
Nun, auch Massaker von Durchgedrehten sind gerade in den mit privaten Waffen überladenen USA keine besondere Nachricht mehr, aber sie passen ins Bild der Zeit. Was bringt einen 24-jährigen, mit Gasmaske im Gesicht und Knarren in den Armen, dazu in ein Kino zu gehen und willkürlich Menschen zu erschießen? Schließlich waren es zufällige Besucher, die „Wahl“ seiner Opfer war eigentlich keine, sondern willkürlich und Ausdruck von Wut und Verachtung. Gegen wen oder was? Die Frage ist so abgedroschen, so leicht zu beantworten und die Antwort so wenig opportunistisch, dass man es in aller Regel bei der rhetorischen Frage alleine im Raum belässt. Für die Antwort reicht es auch aus, sich Ausschnitte aus dem Film anzuschauen, oder auch nur aus Filmen des gleichen Genres. Hollywood Filme sind immer mehr oder weniger genaue, wenn auch in gewaltiger und gewalttätiger Bildkunst verborgene, Abbilder ihrer Entstehungs-Zeit. Was den Mörder trieb ist der gesellschaftlichen Situation geschuldet, und das er eine (Gas-)Maske trug, erklärt sich schon beim Blick auf seine Vorbilder anhand der offiziellen Szenenfotos des Filmverlags. Und da war es nicht Batman, die gute Fledermaus die sein Vorbild wurde, sondern der und das Böse im Film. Denn von den „Guten“ in der US-Gesellschaft, von den Romneys aber auch Obamas, hatte der Massenmörder die verdeckte Schnauze längst gestrichen voll.
Im typisch republikanischem Zynsimus erließ sich Mitt Romney, Möchtegernepräsident: „In his statement, Romney said: "Ann and I are deeply saddened by the news of the senseless violence that took the lives of 15 people in Colorado and injured dozens more. We are praying for the families and loved ones of the victims during this time of deep shock and immense grief. We expect that the person responsible for this terrible crime will be quickly brought to justice."“. Naja, so leicht ist das für einfache Gemüter: „... senseless violence...“ und „... the person responsible for this terrible crime will be quickly brought to justice“. Und schon ist alles wieder gut, „praying for the families and loved ones of the victims“, christliche Krokodilstränen von einem der reichsten Präsidentschaftskandidaten der je in den USA antratt, Investmenthai und Arbeitsplatzvernichter, und Freund der NRA (National Rifle Association). Zu guter Letzt wird man dann dem „Dark Knight“- Typen mit der Maske noch eine Kalziumspritze ins Herz setzen, und dann hat für Romneys Gesellen wieder alles seine Ruhe, in der „Gotham-“City.
Auch hätte man sich die aufwendigen Kulissen und Digitaltricks für die Massengewaltszenen leicht sparen können, indem man die Szenen in Griechenland, Spanien oder gleich in Syrien gedreht hätte. Aufstände und Revolutionen entstehen immer dann, wenn die Bürger die sie benachteiligende „Ordnung“ der „Guten“ nicht mehr ertragen können, wenn der Hunger die Angst besiegt; und wenn man auf der Straße trotz gezielter Desinformation alleine schon im Bauch begreift, wo gelogen und betrogen wird, ohne das die Volksseele dabei wirklich noch unterscheiden könnte, wer nun Gut oder Böse sei, und die Gewalt richtet sich letztlich gegen alles und jeden.
Das gerade im letzten Jahrzehnt Gewaltorgien in Endzeit-Hollywoodfilmen ein für den wirtschaftlichen Erfolg des Machwerks notwendiges „Qualitäts-“Kriterium ist, kommt ja nicht von ungefähr. Es ist das gefühlte Abbild aufgestauter Aggressionen der Bewunderer gegen den als undefinierbaren Macht- und Gewaltfaktor empfundenen Staat, dem man gerne etwas auf die Mütze gibt, gerade in den USA. Auch wenn das „Gute“, das in diesen Filmen immer genauso wenn noch nicht noch brutaler ist, am Ende immer siegt, es ist doch endlich nur die Konzession an den Opportunismus des Hollywoodfilms.
Ehrliche Filme dagegen sind rarer, vielleicht in diesem Genre noch „I Am Legend“, der der zukünftigen Realität trotz der unvermeidlichen Gewalt- und Pseudo-Happyend- Regeln Hollywoods, schon etwas näher kommt: „Tobias Kniebe, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, lobt: „Diese fundamentale Skepsis und die Ernsthaftigkeit, […], heben den Film über das Genre – und die hektische Dummheit des üblichen Hollywood-Actionmaterials – weit hinaus.““. Auch wenn es guten Grund gibt an Hollywood Kritik zu üben, so ist doch auch wahr, dass, neben der enormen wirtschaftlichen Professionalität der Hollywoodkunst, dort auch immer ein Stück Wirklichkeitswahrnehmung und Zukunftsvisionen produziert wurden und werden, die dann allzu oft auch zu Realität kristallisierten.
„The Dark Knight Rises“ ist der Nachfolgefilm des Kassenschlagers „The Dark Knight“: „...Für den Professor für Filmstudien Jerome Charyn verkomme Batman damit zum „Stichwortgeber und Handlanger des Joker“. Damit sei „aus dem nervtötenden Hollywood-Wahn, jeden Superhelden auf Erden auszuschlachten, endlich das erste Meisterwerk entstanden.“ So sei The Dark Knight „ein amoralischer Film, trotz des üblichen Hollywood-Endes, bei dem das aufgepappte Gute scheinbar obsiegt....Heath Ledgers Mega-Joker wurde zum neuen Helden der Nation und zu ihrer Totenmaske....“.

Inzwischen breiten sich die neuen Slums der USA aus, die „Tent Citys“ (Zeltstädte) haben sich seit der Wirtschaftskrise fast überall in den USA gebildet. Selbst die ehemaligen Wohlstandszentren, so die Autostadt Detroit, sind inzwischen die „world's biggest ghetto“, wie es die noch-Bewohner es titulieren. Der Filmtrailer von dark-knights-rises ist da tatsächlich ein Abbild der Situation in der sich Opfer und Täter und Heuchler gleichermaßen befinden, und die Ernte die man einfährt ist zwar nicht so kuschelig und bildgewaltig, aber kaum anders als in Hollywoods Studios.
„Banken sind gefährlicher als stehende Armeen“, hat schon der amerikanische Ur-Präsident Thomas Jefferson trefflich bemerkt. Das Land der Freien und unbegrenzten Möglichkeiten ist längst zu einer Nation der permanenten Ungleichheit und Chancenlosigkeit verkommen, in den die Macht des Geldes längst die ehemalige Zwei-Parteien-Demokratie unterhöhlt hat. Was verwundert ist lediglich, dass in dem bis an die Zähne bewaffneten Land noch kein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, wozu das inzwischen mindestens 40-Millionen starke Heer der Verarmten jederzeit in der Lage wäre. Nur der immer noch virulente „Amerikanische Traum“, des Tellerwäschers der zum Millionär wurde, und der Glaube an die eigene Größe hält die USA noch notdürftig zusammen. „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ ist ein inzwischen wieder bekanntes Zitat des Autoproduzenten Henry Ford. Auch wenn es noch zu früh dafür ist, der Bürgerkrieg in den USA steht uns in den nächsten Jahrzehnten noch bevor, wenn sich nicht an der Politik für die Reichen und gegen das Volk in den USA schnell grundlegendes ändert. Zu erwarten ist das nicht, denn gerade Mitt Romney, der vielleicht wenn alles daneben gehen sollte der neue Präsident wird, hat sich zu seinem erklärten Ziel gesetzt, die einzige halbwegs gelungene Sozialreform Obamas, die Pflichtkrankenversicherung für alle, sofort wieder abzuschaffen. Wofür er, aus unserer deutschen Sicht wenig nachvollziehbaren Gründen, bislang breite Zustimmung unter den Wählern fand.
Weniger leicht fällt der Wohlstandstransport von unten nach oben in der geschichtlich mehr sozial geprägten EU. Sei es in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien oder jetzt in Spanien. Die Welt schreibt: „....Die Teilnahmequote [an der Demo] übertraf alle Erwartungen. An den Protesten nahmen auch viele Polizisten, Militärs, Richter und Staatsanwälte teil. Die Gewerkschaften haben damit gedroht, zu einem neuen Generalstreik im September aufzurufen....Spanien steckt in einer Rezession. Mehr als 5,6 Millionen Menschen oder fast 25 Prozent der Erwerbstätigen sind [offiziell] arbeitslos - Rekord in der EU ...Die Regierung hatte vor wenigen Tagen erstmals eingeräumt, dass die Sparmaßnahmen von der EU-Kommission in Brüssel diktiert worden seien. Die Regierung ..hatte gehofft, dass das milliardenschwere Sparpaket die Märkte beruhigen würde, aber das Gegenteil ist der Fall. ...Bei einer Auktion mehrjähriger Staatsanleihen am Donnerstag musste Spanien erheblich mehr Zinsen zahlen. ….Falls diese Entwicklung andauert, dürfte sich Spanien auf die Dauer nicht mehr am Markt finanzieren können.“.
Und weiter: „Die spanische Polizei hat in der Nacht zum Freitag in der Hauptstadt Madrid Gummigeschosse gegen Teilnehmer eines Massenprotests gegen neue Sparmaßnahmen eingesetzt. Zudem trieb sie am Abend am zentralen Platz Puerta del Sol kleinere Gruppen von Demonstranten mit Schlagstöcken auseinander... [Protest in 80 Städten Spaniens-] Allein in der Hauptstadt Madrid nahmen nach Angaben der Zeitung "El País" mindestens 100.000 Menschen an der Demonstration teil....Der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba warf der Regierung Hörigkeit gegenüber der Europäischen Union vor. "Nehmen Sie ein Flugzeug nach Brüssel und sagen Sie denen, dass die Kürzungen Barbarei sind", sagte er an das Kabinett gerichtet. ...Eine der am heftigsten kritisierten Sparmaßnahmen der Regierung sieht eine Kürzung des Arbeitslosengeldes vor.“ Das Prinzip ist das gleiche, nur noch in stark abgemilderter Form, als wir es bei den Revolutionen im arabischen Raume seit wenigen Jahren sehen. Zuletzt in bewaffneten Konflikten wie in Libyen und zur Zeit in Syrien. Wenn das Maß der Ungerechtigkeiten erst einmal die letzten Grenzen überschritten hat, dann ist Krieg- und Bürgerkrieg eine unvermeidliche Konsequenz, in leichter Abwandlung eines Fassbinder Zitates also: „Hunger essen Angst auf.“!
Um den drohenden Bürgerkrieg im eigenen Lande zu vermeiden oder wenigstens herauszuschieben, waren zwischen nationale Kriege als letztes „Investitions- und Wachstumsprogramm“ historisch schon immer eine Option gewesen. Denn genauso wie die aus der Balance geratene innere Ressourcenverteilung den Bürgerkrieg im Schlepptau führt, so sind es die mit den aus den alten Fugen heraustretenden internationalen Macht- und Ressourcenverteilungen einhergehenden Kriege als Folge.
Das Machtspiel um Syrien zeigt die ganze Farce der Verhältnisse auf: Obwohl dort inzwischen schlimmere Bürgerkriegsverhältnisse als ehemals in Libyen herrschen, kann sich die „Weltgemeinschaft“ nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Das liegt vordergründig zur Zeit daran, dass sich vor allen Dingen Russland und China vehement gegen jede erfolgversprechende UN-Resolution stellen. Man könnte nun unvorsichtig annehmen, die beiden Mächte hätten eben keine moralischen Probleme mit den dort stattfindenden Massenmorden an Zivilisten, jedoch ist das bei weitem zu kurz gegriffen. Tatsächlich ist es nackte Machtpolitik um die zukünftigen Zugriffsmöglichkeiten auf den Nahen Osten und dessen überlebenswichtige Öl-Ressourcen. Mit der Zustimmung zu den Libyen-Sanktionen, die vom Westen mit ihrer Militäraktion gründlich überschritten wurden, hatte man den letzten gemeinsamen Schritt getan und dann schnell bereut. Das darf es aus der Sicht der neuen alten Weltmächte Russland und China nie mehr geben, man will nun keinen Centimeter mehr zurückweichen, sondern Macht und Einfluss in den Ressourcenländern vorantreiben.
So investiert China nicht nur im Nahen Osten sondern in Konkurrenz zu den USA auch massiv in Afrika und selbst schon im US-amerikanischen Hinterhof Lateinamerika. Und dazu hat China, und auch Russland, im Gegensatz zu den USA reichlich freie finanzielle Ressourcen, die nicht zuletzt aus der wirtschaftlichen Krise und der Überschuldung der US-Amerikaner stammen. Die USA andererseits haben alle Hände voll zu tun an den verschiedenen Fronten dieses kalten, ja eher lauwarmen, Krieges ihre Fronten wenigstens zu halten und den zunehmenden Einfluss des Ostens auf seine bislang unangefochtenen Ressourcen ein zu dämmen.
Und wer jetzt glaubt, der nahende Sieg der Revolution und der mögliche Abgang Assads wären vom blauen Himmel gefallen, der irrt. Natürlich haben alle Mächte in diesem Bürger- und Stellvertreterkrieg längst mit gemischt. So erhalten die aufständischen Waffen etwa über die arabische Liga unter Führung des westlichen Verbündeten Saudi-Arabien, die Türkei mischt an den gemeinsamen Grenzen mit, und China und Russland bringen ihre Waffen direkt oder über ihren Vasallen Iran ins Krisengebiet. Syrien steht in dem Risiko, zum letzten Glied in der Kette wirtschaftlicher und militärischer Auseinandersetzungen zu werden, die den Nahen Osten zum Brennpunkt einer neuerlichen Weltkatastrophe machen.
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Die Machtblöcke USA-Israel-NATO-EU einerseits und Russland-China-SOZ andererseits werden zwar erst versuchen weiterhin einen klassischen Stellvertreterkrieg im Nahen Osten zu führen. Die Türkei als Mittelmacht taktiert dazwischen noch hin und her, und hat obwohl schon NATO Mitglied auch einen Aufnahmeantrag bei der SOZ (China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan; Anwärter u.a.: Indien, Pakistan, Iran) eingereicht. Eine Eskalation ist keinesfalls ausgeschlossen, bei der sich dann schon bald etwa US-Army und Rote-Armee direkt gegen überstehen würden, zumal gerade Israel an der Iranschraube mächtig dreht. Ein unmittelbares Aufeinandertreffen der beiden Machtblöcke würde nun unweigerlich zu einem heißen Weltkrieg führen, da z.B. die Bindung wesentlicher amerikanischer Kräfte im Nahen Osten der Chinesischen Expansion im Pazifikraum dann alle Optionen eröffnen würde.
Kriege zwischen den großen Mächten kennen kein wirkliches Ende, sondern nur mehr oder weniger große Pausen. Pausen, die wie das klassische „Augusteische Zeitalter“ etwa, von allgemeinem Wohlstand und relativer Freiheit von größeren Auseinandersetzungen gekennzeichnet sind.
Pausen, die etwa alle hundert Jahre ihr Ende finden: „Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen“, Platon (428 – 347 v.Chr.).