Freitag, 13. August 2010

2,2%: Chinesische Verhältnisse in BRD?

Das Statistische Bundesamt hat gerade ein Wachstum von 2,2% im zweiten Quartal 2010 berechnet. Würde das so weiter gehen dann kämen sagenhafte 9,1% Wachstum auf Jahresbasis zustande, quasi Verhältnisse wie in China zur Zeit auch bei uns. Scheinbar Grund genug für alle Gazetten wieder einmal das Ende der Talsohle und Aufschwung ohne Ende auszurufen. Nur, was ist davon tatsächlich zu halten? Zunächst mal ist der Wert natürlich sehr erfreulich und zumindest kurzfristig ist kaum mit größeren Industriepleiten und Entlassungswellen zu rechnen.

Allerdings wäre es naiv, jetzt das Ende aller Probleme auszurufen. Denn das mächtige Plus verdankt Deutschland erst einmal seiner außerordentlichen Stellung im Weltwirtschaftsgefüge. So ist die BRD neben China der Exportweltmeister und profitiert, weit mehr als andere Volkswirtschaften, von anziehender Industrienachfrage in den Schwellenländern, nicht zuletzt beim direkten Konkurrenten China. Die BRD ist zudem von den alten Big-Playern der klar am besten aufgestellte Mitspieler, weit besser als USA, Japan und der Rest der EU, von Britannien ganz zu schweigen. Wir sind also der alte Hecht im Karpfenteich, wenn gleich auch die Junghechte aus den Schwellenländern langsam bedrohliche Größe erreichen.

Trotzdem: Der Karpfenteich ist weiterhin völlig überdüngt und die Anzahl der Fressfische bedenklich geschrumpft. Der deutlich überproportionale Ausschlag des deutschen BIP in den letzten drei Monaten wird mit Sicherheit nicht zum Dauerereignis der kommenden Jahre, er passt aber in die Reihe der erratischen Ausschläge der Börsen, Rohstoffen und Edelmetallpreisen. So stieg der Dax ab März von etwa 5500 auf mehr als 6200 im April (+13%) um im Mai dann wieder auf etwa 5650 zu fallen (-10%) und flugs bis August wieder auf bis zu 6350 zu steigen (+12%). Das Brent Crude Rohöl stieg im etwa gleichen Rhythmus von 70 auf 88,8 USD pro Barrel (+27%), fiel wieder auf 70 (-21%) und stieg dann wieder auf 83 (+19%). Selbst der vergleichsweise stabile Währungsindikator Gold legte eine entsprechende Rally hin, vom Höchststand am 8.6. bei 1043 Euro/Unze sank es auf 889 am 28.7. (-14,8%) um dann wieder am 12.8. auf 945 (+6,3%), Tendenz steigend, zu klettern. Dito selbstverständlich die Dollar zu Eurorelation.

Das sind alles Anzeichen von größter Marktnervösität, und selbst die ominösen 2,2% sind mehr Symptom der Krise als ein Zeichen der aufgehenden Sonne. Glücklicherweise aber können wir in Deutschland auf vergleichsweise hohem Niveau jammern und wir werden auch zu den letzten gehören, den die Hunde beißen. Aber, sie werden beißen.

Die BRD hat einen kräftigen Exportüberschuss, der Schub für die deutsche Industrie resultiert aus der Nachfrage und Konsum in den Schwellenländern, aber auch andernorts, so auch in Europa und den USA. Dementsprechend ist der Binnenkonsum bei uns nicht so tragend, während Länder mit einem Handelsdefizit, allen voran die USA, natürlich vom Binnenkonsum stark abhängig sind. Während das Hauptexportprodukt der Deutschen hochwertige, teils einzigartige, Industrieware ist, ist das Hauptexportprodukt der Amerikaner seit zwei Jahrzehnten Papier. Es sind schlichtweg Schulden. Und keineswegs im übertragenden Sinne, es sind tatsächlich US-Staatsanleihen, Bonds, Hypotheken und Zertifikate wie die von Lehman-Brothers, deren Kollaps die 2008er Finanz-Katastrophe befeuerte, und insbesondere von deutschen Kreditinstituten händeringend nachgefragt und gekauft wurden und immer noch werden, die die Handelsbilanz der immer noch weltweit größten Volkswirtschaft ausgleichen müssen und deren größtes und „wertvollstes“ Exportprodukt darstellen.

Und solche Schulden sind der Grund, warum sämtliche Aufschwünge der letzten 10 Jahre nicht beim deutschen Durchschnittsbürger und Konsumenten angekommen sind.
Auch der jetzige kleine Aufschwung wird es nicht. Das zusätzliche Geld fließt erstmal in Gewinne und von dort aus auf die Konten der Kapitalgeber und nicht in eine Runde von Lohnerhöhungen und Neueinstellungen, die nach Abzug der Steuer-, Gebühren und Abgabenerhöhungen zu einer größeren durchschnittlichen Kaufkraft führen würde. Seit 10 Jahren lassen sich die Gewerkschaften mit den immer gleichen Argumenten abspeisen, man hat Lohnzurückhaltung geübt, man hat steigende Abgaben auf sich genommen, Entlassungen hingenommen, die Arbeitszeit erhöht und vieles mehr. Immer mit dem Versprechen, dass das in absehbarer Zeit durch neue und besser bezahlte Arbeitsplätze, und durch Nachholen der Einkommen, wieder ausgeglichen würde. Geschehen ist das Gegenteil, immer mehr rechtssichere Volleinstellungen werden abgelöst durch immer mehr Teil- und Zeitarbeitsverträge, Outsourcing unter dem Existenzminimum, HartzIV-Aufstockung und die Verweigerung eines menschenwürdigen Mindestlohns.

In den nächsten Lohnrunden werden die gleichen Argumente wieder ziehen: Der „Aufschwung sei noch nicht stabil genug“ (was stimmt), der“ internationale Kostendruck durch Billiglohnanbieter sei zu groß“ (was auch stimmt), die „Rohstoffpreise steigend“ (was meistens auch stimmt) und die „drückenden Kapitalkosten“ keine großen Sprünge erlaubten (was im allgemeinen, außer für Vorstände und Banker, auch stimmt), und, immer wieder gerne genommen, „Die Lohnnebenkosten zu hoch wären“ (was auch stimmt) und deswegen statt dem Arbeitgeber nun überproportional den Arbeitnehmern ans Bein geklebt werden sollen. Garniert wird das Süppchen mit der Forderung des Institut der deutschen Wirtschaft für eine Ausweitung der Arbeitszeit bis zum 70. Lebensjahr. Was in der Praxis lediglich auf eine erhebliche Senkung der Rentenbezüge, und damit Senkung der Binnenkaufkraft, hinausläuft.

Freuen wir uns also über eine sommerliche Erholung, nicht nur am Strand, sondern auch an der Industriefront. Wie immer nach der Erholung, kommt dann aber die harte Arbeit zurück: So die Umschuldungsprobleme Europas, die Refinanzierung der EURO-Banken, der drohende China-Crash als GAU-Fall der Weltwirtschaft, die frisierten Bilanzzahlen der Amerikaner, die Wachstumsraten suggerieren, die gar nicht existieren, sondern eine Dauerkrise darstellen, die den US-Mittelstand als Konsummotor der Welt längst in aussichtslose Enge getrieben hat. Und die Immobilienblase ist weder in den USA vorbei, noch wird sie an China vorbeigehen. Und die Krise der Gewerbeimmobilien, nicht nur in den USA steht noch bevor. Da diese in den Boomjahren 2007 und 2008 meist mit nur 3 bis 5-jährigen Krediten aufgelegt wurden, beginnt diese noch größere Bombe ab 2011 in den Bankbilanzen zu glimmen.

Und die BRD? Die wird zu ihren eigenen Problemen und Verbindlichkeiten noch weitere hinzu bekommen, denn mit jedem kriselnden EURO-Land werden die Deutschen überproportional zur Kasse gebeten. Denn die selbst schwächelnden oder gar kollabierenden Partnerländer können (oder wollen) nicht die Kosten der noch kränkeren Nachbarn übernehmen. In absehbarer Zeit werden sich diese „Sondervermögen“ zu einem gewaltigen Paket ansammeln.

Denn, den Letzten beißen die Hunde.

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