Mittwoch, 19. Januar 2011

Den Bürge(n)(r) sollst du würgen: Der Haushalt NRW oder der Mythos Staatsverschuldung

Gestern titelte der Spiegel: „Es ist ein schwerer Schlag für die Minderheitsregierung in Düsseldorf: Das nordrhein-westfälische Verfassungsgericht hat den rot-grünen Nachtragshaushalt 2010 quasi außer Kraft gesetzt. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, denkbar sind sogar Neuwahlen.“. In der Erklärung des Gerichts heißt es: "Mit dieser ist der Landesregierung aufgegeben worden, bis zu einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 von einem Abschluss der Kassenbücher für das Haushaltsjahr 2010 abzusehen und bis dahin keine weiteren Kredite auf der Basis des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 aufzunehmen.".

Das Verfahren, dessen Ausgang noch unklar ist, wurde durch eine Anzeige der NRW Opposition von CDU und FDP gegen die amtierende Minderheitsregierung unter Frau Kraft, SPD, in Gang gesetzt. Der Anlass war die hohe Neuverschuldung die von bislang 6,6 Mrd. Euro (CDU/FDP) auf nun 8,4 Mrd. Euro (SPD/Grüne) klettern soll. Der Knackpunkt dabei ist, dass der NRW Finanzminister in den Haushalt auch Mittelrückstellungen verplante, die für zukünftig mutmaßlich anfallende Kosten der Bankenrettung, hier besonders der Landesbank WestLB, anfallen dürften. Von den 1,8 Mrd. Euro Kostensteigerung entfallen somit alleine 1,3 Mrd. Euro auf die von der CDU mitverursachten WestLB Pleite.

Das kann der Opposition nicht recht schmecken, da es in allen Haushalten bisher üblich war, in der Zukunft anfallende Kosten erst dann zu veranschlagen, wenn sie tatsächlich auf der Türschwelle stehen. Das hatte immer den Vorteil, dass die „Erblastfrage“ auf eine Zeit verschoben wurde, wo ihre Ursache längst nicht mehr aktuell war und somit leicht der dann jeweilig amtierenden Regierung angelastet werden konnte. Und die jeweils neuen Amtsträger konnten sich meist darauf verlassen, dass ein kräftiges Wirtschaftswachstum das implizierte Defizit schon mindern würde und man schließlich selber in Gelddingen nicht prinzipiell anders verfahren würde als die jeweiligen Vorgänger.


Nun, das klappt in Zukunft aber nicht mehr so richtig. So liegt unsere Staatsverschuldung zur Zeit bei offiziell „nur“ 1715 Mrd. Euro, was verschleiert das der Löwenanteil der Neuverschuldungen seit 2008 in sogenannten Sondervermögen geparkt ist, die erst mal nicht als Schulden bilanziert werden. Das vorläufige Urteil aus NRW hat nun zwei spannende Themen zur Folge:

Gib es Neuwahlen in NRW und damit die 10.te Wahl dieses Jahr? Eine Regierung ohne Haushalt ist normalerweise dazu gezwungen. Andererseits ist eine Neuwahl, nach den aktuellen Umfragen, für die klagende Opposition vermutlich ein heftiger Bumerang. Und so verhält man sich, trotz des ersten Erfolges, in der Opposition auch lieber auffallend ruhig.

Zweitens: Wie fällt die Entscheidung in der Hauptsache aus? Letztlich geht es um die Frage, ob ein solcher Haushalt, der zukünftige vermutete Kosten bereits einpreist, rechtmäßig ist. Wird auf „Nein“ entschieden, dann steht NRW ohne gültigen Haushalt da, na gut. Wenn aber auf „Ja“ entschieden wird, hieße das eventuell auch im direkten Umkehrschluss, dass praktisch alle Haushalte in der BRD unrechtens sind, da sie eben das naheliegende genau nicht tun. Möglich natürlich ist auch eine salomonische Entscheidung um den heißen Brei herum. Also, spannend.

Womit wir also wieder bei den Sondervermögen wären, in denen europaweit bis 2010 sagenhafte 4600 Mrd. Euro versenkt wurden. Die Behauptung ist dabei, dass wären ja alles nur Bürgschaften (Garantien) und nur wenig bereits definitiv versenktes Geld. Man könne das also nach Marktberuhigung wieder zu Geld, vielleicht sogar mit Gewinn unterm Strich, machen. Nur, das ist völlig illusorisch. Denn bei diesen ausgegliederten Assets handelt es sich praktisch ausschließlich um die schlechtesten der schlechten Derivate, und die lassen sich in einer Zeit, wo selbst sichere Assets wie Dollarstaatsanleihen bereits unsicher sind, nie mehr zu positivem Geld machen. Denn obwohl 4600 Mrd., die Summe der schlechtesten Assets, deren öffentliche Bürgschaft selbst das vereinte Europa an den Rand des Ruins bringen wird, so sind es doch gerade einmal 14,3 % von knapp 32.000 Mrd. Euro der EU-Bankbilanzen. Und faul sind noch viel mehr, und dieser Anteil schon so gut wie verloren. Plus das, was demnächst noch dazu kommt, denn faul sind in Wahrheit längerfristig an die 50%.

Nun, unter Bankern gilt der geflügelte Spruch „Den Bürgen sollst du würgen“. Durch die Übernahme dieser privaten Schulden in öffentliche Schulden gilt also ab nun „Den Bürger sollst du würgen“, wenn es um die Rückzahlung all dieser Asset-Vermögen geht. Überhaupt ist der Kapitalwirtschaft ein unglaublicher Coup geglückt: Alle Welt redet über ausufernde Staatsverschuldung, als wenn dass das alles verursachende Problem wäre, und nicht über das Ausmaß der privaten Verschuldung, die bei weitem größer ist. So ist in der BRD der Anteil der Staatsverschuldung am BIP zwar rund 70%, was kaum die halbe Wahrheit ist aber schon bedrohlich klingt und ist. Gemessen an der Gesamtverschuldung sämtlicher Haushalte von zur Zeit rund 7585 Mrd. Euro sind es aber nur rund 22,6%. Die restlichen 77,4 % dagegen sind privat.

Zeit also, sich dem Mythos Staatsverschuldung mathematisch anzunehmen. In zweiten Graphik habe ich zunächst einmal die offiziellen Zahlen für Staatsverschuldung, BIP und Aktiva der deutschen Banken ins Verhältnis gesetzt.


Da sehen wir zunächst etwas überraschendes: Obwohl die Staatsverschuldung (erste Graphik oben) in den letzten Jahrzehnten dramatisch zu genommen hat, ist ihr langfristiges Verhältnis bzgl. der Gesamtschulden nahezu konstant geblieben: Seit 1960 liegt sie bei durchschnittlich 21,5% der bundesdeutschen Aktiva. Davor waren es dagegen bis zu 70%, genau konträr zum in der Öffentlichkeit diskuttierten Wert im Verhältnis zum BIP: Das lag von 1950 bis 1960 immer um obige 20% und stieg danach auf den heutigen Wert von rund 70%. In der Zeit von 1960 bis 1975 sehen wir zudem, dass sich die Verhältniszahlen zu Aktiva und zu BIP kaum unterscheiden.

Seit den 60er Jahren hat sich also keineswegs die Staatsverschuldung exorbitant erhöht, sondern sie bleib bei einem konstanten Anteil der gesamtem Kapitalaktivität der Volkswirtschaft von rund 21,5 %. Nun betrachten wir die Abweichungen von diesem Mittelwert etwas näher:


Wir sehen in den Wirtschaftswunderjahern 1950 bis 1960 ein stark erhöhte Investitionsquote des Staates. Dies ist verständlich, denn der Aufbau nach der Stunde Null benötigte weit mehr Kapital, als es der private Sektor alleine hätte bewältigen können. Danach aber blieb diese Investitionsquote nahezu konstant, lediglich die Zeit der Kohlregierung ragt ein wenig heraus, da sie den Kapitaleinsatz des Staates um bis zu 8%-Punkte gegenüber dem Mittelwert steigerte, was vor allen Dingen mit der Eingliederung der ehemaligen DDR einhergeht.


Da steckt also System dahinter, so sehen wir auch, dass am Anfang der Wirtschaft eine hohe Investitionsquote des Staates im Verhältnis zur Gesamtverschuldung zu einer konstanten oder sogar sinkenden(!) Verschuldung im Verhältnis zum BIP führt, also sogar gegenläufig ist. Nach dem Wechsel in den 60er Jahre aber verhält es sich umgekehrt, steigt die Verschuldung bezüglich der Gesamtverschuldung, dann steigt sie auch bezüglich des BIP, ist also mitläufig. Es findet Mitte der 60er-Jahre offensichtlich ein Übergang zwischen einer BIP-dominierten und Kapital-dominierten Volkswirtschaft statt.


Nimmt man nun als relevante Größe bis zum Phasenwechsel das BIP, und danach die Vermögen, so kommt man zu obigem Bild: Der Kapitaleinsatz des Staates bleibt über den gesamten Zeitraum der Volkswirtschaft von 1950 bis 2010 bei erstaunlich niedrigen 21,1% im langfristigen Durchschnitt.


In der nächsten Graphik sind nun die Staatsschulden mit genau diesem Mittelwert von 21,1% linear skaliert worden. Wie wir sehen, verläuft die Staatsverschuldung in den letzten Jahrzehnten also absolut parallel mit der privaten Verschuldung. Von einem überbordenden Kapitaleinsatzes des Staates, und somit Staatsverschuldung, kann angesichts dieser Realzahlen also beim besten Willen keine Rede sein.

Der Staat macht also nichts anderes als jeder Privatier auch, da sind nur marginale Unterschiede erkennbar. So ist sein Betrieb, die BRD, sogar vorbildlich finanziert, am Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital hat sich langfristig nichts geändert.


In der letzten Graphik sehen wir des Pudels Kern. Denn genau im Jahre 1967 überschritt das Aktiva zu BIP-Verhältnis nach amtlichen Zahlen den Wert 1 (untere violette Linie). Die Darstellung ist hier logarithmisch gewählt, da sonst wegen des exponentiellen Anstiegs der langfristigen Werte das Verhalten am Beginn der Entwicklung kaum sichtbar wäre. Die Staatsverschuldung (gelbe Linie absolut, blaue Linie mit 21,1% skaliert) läuft, wie man deutlich sieht, zunächst parallel der Entwicklung der Produktion (grüne Linie), und nach dem Phasenwechsel dann parallel zu den Vermögen (rote Linie).

Zusammen fassend darf man sagen:

Von einer ausufernden Staatsverschuldung kann keine Rede sein. Im Gegenteil ist die BRD seit Beginn solide bewirtschaftet worden mit einem konstanten Kapitaleinsatz von etwa 21,1 % der jeweils relevanten Ressource.

Entgegen besseren Wissens (genauer: entgegen besserer Zahlen der Bundesbank, die man nicht verstanden hat) haben alle Regierungen super solide wie eine gut geführte Aktiengesellschaft gewirtschaftet. Die demokratische Kontrolle hatte bislang sogar so gut funktioniert, dass der Eigenkapitaleinsatz immer konstant geblieben ist und nur hier und da unwesentlich vom Mittelwert abwich.

Die Krise der Staatsfinanzen ist auch nur eine Krise des Geldsystems als ganzes wegen dem dem System inne wohnenden Zinseszinseffekts. Dies wirkt in etwa so, als wenn die externen Aktionäre (die Kapitalbesitzer) ständig Kapitalerhöhungen des Betriebes vornehmen, die den Wert der Stammaktien (der Schaffenden) zunehmend unterminieren.

Nun haben der Staat, aber auch die Mehrzahl der Bürger und die Journalisten der Mainstreammedien, sich allerdings dumm schwätzen lassen und in den vergangenen zwei Jahren gigantische private Schulden verbürgt und in Sondervermögen geparkt, die demnächst die solide Quote von 21,1% gewaltig in die Höhe treiben wird. Was notwendig wäre, wäre eine Neuausgabe von Aktien, die wieder einer gerechten Verteilung entsprächen.

Wenn andernfalls die Stammaktienbesitzer reihenweise von der Stange gehen, braucht sich sonst niemand zu wundern.

Samstag, 15. Januar 2011

QVO VADIS BRD? Die Wahlen 2011


In diesem Jahr haben die Wähler neun mal das Wort. In allen Parteizentralen herrscht darob Hektik, Hoffnung und Panik. Die Systemkrise hat seit Ende 2007 die deutsche und europäische Verschuldung, privat und vor allen Dingen öffentlich, in absurde Höhen getrieben. Bis Ende letzten Jahr wurden in Europa fast 4600 Mrd. Euro an Hilfen und Bürgschaften für Finanzinstitute und EU-Mitgliedsländer ausgesprochen. „"Die Finanzkrise hat die Mitgliedstaaten veranlasst, gewaltige Summen bereitzustellen, um die Finanzstabilität aufrechtzuerhalten", sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Mittwoch in Brüssel. Zwischen Oktober 2008 und Oktober 2010 genehmigte die EU Angaben Hilfen der 27 Mitgliedstaaten für den Finanzsektor im Umfang von insgesamt 4589 Milliarden Euro.“. Verpflichtungen, die irgendwann vom Wähler eingelöst werden müssen. Verpflichtungen die immer noch nicht ausreichen und in Kürze auf praktisch unbegrenzte Höhen ausgeweitet werden sollen. Und, daran zweifelt kaum ein Investor und relevanter Ökonom, über kurz oder lang beim stärksten Eu-Partner in Berlin einschlagen werden.

Das ganze Desaster soll nun von der Koalition dem Wähler als Erfolg verkauft werden, während SPD und Grüne, angesichts der ökonomisch und politisch aussichtslosen Situation und der noch nicht lange zurück liegenden Eigenbeteiligung daran, mit vergleichsweise moderaten Tönen und nicht viel besseren „Lösungsideen“ auf Wählerfang gehen. Bleiben noch die Ausleger ganz links und ganz rechts, die aus dieser traurigen Konstellation nun politisches Kapital schlagen können und sicher auch werden.

Das Internet bietet dem Meinungshungrigen heute jede Menge Quellen, auch abseits des Mainstreams. Nicht jede Quelle ist gut, man muss sich dabei schon eine gewisse Medienkompetenz erarbeiten um zwischen Gold und Müll unterscheiden zu können. Der Wähler muss sich auch abseits der Mainstream-Medien um seine Information und Meinungsbildung kümmern. Ab und an ein bisschen Polit-Talkshows im abendlichen TV und ein Boulevardblatt beim morgendlichen Gang aufs Klo, dass reicht vorne und hinten nicht. Es ist lediglich eine Garantie für Meinungsmanipulationen durch die gesellschaftlich stärksten Gruppen.

In Bezug auf die anstehenden Wahlen sollte man aber eine Quelle nicht vernachlässigen: Die offiziellen Parteiprogramme der deutschen Parteienlandschaft. Auch wenn das zunächst mal Papiere in eigener Sache sind, was denn sonst, so zeigen sie jedoch deutlich, auf welche Ideen und Absichten sich die Politiker der jeweiligen Seite eingeschworen haben. Und diese zentralen Papiere kann man sehr gut vergleichen, und sie ermöglichen die Parteien beim, sprichwörtlichen, Wort zu nehmen.

Was allerdings allen Parteiprogrammen anhängt, ist die enorme Ansammlung von Platitüden, unkonkreten Allgemeinplätzen und Verbalnebeln aller Art. Insbesondere wenn es um die, hier in diesem Blog zentrale, Frage der Finanzen geht. Eine, an und für sich einfache, mathematische Analyse der vertrackten Situation findet man selbstverständlich nirgends. Nicht umsonst gilt bei Autoren populärwissenschaftlicher Bücher der Grundsatz, dass jede im Text enthaltende Formel den Verkaufserfolg der Publikation auf die Hälfte reduziert.

Entsprechend wenig darf man sich von der tieferen Qualität der Parteiprogramme, und von denen die sich Ihnen verpflichtet fühlen und sind, erwarten. Nur als Beispiel die Diskussion um den „Schuldenabbau“ der EU-Länder. Der Begriff wird teils ahnungslos, teils vorsätzlich, verwendet um den Bürger den wahren Gehalt der aktuellen Maßnahmen zu vernebeln. Es geht nämlich bei allen Aktionen definitiv nicht um einen Abbau der Staatsverschuldungen, sondern lediglich um einen Abbau der staatlichen Neuverschuldung, die z.Z. nirgends mehr den EU-Genzwert von 3% jährlich unterschreitet. Und selbst wenn man, diesen für die EU insgesamt illusorischen, Wert zum Preise einer de facto wirtschaftlichen Drangsalierung der schaffenden (Wahl-)Bevölkerung wieder erreichen würde, es würde an dem mit der Zeit exponentiellen Schuldenwachstum nichts ändern. Lediglich die Geschwindigkeit der Zunahme würde etwas verringert.

Ausweislich der Parteiprogramme gehen daher alle Parteien der Mitte dem eigentlichen Kernproblem, nämlich der in unserem Geldsystem völligen Identität von Schulden und Vermögen, konsequent aus dem Weg. Denn volkswirtschaftlicher Schuldenabbau ist ebenso identisch mit Vermögensabbau, sei es nun relativ (Inflation) oder absolut (Währungsreform), da beißt die Maus halt keinen Faden ab. An der Stelle möchte ich schon mal einflechten, dass es noch einen dritten Weg zwischen den beiden Extrema gibt: Eine konsequente Lohn- und Einkommenspolitik, die eine massive(!) Erhöhung der Löhne der Durchschnittskonsumenten bewirkt. Denn das würde automatisch zu einem deutlichen Anzug der Preise, und damit einer relativen Erhöhung des BIP im Verhältnis zu den Vermögen und Schulden, führen. Und hätte den politischen Vorteil, dass man nominell niemanden wirklich etwas wegnehmen müsste. Allerdings ist man sich über die Seiteneffekte einer solchen Politik nicht im klaren und die Furcht vor dem Aufstand der Wirtschafts- und der Finanzlobbyisten ist bei weitem größer als die Angst, oder Verachtung, vor der Wut des Wählers.

Was man z.Z. aber tatsächlich macht, ist dagegen der vierte Weg: So weiter machen wie bisher um jeden Preis, koste es was es wolle. Um den Preis, dass die alte Welt mittelfristig ins Chaos driftet, und schließlich eine „Demokratie ohne Demokraten“, genauso wie in den 20er-Jahren in eine endliche Diktatur verwandelt wird. Das mag im Moment noch nach maßlos übertriebenem Pessimismus klingen, es ist aber die Erfahrung der Geschichte und deutet sich schon lange im Konkreten an. Sei es in den USA, die einem Bürgerkrieg so nahe steht wie zuletzt 1860, oder in kleinen Ländern wie Tunesien, wo es gerade richtig rund geht. Auch in der EU ist die eigentliche Zerreißprobe noch in den Startlöchern und wird dieses Jahr noch manch einen, vorläufigen, Höhepunkt erreichen. Die drei verbrannten Bankangestellten in Athen im letzten Jahr mögen uns weiterhin mahnen. Eine Ende ist nicht in Sicht.

Insbesondere die etablierten Parteien pflegen ihre Programme auf ihren Portalen geradezu zu verstecken. Als erstes sieht man in aller Regel maßlose Werbung für die erzielten „Erfolge“ der letzten Jahre. Um nicht im Belanglosen völlig stecken zu bleiben, habe ich für den interessierten Bürger einmal die aktuellen Links zusammen gestellt, wir wandern mal wieder von Rechts nach Links durch die politische Landschaft. Zu den Parteien geselle ich meine Kommentare, die Sie natürlich nicht so stehen lassen müssen, denn Sie können Ihre eigenen Meinungen dazu gerne mittels der Kommentarfunktion hier öffentlich machen.

Die Linke und Rechte stelle ich hinten an, zunächst mal die Parteien der Mitte:

Die FDP

Zwar weist die deutsche „Mittelstandspartei“ eine Reihe von, in der Tat beachtlichen, Vorstellungen in ihrem Programm aus. Nun, gut gemeint ist allerdings nicht unbedingt gut gemacht.

Denn die ins Auge gefassten Rezepte sind noch alle dem typisch neoliberalen Denken der (Nach-)Reagan-Zeit verhaftet. Das passende Programm dazu finden sie hier (Links einfach anklicken)

Der wesentliche Tenor findet sich schon in der Präambel. „....Wir Liberale vertrauen auf die Leistungsbereitschaft der Menschen und auf einen Staat, der seine Stärke aus der Beschränkung auf seine hoheitlichen Aufgaben schöpft. Wir wenden uns an alle mündigen und verantwortungsbereiten Bürgerinnen und Bürger. Sie erkennen selbst, was getan werden muss und brauchen dafür keine bevormundende Staatsbürokratie.“.

Man möchte sich ergo wohl am liebsten unsichtbar machen, der Markt und der Bürger sollen alles selber regeln. Man könnte diesen Marktliberalismus, dessen gröbster Auswuchs schließlich in der aktuellen debt-crisis mündete, fast schon als Aufruf zur Anarchie missverstehen. Wozu denn da eigentlich noch Parteien und Parlamente, wenn Markt und Bürger alles selber richten können? Warum die FDP Milliardentransfers vom Bürger zu den maroden Banken als „hoheitliche Aufgabe“ ansehen, darauf bleibt das Programm allerdings eine Antwort schuldig.

Die CSU

Auf dem Portal der Bayern findet man kein wirkliches Programm. Man fragt sich zunächst, ob hier jemand planlos agiert?

Unter diesem Portal-Link findet man im wesentlichen Werbeaussagen und Platitüden, so unter dem Reiter Finanzpolitik „Finanzen: Nachhaltig handeln heißt, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und nicht zu verzehren. ... Das gilt insbesondere auch für die Finanz- und Haushaltspolitik. Kurs stabil, Investitionen hoch, mit voller Kraft für Wachstum und Beschäftigung - trotz der Belastungen aus der Finanzmarktkrise gilt für Bayerns Staatsfinanzen: Die für unsere Zukunft entscheidenden Investitionen vom Ausbau der Kinderbetreuung über Bildung bis hin zu Forschung und Infrastruktur werden ohne Abstriche durchgeführt...“

Ansonsten darf man sich durch die vielen Werbebotschaften kämpfen, um vielleicht das eine oder andere Gehaltvolle zu extrahieren. Ansonsten wird man erst mit Google fündig. Das Parteiprogramm finden wir gut versteckt im 8.ten (!) Unterordner der Portalhierarchie.

Sagenhafte 197 Seiten bringt dieses auf die Reihe, und übertrifft in diesem Umfang sogar die Grünen, die ebenfalls auf unglaubliche 190 Seiten kommen. Alle anderen Parteien liegen da um Längen zurück. Entweder leben die CSU und die Grünen in einer anderen Welt, oder die anderen Parteien haben mehr als die Hälfte der politischen Welt übersehen?

Vielleicht liegt es auch nur daran, dass die Finanzkrise nirgends wirklich darin vorkommt. Seite 18 lesen wir: „...Die mangelnden Chancen für viele Menschen in Deutschland sind nicht primär eine Konsequenz der Globalisierung, sondern Folge von politischen Fehlsteuerungen....“. Aha.

An Selbstbewusstsein mangelt es demnach nicht. Seite 32 lesen wir: „Die Völker der Welt haben sich vertraglich zur nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Die CSU verfolgt dieses Ziel in Bayern, in Deutschland und auf internationaler Ebene“.

Einer für Alle, Alle für Einen. Seehofer, der d’Artagnan der BRD.

Die CDU

Bei der großen Unionsschwester findet man immerhin den Koalitionsvertrag als wichtigstes Element. Lesenswert der Absatz 1.2 „Der Weg aus der Krise“: „...Um schnell und effektiv Wachstumshemmnisse zu beseitigen, werden wir unverzüglich mit einem Sofortprogramm zum 1. Januar 2010 beginnen. Die Verlust- und Zinsabzugsbeschränkungen sowohl für international aufgestellte Konzerne als auch für mittelständische Unternehmen werden entschärft. Zu diesem Zweck werden wir:.....“ , und dann folgt eine Reihe von Erleichterungen für Firmenhändler etc. pp., aber keine einzige Idee zum Thema Durchschnittsbürger. Aus dem Programmpunkt erklärt der Wortfetzen „Die Verlust- und Zinsabzugsbeschränkungen..für international aufgestellte Konzerne...werden entschärft“ da deutlich, warum man so tatenlos zusieht, wenn so wirtschaftlich gesunde Konzerne wie Honsel und jetzt HochTief an ausländische Schuldenjongleure vertitscht werden. Zumindest mangelnde Konsequenz darf man der CDU also nicht vorwerfen.

Für weitere Sinnstiftung mag das platitüde Zukunftskonzept der Partei dienen. Auf Seite 4 erfahren wir, dass alles wieder in Bester Ordnung ist: „..Die CDU ist gewählt worden, um Deutschland klug aus der seit 60 Jahren schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise zu führen. In einer eindrucksvollen Gemeinschaftsleistung wurde dies erreicht.“.

Na, dann können wir ja beruhigt wählen gehen.



Die SPD

Wie keine andere Partei rudert die SPD Kurs suchend durch die Landschaft. Immerhin muss man nicht so lange nach dem Grundsatzprogramm der „Programmpartei“ suchen. So titelt die SPD in eigener Sache: „Programmpartei: In diesem Begriff bündelt sich der besondere politische Anspruch der SPD. Die Sozialdemokratie wollte in ihrer langen Geschichte stets mehr sein als ein Kanzlerwahlverein.“. Klassisch mag das stimmen, allerdings hat in der Steinmeier-SPD wohl jeder ein anderes der vielen Programme gelesen. Was macht ein Achter ohne Steuermann und mit acht Rudern, je eines für eine beliebige Richtung?

Immerhin wagt das für die SPD relevante Hamburger Parteiprogramm schon eines der Kernprobleme anzusprechen: „...An der Finanzierung der staatlichen Aufgaben müssen sich Unternehmen und Privathaushalte entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit beteiligen. Das bedeutet: Wir bekennen uns zur bewährten progressiven Einkommensteuer. Wir wollen eine gerechte Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften....“

Schaunmermal, wieviel Ruder an dem Achter noch brechen und ob sich doch noch ein Steuermann findet.

Die GRÜNEN

Um Diskussionkultur sind die Grünen noch nie verlegen gewesen: So bringt es ihr Parteiprogramm auf sagenhafte 190 Seiten. Ergänzt um das 115 Seiten starke, und wegen „Stuttgart 21“ so wichtige, Wahlprogramm in Baden-Württemberg kommen wir also auf 305 Seiten mehr oder weniger weltbewegender Information.

Seite 45 lesen wir die Lösungsansätze der Floristen: „Wir stehen für die ökologische Modernisierung der Wirtschaft. Ökologie eröffnet ein wichtiges Wachstumsfeld....Ökologisches Wirtschaften schafft neue Arbeitsplätze. Die grüne Strategie der Nachhaltigkeit beschreibt damit ein ökonomisches Erfolgsmodell.“.

Klingt nach FDP light, grün lackiert für die Lobbyisten der Umweltindustrie. Na denn: Gut Spaten, der Gärtner kommt!


Die Rechte und Linke Seite des politischen Spektrums kommen als „last but not least“:


Die LINKE

Die Linke weiß bekanntlich noch nicht so genau wo hin sie soll, und hat daher ein Parteiprogramm für 2011 angekündigt und bislang nur im Entwurf vorliegen. Da kann sich also noch das eine oder andere ändern. Ob die Fahrt weiter nach links oder ab in die bürgerliche Mitte, im Kielwasser der schon stromlinig angepassten Grünen gehen soll, dass lässt sich noch nicht sicher sagen.

Immerhin ist der Entwurf ohne langes Suchen auffindbar und mit 25 Seiten auch ganz übersichtlich: „...DIE LINKE kämpft für eine andere, demokratische Wirtschaftsordnung, die die Marktsteuerung von Produktion und Verteilung der demokratischen, sozialen und ökologischen Rahmensetzung und Kontrolle unterordnet. Sie muss dazu auf öffentlichem und demokratisch kontrolliertem Eigentum in der Daseinsvorsorge, an der gesellschaftlichen Infrastruktur, in der Energiewirtschaft und im Finanzsektor sowie der demokratischen Vergesellschaftung weiterer strukturbestimmender Bereiche auf der Grundlage von staatlichem, kommunalem, genossenschaftlichem oder Belegschaftseigentum beruhen und den privatwirtschaftlichen Sektor strikter Wettbewerbskontrolle unterwerfen. ...“

Na, alles verstanden?? Nun, das ist das typische Problem der Linken, sich mit verständlichen Sätzen auszudrücken, statt in einem Satz die ganze Weltformel zusammenfassen zu wollen. Und so geht das natürlich lustig weiter.

Die Seiten 14 und 15 beschäftigen sich dann mit unserem Kernproblem: „...Das in den vergangenen Jahren explosiv angewachsene Investmentbanking ist abzuwickeln, der Eigenhandel mit Wertpapieren und die Spekulation mit Derivaten sind Banken zu verbieten, ebenso jegliche Geschäfte außerhalb der eigenen Bilanz und Geschäfte mit Unternehmen oder Personen, die rechtlich in Steueroasen registriert sind.“. Ansonsten findet man eine ganze Reihe von Ideen, die man, bestenfalls in mehr pflegeleichte Worte gepackt, so oder so ähnlich im Querschnitt durch sämtliche anderen Parteiprogramme der BRD finden kann.

Nur mit dem Unterschied, dass hier alles bei einer Partei vereint erscheint und praktischerweise auf nur 25 Seiten komprimiert ist. Also für den, der's mag. So richtig links ist das alles nicht, das fand man vor 20 Jahren auch noch bei der SPD. Um die Linke braucht man sich also wenig Sorgen zu machen, irgendwann landet sie da, wo die SPD in den 70er Jahren auch schon war. Auch damals hieß es seitens der CDU „Freiheit oder Sozialismus?“ und, wie wir längst wissen, weder um das Eine noch das Andere ist es je in den Wahlkämpfen der BRD gegangen.

Aber das kann sich noch ändern:

NPD – Die Volksunion

Die NPD hat sich umgetauft in "NPD- Die Volksunion". Das liegt an dem Zusammenschluss mit der DVU, zu dem der Spiegel heute schreibt: „...Ansonsten ist bei der DVU nicht viel zu holen: Zwar zog die Frey'sche Wählertruppe mehrfach in Landesparlamente ein. Bei einer dieser Materialschlachten reichte es bei der Landtagswahl 1998 in Sachsen-Anhalt sogar für 12,9 Prozent der Stimmen. ....Etliche DVU-Mitglieder dürften ein Problem mit der offen aggressiven Haltung der NPD haben, gab sich ihre Partei doch eher bürgerlich. Viel wichtiger dürfte für die NPD aber ohnehin Sachsen-Anhalt sein. ...Holger Apfel, der die NPD in Sachsen anführt, kümmert sich persönlich um den Wahlkampf im benachbarten Bundesland. Umfragen sehen sie bei vier Prozent. Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern kämpft Udo Pastörs mit seinen sechs Abgeordneten um den Wiedereinzug in den Landtag. Bei der Wahl 2006 erreichte die NPD dort 7,3 Prozent, die Chancen stehen nicht schlecht. Es könnte schließlich drei Bundesländer mit NPD-Abgeordneten geben....“

Das passende Programm dazu finden sie hier.

Wer schon mal vor Jahresfrist einen Blick auf die damalige NPD Webseite warf, dem wird die enorme Professionalisierung des NPD Auftritts in dieser kurzen Zeit ins Auge springen. Während sich die politische und journalistische Aufmerksamkeit auf seltsam abgehobenen „Kommunismus“-Debatten austobt, blieb der unheimliche Aufstieg rechts der bürgerlichen Parteien dagegen praktisch unbemerkt.

Einen guten Teil dazu trägt auch die heimliche Finanzierung der NPD durch bedeutende Wirtschaftskreise bei. Die Vereinigung aus DVU und NPD ist die Partei, die tatsächlich mit den höchsten Parteispenden (1,181 Mio.€) versorgt wird, wie die Webseite Abgeordnetenwatch für 2010 zusammenfasste. Sie liegt sogar noch vor der CDU (1,103 Mio.€) und erhielt mehr als dreimal soviel wie die SPD (0,350 Mio.€) an Großspenden über 50.000 Euro.

Das ist umso erstaunlicher, als dass die Radikalität des Parteiprogramms mit dem vielsagenden Titel „ARBEIT. FAMILIE. VATERLAND.“ gerade in finanztechnischer(!) Hinsicht bei weitem einschneidender argumentiert als alle anderen Parteien, einschließlich der Linken, zusammen.

Und das ist noch maßlos untertrieben, sie stellt alles andere bei weitem in den Schatten. Denn auf den Seiten 8 bis 12 liest man bezüglich der finanztechnischen Komponente Dinge, die selbst noch den Linken Bundesvorstand zu tiefst erröten und deutsche Talkshows normalerweise in ungebremste Raserei verfallen ließe: „...Die heimischen kleinen und mittelständischen Unternehmen sind vor der Marktmacht der global agierenden Großkonzerne zu schützen....Entgegen der Vorstellung vom „freien Spiel der Kräfte“ eines vom Staat losgelösten Marktes spricht sich die NPD für die aktive Gestaltung einer solidarischen Wirtschaftordnung aus....z. B. Bahn, Post, Energie, Wasser gehört in staatliche Hand. Produktionsstätten- und Dienstleistungsverlagerungen ins Ausland und die Vergabe von Lohnarbeit in sogenannte Billiglohnländer bzw. jegliche Lohndrückerei durch Fremdarbeiter im eigenen Land sind zu unterbinden...Die Dominanz der Finanzmärkte über die Volkswirtschaft und der Vorrang der Spekulation vor der Produktion sind zu brechen. Dafür ist u.a. ein Verbot von Hedge-Fonds, hypothekenbesicherten Verbriefungen, der Gründung außerbilanzieller Zweckgesellschaften, „Leerverkäufen“ und des Einsatzes von Derivaten notwendig....Die deutsche Regierung ergreift geeignete Maßnahmen, die Ausbeutung durch Zinsen zu stoppen und die Börsen- und Finanzwirtschaft zu regulieren....Die NPD lehnt die durch den globalen Freihandel systematisch hervorgerufene weltweite Konkurrenzsituation entschieden ab ....Eigentum an deutschem Grund und Boden kann nur von Deutschen erworben werden.....Deutschland braucht eine eigenständige nationale Währungs- und Zinspolitik. ... Deshalb fordert die NPD die Wiedereinführung der D-Mark zu einem sozial gerechten Wechselkurs ….Zur Eindämmung der schrankenlosen internationalen Kapitalfreiheit fordert die NPD die Einführung einer nationalen Devisenbewirtschaftung für Kapitalexporte und -importe …. Staatliche Garantien für Privatbanken werden abgelehnt. Dem spekulativen Mißbrauch des Kapitals wird eine klare Absage erteilt. Zinswucher ist zu bestrafen....Eine angemessene Vermögensteuer ist Bestandteil des Solidarprinzips.....steuerrechtliche Bestimmungen, wonach Firmen mit Sitz in Deutschland die Verluste ihrer Auslandsfilialen mit den Gewinnen im Inland steuerlich verrechnen können, sind ersatzlos zu streichen....Das Strafrecht für Steuerflüchtlinge und -betrüger ist zu verschärfen.... Die Mitgliedschaft im Brüsseler EU-Fremdbestimmungssystem muß beendet werden...Finanzielle Unterstützung im Bereich von Groß- und Schlüsselindustrien muß Eigentumsrechte des Staates am Unternehmen begründen....Die NPD setzt sich für die Einführung eines allgemeinen, branchenunabhängigen Mindestlohns ein,...Stattdessen ist ein staatlich organisiertes Sozialversicherungsmodell zu schaffen, an dem sich alle Deutschen, gleich welchen Einkommens, beteiligen....“

Und das und ganz, ganz viel mehr dazu, zusammengefasst auf nur 20 Seiten. Rekord verdächtig, jeder Satz ein Treffer, mit dem wieder eine heilige Kuh der kapitalistischen Wirtschaft und auch der Demokratie versenkt wird.

Und an dieser Stelle wird es ganz unheimlich. Denn es ist völlig rätselhaft, warum diese Partei, die wirtschaftspolitisch noch um Längen links von der Linken steht, und andererseits in ihrem Parteiprogramm, so wie man es eigentlich erwartet, auch noch ganz rechts von Sarrazin und Konsorten rassistische Ideen vertritt, dass diese Partei nun ausgerechnet aus Wirtschaftskreisen die größte Unterstützung erfährt.

Hier läuft also wieder etwas völlig aus dem Ruder, genauso wie wir es aus der Weimarer Republik, und ihrem bitteren Ende, noch zu gut kennen. Wie sich die Details doch wieder gleichen! Während sich gleichzeitig die politische und journalistische Elite der BRD maßlos über das K-Wort der Linken Gesine Lötzsch ereifert, bereiten scheinbar im Windschatten alter Reflexe bereits dieselben gesellschaftlichen Kreise wie vor 80 Jahren den Putsch vor.

Das spannendste an den diesjährigen Wahlen wird also sein:

- Wird die FDP soweit an Wählergunst verlieren, dass sie in Berlin fahnenflüchtig wird?

- Wird Merkel ihre Position behaupten können oder wird es vorgezogene Neuwahlen in 2012 geben?

- Kann sich die SPD berappeln?

- Oder wird der Wähler verstärkt auf die kleinen Parteien, Grüne, Linke, NPD setzen?

- Kann sich die neue NPD-Volksunion weiter vorarbeiten oder bekommt sie weiter die kalte Schulter gezeigt?

- Wird irgendeine der aktuell relevanten Parteien auf einen Kurs einschwenken, der uns tatsächlich eine Bereinigung der debt-crisis näher bringt, oder wird das Kartenhaus gnadenlos bis zum „überraschenden“ Zusammenbruch aufgetürmt?

Nun, am 20. Februar gibt es den ersten Stimmungstest, die Bürgerschaftswahl in Hamburg. Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2008 kam die CDU auf deftige 42,6%, die SPD auf magere 34,1%, es folgten Grüne 9,6%, Linke 6,4% und FDP 4,8%, Sonstige mit 2,5%. Neben dem Auf und Ab der bisherigen Parteien bin ich natürlich auf das Abschneiden des NPD-Kandidaten Torben Klebe gespannt. 2008 spielte die NPD im eher linken Hamburg keine Rolle, um so mehr wäre hier ein ungewöhnlich gutes Abschneiden schon ein kräftiger Warnschuss für die Demokratie in der BRD.

Ob der dann auch gehört würde, bleibt dahin gestellt. Derweil verbleibe ich mit einem Kaiserlichen „Schaunmermal“ bis zum nächsten Blogbeitrag.

Montag, 10. Januar 2011

TandemVipera Neujahrsgruß: Alternativloser Wutbürger


Mein Neujahrsgruß kommt dieses Jahr gering verspätet und ich bedanke mich bei allen Lesern für die rund 32.000 Besuche meines Blogs im letzten Jahr. Ich hoffe Sie haben alle schöne Feiertage und einen, diesmal sprichwörtlich, guten Rutsch ins neue Jahr 2011 gehabt. Auch dieses Jahr wird sich mein Blog vorwiegend mit der Ökonomie und Politik, nicht nur in der BRD, befassen. Gerade 10 Tage alt ist das Jahr und es ist schon wieder einiges bemerkenswertes geschehen.

Die deutsche Gesellschaft für Sprache hat den "Wutbürger" zum Wort des Jahres gewählt. "Wutbürger" stehe für die Empörung in der Bevölkerung, "dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden". Die Wikipedia beschreibt den Wutbürger “...als wohlhabenden konservativen Menschen, der „nicht mehr jung“, früher gelassen und „staatstragend“, jetzt aber „zutiefst empört über die Politiker“ sei. Er breche „mit der bürgerlichen Tradition, dass zur politischen Mitte auch eine innere Mitte gehört“, wie etwa Gelassenheit oder Contenance.“

„Wutbürger“, das ist der Stuttgart 21 Protestler, zu einem guten Teil nicht der scheinbar typische Profiprotestler, sondern der Normalo-Bürger. Der, statt demütig sein Wahlkreuzchen auf den alljährlichen Polit-Blankocheck zu setzen, sich des spontanen Demonstrationsrechtes zu bedienen erdreistet. Aber auch zum Wählen hat er dieses Jahr die besten Möglichkeiten:


Wahlen 2011:
20.02.2011 Bürgerschaftswahl in Hamburg , 20.03.2011 Landtagswahl in Sachsen-Anhalt , 27.03.2011 Landtagswahl in Rheinland-Pfalz , Landtagswahl in Baden-Württemberg , Kommunalwahlen in Hessen , 22.05.2011 Bürgerschaftswahl in Bremen , 04.09.2011 Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern , 11.09.2011 Kommunalwahlen in Niedersachsen , 18.09.2011 Abgeordnetenhauswahl in Berlin . Neun Wahlen, die für reichlich Unterhaltung sorgen werden. Und die natürlich eine Garantie, nicht nur für viele politisch Narreteien und unfreiwillige Komik, sondern auch für sicheren politisch-populistischen Unfug bei faktischen Stillstand bezüglich tatsächlicher Fortschritte sein werden.

„Alternativlos“ wäre eigentlich mein Favorit für ein Unwort des Jahres gewesen. Angeblich soll es ja alternativlos sein, den Bürger durch grenzenlose, sowohl was deren Höhe als auch Nationalität angeht, Finanztransfers von unten nach oben bis auf die Knochenhaut auszuziehen. Dieses alternativlose Gemetzel wird in 2011, allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, neue und noch abstrusere Höhepunkte erreichen.

Zunächst mal schlüpfen weitere EU-Kollegen unter den, in letzter Konsequenz bundesdeutschen Rettungsschirm: „Deutschland und Frankreich drängen Portugal laut einem Magazinbericht unter den Euro-Rettungsschirm. Es wäre nach Griechenland und Irland der dritte Staat, das sich von den übrigen Eurostaaten helfen lässt.“ Natürlich ist auch Potugal nur ein weiterer Dominostein, der genauso faktisch pleite ist wie Island, Irland und Griechenland. Aber auch die großen Länder Spanien und Italien müssen dieses Jahr Unsummen refinanzieren, also alte Schulden durch noch höhere neue Schulden ersetzen, und werden dafür würgende Zinsen abverlangt bekommen. Die Ausweitung des „Rettungsschirms“ auf faktisch unbegrenzte Höhen ist so gut wie sicher. Und, das der noch stärkste im Bunde, die BRD und damit der Bundesbürger, dafür gerade stehen wird. Im Rahmen des Superwahljahres wird es spannend zu beobachten sein, ob es den bürgerlichen Parteien dieses Jahr überhaupt mal in den Sinn kommt, die alleinig profitierende Kapitalseite der Gesellschaft mit irgendeiner, über Lappalien hinausgehende und sofortige, Beteiligung an den Kosten Ihrer Rettung zu bescheren.


China will hier gerne einspringen.
Denn Peking muss 2600 Milliarden Dollars und Euros noch in Werte verwandeln, bevor die richtige Talfahrt beginnen darf. China wird versuchen, soviel wie möglich an den fälligen Anleihen zu platzieren. Die Gefahr, dass das Danaergeschenk in der EU angenommen wird, ist groß. Und es wird die EU in Zukunft genauso abhängig von China Gnaden machen, wie es die USA schon ist.

Aber nicht nur die EU steht auf Messers Schneide, auch die USA stehen wenige Schritte vor dem Abgrund: „...Was will Barack Obama? Der US-Präsident, politisch schwer angeschlagen, lässt die US-Notenbank immer größere Dollar-Mengen in die Wirtschaft kippen. Gelder, die nicht in den USA bleiben, sondern kaum kontrollierbar um den Globus schwappen. Wollen die USA den Dollar als Weltwährung ruinieren? ...Die Lage ist gefährlich: China, Brasilien, Japan und andere Länder haben Vergeltungsmaßnahmen gegen die Geldschwemme aus den USA angekündigt.“

Das Finanzminister Geithner bereits vor US-Pleite warnte mochte noch lediglich ein verstörendes Polit-Manöver gewesen sein, da die USA schließlich soviel Geld drucken können wie sie wollen und brauchen. Aber die bis an die Zähne bewaffneten US-Wutbürger haben bereits ein Menetekel gesetzt: „..."Ich habe es immer geahnt", sagt Bestseller-Autorin Alisa Valdes, die in Albuquerque im Nachbarstaat New Mexico lebt, aber viel Zeit in Arizona verbringt. "Der nächste US-Bürgerkrieg wird in Arizona ausbrechen."
"Jared Lee L., American Hero", postulierte am Sonntag zeitweise eine neue Facebook-Seite, in Anspielung auf den mutmaßlichen Todesschützen von Tucson. "Der Mann, der die ersten Schüsse des US-Bürgerkriegs von 2011 abfeuerte. Lasst die Revolution beginnen!"
. Da wäre eine Beschäftigung dieser „Helden“ außerhalb der USA wahrscheinlich angebrachter: Korea, Japanische Inseln, Taiwan, Iran, genug Möglichkeiten sich mit dem Hauptgläubiger China anzulegen und die Beschäftigungsnotlage auch der Arizona Jugend zu verbessern.

2011 wird also ein ereignisreiches Jahr werden. Wegen der sagenhaften neun Wahlen wird es in Deutschland ziemlich rund gehen. Im Vergleich zu anderen Staaten wird es uns dabei aber wirtschaftlich vergleichsweise gut ergehen, denn neben China und den Schwellenländern stehen wir vorläufig immer noch an der Spitze der Weltwirtschaft.

Trotzdem: Auf der Nordachse Washington-Berlin-Moskau-Peking werden in 2011 die Weichen für weitreichende Machtverschiebungen gestellt werden. Gelder, das sind auf Papier gedruckte Versprechungen zwischen Staaten, Bürgern, Investoren und Militärmächten, Versprechen die beim besten Willen so nicht mehr gedeckt sind und definitiv gebrochen werden müssen. Nur auf wessen Kosten und zu welchem Preis ist die Frage, die möglichst schnell, Wahlen hin oder her, beantwortet werden muss. Das die größte Finanzkrise der Weltgeschichte nicht spätestens in den 2020er Jahren in einen globalen Superkrieg mündet, hängt an der Fähigkeit oder Unfähigkeit demokratischer Politiker, nicht zuletzt in Berlin, die unhaltbaren Versprechen einer aus den Fugen geratenen Weltfinanzordnung neu zu definieren.