In der Terminologie des „Pilotenspiels“ heißt das: bis zu fünfzehn Teilnehmer bilden ein „Flugzeug“, mit acht „Passagieren“ an der Basis, darüber vier „Crew-Mitglieder“, zwei „Co-Piloten“ und dem „Piloten“ an der Spitze. Jeder neue Teilnehmer wirbt mindesten einen weiteren. Ist die „Passagierliste“ voll, teilt sich das Flugzeug in zwei, und jeder rutscht eine Stufe höher, näher an den Pilotenplatz. Sind die beiden Co-Piloten jeweils Pilot eines eigenen Flugzeugs geworden, „fliegt“ ihr ehemaliger Pilot „aus“: Er kassiert von den acht neu dazugekommenen Passagieren jeweils 3000 Mark, behält also nach Abzug seiner eigenen Aufnahmegebühr einen Reingewinn von 21 000 Mark. Daß die Freundes- und Bekanntenkreise, aus denen sich die neuen Mitspieler rekrutieren, bald erschöpft sind, läßt sich schnell ausrechnen; allein der genaue Zeitpunkt ist unvorhersehbar. In Berlin schwirren Hunderte von „Flugzeugen“. An Bord sind vor allem Akademiker und Leute aus der Szene, junge wie alte. Zu den regelmäßigen Lagebesprechungen treffen sie sich in Wohnungen und Kneipen, im Extremfall bis zu zwanzig Flugzeuge auf einmal – das sind rund dreihundert Menschen. Die Teilnehmer spielen ausschließlich unter Decknamen: Concorde, zum Beispiel, Komet oder Barbarella...."

Nun sind die Regeln solcher Spiele, es gibt sie in vielen Versionen, bewusst etwas verwirrend angelegt, was den genauen Aufbau der Pyramide angeht. Das gibt dem ganzen einerseits einen Anschein von Seriösität, und andererseits und viel wichtiger, es hält die Mitspieler davon ab sich Gedanken über die unvermeidbaren Randbedingungen eines selbstbezüglichen Systems zu machen. Letztere sind nämlich im Prinzip ganz einfach zu finden, und da sie Spieler von einer kostenintensiven Beteiligung abhalten würden, ist es besser sie mit dusseligen Detailregeln des Spieles zu beschäftigen.


Die Finessen des Systems

Denn, ganz egal welche Finessen die Regeln des Systems haben, es basiert immer darauf, dass die Gewinner, in dem Fall also versiebenfacht der Gewinner netto seinen Einsatz, eine gewisse Anzahl an Verlierern benötigt, hier also n=7 sieben. In der zweiten Runde sind es dann schon n^2 also 49 usw.: 343, 2401, 16.807, 117.649 im nur sechsten Schritt. Was im Westberliner Fall dann schon das System in Bedrohung brachte, denn das waren ja schon 5% der Bevölkerung. Und da hatte man erst 40.000 zusammen. Wie hätte es dann weiter gehen sollen? Unmöglich, es folgen im achten Schritt bereits rund 5,8 Millionen, was ganz Berlin gesprengt hätte, im 10.ten Schritt benötigt man schon mehr als 282 Mill. Verlierer, was schon die damalige EU gesprengt hätte, und im 12-ten Schritt endlich bereits 13,8 Milliarden, eine Zahl an Verlierern die selbst die aktuelle Weltbevölkerung von „nur“ etwa 7,3 Milliarden nicht auffangen könnte. Wenn man die notwendige Zeit für die Aquisation eines neuen Flugzeugs mit rund 1 Monat rechnet, dann sieht man das nach nur einem halben Jahr Berlin, und nach nur einem Jahr die ganze Welt in Nöten ist.

Man kann es sich aber auch noch viel einfacher klarmachen: Zu jedem Zeitpunkt t befinden sich n Spieler im System, also auch nur n Einsätze. Will einer der n Spieler einen Gewinn für sich einfahren, dann geht das ausschließlich nur dann, wenn den Regeln (sprich den Zinsregeln) entsprechend viele Verlierer generiert werden. Je mehr Gewinner, desto mehr Verlierer sind natürlich notwendig, oder wie wir es aus den Statistiken der Volkswirtschaften kennen, je mehr Millionäre, desto mehr Arme.

Freuen können sich immer nur die ersten in der Pyramide, also die schnell und schlau genug sind den Rahm abzuschöpfen, bevor die Masse der Gelackmeierten erkennt, wo der Hase lang gelaufen ist. Letztere werden dass aber kaum zugeben wollen, nämlich dass sie geleimt wurden, sondern irgendwelche Unpässlichkeiten verantwortlich machen die den „absolut sicheren“ Erfolg durch „Wachstum“ vereitelt hätten.

Der Spiegel (1987): "Vier holländische Sanyassin-Frauen, also Anhängerinnen der fröhlich-zielstrebigen Baghwan-Sekte, hatten das Spiel aus den USA nach Berlin importiert. Der Begleittext zwar im typischen Sanyassin-Duktus gehalten: „ „Die beste Manier, um zu spielen, ist ‚to fly from the heart‘. Denk positiv und hilf denen über dir, unter dir und neben dir, so schnell wie möglich ,auszufliegen‘. Nütze die Zeit für Gedanken und Gefühle für Menschen, die erfolgreich sind.“ Man fragt sich, von welcher Zeit die Rede ist und von was für einer Hilfe.

…Ein gruppendynamischer Prozeß wird in Gang gesetzt: Die Flugzeug-Treffen finden mehrmals wöchentlich statt; Anwesenheit ist Pflicht; jeder kennt jeden persönlich. Diese Regelung macht das Spiel zu einer Mischung aus Börsentreffen und Geburtstagsparty. Die Anwesenden können selbst sehen, wie ihr Pilot der Reihe nach bei den neuen Passagieren abkassiert. Da heißt Mitgliederwerbung nicht: zu etwas überreden, von dem man selbst nicht überzeugt ist, sondern Freunden etwas Gutes tun, sie unverbindlich einladen: come and see. In der Blütezeit des Pilotenspiels wurden Flugzeuge in weniger als einer Woche durchlaufen. Nicht selten stellte sich der ausbezahlte Pilot gleich wieder unten an. An solchen Abenden kam die Euphorie von allein.

„Fliegen“ ist aber auch anstrengend. Der aktuelle Spielstand, Bewegungen in der Passagierliste, werden permanent beobachtet. Das verursacht nicht nur schlaflose Nächte und ungezählte Telephonate, um durch die Anwerbung neuer Mitglieder den Durchlauf zu beschleunigen – in dieser heiklen Phase bedarf man auch des Austauschs und des psychologischen Beistands. Die Treffen werden da als Schicksalsgemeinschaft erlebt. ...Dabei wird laufend über den „Streß“ des Spiels gestöhnt. Wenn aber die Aussicht besteht, daß für das, was sich hier „Streß“ nennt, kurze Zeit später 21 000 Mark winken, dann hat in den Augen der meisten eine paradiesische Welt einen Moment lang den Blick freigegeben. Fast ohne Vorwarnung sind jetzt Nachwuchssorgen aufgetreten. Wenn man seit über einer Woche in unveränderter Position vor sich hin schmurgelt, drückt das auf die Stimmung. Welcher Trittbrettfahrer hindert hier mit seinem schlappen Bekanntenkreis die anderen am Fortkommen? Ein Co-Pilot, dem es nicht gelingt, jemanden anzuwerben, kauft sich in der Not selbst ein zweites Mal ein, um nicht zurückgestuft zu werden. Ein anderer will sich in plötzlicher Verunsicherung seinen Platz teilen...."

Und da war noch die Sache mit dem Vertrauen

"...Ist das Vertrauen in das Spiel erst einmal angeknackst, gibt es kein Halten mehr. Jeder kleine Hinweis auf Stagnation wird nun als Beginn des endgültigen Zusammenbruchs gewertet. Auf die Mitspieler wird Druck ausgeübt und somit die Misere nur bestätigt. Pseudoreservierungen sollen „letzte Chancen“ für Neueinsteiger vorgaukeln. Unter solchen Umständen fällt jedem wieder sein Geld ein, der Ton wird aggressiver. Um Panik und Gesichtsverlust zu vermeiden, wird mühsam die Fassade gewahrt: „Wie läufts bei euch?“ – „Ach, gut. Bei mir geht’s gerade ein bißchen langsamer.“ ….Auf immer entferntere Bekannte muß bei der Anwerbung zurückgegriffen werden: herzliche Telephonanrufe bei fast wildfremden Menschen. Bei dieser Distanz nehmen auch die Skrupel ab, andere womöglich in ein finanzielles Desaster zu führen.….Die Tage bis zum Absturz aller Flugzeuge sind dennoch gezählt. Sanfte Landungen in letzter Minute wird es nicht geben.“ schrieb damals der Spiegel.

Kommt einem schrecklich bekannt vor, nicht war? Und nun stellen sie sich einen Vourofakis mitten in diesem durchgeknallten Hühnerhaufen vor? Wird man den nun dankbar wegen seiner Expertise aufnehmen und bewirten, ja gar zuhören und verstehen wollen? Wohl eher nicht.

Sie werden es schon erkannt haben, natürlich funktionieren finanzwirtschaftlich getrieben Volkswirtschaften im Prinzip genauso. Lediglich sind die Regeln etwas ausgefeilter und langlebiger. Es gilt auch nicht als Kettenbrief-System sondern als so genanntes „Ponzi“-Schema: Im Unterschied zum Pilotenspiel arbeitet es nicht völlig Investitionslos, sondern tätigt zumindest ein paar Investitionen aus den Einzahlungen, die allerdings bei weitem nicht ausreichend sind um die Gewinnerwartungen zu bedienen. Ein wichtiger Unterschied ist die schiere Größe der Gewinnerwratung: So beträgt die langfristig mittlere Zinsrate in der Volkswirtschaft so um den Dreh von 3% bis 6% pro Jahr. Da dauert es mit dem Knall natürlich deutlich länger als beim Pilotenspiel, dass ja einen Zins von schlappen 700% pro Monat haben möchte.



Zauberwort Wachstum

„Wachstum“, dass Zauberwort in allen Fällen, ist dabei niemals der Ausweg, auch nicht in der EU oder der notorischen Griechenlandfrage. Zwar ist in unseren Volkswirtschaftlichen Systemen des „Kettenbrief“ als auch das „Ponzischema“ entschärft, einerseits durch weit geringere Zinssätze und andererseits durch erhebliche Realinvestitionen, aber es verlängert lediglich die Zeitskala bis zum Zusammenbruch, der dann etwa alle 100-Jahre eintritt. Das liegt technisch daran, dass Vermögen nicht gestrichen wird - während das aus Investitionen resultierende Bruttosozialprodukt einer ständigen, und gerade heute, erheblichen Abschreibung unterliegt. Selbst im idealen Fall, wie in der BRD mit der Währungsreform 1948 und der offiziellen Altschuldenstreichung in 1953, dauert es dann nur gut 60 Jahre bis das System an seine, durch die Randbedingungen gesetzte, Grenzen stößt. Das ist, besonders in Zusammenhang mit den ungleich komplexeren Regeln des Spiels, lange genug um die Zusammenhänge selbst für die Intelligentesten gründlich zu verschleiern.

Im Berliner Pilotenspiel waren ja nun auch Akademiker verwickelt, bei denen man eigentlich etwas mehr Realitätssinn vermutet hätte. Das kann zweierlei Gründe gehabt haben: Einerseits waren da Diejenigen die frühzeitig erkannt hatten, dass man nur zu den Ersten gehören müsse um ordentlich abzusahnen, andererseits aber auch Intelligenzler die einfach der Falle der eigenen akademischen Arroganz und der Ignoranz über die Selbstbezüglichkeit des Pilotenspiels erlegen waren: Kann es wirklich sein, dass die simplen Überlegungen bezüglich der Randbedingungen meinen überaus komplexen Überlegungen über die Regeln des Spiels und seiner Ausnutzung für meine Ziele, so gründlich überlegen sind? Nein, Nie und nimmer...

Das Wall Street Journal schrieb zu dem immer und immer wiederkehrenden Spekulationsproblem unserer Volkswirtschaften: „Weshalb erkennen die Menschen nicht, wenn ein allgemeiner Aufschwung bei Tulpenzwiebeln, Aktien oder Immobilien in die “Größere-Narren-Phase” übergeht? Der exakte Punkt, an dem die ökonomische Rationalität in Irrationalität übergeht, lässt sich wegen eines höchst volatilen Faktors schlichtweg nicht bestimmen. Und was ist dieser Faktor, der sich nicht ergründen, verstehen und messen lässt? Es ist der Mensch. Genauer: Die Dummheit des Menschen. Noch genauer: Die Dummheit gepaart mit Gier. Dagegen haben die klügsten Menschen noch kein Mittel erfunden. Das wusste schon der Physiker Isaac Newton, der die Verrücktheiten während der Südseeblase (1711 bis 1720) mit den Worten kommentierte: “Ich kann die Bewegung eines Körpers messen, aber nicht die menschliche Dummheit.” Er wusste von was er sprach, er hatte selbst 20.000 Pfund verloren.“


Schulden sind Vermögen

Natürlich ist dann auch das Berliner-Spiel geplatzt und hat die Mehrzahl der Beteiligten mit Verlusten und Schulden hinterlassen. Die wenigen Gewinner sind,  auch natürlich, mit einem breiten Grinsen davon gekommen. Und selbst der Gesetzgeber ließ sich bei Klagen gegen die Chefpiloten nicht lumpen: Wer so dumm sei, an solchen Spielen teilzunehmen, der sei es nun mal selbst schuld und könne nachher nicht auch noch klagen. Natürlich könnte man auch anders entscheiden, nämlich dass die Schlauen um das endliche Scheitern wissen mussten, und die Schwächen ihrer Mitbürger nur aus genutzt hatten. Man hätte ihnen also etwa den unlauteren Gewinn wieder abnehmen, und auf die Gelackmeierten zurück verteilen können. Hätte, hätte, Fahrradkette...

Nicht anders ist es mit Schulden und Vermögen in der Welt: Damit einer ein vermögen hat, müssen viele andere gleich hohe Schulden haben. Und wenn es nicht mehr genug private Schuldner gibt, wie jetzt nur zu deutlich, dann „muss“ in dieser Logik natürlich der liebe Staat und sein kleiner Mann/Frau einspringen und die Gegenfinanzierung der Vermögenden über die Sozialisierung privater Schulden übernehmen.

Und das tun unsere Brüsseler Experten natürlich freiwillig, weil sie fest an das weitere Wachstum des Systems glauben. Finanzierungshilfen, indem man etwa die Gewinner des Spiels, die lieben Investoren, zu einer Rücküberweisung wenigstens eines Teils der Vermögen=Schulden zwingt? Iwo, das würde die armen Geldgeber doch nur verunsichern, wozu denn auch, wenn doch das kommende Wachstum (siescher, siescher ja...) alles wieder ins Lot bringen wird?

Wirklich glauben tut das inzwischen auch kaum noch ein Beteiligter der „Institutionen“. IWF Chefin Lagarde hat es schon klar gesagt, ohne Schulden=Vermögensschnitt geht gar nichts. Der Haken dabei: 2010 hätte man noch die lieben Investoren dabei zur Ader gelassen. In 2015 liegen die faulen Papiere aber allesamt beim EU und BRD Steuerzahler. Die Chefpiloten lachen sich nun natürlich einen Ast ab, während die so superschlauen „Griechenlandretter“ zugegeben müssten, dass sie vulgär ausgedrückt eben „Scheiße gebaut“ haben. Und zwar keinen kleinen Haufen davon.

Tatsächlich ist es so, dass wenn wir volkswirtschaftlich von „Schuldenabbau“ reden, wir zwangsläufig von „Vermögensabbau“ reden müssen. Alles andere ist schlichter Unfug die eines Berliner Chefpiloten würdig ist. Eine Tatsache die Varoufakis wohl auch klar gewesen sein muss, und ich vermute einfach mal das Merkel und Schäuble das langsam auch zumindest dämmern dürfte.


Der vorläufig gescheiterte Grexit

Verwunderlicher ist der Eiertanz, den nicht nur die EU, sondern ganz besonders auch der griechische Regierungschef Tsipras aufführt. In den ersten Monaten, noch unter der Leitung von Varoufakis, sah die Sache eigentlich nicht schlecht aus:

Varoufakis war klar, dass das eigentliche Problem eben nicht bei den Griechen, sondern bei der EU lag. Griechenland hätte im Prinzip, unter Rückgriff auf seine, trotz EU-Mitgliedschaft, noch existierende nationale Souveränität, den EURO abschaffen, alle Altschulden auf Neu-Drachmen ummünzen als auch klar beschneiden können. Und einfach neue Drachmen an die Bevölkerung verteilen können, internationale Kapitalkontrollen eingeschlossen. Kein leichter Weg, aber wir kennen die Beispiele wie Deutschland nach 1948, aber jüngst auch Island, die nach ein paar wenigen Jahren der Neuorientierung wieder aufblühten. Für die EU sah und sieht die Sache aber ganz anders aus: Da müssten politische Masken reihenweise fallen, so etwa die angeblichen, zukünftig sogar Gewinne bringenden, Kredite für Schrottpapiere auf Rechnung des Steuerzahlers abgeschrieben und in die eigene Staatsverschuldung gebucht werden und, und , und...

Natürlich hätte (und wird irgendwann) so was zu einer gewaltigen Unruhe geführt. Denken wir nur an Beispiele wie Island, wo UK Politiker bereits mit ihren Kanonenbooten anrücken wollten, oder Argentinien mit der moderneren Variante der Hedgefonds und geneigten Juristen, die den Finanzallmachtsanspruch gegen das Argentinische Volk rücksichtslos durchsetzen wollen.

Will man nun aber ernsthaft mit so einem Szenario drohen, dann muss das vorbereitet sein. So müssen die nötigen Gesetze und Verwaltungsvorschriften in zustimmungsfähiger Form bereits in der Schublade liegen, als auch das neue Bargeld frisch gedruckt und gepresst bereits in geheimen Regalen lagern. Zeit dafür wäre gewesen, aber da war offensichtlich nichts geschehen. So Varoufakis im Fokus: „Angesprochen über seine fünfmonatige Zeit im griechischen Finanzministerium gab Varoufakis zu, dass er von Tag 1 einen „Grexit“ vor Augen hatte. Er hätte gemeinsam mit fünf weiteren Mitarbeitern des Ministerium einen konkreten Plan auf Papier gebracht. Letztendlich wurde dieser Plan nie umgesetzt, weil dazu einfach die Entscheidung gefehlt habe.“.

Wen wunderts, denn auch sein Chef Tsipras ist ja kein VWL Fachmann, sondern durch und durch Politiker. So beschreibt das Handelsblatt das Dilemma: „Nach seinem überraschenden Rücktritt als griechischer Finanzminister hat Giannis Varoufakis in einem Interview über seine Zeit bei der Eurogruppe und die Gründe für seinen Rückzug gesprochen. Varoufakis sagte dem britischen Magazin „New Statesman“ in einem am Montag veröffentlichten Interview, wann immer er bei seinen europäischen Ministerkollegen wirtschaftliche Argumente vorgebracht habe, sei er mit „leeren Blicken“ bedacht worden. „Ich hätte auch die schwedische Nationalhymne singen können, da hätte ich dieselbe Reaktion erhalten“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler dem Magazin....“. Das kann ich gut nachvollziehen, die grotesk erscheinende Logik eines Selbstbezüglichen Systems ist für Realpolitiker in der Tat praktisch undurchschaubar. Sie sind und bleiben damit eine fette Beute für die Chefpiloten der Investorenlobby.

Für den griechischen Finanzminister aber waren damit endgültig die Felle davon geschwommen: „Als Grund [für seinen Rücktritt] nannte er die ablehnende Haltung ihm gegenüber in der Eurogruppe. Zudem sei sein Abschied von Regierungschef Alexis Tsipras als „potenziell hilfreich“ betrachtet worden. Dem britischen Magazin sagte Varoufakis nun, er sei zurückgetreten, weil er bei einem Kabinettstreffen überstimmt worden sei, bei dem er für eine harte Linie gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) geworben hatte. So schlug er unter anderem vor, der EZB die Kontrolle über die griechische Zentralbank abzunehmen sowie Schuldscheine einzuführen. Er sei aber bei zwei zu vier Stimmen überstimmt worden. Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ging er hart ins Gericht. Die Euro-Finanzminister seien „komplett“ von ihm dominiert. Die Gruppe sei „wie ein äußerst gut dirigiertes Orchester“ mit Schäuble als Chef.“[-pilot].

Schäuble wiederum hatte den Grexit als einziger in Brüssel ernsthaft erwogen. Vermutlich wohl wissend um das für Griechenland praktisch nicht rechtzeitig zu stemmende Problem: So schreibt der Fokus: „Merkel und Tsipras wollten schon gehen - doch ein Satz verhinderte den Grexit: Um sechs Uhr am Montagmorgen stand Griechenland so nahe an einem Euro-Austritt wie noch nie seit Beginn des Schulden-Dramas. Der Grexit stand an sich fest - doch ein Mann ließ das nicht zu und rief alle wieder an den Verhandlungstisch. Nach Stunden der Verhandlungen hatten weder der griechische Ministerpräsident Tsipras noch Kanzlerin Merkel das Gefühl, noch eine Einigung erreichen zu können, wie die „Financial Times“ schreibt. Sie erhoben sich und gingen Richtung Tür, ein Grexit schien zu diesem Zeitpunkt die einzige Option – doch dann folgte der Auftritt von EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Es tut mir Leid, aber es ist nicht möglich, dass Sie diesen Raum jetzt verlassen“, soll er laut der Zeitung Richtung Merkel und Tsipras gesagt haben. Die Worte zeigten offenbar Wirkung. Merkel, Hollande, Tsipras und Tusk gelang schließlich in kleiner Runde der Durchbruch.

“.

 Schäuble zockt besser als Tsipras

Damit war Schäuble's Plan im Prinzip aufgegangen: Die Griechen, wohl wissend das sie den Grexit mangels Vorbereitung nicht schnell genug gestemmt bekämen, als auch die anderen um ihre Macht zitternden Chefpiloten, mussten klein beigeben: Die einen stimmten einem Paket zu, dass sie gerade mit einer Volksabstimmung abgelehnt hatten und die Anderen stimmten darin überein, dem schlechten Geld weiteres gutes Geld, vorläufig „nur“ 86 Mrd. Euro, auf EU-Michels Kosten hinterher zu werfen.

Natürlich verschafft das lediglich Zeit, und selbst dem EU-Chefwundergläubigen Schulz war gestern Abend im Interview, live aus Moldawien, anzumerken, dass er nicht die Bohne an einen längerfristigen Erfolg glaubt, obwohl er es natürlich nicht explizit so ausdrückte.

Ach ja, ganz nebenbei, weil es ganz sicher keine Rolle spielt: Das neue 86 Mrd. Programm soll drei Jahre laufen. Genug um die nächste Wahl zu überleben. Sieeescher ja.



2 Kommentare:

  1. Gut geschrieben! Wie immer möchte man möchte man angenehm leben und von diese Wahrheiten lieber nichts wissen und die Augen verschließen. Danke für die Zusammenfassung der immer politischeren EZB. Hat sie sich nicht die Unabhängigkeit auf die Fahnen geschrieben?
    Vielleicht wir man eines Tages erkennen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt jedoch ähnelt: Notenbanker stehen über den Politikern, da sie deren Rücktritt erzwingen:
    https://books.google.de/books?id=bM-UBwAAQBAJ&pg=PA100&lpg=PA100&dq=Lex-Schacht+hjalmar&source=bl&ots=5jcFVRyTEN&sig=vOZIqrjvHvNlL2mC9OOaGgK6NcQ&hl=de&sa=X&ei=-rqiVY26C-LuyQOzsIHACA&ved=0CDkQ6AEwBA#v=onepage&q=Lex-Schacht%20hjalmar&f=false+

    oder hier:
    http://www.heise.de/tp/artikel/45/45392/1.html

    schönen Abend
    someone from bavaria

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  2. Vielen Dank,

    der Hinweis auf die "Lex-Schlacht" ist wirklich gut. Historische Zusammenhämge erklären vieles, und die Leugnung oder Ignoranz dazu ist verheerend (siehe u.a. auch http://tandemvipera.blogspot.de/2011/06/griechen-geld-und-gemlich-brief.html )

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