Neue Einsichten beim Internationalen Währungsfonds: „...Von anderer, ebenfalls autoritativer Stelle wird die bisher
verfolgte Politik der Krisenbekämpfung durch scharfe Austerität
plötzlich hinterfragt. Das Eingeständnis des Internationalen
Währungsfonds (IMF), dass der in Prognosen verwendete Multiplikator
von Veränderungen der Staatsausgaben deutlich höher als bisher
angenommen ist, wird von einigen Marktkommentatoren als
aufsehenerregend – in der Formulierung von Steen Jacobsen von der
Saxo Bank sogar als die wichtigste Makro-Geschichte des Jahres –
bewertet. Beträgt der fiskalische Multiplikator nicht wie bisher
verwendet 0,5 – das heisst, bei einer Kürzung der Staatsausgaben
um 1% fällt das Bruttoinlandprodukt um 0,5% –, sondern bewegt er
sich in Wahrheit in einer Bandbreite von 0,9 bis 1,7, dann rücken
Austeritätsprogramme in ein neues Licht: Bei einem Multiplikator von
über 1 wird Austerität zur falschen Medizin, denn die Wirtschaft
schrumpft rascher als der Staatshaushalt, und die Schuldenproblematik
verschärft sich. Die Gefahr einer Abwärtsspirale haben zwar einige
Ökonomen und Marktkommentatoren häufig betont, aber Worte des IMF
haben grösseres Gewicht.“. Im Klartext: endlich hat man begriffen,
das staatliches Sparen nicht effektiv ist. Verwunderlich dass es so
lange dauerte das zu Begreifen, denn die Sache ist schließlich lange
bekannt und ökonomisch gesehen einigermaßen trivial (Beitrag
28. Januar 2010 und ff.). Und die ökonometrischen Messungen des IWF (engl.
IMF) zeigen, dass es sogar noch schlimmer kommt als die Annahme von
2010, wo man auf eben genau die gemessenen 0,9 also knapp 1 käme. Im
Schnitt sind es aber sogar 1,4 wegen diverser Nebeneffekte fehlender
staatlicher Ausgaben. Oder anders herum und etwas verkürzt
ausgedrückt: Wenn der Staat 1 Euro spart, dann verschuldet er sich
(i.d.R., es hängt noch vom spez. Kapitalkoeffizient und
Geschäftsbankenanteil ab, Details siehe MFT Seiten 135 ff.
) um effektiv 1,40 Euro.
Jetzt könnte man natürlich auf die
Idee kommen, der Staat müsse eben entsprechend das Gegenteil tun,
also mehr ausgeben. Das ist zwar durchaus nicht verkehrt, jedoch
ändert auch das nichts an der Schuldenspirale. Den Grund kann man im
„Netz der Spinne“ finden.
Denn zwar steigert die Zusatzausgaben des Staates automatisch das
BIP, allerdings ebenfalls(!) die Verschuldung, und zwar wiederum um
den Faktor von rund 1,4 da dass BIP eben auch zu knapp 140%
kreditiert ist. Das Ergebnis bzgl. der Gesamt-Verschuldung (engl.:
total debt owned to market) der Volkswirtschaft bleibt immer gleich.
Bis der Groschen fällt, dauert es aber ebenfalls noch einige Zeit.
Denn der einzige Ausweg aus der Krise
ist natürlich die effektive Vernichtung von Vermögen (geht auf unterschiedliche Art).
Immerhin dämmert das dem IWF auch schon „...In der Sicht von
Buchheit und Gulati ist die Containment-Politik der Euro-Staaten
gescheitert. Sie verweisen auf frühere Krisen, die zu
Restrukturierungen der Schulden geführt haben. Während der
Schuldenkrise lateinamerikanischer, asiatischer, afrikanischer und
osteuropäischer Staaten in den 1980er und frühen 1990er Jahren habe
das Rezept neben Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen auch eine
Restrukturierung bestehender Verpflichtungen enthalten. Die privaten
Gläubiger mussten wählen zwischen einer zeitlichen Verlängerung
ihrer Forderungen mit begrenzten Verlusten und einem «haircut» mit
entsprechend höheren Verlusten. Die mildeste Restrukturierung sei
das «reprofiling» mit verlängerten Laufzeiten. Der Zwang zur
Refinanzierung entfällt dann vorerst, und der Verlust der Gläubiger
(«net present value loss») bleibt begrenzt.“.
Na bitte, es geht doch. Wenn auch
Viertelpfennigsweise. Fragt sich allerdings, wie lange es dauert bis
die Erkenntnisse im Mainstream ankommen, und auch die Regierung(en)
begreift, das volkswirtschaftliche Schuldenabbau
durch staatliches Sparen unmöglich ist: „...Dies sei aber kein
Grund, den Schuldenabbau zu stoppen - im Gegenteil: Arbeitslosigkeit
sei "eine Folge unsolider Haushaltspolitik", sagte
Schäuble. Lagarde hatte sich am Donnerstag dafür
ausgesprochen, Griechenland bei seinen Sparprogrammen zwei Jahre mehr
Zeit zu geben, um seine Krise zu überwinden....““. Wie man sieht
ist man auf beiden Seiten noch nicht soweit. Denn staatliches Sparen
führt unmittelbar zu Arbeitslosigkeit, und längerer Aufschub ist
nur gewonnene Zeit, ohne irgendeinen Effekt auf die Zunahme der
Totalverschuldung.
Ziemlich lange dürften wir uns
allerdings noch gedulden müssen, bis der Mumps der westlichen Welt
kuriert wird, obwohl sich die Einsichten in die richtige Richtung
mehren: ,,...,Kritik an der offiziellen Schuldenpolitik äussert auch
George Magnus von der UBS. Er bezeichnet die überbordende
Notenbankliquidität als ansteckende Krankheit, als Mumps (most
unusual monetary policies). Sie löse keine Probleme, schädige
vielmehr die Wirtschaft, nicht zuletzt weil tiefe Zinsen die
Spartätigkeit bremsen. Statt bescheidener Wachstumsrhetorik seien
konkrete Schritte zur Verbesserung von Beschäftigung und
Erwerbsquoten in Schuldenländern notwendig.“
Einerseits wird zwar kritisiert, dass staatliches Sparen zu Arbeitslosigkeit führt, andererseits staatliche Neuverschuldung ebenfalls zu ausufernder Verschuldung führt.
AntwortenLöschenSo kommen wir nicht weiter. Der Staat sollte nicht einfach die Neuverschuldung ins Unermessliche treiben, nur damit die Arbeitslosigkeit eine Weile im Griff bleibt, bis das System dann doch wegen Überschuldung zusammen bricht.
Es fehlt eine Begrenzung anhäufbarer Geldansprüche.
Es fehlt auch eine Gegenkopplung zwischen Politik/Haushaltsbudget und Bevölkerung/Zahlungsverpflichtung für Staatsschulden.
So lange virtuell hochgebucht wird und man selber durch den Geldsegen des Staates profitiert, wert sich kaum einer in der Bevölkerung.
Wie wäre es damit, wenn der Staat nach einem Verteilungsschlüssel neuschulden, gleich auf die Konten seiner Bürger verteilt und somit diese jene Politiker wählen, die mit dem Geld sparsam umgehen, statt Wahlgeschenke zu verteilen und Seilschaften zu bedienen?
Und wie wäre es mit mehr Basisdemokratie, wo die Bevölkerung über größere Ausgaben abstimmt?
Zitat "Es fehlt eine Begrenzung anhäufbarer Geldansprüche." Genau so ist es, allerdings genauer gesagt "...anhäufbarer BIP-Ansprüche". Denn Geld stellt einen staatlich verbürgten Anspruch auf aktuell erzeugtes BIP dar. Gibt es davon deutlcih zuviel, dann verliert der Schaffende praktisch den Anspruch auf den Erfolg seines eigenen Schaffens.
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