Dienstag, 13. November 2012

Tandemvipera Herbstbösachten 2012

Das traditionelle Tandemvipera Herbstbösachten kommt 2012 wegen der US-Wahl etwas verspätet, aber noch ist der Winter ja nicht da.Was das fast vergangene Jahr angeht, so ergibt sich bereinigt etwa ein mageres Plus von 0,8% der Wirtschaftsleistung nach den letzten Berechnungen des Ifo-Instituts. Das ist etwas weniger negativ als eigentlich zu erwarten war, was wiederum an der enormen Exportstärke der BRD auf Kosten vor allen Dingen der am Hungertuch nagenden Südeuropäer ging. Unter Blinden ist der Einäugige bekanntlich der König. Und wo die europäischen Konkurrenten schon am Boden liegen, da kann selbst ein humpelnder deutsche Michel leicht in die Bresche springen. Zumindest solange Dritte wie China noch nach deutschen Exportprodukten verlangen. Für den Euroraum sieht es entsprechend negativ aus: vermutlich dürften in der Endabrechnung insgesamt (inklusive Deutschlands) mit minus -0,5% zu rechnen sein. Sämtliche Wirtschaftsforschungsinstitute glauben trotzdem das mit dieser Euro-Rezession nun endlich die „Talsohle“ erreicht sei, und in 2013 wenigstens eine Festigung oder sogar der Beginn eines marginalen Aufschwungs erreicht würde. Dafür muss der Glaube herhalten, dass die nun mehr in die Bankenrettung investierten Billionenbeträge endlich auch in der Realwirtschaftich ankommen müssten.


Das wird natürlich nicht wirklich passieren, denn die langsam auch in Deutschland ankommende Krise wird deutsche Konsumausgaben, und damit einer der Motoren des EU-BIP's, zwangsläufig ins Stottern bringen. Zwar hat es in der BRD 2012 in einigen Branchen Lohnzuwächse gegeben, aber auf der Gegenseite auch eine Zunahme an Geringbeschäftigung. In der Summe der Lohnleistungen, und damit volkswirtschaftlich relevant, hat sich kaum etwas getan. Dazu passt auch die Rentendiskussion bei der man eine weitere Absenkung des Niveaus deutlich unter 50% inzwischen ohne Scham in den Mund nimmt, genauso wie man zehn Euro mehr mit dem Euphemismus „Lebensleistungsrente“ zu titulieren wagt. Die fällige Rentenerhöhung 2013 wird mit 1,0% deutlich unterhalb der Teuerungsrate ausfallen, im Effekt also eine Quasi-Kürzung sein. 

Alles „alternativlos“ versteht sich, denn schließlich benötigt man jährliche steigende Zusatzmilliarden um das obere 1% der Gesellschaft weiter bei Laune zu halten. Selbst im Steuerüberschußjahr sinkt somit die exorbitante Verschuldung des Staates um keinen Cent und auch der nächste Haushaltsentwurf sieht eine weitere Nettoneuverschuldung von etwas mehr als 17 Mrd. € vor. Das kann allerdings auch nur dann funktionieren, wenn „Die aktuellen Pläne zur Rückführung der Neuverschuldung setzen laut Engels [Präs. Bundesrechnungshof] voraus, dass die Konjunktur stabil bleibt, die Steuereinnahmen weiter steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Zinsen nicht anziehen. Sollten sich diese Annahmen nicht erfüllen, wären die Pläne gefährdet. Weitere Risiken resultierten aus den Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro. Zudem seien die Beschlüsse der Regierungskoalition noch nicht gänzlich finanziert.“. Eine „schwarze Null“ für den Haushalt, ob sinnig oder nicht, darf man sich jedenfalls abschminken. Aber einen guten Wahlkampfgag sollte sie schon abgeben können.

Ähnlich wie die US-Wahl in 2012 so manches lähmte, so wird die zweitwichtigste Wahl der westlichen Welt, nämlich die Bundestagswahl im Herbst 2013, das politische Leben in Europa fest im Griff haben. Die Taktik Merkels wird unzweifelhaft darauf zielen, die mittelfristig nicht zu vermeidenden Auswirkungen der Eurokrise auf die Masse der deutschen Wähler so klein wie möglich zu halten; wenigstens was die im Herbst dann noch nicht druckfähigen Statistiken angeht. Staatliches Sparen, zwar letztlich unsinnig aber nach den von Merkel und Schäuble ausgegebenen Linie für die Südländer zwangsläufig, soll keineswegs vor der Wahl beim Michel wirksam ankommen, und der aktuelle Haushaltsplan hat ja auch bewusst auf Sparpotenziale verzichtet. „Darin machen die Rechnungsprüfer zahlreiche Einsparvorschläge. Allein durch den Verzicht auf unsinnige Projekte, strengere Steuerprüfungen und weniger nachlässige Kontrollen bei der Verwendung von Mitteln in den Ländern seien Einnahmen von bis zu 1,5 Milliarden Euro möglich. Insgesamt seien die Einsparmöglichkeiten unabhängig von den aktuellen Empfehlungen um das Sechs- bis Siebenfache höher.“. Nun, warum sollte es in Berlin anders funktionieren als in Brüssel: Auch dort, wo die Einsparmöglichkeiten der gigantischen EU-Bürokratie nun wirklich gewaltig wären, redet man nur über Etaterhöhungen, sparen ach was, für wen denn - pfui. Nur die Briten haben erstmal kräftig in die Suppe gespuckt, und somit hängt der künftige EU-Haushalt erstmal in der Luft. Und auch der europäische Spaltpilz, denn nicht wenige haben den Briten angeraten, dann doch eben die EU zu verlassen. Nun, wir werden sehen, was Ende nächsten Jahres noch von der EU sicher steht und was bereits hinweg korrodiert sein wird.

Der Eiertanz um das längst schuldenpolitisch verlorene und bis auf die Knochen bankrotte Griechenland wird weitergehen. Kaum vorstellbar, dass die gelb-schwarze Regierung das Fass ohne Boden fallen lässt, wieder allen Beteuerungen, allen Daten und allem Raten zum Trotz. Lediglich die nominelle Niederschlagung der effektiven Belastung im Haushalt des Bundes wird man mit allen Mitteln über den Herbst hinauszuzögern versuchen. Aber was soll's. Die unmittelbare politische Konkurrenz ist nicht besonders ernst zu nehmen, denn schließlich steht Merkel bei alledem die Steinbrück-Steinmeier-SPD immer tapfer zur Seite und versuchen sich als eine bessere Kopie der Merkelisten zu empfehlen. Steinbrücks saftige Nebeneinkünfte sind zwar keineswegs sein alleiniges Problem sondern ein Problem der gesamten Spitzenpolitikerkaste, aber bei Sozialdemokraten stößt das dem Wähler bei weitem stärker auf, an als bei den Parteien, bei denen man sowieso nichts besseres erwartet. Gefahr droht ihr daher bestenfalls von den kleineren Parteien, insbesondere von denen, die zur Zeit noch kaum auf dem Radar hat. Aber bis dahin fließt noch einiges Wasser die Spree runter, und auch wenn es zur Zeit nicht im Entferntesten nach einer Abwahl Merkels aussieht, so mögen vielleicht die Ereignisse des nächsten Jahres, ja schon die des kommenden Winters, die Dinge auf den Kopf stellen.

Natürlich sind auch in 2013 die zwei Hauptthemen die weltweite Finanzkrise und der latent drohende Weltkrieg. Fangen wir mit der Finanzkrise an. Zwei kurzfristige Brennpunkte sind die USA und Griechenland, der Elefant und die Maus mit der gleichen Krankheit Was die beiden eint sind zu vorderst die Bilanzen, denn die einen sind so schlecht wie die anderen. Was sie auch noch eint, ist die Größe: Der eine ist so groß, das er gar nicht so einfach fallen kann, der andere dagegene ein so großes Problem für Andere, das er gar nicht so einfach fallen darf.

Finanzkrisen gibt es nicht, tatsächlich sind es immer nur Verteilungskrisen, die durch die sehr einseitige Verteilung der buntbedruckten Garantiescheinchen auf BIP erzeugt wird. Verteilungskrisen die sich auf brutalste Weise in Südeuropa offenbaren, wenn man öffentliche Kredite über Kredite aufhäuft um damit die notleidenden Bankkonten der Oberschichten aufzufüllen und der Durchschnittsbürger sparen und Verzicht üben muss bis nur noch Blut und kleine Knochen kommen.

Verteilungskrisen die notwendigerweise zu Gewalt führen müssen, wenn Worte nicht mehr gehört werden: Nimmst Du mir mein Brot, dann nimmst Du mir mein Leben! Worte, die bislang weder in Griechenland noch sonst wo so richtig ernst genommen werden.Die unterminierte Kaufkraft des Otto-Normal-Verbrauchers führt immer zunächst zur Deflation, die sinkende Nachfrage zu geringeren Preisen und Gewinnen, folglich der Verlust von Arbeitsplätzen und zu Kreditproblemen der Firmen, die Kreditprobleme wiederum zu öffentlichen Aufwendungen für die Banken, die erhöhten öffentlichen Aufwendungen zu höherer Steuerlast und geringeren Leistungen und Investitionen des Staates, was direkt wiederum zu weniger Kaufkraft des Otto-Normal-Verbrauchers als auch der Firmen führt, und schon beißt sich die Schlange wieder und wieder in den Schwanz. 

Der kommende Winter wird nicht nur in Griechenland zu ernsthaften humanitären Problemen führen und erneut die Frage auf die Straßen bringen, ob es wirklich so sinnvoll ist mit dem Geld der Kleinen die Großen zu füttern im naiven Glauben, dass diese dann so lieb sein werden im Sinne der Kleinen zu investieren; Irgendwann, irgendwo.Vielleicht wird im Wahljahr auch ein paar mehr Politikern klar, das Bankenrettung immer Schuldenrettung heißt: das man mit den „Griechenlandhilfen“ die nur ins Obergeschoss gingen bei 120% Staatsverschuldung anfing und als Erfolg nun 180% eingefahren hat? Vielleicht geht dem einen oder anderen Milchmädchen in Berlin vielleicht noch auf, dass selbst unter Vernachlässigung der negativen Kapital-BIP-Wechselwirkung, keine annehmbares Wachstum existieren kann, dass diese Misere beendet? Denn selbst bei nur 5% Verzinsung der Schrottanleihen bräuchte man Jahrzehntelang ein Wachstum von 5 * 1,8 = 9% jährlich um überhaupt nur auf gleichem Niveau zu bleiben, selbst bei 11% und ein bisschen Tilgung wäre man erst in 100 Jahren wieder im grünen Bereich. Ohne weiteren Schuldenschnitt, aber diesmal richtig gründlich, geht da nichts. Jeder weiss dass, keiner will's zugeben, und der Wähler soll es sowieso besser nicht wissen. Nicht so schnell jedenfalls.

Wann kommt nun die allerseits gefürchtete Inflation, die allerdings prinzipiell den Kapitaleignern mehr schaden würde als dem Michel auf der Straße? Letztere kann sehr schnell kommen, denn das überschüssige Kapital geht in Spekulation für die wenigen Dinge, die man sich im Allgemeinen nicht vom Munde absparen kann, wo also die Nachfrage nie sehr stark sinkt und sich die Gewinne kurzfristig erzwingen lassen: Nahrung, Energie, Wohnungen. Bei Fernseher und Autos sieht das natürlich anders, also deflationär, aus: LED-Fernseher bekommt man beim Händler inzwischen ins Kreuz geschmissen, wenn man die Ausgangstüre nicht richtig zu macht. Und die deutsche Autoindustrie beginnt inzwischen genauso zu zittern und mit Rabatten zu winken, wie die Französische schon länger. Selbst ein Daimler verkauft sich nicht mehr von selbst, alleine BMW hat noch gute Zahlen vorzuweisen. Wenn die Hauptabnehmer deutscher Luxusautos und Maschinenprodukten in China und USA nachlassen, dann ist der diesjährige Exportboom schnell vergessen. Und alle schwarze Nullen Makulatur.

Spekulationsgetriebene Inflation zeigt sich dagegen auch in der BRD bereits deutlich am Wohnungsmarkt: „Rips [Mieterbund] zufolge steuern Groß- und Universitätsstädte, in denen es bereits jetzt an preiswerten Wohnungen fehle, "auf eine mittlere Katastrophe zu". Die Verteuerung der Wohnkosten treffe nicht nur Einkommensschwache, Rentner und Studenten. "Auch normal- und sogar viele gutverdienende Haushalte können das nötige Geld kaum noch aufbringen.". Ein großes Problem sei außerdem die wachsende Altersarmut. "Wenn die Menschen künftig weniger Rente bekommen, aber immer höhere Wohnkosten zahlen müssen, dann ist das ein brandgefährlicher Zustand", sagte Rips. "Niemand sollte die soziale Sprengkraft unterschätzen"....Massive Kritik übte Rips an Verkäufen kommunaler Wohnungsbestände. "Immer mehr ausländische Investoren, die das schnelle Geld machen wollen, stürzen sich auf den deutschen Wohnungsmarkt." “. Inflation also wird man als erstes bei den Grundbedürfnissen spüren, Luxusgüter und Vermögenspreise folgen erst später, wenn die letzten Renditemöglichkeiten endgültig ausgeschöpft sind.

Verteilungskrisen sind auch die tieferen Ursachen aller Kriege und des Arabischen Frühlings im speziellen. Der fortwährende Kriegszustand im Nahen Osten wird uns in Atem halten, und obwohl uns mit Obama ein weniger wankelmütiger und sozialerer Caesar in Washington geschenkt wurde als es Romney gewesen wäre, so kann er sich aber doch nicht den politischen Zwangsläufigkeiten entziehen. Das Drama im Nahen Osten hat man nun lange genug ausgesessen, syrische Granaten landen inzwischen nicht nur im Libanon, Jordanien und der Türkei, sondern auch in Israel. Solche Liebesgrüße beantwortet Israel natürlich sofort http://nachrichten.rp-online.de/politik/israel-warnt-syrien-mit-schuessen-1.3065493 , und nicht nur im Nordosten, sondern auch noch im Südwesten http://www.focus.de/politik/ausland/weitere-eskalation-im-nahen-osten-gestoppt-aegypten-vermittelt-waffenruhe-zwischen-israel-und-hamas_aid_858418.html kommen unerwünschte Flugkörper über die Grenze geflogen.

Premier Netanjahu sieht Israel im finalen Überlebenskampf, meiner Meinung nach sieht er das so auch nicht ganz zu Unrecht. Mit seiner geplanten Wiederwahl im Januar dürfte er sich zum militärischen Handeln gezwungen sehen. Sein unerlässlicher Bündnispartner USA hat bislang allerdings nicht gerade damit geliebäugelt, sich in das Nahöstliche Massaker hinein ziehen zu lassen, und die Wiederwahl Obamas macht es Netanjahu auch nicht so leicht. Obendrein muss letzterer noch im Dezember zu einer Einigung mit den Republikanern über einen Sparhaushalt und/oder einer Erhöhung der Schuldenobergrenze kommen. Beim Streit um den US-Haushalt dürfte als Ergebnis vermutlich etwas anderes stehen als bisher, wo man einfach das benötigte Geld in beliebiger Höhe gedruckt hat. Alleine schon um den ungeliebten Obama in Schieflage bringen zu können, werden die Republikaner auf weitere Einschnitte ins soziale Netz drängen, während Obama eine schmerzhafte Kürzung des gigantischen Militärapparates als Joker ins Spiel bringen wird. Beides sind aber Einsparungen, die unmittelbar ins BIP schießen, jede „gesparte“ Milliarde führt unmittelbar zum Verlust von 20,.000 Arbeitsplätzen. Kommt man in Washington also zu ernstzunehmenden Sparbeschlüssen, so wird man eine US-Rezession erzeugen die auch ihre Wellen bis nach Europa und Berlin schlägt.

So oder so, die finanziellen Möglichkeiten der militärischen Weltmacht USA sind überstrapaziert und dieser Zustand wird sich mit den anstehenden Beschlüssen verschlimmern. Im Zweifelsfalle wird Netanjahu aber versuchen, die USA gegen ihren Willen in den Krieg hinein ziehen. Denn er kalkuliert ein, dass es sich die USA wohl nicht leisten können Israel und den Nahen Osten fallen zu lassen und diesen damit den Russen und Chinesen anheim zu geben. Wenn er sich da nur nicht täuscht. Wie sollten uns da an das Schicksal der DDR erinnern, ein gutes Jahr vor dem Zusammenbruch hätte kaum einer das Ende und die Wiedervereinigung so kurzfristig erwartet. Die damals noch existierende Ostblock-“Schutzmacht“ SU hätte den Kollaps verhindern können, indem sie militärische rechtzeitig reagiert und einfach an den West-Grenzen ihre Truppen zusammen gezogen hätte. Die damalige SU unter Gorbatschow war sich allerdings bewusst, dass sie eine solche Konfrontation mittelfristig nicht mehr hätte stemmen können, schließlich lag sie ökonomisch ebenfalls in den letzten Zügen. Ein Umstand der sie tatsächlich nur zwei Jahre länger als die DDR überleben ließ; ein Umstand den damals so aber erst recht niemand so kurzfristig vorher gesehen hätte. Für Israel sieht die existentielle Situation nicht besser aus, und genauso wie damals wollen es auch heute nur wenige sehen. Die Chancen auf einen multilateralen und für alle Seiten einigermaßen akzeptablen Frieden hat man schon vor Jahrzehnten verpasst. Und dieser Staat der eine westliche Insel in Arabien ist wie seiner Zeit Westberlin im Osten, der kann auf Dauer nur durch massive Gewalt oder deren glaubhafte Androhung gehalten werden. Lässt die Schutzmacht USA in Erkenntnis mittelfristiger Unmöglichkeit des Erfolges eines militärischen Engagements Israel fallen, wie weiland die SU die DDR, dann wird alles sehr schnell gehen. In wenigen Monaten, und ganz bestimmt nicht so unblutig wie im Falle der DDR.

Eine relative Unbekannte bleibt China, was seine Entwicklung in 2013 angeht. Klar ist, das in China große Probleme auf eine Lösung warten. Zur Zeit wird die Chinesische kommunistische Regierung umgestrickt, und was die neuen Köpfe an Ideen mitbringen ist noch ungewiss. Jedenfalls hat das chinesische Wachstum bereits nachgelassen, es liegt zwar noch deutlich höher als man in EURO-Land auch nur zu träumen wagte, aber China braucht schon 8% Wachstum um so lala über die Runden zu kommen, denn eine steigende Anzahl von bislang benachteiligten Bürgern müssen erst noch in den Produktions- und Wohlstandsprozess hinein geführt werden. Zudem gibt es seit langem eine Immobilienblase dort, von der nur klar ist, dass sie auch nicht ewig halten wird. Immer wieder, trotz Unterdrückung jeglicher Pressefreiheit,  treten massive Korruption der politischen und wirtschaftlichen Oberschicht an die Oberfläche und dies verträgt sich ganz und garnicht mit den Ansprüchen die ein Volk an eine Kommunistische Einheitspartei stellt. Der zeitweise eskalierende Streit mit Japan um einige kleine aber feine Inseln legt eine weitere Flanke offen: Die enorm gestiegenen Militärausgaben und Rüstungen des roten Drachens. Demokratiedefizit und junger Männerüberschuss einerseits und Hochrüstung andererseits verlangen als Ventil geradezu nach militärischen Abenteuern. Da bietet der Pazifik einen weiteren riesigen Spielplatz für Ambitionen und Reibereien mit dem schwächelnden Konkurrenten auf der gegenüberliegenden Seite des Teiches. Insbesondere falls es massiv im Nahen Osten knallen sollte und die USA engagiert ist, liegt der Pazific für China weit offen da.

Afrika lange totgesagt, erwacht langsam. Zumindest die Hälfte, die nicht so ganz tot ist. Ein höllischer Mix aus Gewalt, Krieg und Hunger einerseits, und traumhaften Zuwachsraten andererseits. Zumindest was die Träume von Investoren angeht, wer in afrikanische Mobilfunknetze investiert, kann auch schon mal mit 50% Rendite kalkulieren. Auch hier drängtsich China in den Vordergrund: “Während China eine jährliche Handelsbilanz mit Afrika von rund 170 Mrd. US-Dollar aufweist, sind es für die USA nur noch rund 88 Mrd. US-Dollar und für die EU noch weniger. Ein wichtiger Grund: Der Westen überwirft sich mit immer mehr Staaten ...“. Bevölkerungsmäßig wird Afrika wie kein anderer Kontinent bis zur Jahrhundertmitte eine wahre Bevölkerungsdetonation hinlegen: Nach UN-Schätzungen wird sie sich von zur Zeit knapp über eine Milliarde auf fast zweieinhalb Milliarden hochkatapultieren.

Das notwendige poitisch-ökonomische Kunststück besteht darin, die Verteilung des afrikanischen Reichtums auf breitere Schichten der Bevölkerung umzuleiten. Andernfalls haben wir mittel- bis langfristig mit nicht mehr beherrschbaren Flüchtlingsströmen aus Afrika zu rechnen. Die Klimaerwärmung tut das ihrige dazu, und eine drohende Festsetzung islamistischer Wahnsinniger in der Sahararegion ihr übriges. Das absehbare Malibenteuer wird uns daher in 2013 ebenfalls in Atem halten.

Als Fazit dürfen wir in 2013 also einen spannenden Wahlkampf erwarten, der die im nächsten Jahr fehlenden Fußball- und Olympiatermine sicherlich mühelos ersetzen kann. Die Finanzkrise wird auch Ende 2013 genauso wenig ausgestanden sein, wie in den Jahren zuvor es schon angekündigt wurde. Auch Ende 2013 werden, oh welches Wunder, sämtliche Schuldenstände weiter angewachsen sein. Dass man die Finanzkrise hüben wie drüben nur durch Verteilungsreformen beenden kann, also de facto nur durch (Bürger-)Kriege und/oder unparitätische Währunsgreformen, auf diese ökonomischen Einsichten werden wir noch etwas länger warten müssen: Bis dahin ist Schrecken ohne Ende angesagt, neben den immer gleiche Verdächtigen ist demnächst auch Frankreich im Focus. Das spannendste daneben wird leider der Krieg bzw. seine weitere Entwicklung sein: Im Nahen Osten, im Pacific und in Afrika, wo mittelfristig eine Konfrontation alter und neuer Weltmächte zu erwarten ist. Aber auch die Entwicklung in den bisher am meisten gebeutelten Südländern der EU, wo Bürgerproteste schnell in Bürgerkriegsähnliche Zustände ausarten können. Dazu bedarf es nur wenig mehr Wut, Mut und Hunger der unrechtmäßig in Beugehaft genommenen kleinen Leute.

Freitag, 2. November 2012

You shoot, we loot (anyway)!


Die Spannung neigt sich dem Höhepunkt zu: Am Dienstag dem 6. November geht’s für Obama um die Wurst. Seine Wiederwahl war bis vor kurzem noch sehr fraglich, denn die pro-Romney Stimmung machte sich unaufhaltsam in den Swing-States breit. Der Zyklon Sandy hat nun wenige Tage vor dem Ereignis neuen Schwung in die Entscheidung gebracht. Allerdings hat der Schwung des Sturmes auch so einiges offen gelegt, was in den USA so alles brach liegt.


Wie üblich wurde der Sturm als Jahrhundertsturm bezeichnet, in Anlehnung an Halloween auch als „Frankenstorm“. Nun, Stürme wie Sandy sind in den karibisch—amerikanischen Breiten zwar keine wirkliche Seltenheit, aber Jahrhundertstürme kommen nun schon alle paar Jahre wieder. Und deren Stärke nimmt tendenziell zu, denn ja wärmer das Wasser in der Entstehungsregion Karibik ist, desto mehr Energie kann so ein Monster aufnehmen. Und wenn so ein Zyklon dann weiter im Norden zwar bereits einiges an seiner Wucht verloren hat, so wird seine Zerstörungskraft jedoch begünstigt durch eine US-Infrastruktur, die zunehmend marode ist. Wenig gepflegte Dämme brechen und offen liegende Stromleitungen auf Holzmasten knicken um wie Streichhölzer und lassen Millionen ohne Strom und Versorgung zurück. „Ein 28 Jahre alter Polizist rettete sieben Menschen das Leben. Als das Wasser in der Sturmnacht in seinem Haus immer weiter stieg, schaffte er alle nach oben - der älteste ein fast 70-jähriger Mann, der jüngste sein 15 Monate alter Sohn. Ein letztes Mal tauchte der Polizist in den Keller und kam nicht mehr zurück. Manche Gegenden in New York sähen aus wie London oder Dresden nach den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg, beschrieb Bürgermeister Michael Bloomberg seine Stadt. Besonders schwer traf es Breezy Point, ein direkt am Atlantik gelegenes pittoreskes Viertel. Zuerst kamen die Fluten, dann das Feuer, wahrscheinlich ausgelöst durch Kurzschlüsse. Mehr als 80 Holzhäuser brannten nieder. Auch der südliche Teil Manhattans ist nachts wegen der Stromausfälle nach wie vor bis auf wenige Ausnahmen stockfinster.“. Katastrophen gebären tragische Helden, Verlierer und auch Gewinner.

So wie beim zweiten Wahlkampf Schröders das Oderhochwasser nach half, so hilft Sandy jetzt dem Verteidiger der Macht, aber auch tatkräftig der Bürger, Obama. „"Sandy" wurde so mächtig, weil der Atlantik in diesem Jahr ungewöhnlich warm ist; und der Golfstrom lieferte zusätzliche Energie. Außerdem bewegte sich der Sturm über eine außergewöhnlich lange Strecke über dem erwärmten Meer - vom Atlantik über die Karibik bis an die US-Ostküste. In dieser Zeit konnte "Sandy" viel Kraft tanken, der Riesenwirbel entstand.“. Etwas von dieser Macht sprang über, und selbst Republikanische Politiker sprangen auf die Seite des Demokraten Obama: So etwa der Ex-Republikaner und Multimillardär Bloomberg wechselte kurzfristig die Seite: „Unterdessen hat der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg wenige Tage nach den verheerenden Schäden durch den Supersturm "Sandy" die Wiederwahl von Präsident Barack Obama empfohlen. Obama habe die Führerschaft beim Thema Klimawandel inne, sagte Bloomberg am Donnerstag.“.


Sandy hat zweierlei Dinge, die in Vergessenheit geraten sind, dem Wähler wieder vor Augen geführt: Die Gefahren des Klimawandels, insbesondere des Anstiegs der Meeresspiegel, und die marode Infrastruktur des Landes. Stromausfälle, verheerend für jede Industrienation, sind in den USA schon an der Tagesordnung, Schlaglöcher in den Straßen und korrodierte Brücken der Normalzustand. Es ist wie in einem großen Mietshaus. Wenn die Mieter in den oberen Stockwerken es geschafft haben, weder Mieten noch Nebenkosten zu zahlen, so müssen diese auf die unteren Mieter abgewälzt werden. Die unten im Erdgeschoss sind aber bereits so arm, dass sie nichts zahlen können, und die Zeche landet überwiegend bei den mittleren Etagen. Die können und wollen jedoch auch nicht soviel zahlen wie nötig wäre, und somit fängt zuerst die Fassade an zu bröckeln, und schließlich bricht auch die innere Substanz weg, bis irgendwann die ersten Stützpfeiler einkrachen und das Gebäude kollabiert. Und wenn die effektiv zu schwache Hausverwaltung es nicht schafft, die Lasten gerecht zu verteilen und das dringend benötigte Geld für Renovierungen locker zu machen, dann wird die Lage langfristig hoffnungslos.

Und so hat Obama in seinen vier Jahren vom versprochenen „Change“ praktisch kaum etwas halten können. Nicht das er es nicht gewollt hätte, aber die Hausmacht liegt in den USA nun nicht beim Hausverwalter, sondern bei den Beziehern der oberen Etagen, den Banken und Großindustriellen. Und die haben noch jeden renitenten Hausverwalter glatt geschliffen. Und so liegt die besondre Leistung des Friedensnobelpreisträgers Obama auch weniger in dem was er getan oder versucht hat, als in dem, was er eben nicht getan hat. Er ist nicht dem Kriegsruf des Nahen Ostens gefolgt und hat immer versucht den Ball einigermaßen flach zu halten. Obwohl gerade ein Commander-in-Chief gerne wieder gewählt wird, ist er dieser Versuchung nicht erlegen. Statt dessen kann er nun den Kümmerer-in-Chief geben: „„Sandy“ könnte Barack Obama die zweite Amtszeit gerettet haben. Gemeinsam mit New Jerseys Gouverneur Chris Christie flog er über die ausradierten Küstenorte, tröstete Überlebende. Ein Foto könnte für Obama zum Turbo im Finale werden: Als „Kümmerer -in -Chief“ drückt er Geschäftsbesitzerin Donna Vazant fest an sich, ihr Gesicht ist schmerzverzerrt. „Wir werden euch hier nicht vergessen“, sagte er.“.


Nun, Kümmerer gibt es natürlich auch von der untersten Etage der Gesellschaft: „76 Todesopfer, verwüstete Stadtviertel, Straßen in Schutt und Asche, Millionen Haushalte ohne Strom. ….Und skrupellose Gangs nutzen das Chaos gnadenlos aus. In der größten Not kommen die Plünderer. „Als ich früh runter auf die Straße ging, sah ich sie überall aus den Geschäften rennen, mit vollgepackten Tüten in den Händen“, berichtet Roger McKinon aus Brooklyn. Vor allem auf Kleidung, Elektrogeräte, Fernseher haben es die Plünderer abgesehen. Sie räumen Shops, zerstörte und verlassene Häuser aus, brüsten sich damit sogar auf Twitter. „Schaut euch mal den Laptop an, den ich abgesahnt habe“, protzt etwa „Pax Et Capitalismus“ und postet ein Foto. Eddie Liu musste in Coney Island hilflos mit ansehen, wie eine ganze Meute Jugendlicher in seinen Waschsalon einbrach. „Sie zerschlugen die Scheiben, räumten die Kasse leer“, sagt Liu verzweifelt....Die Not ist auch am dritten Tag nach „Sandys“ Zerstörungszug groß: Noch immer sind sechs Millionen Amerikaner ohne Strom. Allein vier Millionen in den Staaten New York und New Jersey, wo die Menschen in der Nacht bei Kerzenschein in ihrer Wohnung frieren.“. „You loot, we shoot“ drohte ein Ladenbesitzer an seinen Barrikaden, und aus Sicht der zunehmend frustrierten und verwahrlosten Unterschicht wird es in absehbarer Zeit aber wahrscheinlich heißen „You shoot, we loot (anyway)“ (Ihr schießt, wir plündern trotzdem).

Nun, jedenfalls ich drücke Obama trotzdem alle Daumen. Trotz dem Fakt, dass die US-Hausverwaltung längst knapp unter den Penthousebewohnern residiert und wenig bewegen kann. Mit Obama sind die USA und auch Europa jedenfalls besser dran, als mit einem Penthousewart Romney in ganz eigener Sache auf Kosten der Stützpfeiler. Fraglich bleibt aber so oder so, wie lange die Fundamente des Westens noch halten. Denn nicht nur in Amerika gibt es allzu abhängige Hausverwaltungen.