Dienstag, 30. März 2010

Der LHC beginnt zu feuern


Heute wurde bekannt gegeben, dass der Large Hadron Collider (LHC) beim CERN bei Genf den Wirkbetrieb wieder aufgenommen hat. Mit Spannung warten Teilchenphysiker auf erste neue Ergebnisse. Andere dagegen erwarten mit Spannung den selbst induzierten Weltuntergang: "...Kurz vor einem mit Spannung erwarteten Experiment im weltgrößten Teilchenbeschleuniger bei Genf hat das europäische Atomforschungszentrum CERN erneut Einwände von Kritikern zurückgewiesen. CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer sagte im Deutschlandradio Kultur, durch die ab heute geplanten Protonen-Zusammenstöße bei bislang nie erreichten Energien würden keine schwarzen Löcher erzeugt. Im Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) könnten eventuell lediglich „mikroskopische schwarze Löcher“ entstehen. Diese würden aber sofort wieder zerfallen." schreibt heute die WELT.

Da am LHC eventuell winzige schwarze Löcher oder seltsame Materie erzeugt werden könnte, gab es Bedenken vor möglichen Risiken. So reichten besorgte Bürger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage ein. Der damit verbundene Eilantrag wurde abgewiesen, das Hauptsacheverfahren steht aber noch aus. Ebenfalls das Bundesverfassungsgericht wurde angerufen, es lehnte die Annahme einer Verfassungsbeschwerde aber bereits im Februar 2010 ab.

Die Ängste der Bürger sind verständlich, aber aus physikalischer Sicht erscheinen sie unbegründet. Dem folgten bislang auch die Gerichte. Denn eines der Hauptargumente gegen diese Befürchtungen ist die Tatsache, dass die Energien, die im LHC erreicht werden können, zwar sehr hoch sind, aber im Vergleich zu der energiereichsten überhaupt bekannten Strahlung doch ausgesprochen gering ausfällt.

Bei letzterer Strahlung handelt es sich um eine natürliche Strahlung, deren Ursprung teilweise noch ungeklärt ist: Die kosmische Strahlung. Besonders Energiereich sind dabei extragalaktische Teilchen mit Energien von bis zu 10Hoch20 eV. Das bislang energiereichste Teilchen, dass man messen konnte, hatte eine Energie von 3,2·10hoch20 eV. Und selbst solche Ereignisse sind vermutlich noch nicht das Ende der Fahnenstange. Das ist also mindestens 10000 mal stärker als die möglichen LHC Strahlenergien von 14 TeV für Protonen oder 1150 TeV für Bleikerne (ca. 10hoch 13 bis 10hoch16 eV). Zudem finden solche kosmischen Kollisionen von Atomen und Elementarteilchen täglich Millionen-fach auf der Erde statt.

An der Stelle muss man sich natürlich fragen, warum man diese viel stärkere natürliche Strahlung nicht als Experimentierquelle nutzt, sondern ein 3 Milliarden Euro schweres Geschütz in den Schweizer Alpen verbaut? Der Grund ist der, dass diese hochenergetischen Teilchen bereits in den höchsten Atmosphärenschichten unkontrolliert kollidieren und zerplatzen. Am Erdboden kommen daher nur noch gewaltig ausgedehnte Trümmerschauer der Zerfallsprodukte an. Die Detektoren für diese Schauer erstrecken sich beim größten Observatorium dieser Art zur Zeit daher über eine Fläche von 3000 Quadratkilometer. Zur technischen Nutzung der unmittelbaren kosmischen Strahlung müsste man schon die gigantischen Teilchendetektoren, wie sie beim LHC Verwendung finden, ins All transportieren um dann nach dem Zufallsprinzip auf einfallende Teilchen unterschiedlichster Art zu warten.

Das also im CERN der Weltuntergang ausgelöst werden könnte, liegt damit sehr fern. Die Angst vor seltsamer Materie oder kleinen schwarzen Löcher sind sicher unbegründet, da sie uns bereits ständig um die Ohren fliegen, ohne viel Aufsehen zu erregen. Allerdings wird eine gewisse Wechselwirkung mit dem Erdklima diskuttiert. Und für Flugreisende, insbesondere das Boardpersonal, aber erst recht für Astronauten stellt sie eine reale Gefahr da: Denn mit der Höhe und dünner werdender Atmosphäre nimmt ihre Intensität deutlich zu. So wird Flugpersonal mit Strahlendosen belastet, die man kaum einem Mitarbeiter eines Kernkraftwerkes zumuten würde. Ganz zu schweigen von Astronauten, die zuweilen in die unfreiwillige Rolle eines der gigantischen Teilchendetektoren am LHC schlüpfen müssen, wenn wieder mal ein kosmischer Wasserstoff-Kern in ihrer Magengrube detoniert.

Montag, 29. März 2010

Dead Man Walking III: the elephant in the room that nobody sees


Dank eines Kommentars und Email von Hr. Wolfgang M. bin ich auf eine ökonomische Arbeit von Halil Güveniş aufmerksam gemacht worden. Halil Güveni ist ein deutschsprachiger Lyriker und Essayist, der aber Physik in Tübingen studierte.

Da der Autor in seiner ökonomischen Arbeit, die im folgenden analysiert wird, im wesentlichen zum gleichen Ergebnis kommt wie ich, sah ich es als notwendig an, genau zu analysieren, was er denn da gemacht hat. Und das hat sich als sehr fruchtbar erwiesen, denn dabei offenbart sich des Ökonomen-Pudels Kern.

Hr. Güveniş relevante Arbeit ist:“Zur Zusammenbruchskrise des Kapitalismus - Das Langzeitverhalten der Wirtschaftsentwicklung in BRD, Japan und USA – mit drei Excel-Dateien zu Zeitreihen und Diagrammen“, und man kann sie unter dem angegebenen Link für kleines Geld kaufen. Ich zitiere hier nur das wesentliche theoretische Grundgerüst. Der wesentliche Teil der Arbeit, die statistische Untersuchung der Daten aus USA, Japan und BRD ist zur Lektüre nur zu empfehlen.

Seine Arbeit aus 2009 ist insofern hoch interessant, da er sich exakt an die in der Makroökonomie üblichen verbalen und mathematischen(!) Formulierungen hält und somit auch und gerade für Ökonomen leicht verständlich schreibt. Er zeigt darin, dass man mit den üblichen mathematischen Annahmen der Volkswirte zu genau den Ergebnissen kommt, wie bei der differentialanalytischen Modellierung auch. Und, da er sich ganz auf die Fachlichkeit der Ökonomen einlässt, macht er auch ganz exemplarisch die kleinen, aber bedeutsamen, mathematischen Ungenauigkeiten, die die ganze Malaise der Mainstream-Makroökonomie bedingen.

Am Anfang seiner Arbeit stellt er kurz die üblichen Grundgleichungen (1.1 bis 1.5) der Makroökonomie vor, auf die er sich im Rest der Arbeit stützt.

Also da ist zunächst mal

(1.1) S = Ibr – D – FSA

Das sind das Sparen S, die Bruttoinvestitionen Ibr, der Abschreibungen D und der Außenhandelsbeitrag, das Finanzierungssaldo FSA.

Im Falle einer ausgeglichenen Außenhandelsbilanz gilt FSA=0. Und damit seine Gleichung

(1.2) In = Ibr – D = D(Ibr/D-1)

also die Nettoinvestition In ist gleich der Bruttoinvestition abzüglich der Abschreibung D. Er zeigt damit, dass in einer geschlossenen Volkswirtschaft das Sparen immer vollständig durch die Nettoinvestitionen absorbiert wird. Denn es gilt neben (1.1) eben auch das

Ibr = In + D

ist.

(1.3) bis (1.5) sind nur ein paar Umstellungen bzw. Trivialitäten, so (1.3) die Normierung von (1.2) auf das BIP und (1.4) die Definition des Wachstums W=BIP/BIP0-1 und (1.5) die Normierung von (1.4) auf das BIP.

Im folgenden wendet er diese Grundgleichungen der Ökonomie auf die empirisch bekannten zeitlichen Entwicklungen in den USA, Japan und Deutschland an. Das macht er, indem er jeweils angepasste Funktion des linearen Typs y=ax+b aus diesen ableitet und analysiert.

Im Ergebnis kommt unterm Strich das gleiche raus, wie beim Dead Man Walking. Wie kann das sein?

Das sieht man sehr schnell. So betrachten wir im „dead man walking“ ja genau eine ideale geschlossene Volkswirtschaft, also FSA=0. Das kann man in erster Näherung immer machen, sofern die Außenhandelsbilanz nicht allzu sehr aus dem Ruder gegangen ist (Für die globalisierte Weltwirtschaft als ganzes gilt natürlich immer FSA=0).

Also gilt aufgrund seiner Gleichungen (1.1) und (1.2):

In = Ibr – D = S.

Nun kommen wir zu den mathematischen Ungenauigkeiten (das ist aber keine Kritik an Hr. Güveniş, sondern alleine der Verwendung der in der Makroökonomie üblichen Vorgehensweise geschuldet!):

Erste Ungenauigkeit:

Zunächst müssten da eigentlich die Beträge stehen:

|In|=|Ibr|-|D|=|S|

Dann gilt ganz analog zu meinem Modell

|In|=|pn*A| = |S|=|ps*B + dA/dt|

Das ganze muss jetzt nur noch korrekt diskontiert werden, also gilt

dA/dt=ps*B+pn*A

Die Gleichung (1.4) besagt nichts anderes als

W=BIP/BIP0-1=(BIP-BIP0)/BIP0 = (dB/dt)/B

also die Definition des Begriffs Wachstum als die Steigerungsrate des BIPs B. Es gilt trivialerweise aus Bilanzgründen

dB/dt=-pn*A,

da nur Geld verzinst wird, BIP direkt aber nicht. Denn im Gegensatz zu Geld bekommen Autos oder Toaster keine Kinder, sprich Zinsen.

Schwupp, wir haben also exakt dieselben Regeln wie im Dead Man Walking vorliegen!

Zweite Ungenauigkeit:

Differential Gleichungen dB/dt=-pn*A bzw. dA/dt=ps*B+pn*A enthalten immer implizit die zeitlichen Abhängigkeiten der Funktionen. Differential Gleichungen sind das wesentliche Element der höheren Mathematik, erfordern aber einiges an mathematischem Verständnis zu ihrer Aufstellung und besonders zu ihrer analytischen Lösung. Das kann man bei Mathematikern und theoretischen Physikern immer voraussetzen, bei Ökonomen aber ehr selten.

Daher macht man gerne den zweiten Trick: Man verwendet empirische Näherungsfunktionen an die realen Funktionen der Statistiker. Hier einfach linear vom Typ y=ax+b und bekommt dadurch die zeitlichen Abhängigkeiten, die in den Grundgleichungen (1.1) bis (1.5) gar nicht auftauchen, durch die Hintertür wieder herein.

Das kann man machen, es ist eine übliche und gültige Methode. Sie ist auch verlässlich, insofern man sich der Grenzen der Methode bewusst ist und man bereit ist auf die analytische Qualität der höheren Mathematik zu verzichten.

Dritte Ungenauigkeit:

Die letzte Ungenauigkeit ist nun der fundamentale Fehler der Mainstream-Ökonomie der die ganzen Folgeprobleme verursacht. Schauen wir noch mal auf das Sparen

|S|=|ps*B + dA/dt|.

Ich habe da oben schon gleich den richtigen Ausdruck hingeschrieben. Ökonomen aber schreiben hier implizit (für sie gibt’s ja nur die unbekannte Funktion S):

S = ps*B.

Im Klartext, ein bestimmter Anteil des BIP wird halt gespart. Fertig.

Das ist aber fundamental falsch! Tatsächlich zählen zum Sparen natürlich auch die erwirtschafteten Zinsen dafür, nämlich dA/dt. Das erscheint zunächst haarspalterisch und spitzfindig. Denn die Annahme, man könne die paar Prozentchen ruhigen Gewissens einfach unter das sowieso nicht so genau bekannte ps subsummieren, liegt natürlich sehr nahe.

Aber auch das ist mathematisch fundamental falsch! Am Anfang einer sich entwickelnden Volkswirtschaft kann man das ruhig machen, denn da ist der Term ps*B absolut führend. Am Ende der Entwicklung, bei ausgeuferten Aktiva/Passiva, ist aber der zweite Term dA/dt führend. Und der ist als Differential analytisch absolut entscheidend!

Beispiel: So war das Verhältnis von Aktiva/BIP in 1950 nur 0,4. Das heißt bei einer typischen Sparquote von Ps=10% und einer Verzinsung von 5% bringt der zweite Term nur 0,4*5%=2% hinzu. Das darf man ruhigen Gewissens schlabbern. Bei einem Aktiva/BIP Verhältnis von 3,25 (so im Oktober 2008) bringt der zweite Term aber 3,25*5%=16,25% Punkte hinzu und ist damit keinesfalls vernachlässigbar. Und wegen der zeitlichen Dynamik mathematisch auch keinesfalls subsummierbar!

Schlabbert man den wichtigen Term dA/dt aber, so ergibt sich ganz trivial aus den DGL’s

dA/dt=0=ps*B+pn*A und dB/dt=-pn*A

die sattsam bekannte DGL

dB/dt=ps*B und A=A0=const.

Mit der gemeinhin, nicht nur Ökonomen, sondern auch jedem aufmerksamen Oberstufenschüler, bekannten Lösung

B=B0*exp(ps*t).

Also ein ewig wachsendes BIP mit einem konstanten, aber sonst nicht weiter interessierenden, Kapital A0 im Hintergrund. So, wie man es gerne hätte, aber nicht ist.

Es ist in der Tat genau dieser unscheinbare Fehler der Ökonomie S=ps*B und S=ps*B+dA/dt für „ungefähr“ dasselbe zu halten. Es ist aber nicht dasselbe, und jeder der sich mit höherer Mathematik auskennt, wird dies auch sofort bemerken.

Wie treffend die Analyse, gerade auch die von Hr. Güveniş , ist, zeigt der Artikel „THE Most Important Chart of the CENTURY“, dessen einleitender Text lautet: „The latest U.S. Treasury Z1 Flow of Funds report was released on March 11, 2010, bringing the data current through the end of 2009. What follows is the most important chart of your lifetime. It relegates almost all modern economists and economic theory to the dustbin of history. Any economic theory, formula, or relationship that does not consider this non-linear relationship of DEBT and phase transition is destined to fail. It explains the "jobless" recoveries of the past and how each recent economic cycle produces higher money figures, yet lower employment. It explains why we are seeing debt driven events that circle the globe. It explains the psychological uneasiness that underpins this point in history, the elephant in the room that nobody sees or can describe.“.

Die vielleicht “wichtigste Graphik des Jahrhunderts” zeigt das Verhältnis zwischen BIP-Zuwachs und Kredit. So brachte in 1966 jeder frische Dollar der Aktiva in den USA noch einen BIP-Gewinn von rund 90 Cents, in 2002 waren es nur noch rund 30 Cents und in 2009 waren es –45 Cents. Yep, MINUS 45 CENTS! Das heisst, jeder zusätzlich Dollar erzeugte zuletzt einen Verlust von 45 Cents im BIP. Der Trend ist so unübersehbar wie das Rätsel, vor dem die Mainstream-Ökonomie steht. Nicht nötig zu erwähnen, dass diese mit immer noch mehr Geld versuchen, die Kurve wieder über Null zu bekommen. Dass das nicht funktionieren kann ist aus der differential analytischen Modellierung natürlich völlig klar. Denn der Renditedruck des zusätzlichen Dollars liegt über dem, was das BIP an Wachstum noch hergeben kann.

Mit der Serie „Dead Man Walking“ hoffe ich besonders junge Ökonomen und Ökonomiestudenten anzusprechen. Denn leider darf die Mehrzahl der angehenden Ökonomen, wie man den diversen Studienordnungen entlehnen kann, zwar viel Statistik, aber kaum die zur Modellierung komplexer Systeme notwendigen mathematischen Verfahren lernen. Insbesondere im Bachelor-Studiengang ist das aus Zeitgründen auch gar nicht möglich. Modellierung ohne ausreichende Kenntnisse der Methode der Differentialgleichungen aber kann immer nur Stückwerk bleiben mit aus analytischer Sicht fragwürdigen Ergebnissen. Hier sind besonders auch Mathematiker oder Physiker, die als Zusatzfach Ökonomie wählen, gefordert. Diese sollten unbedingt ihre grundlegenden Mathematikkenntnisse ins Spiel bringen und sich nicht von noch so schönen Wortschöpfungen der Mainstream-Ökonomie von solider Forschung abhalten lassen.

Mittwoch, 24. März 2010

Der EURO und die Sphinx von der Uckermark

Angela Merkel gibt Rätsel auf. In der Griechenlandkrise hat sie dabei eigentlich bisher alles richtig gemacht, da sie direkte Finanzhilfen, insbesondere durch den EU-Zahlmeister BRD bislang konsequent abgelehnt hat. Es fragt sich allerdings, was ihre tatsächlichen Beweggründe dafür sind. Sind es die absehbaren Folgen solcher direkten Hilfen, nämlich eine weitere Aufweichung der Verschuldungsregeln und damit eine weitere Schwächung des Euros, sowie die dann ausgelöste Kettenreaktion weiterer unbegrenzter Finanztransfers in die anderen Kippkandidaten der EU, oder ist es nur ganz profan die Angst vor einem Machtwort des Wählers in NRW Anfang Mai?

Frau Merkel handelt bevorzugt undurchschaubar aus dem Hintergrund. Als die „Sphinx von der Uckermark“ wurde sie schon bezeichnet. Aber auch "Management by Hubschrauber" nennt man das, wenn man erstmal die zweite Reihe sich austoben lässt um dann mit einem gut vorbereiteten Einflug und abgewogenen Landung die Sahne abschöpft. Und so steht ab morgigen Donnerstag bereits zur Debatte, ob sie sich im Finanzhilfenpoker für Griechenland nun doch weich kochen lässt oder nicht.

Der Druck auf sie ist gewaltig. Denn ohne den Zahlmeister BRD geht in der EU im Prinzip nichts. Und alle Anderen wollen natürlich vehement die Zustimmung zu EU-eigenen Hilfsprogrammen für strauchelnde Mitglieder außerhalb des US-dominierten IWF. Denn alle, selbst unser stärkster Partner Frankreich, werden über kurz oder lang in Berlin für Hilfen vorstellig werden müssen.

Das der Reihe nach Griechenland, auch Portugal, Spanien, Italien, Irland, auch das nicht EURO Land Großbritannien zum IWF (in den die BRD ja auch kräftig einzahlt, warum dann zusätzlich noch in einen EU-Topf?) laufen müssen ist in der Tat kein angenehmer Gedanke. Kaum viel angenehmer der Gedanke aber, dass Deutschland sukzessive, als einziges noch solventes Land mit immer noch vergleichsweise rund laufender Wirtschaft, die immensen Kosten und Defizite der gesamten EU übernehmen muss und damit als letzter Mohikaner genauso zum Untergang verdammt wird, wie der ganze Stamm.

Und nicht nur Freund Sarkozy Co. wetzt die Messer, sondern auch der Wähler in NRW. Denn Der wird aufmerksam beobachten, ob Merkel nicht doch durch irgendeine faule und geschickt verschleierte Konstruktion die Rolle des Zahlmeisters, aus den Taschen der deutschen Wähler, übernimmt. Bleibt sie hart, dann kriegt sie die Prügel aus den Reihen ihrer EU-Kollegen und wird in die historische Rolle der EU-Totengräberin gedrängt, wird sie weich, dann kommen die Schläge vom Wähler und sie wird in die nicht weniger historische Rolle der Totengräberin der guten alten BRD geschubst.

Der Spiegel dazu heute: „..Das Treffen mit den EU-Regierungschefs könnte für Angela Merkel ein voller Erfolg werden. Schon vor dem Gipfel am Donnerstag in Brüssel zeichnet sich ab, dass die Kanzlerin mit ihrer Ablehnung von direkten Hilfen für Griechenland Erfolg haben könnte. Die französische Regierung hat signalisiert, den deutschen Vorschlag mitzutragen, nach dem der Internationale Währungsfonds (IWF) bei der Rettung des hochverschuldeten Landes hilft.....Die internationalen Märkte reagieren allerdings keineswegs euphorisch - im Gegenteil. Der Euro sackte am Mittwochmorgen auf den niedrigsten Stand zum Dollar seit zehn Monaten .. Laut Experten der Commerzbank haben Investoren derzeit den Eindruck, "dass sich Angela Merkel mit ihrer harten Haltung gegenüber Griechenland durchsetzen könnte und auch Frankreich einer Hilfe durch den IWF zustimmt". Am Devisenmarkt werde eine solche Lösung als Schwäche der europäischen Politik interpretiert.“

Unterstützung erfährt sie auch vom Wunschpartner FDP im Bund und NRW: „...Brüderle sagte der Zeitung, es könne nicht sein, "dass der deutsche Steuerzahler für Misswirtschaft in Griechenland oder anderswo bezahlt". Man benötige keinen Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene, sondern Spielregeln, die auch geordnete Insolvenzverfahren beinhalten. Mit zu erhebenden Strafgeldern für Verstöße gegen die Euro-Stabilitätskriterien könnte "ein Feuerwehr-Fonds für künftige Krisensituationen eingerichtet werden".“

Letztlich bewegt Sie sich aber zwischen den Stühlen "...EU-Währungskommissar Olli Rehn fordert angesichts des schwächelnden Euros einen schnellen Beschluss zur Griechenland-Hilfe. Die Europäische Union müsse noch in dieser Woche darüber entscheiden, sagte Rehn der finnischen Tageszeitung "Helsingin Sanomat". Sollte dies der Gemeinschaft nicht gelingen, drohten schwere Störungen beim Euro....“.

So schreibt die Financial Times Deutschland:“... Widerstand kommt hingegen aus der Europäischen Zentralbank (EZB). Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi warnte in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" mit scharfen Worten davor, den IWF einzuschalten. "Diejenigen, die an ökonomischer und monetärer Stabilität in Europa interessiert sind, sollten sich gegen den Gang zum IWF wehren. Um es provokant zu formulieren: Die Leute sollten vor dem deutschen Verfassungsgericht klagen, wenn der IWF angerufen wird, nicht wenn die EU bilaterale Unterstützung organisiert."....... "Es sieht so aus, als könnte die Euro-Zone ihre Probleme nicht selbst lösen. Deshalb wendet sie sich an den IWF", sagte Tsutomu Soma, Währungshändler bei Okasan Securities. "Das wirft Zweifel auf, ob die Europäische Union stark genug ist."..... "Die Verhandlungen am Donnerstag und Freitag dürften sich schwierig gestalten. Die Euro-Schwäche dürfte sich deshalb fortsetzen", sagte Adarsh Sinha, Wähungsstratege bei Barclays Capital. "Eine hybride Lösung, an der sowohl die EU als auch der IWF beteiligt sind, könnte die Unsicherheit sogar noch erhöhen. Sie würde womöglich zu Abstimmungsproblemen unter den Parteien führen", sagte Sinha.“

Der Focus gar tituliert: „Der Euro auf dem Weg zur Ramsch-Währung“ und in der logischen Folge wird sofort schon Portugal als nächster Kandidat abgestraft: „..Die Ratingagentur Fitch hat die Bonität des hoch verschuldeten Portugals herabgestuft. Die Kreditwürdigkeit des Landes wird von der Agentur nach Angaben vom Mittwoch nun mit der Note "AA-" bewertet. Bisher rangierte Portugal bei Fitch mit dem Rating "AA". Zudem sei der Ausblick negativ.“

Die Ergebnisse der nächsten Tage werden also spannend. Wer soll bluten, der EURO oder der Deutsche Steuerzahler, und wen schickt man ins Siechtum, die EU oder die BRD? Auf Merkels Stuhl möchte ich da nicht unbedingt sitzen, in der sowieso nicht lösbaren Verschuldungssituation kann sie eigentlich nur vieles falsch und kaum etwas richtig machen. Was wird also aus der Sitzung am Donnerstag und Freitag herauskommen? Sehr wahrscheinlich ein ziemlich fauler Kompromiss, der wie üblich die Gesichter wahrt aber sehr wohl einen massiven Deutschen Beitrag herauskitzelt. Alles andere würde mich wundern. Aber dafür ist Angela ja da, dass ich mich manchmal über sie (be-)wundern darf.

Freitag, 19. März 2010

Dead Man Walking II: Quantitätstheorie und freie Marktwirtschaft

Der folgende Text ist eine mathematische Erweiterung zu meinem Artikel panem et circenses: dead man walking vom 10. Juni 2009.

Wenn Ökonomen theoretisieren, so entstammen die Argumente größtenteils einer schon lange bekannten und ziemlich trivialen Gleichung M*V=x*P. Es ist die so genannte Quantitätsgleichung und die Theorie dazu die Quantitätstheorie. Die Wahl der Buchstaben spielt natürlich keine Rolle, hier sind M die verfügbare Geldmenge, V die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, x sind die Güter und P die Preise der Güter. Dieser einfache Zusammenhang war schon Gelehrten des 16. Jhd. aufgefallen und erwuchs zur Kerntheorie der Ökonomie unter Milton Friedman und dem von ihm entwickelten Monetarismus und bildet das Fundament der „Freien Marktwirtschaft“. Sein Gegenpol ist bislang der Keynesianismus, der dagegen die Notwendigkeit von Staatseingriffen betont, also eine gelenkte Marktwirtschaft.

Diese beiden ökonomischen Varianten sind nach wie vor das Kernelement der meisten Ökonomen und Politikberater und ihrer beider mathematischer Kern sind im wesentlichen die Variationsmöglichkeiten des obigen einfachen Zusammenhangs. Die wissenschaftlichen Argumentationen will ich in diesem Artikel nicht weiter ausführen, im Prinzip macht man das immer so, dass man zwei Variablen als konstant annimmt und untersucht, wie sich eine der verbleibenden Variablen bei Veränderung der letzten verhält.

Daraus werden Monetaristische oder Keynesianistische Entscheidungshilfen für die Volkswirtschaft abgeleitet. Nur zum Beispiel gilt ja P=MV/x. Dann kann man schließen, das bei gleich bleibender Produktions- oder Transaktionsmenge x das Preisniveau P nur von der Menge des tatsächlich verfügbaren Geldes M*V abhängt. Deswegen bestimmen die Zentralbanken regelmäßig die so genannten Geldmengenaggregate um den Einfluss der Liquidität auf die Inflation zu überwachen.

In all diesen Theorien spielt die absolute Menge des Kapitals, also die kompletten Aktiva/Passiva des Bankenwesens praktisch keine Rolle, da im Prinzip nur Cash und schnell liquidierbares Kapital als Einflussgröße auf das unmittelbare Wirtschaftsgeschehen gilt. Die Gefahren eines gewaltigen Vermögensüberhangs und deren Renditedruck auf das BIP kommt daher in den Standardökonomien überhaupt nicht vor.

Ein weiteres Fundamentalproblem ist dabei auch, dass zweifelsfrei alle vier Variablen Funktion der Zeit sind M(t)*V(t)=x(t)*P(t). Wie der zeitliche Zusammenhang aber tatsächlich aussieht bleibt unbekannt. Monetaristische oder Keynesianistische Ideologien unterscheiden sich im Prinzip lediglich darin, dass die Monetaristen behaupten man lasse besser die Finger von diesen Funktionen und die Keynesianer behaupten, man müsse die Parametern besser durch staatliche Maßnahmen günstig manipulieren. Nun ist diese Gleichung eine typische Bilanzgleichung. In einer gültigen höheren Theorie muss sie demnach enthalten sein und die zeitliche Abhängigkeit der einzelnen Funktionen bestimmbar.

Umso interessanter ist es daher hier zu zeigen, dass genau diese Quantitätstheorie in der differentiellen Analyse intrinsisch enthalten ist. Das zu betrachten wir wieder dieses Modell und berechnen die verfügbare Geldmenge. Diese besteht nämlich einerseits aus dem im BIP umlaufenden Geld (1-ps)*B, d.h. die Menge an Geld die nicht gespart wird. Dazu kommt noch Gelder, die aus Sparvermögen konsumptiv abgezogen werden. Das sind im wesentlichen Gelder aus Verzinsung der Sparbeiträge, wenn man annimmt das die meisten Marktteilnehmer an der Erhaltung ihrer nominellen Vermögen interessiert sind. Also gilt M*V= (1-ps)*B+(1+ps)*dA/dt. Das Produkt x*P ist einfach das Bruttoinlandsprodukt B.

Wegen MV/xP=1 muss in unserem Modell also ((1-ps)*B+(1+ps)*dA/dt)/B = 1 gelten. Diese Werte im zeitlichen Verlaufen können wir nun einfach berechnen. Und so lassen sich dann auch die anderen Funktionen in ihrem zeitlichen Verlauf bestimmen, die der Standardökonomie bislang nur Rätselraten auferlegte, so etwa die so wichtige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Die ist nämlich V=x*P/M, wobei unsere Gesamtaktiva A eine Obermenge darstellen, wovon die verfügbare Menge einen Anteil M=c*A darstellt, wobei hier in der ersten Näherung ein konstantes c angenommen wird. Damit ist die Umlaufgeschwindigkeit mit V = ((1-ps)*B+(1+ps)*dA/dt)*B/A zu bestimmen.

In der Graphik sehen wir dass die Quantitätsgleichung tatsächlich erfüllt ist, der Quotient bleibt über die gesamte Zeit tapfer beim Wert 1. Erst ganz spät in der Zeit der Krise geht er aus dem Leim (Inflation!), wie auch nicht anders zu erwarten ist. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes dagegen ist Anfangs sehr hoch, stabilisiert sich dann aber in einem gesunden Korridor (der hier zwischen 1.5 und 2 liegt, was aus c=1 folgt). Erst ab dem Jahr 2007 nimmt die Umlaufgeschwindigkeit stark ab und durchschlägt den Tiefstwert nach unten. In der Folge führt dies dann zu Liquiditätsengpässen, Kreditknappheit und Deflation.

Die BRD ist ein recht gutes Modellbeispiel, da sie mit dem Kriegsende 1945 und der Währungsreform 1948 praktisch von Null, sowohl bezüglich des BIP als auch der Vermögen, starten durfte. Sie verhält sich daher wirklich schön „planmässig“.

Donnerstag, 18. März 2010

Immer in die Vollen: Josef Ackermann


Acki hat wieder mal gut "verdient". Dank der soliden Investmentsparte der Deutschen Bank konnte er sich wieder einmal 10 Mio. Euro Bonus für 2009, zusätzlich zum kargen Vorstandssalär, auf sein persönliches Konto überweisen. Von Krise keine Spur?

Das seine Investmentsparte nur deswegen so gut fährt, weil die Steuerzahler der westlichen Staaten für die Schulden der weltweiten Investmentbanker gerade stehen müssen, irritiert ihn naturgemäß so gut wie nicht. Ganz im Gegenteil: Sollen Die doch erstmal sparen und Ihre Haushaltsdefizite runter fahren! Und falls das, etwa in Griechenland, nicht klappt, dann bitteschön hat doch der Steuerzahler dafür zu sorgen, dass den Banken, und ganz speziell direkt oder indirekt Ackermann, dadurch kein Verlust entsteht! Ist doch leicht zu begreifen, oder gibt's noch Fragen?

Dass zwischen Bankerboni und Rettungsmilliarden des Kleinbürgers irgendein Zusammenhang bestehen könnte erscheint da irgendwie Weltfremd. Zumindest für die Welt der Ackermänner. So zitiert ihn die WELT:“Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann warnt vor dramatischen Folgen eines Bankrotts Griechenlands für die heimische Finanzindustrie. „Deutsche Banken haben beträchtliche Milliarden im Feuer gegenüber dem Land“, sagte der Schweizer bei einer Veranstaltung.... „Wenn wir Griechenland nicht stabilisiert bekommen, werden die Banken das nächste Problem haben.“ Zunächst müsse die Regierung in Athen ihre Hausaufgaben machen und den Haushalt aus eigener Kraft sanieren.“

Selbstverständlich sind Investmentbanker völlig unschuldig: „..Deutsche-Bank-Chef Ackermann wies am Mittwoch den Vorwurf zurück, Spekulanten seien der Grund für die Krise in Griechenland. „Die Reaktion mancher Politiker legt eine Verwechslung von Ursache und Wirkung nahe“, betonte er. Die Bundesregierung und andere Staaten wollen spekulative Geschäfte mit so genannten Kreditausfallversicherungen (CDS) stark einschränken..... „Moderne Volkswirtschaften sind ohne moderne Finanzprodukte nicht denkbar“, sagte der Schweizer. Ein Verzicht auf Finanzinstrumente wie CDS führe zu hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten. Mittels CDS-Papieren würden Risiken handelbar und bekämen damit einen Preis.“

So so, die CDS’s ([1],[2],[3]), die Versicherungspapiere? Sein Chefvolkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer sorgte sich im Artikel „Die Inflation wird kommen“ im Focus um die abzusichernden Risiken:“... FOCUS Online: Griechenland steht kurz vor dem möglichen Staatsbankrott. Was passiert, wenn die Griechen in den nächsten Wochen und Monaten keine Käufer für ihre Anleihen mehr finden? ...Thomas Mayer: Dann hat nicht nur der Bondmarkt ein sehr großes Problem, sondern der gesamte Kapitalmarkt. Denn wenn griechische Anleihen weniger wert werden, dann werden auch spanische Anleihen weniger wert. Und wenn spanische Anleihen weniger wert werden, dann werden auch portugiesische Anleihen weniger wert ... FOCUS Online: ... und der Anleihenmarkt bricht zusammen. Mayer: Das ist nicht das einzige Problem. Der Bondmarkt wird auch den Aktienmarkt anstecken. Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte wären extrem.“

Nun, die Deutsche Bank macht ihre Hauptgewinne nämlich vorwiegend mit Derivaten und nicht mit dem popeligem Kreditgeschäft mit der Realwirtschaft. Folgerichtig schrieb kürzlich das Manager-Magazin zur sinkenden Bonität genau aus diesem Grunde:„Die Deutsche Bank bekommt eine schlechtere Bonitätsnote von der Ratingagentur Moody's. ... Die Experten stuften das Rating des größten deutschen Geldhauses um zwei Stufen auf "Aa3/C+" von "Aa1/B" zurück.....Als Grund nannte Moody's die Fokussierung der Bank auf das Kapitalmarktgeschäft, die ihr Ergebnis anfällig für Schwankungen mache. Zudem hätten sich die vermeintlich stabilen Sparten wie das Privat- und Firmenkundengeschäft nicht so entwickelt wie von Moody's erwartet. Bei einer Verschärfung des Wettbewerbs im Investmentbanking werde es für die Deutsche Bank schwieriger werden, ihre ambitionierten Ziele zu erreichen. Die Ratingagentur habe deshalb Bedenken, dass das Institut größere Risiken eingehe, um dem dann einsetzenden Druck der Investoren standhalten zu können...“

CDS’s, also Credit Default Swaps, sind Ausfallversicherungen für Finanzprodukte. Nun sind Versicherungen an und für sich ja kein Teufelszeug. Grundsätzlich dienen sie dazu, das berechenbare Risiko eines Einzelnen auf das durchschnittliche, und damit geringere, Risiko der Gemeinschaft der mit dem gleichen Risiko Behafteten umzulegen. Da wäre zunächst mal nicht viel dagegen zu sagen, allerdings hat sich das CDS Instrument längst vom Risikoversicherer zur finanzpolitische Nuklearwaffe mit offen liegendem Zünder entwickelt.

Das hat wenigstens drei Gründe. Erstens werden damit nicht nur berechenbare Produkte versichert, wie etwa der Kredit an einen Firmenneugründer, sondern auch Derivate wie z.B. Finanzwetten. Das ist vergleichbar wie mit der Versicherung einer Lotterie oder einer Pferdewette gegen den Verlust des Einsatzes. Keine normale Versicherung würde das tun, aus guten Gründen. Zweitens, viel schlimmer, kann man auch noch Versicherungen abschließen, obwohl man gar nicht gewettet hat. Auch das würden normale Versicherung niemals tun. Und drittens, kann man mit den Policen auch noch selbst handeln und sie etwa gegen Gewinn weiter verkaufen. Auch dafür würde sich eine normale Versicherung nicht hergeben. Im Klartext: Die Zocker haben sich ihre Spielschulden gegenseitig versichert, und das nicht nur einfach, sondern gleich mehrfach.

Dem entsprechend haben die CDS Besitzer und Händler auch kein großes Interesse an einer möglichen Transparenz des dubiosen Geschäftes, das bislang weitestgehend unter dem Ladentisch gehandelt wird:„...Nach der Beinahe-Pleite AIG soll der Derivatehandel sicherer werden. Politik und Aufseher drängen die Banken dazu, sämtliche Transaktionen zu melden und Preise zu veröffentlichen. Die Branche wehrt sich - wohl auch aus Eigennutz..... Die Wall Street leistet Widerstand gegen die Reform des 605.000 Mrd. $ großen außerbörslichen Derivatehandels. Die Finanzbranche stemmt sich gegen Ideen, Derivatepreise öffentlich zu machen.“

Was 605.000 Mrd. $? Sie meinen das ist ein Druckfehler? Keineswegs es, sind in Worten Sechshundertfünttausendmilliarden, oder in Zahlen 605.000.000.000.000 Dollar. Nach deutschem Sprachusus also 605 Billionen USD oder nach amerikanischem Sprachgebrauch 605 Trillions $. Und damit sage und schreibe gut das 10-fache des gesamtem Weltbruttosozialprodukts. Und der absolute Löwenanteil dieses „außerbörslichen Derivatehandels“ sind tatsächlich die ominösen CDS’s. Bereits ein prozentual gesehen geringer Ausfall der versicherten Volumina würde, wegen der gewaltigen Hebelwirkung der vielfachen Überversicherung, zwangsläufig einen Kollaps der Versicherer nach sich ziehen. Mit den so genannten Short- oder Leerverkäufen, Wetten die auf fallende Finanzanlagen und Devisen setzen, schließt sich dann der Kreis. Denn jeder solcher Ausfall beschert nicht nur dem tatsächlich Versicherten seinen Einsatz, sondern durchschnittlich auch zehn weiteren Zockern sprudelnde Gewinne. Fällt dann tatsächlich ein wirklich große Schuldner aus, dann ist das natürlich der Zünder, der unweigerlich die Kettenreaktion zur Explosion bringt.

Dementsprechend sitzt erstmal die Angst der Banken tief vor einer Offenlegung der Praktiken und Preise: „...Ihr Argument: Die Transaktionen seien zu kompliziert und zu verschieden. "Solch eine regelmäßige Veröffentlichung setzt voraus, dass die Finanzinstrumente jederzeit gehandelt werden. Das ist bei vielen Derivaten nicht der Fall. Preise könnten demensprechend irreführend sein", sagte Don Thompson, stellvertretender Justiziar bei JP Morgan Chase.... Seit dem Beinahe-Zusammenbruch des Versicherungskonzerns AIG, der wegen Derivatewetten mit mehr als 180 Mrd. $ an Steuergeldern gerettet werden musste, arbeiten die Vereinigten Staaten und die EU-Kommission an härteren Regeln.“

Natürlich ist die Botschaft in kleinen Häppchen bereits bei unseren Volksvertretern angekommen und man bemüht sich um Transparenz: „..Das US-Repräsentantenhaus präsentierte im Dezember einen Gesetzesentwurf. Im Senat konnte bisher keine Einigung erzielt werden. Die Europäer wiederum werden im Lauf des Jahres konkrete Vorschläge vorlegen.“. Herauskommen wird dabei nicht viel, denn in der Tat würde eine komplette Offenlegung den Spekulanten klar machen, das diese CDS auf Sand gebaut sind. In der Folge kämen die Handelspreise der CDS unter Druck und in der Folge das ganze Schneeballsystem schnell ins Rutschen. So können die Regierungen, die letztlich im selben Boot sitzen, erfolgreich auf die unbedingte Notwendigkeit eines international koordinierten Vorgehens verweisen und sicher davon ausgehen, dass ihre „konkrete Vorschläge“ in unzähligen Arbeitstreffen und Kaffeerunden versanden werden.

Und als bräuchte es gar keinen Staat und fleißige Bürger, um mit ihrem Geld glücklich zu werden, sägen die weltweiten Zocker auch gleich an dem Baumstamm, auf dem sie sitzen: „... Spekulanten haben in den vergangenen Wochen mit hohen Milliardenbeträgen darauf gewettet, das Griechenland zahlungsunfähig wird und dass der Euro dadurch in Bedrängnis geraten wird. Mit diesen Finanzwetten haben die Händler allerdings die Probleme von Griechenland und Euro erheblich verstärkt. Für die Spekulationen gegen Griechenland haben Anleger vor allem Kreditversicherungen genutzt, so genannten Credit Default Swaps (CDS)........ Und das britische Pfund ächzt seit Tagen unter dem Spekulationsdruck, es verliert beständig an Wert. Das ist eine Ironie des Schicksals, denn gerade in Großbritannien sitzen die politischen Kräfte, die sich bisher gegen eine stärkere Regulierung gestemmt haben. Es waren die Booms von Derivaten und Hedgefonds in den Jahren vor der Finanzkrise, die für das rasante Wachstum des Finanzplatzes London verantwortlich waren.“

Dem entspricht der Gegenwind und eine seltsam verschobene Realitätswahrnehmung: „..Aus der Londoner City und den Banktürmen im Frankfurt kommen denn auch die Plädoyers für den Einsatz von Derivaten: Sie erfüllten eine wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe, sagt beispielsweise Deutsche Bank-Vorstand Jürgen Fitschen, der am Samstag neben Volcker auf dem Podium saß: „Sie helfen Unternehmen, ihre Risiken zu managen.“ Auch Spekulation sei sinnvoll, argumentieren Vertreter der Finanzindustrie gerne: Spekulanten würden Probleme offenlegen und so beispielsweise Regierungen zu Reformen zwingen und Unternehmen dazu, effizienter zu arbeiten. Unterstützung finden die Banker dabei teilweise auch bei Volkswirten, etwa bei Deutschlands Vorzeige-Ökonom Hans-Werner Sinn aus München: „Man sollte nicht jede Spekulation verbieten, weil Spekulation vielfach sehr nützlich ist“, sagt Sinn. ....“. Also deutlich gesprochen, Spekulation ist sinnvoll, weil sie Unternehmen und ihre Beschäftigten dazu zwingt viel mehr mir weniger Personal zu produzieren, das dazu weniger Lohn beansprucht, der Staat soll dagegen sparen wo es nur geht, Steuern und Abgaben oben runter, unten rauf, und gleichzeitig noch die Konsumfreude des Bürgers anfeuern. Mal abgesehen von der Unmöglichkeit des Spagats werden hier Ursache und Wirkung, Opfer und Täter in ihrer Rolle kaltschnäuzig verdreht.

Dazu vielleicht noch einmal die WELT zu diesen tollen „Finanzinnovationen“, wie der CDS’s: „Paul Volcker ist eine Legende...heute berät er US-Präsident Barack Obama ... Am Samstag war Volcker zu Gast bei Bundespräsident Horst Köhler und diskutierte auf einer Veranstaltung auf Schloss Bellevue über..den Handel mit Derivaten“. Dabei erzählte Volcker eine kleine Anekdote: „Er habe kürzlich auf einer Veranstaltung neben einem Nobelpreisträger gesessen, erzählte Volcker. Der Mann habe die theoretischen Grundlagen für die Spekulation mit Finanzinnovationen gelegt. Volcker wollte von dem Tischnachbarn wissen, was die neuen Finanzprodukte zur Steigerung der Produktivität beigetragen hätten; was sie Positives für die Volkswirtschaft gebracht hätten. Der Nobelpreisträge habe sich hinübergebeugt zu Volcker, nah an sein Ohr und gesagt: „Nothing“ – nichts.“

„Finanzinnovationen“ oder „Finanzprodukte“, dass sind diese nervenden Wortschöpfungen der Finanzindustrien, die in der Regel den Marktteilnehmern nur die wahren Zusammenhänge verschleiern sollen. Denn was eine klassische Geschäftsbank tut ist eigentlich so simple wie unattraktiv, aber auch notwendig: Auf der einen Seite nimmt sie das Geld der Sparenden und gibt es am anderen Ende denen, die zeitweise einen Kredit benötigen. Dabei zahlt sie dem Ersteren etwas weniger Zins als Zweiter löhnen muss, und kassiert die Differenz als Einnahme. Der Zins wiederum liegt normalerweise nur wenige Prozentpunkte über der Inflationsrate bzw. dem Wirtschaftswachstum. Insbesondere in Zeiten mageren Wachstums eben nicht sehr attraktiv. Wenn man mehr haben will, dann muss man den Leuten schon „Finanzprodukte“ statt schnöder Kredite andrehen. Wenn Sie also wirklich reich werden wollen, aber zu blöd sind an der Werkbank eine Schraube zu drehen, zu faul um normale Dienstleistungen zu erbringen, und zu gierig für einen normalen Bankberuf sind, dann werden sie Investmentbanker und erfinden sie „Finanzinnovationen“.

Ach ja, wer die CDS-Versicherer sind? Es sind keineswegs nur Versicherungskonzerne, sondern auch viele Geschäfts- und Investmentbanken sowie Fonds und Hedgefonds, so ziemlich Jeder der sich dazu berufen fühlt in der Finanzbranche. In letzter Konsequenz aber sind natürlich Sie es, lieber Leser. Wegen der gewaltigen Hebelwirkung des CDS-Marktes ist dieser natürlich „very much too big to fail“ und die Regierungen werden natürlich alles erdenkliche tun, um einen Crash aufzuschieben. Und wenn die denken, dann denken sie natürlich erstmal an Ihren Geldbeutel. Nein, nicht an deren, an Ihren lieber Leser.

Mittwoch, 10. März 2010

David und Goliath: Die Normalität des Grauens


Halten Sie obiges Bild für eine Aufnahme des NASA - Marsrovers? Egal, auch wenn es so aussieht, es ist etwas ganz anderes. Gestern erschien ein Artikel im Online-Spiegel mit dem Titel: "Obamas Killerdrohnen: Schattenkrieg des Friedensfürsten".

Thema ist die zunehmende Verwendung von unbemannten Killerdrohnen zur Liquidierung militärischer Gegner per Fernsteuerung. "...Was sich derzeit beobachten lässt, ist die massive Ausweitung einer neuen Methode der Kriegsführung unter Führung der USA. Es ist ein Krieg der schnellen Erfolge und der Entscheidungen im Halbdunkel. Ein Krieg, der scheinbar sauber ist und doch auf staatlich angeordneten Mord hinausläuft. Von dem es kaum Bilder gibt, der aber in den kommenden Jahren mit Gewissheit noch weiter eskalieren dürfte." fasst der Spiegel zusammen.

Denn "...Wie hoch ist der Preis dafür, einen Terroristen ein für alle Mal unschädlich zu machen, indem man ihn umbringt? Im Laufe von 14 Monate hat der US-Auslandsgeheimdienst CIA mit ..sogenannte Drohnen, 15-mal den vermuteten Aufenthaltsort des Anführers der pakistanischen Taliban bombardieren lassen....Insgesamt, so die Schätzungen, starben bei den 16 Angriffsversuchen zwischen 207 und 321 Personen - und nicht alle waren Taliban, das ist gewiss."

Die hochtechnisierte Methode der Kriegsführung ist verführerisch, denn sie ermöglicht ungefährdet eigener Verluste gezielte Angriffe auf Schlüsselpersonen oder Einrichtungen des Gegners. Eine naheliegende Versuchung, der auch Obama erliegt: "...In den 13 Monaten seiner Amtszeit hat Obama bereits mehr Raketen aus Drohnen abfeuern lassen als Bush in acht Jahren.....Künftig..werden ein Drittel aller angeschafften Flugzeuge unbemannt sein. Schon heute befinden sich zu jedem Zeitpunkt des Tages mehrere Drohnen über Pakistan im Einsatz gegen Terroristen. Und im Himmel über dem Jemen, dem Irak, über Afghanistan und Somalia sind sie ebenfalls aktiv.....Nur noch 50 wirklich entscheidende Qaida-Kader seien am Leben, wird vermutet. Die Drohnen gelten als effektivste Waffe gegen sie."

Die militärische Bequemlichkeit des Krieges an der Gameconsole mit Joystick hat natürlich seinen Preis: "Obama, der Friedensfürst? Der linke Flügel der Demokraten sieht das längst anders. Juristen und Menschenrechtler ebenfalls. Niemand kann außerdem präzise sagen, wie viele Zivilisten bei den Attacken neben den Terroristen sterben. ....Die Schätzungen darüber, wie hoch der Anteil ziviler Opfer bei den Angriffen ist, gehen weit auseinander: Von zehn Prozent bis 90 Prozent reichen die Angaben..."

Natürlich sind andere hoch technisierte Armeen, die Israelis sowieso schon lange, auch am werkeln: "...Auch die Briten nutzen in Afghanistan Drohnen, und selbst die Bundeswehr verlässt sich auf die Dienste der US-Drohnen-Piloten.". Unvermeidbar damit Vorfälle wie in Kunduz, bei dem nach Ernst zu nehmenden Zeugenaussagen vielleicht kein einziger Taliban, dafür aber 140 Dorfbewohner, selbstredend Frauen und Kinder zerfetzt wurden.

Die moralische Bewertung dieser Vorgänge fällt jedoch schwer. Zwar sind Kriege das grauenhafteste das sich Menschen gegenseitig antun können, aber trotzdem oder deswegen(?) ist er auch quasi die Normalität der Auseinandersetzung ungleich gesinnter Gruppierungen. Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit der handelnden Menschen hat sich seit der Antike nicht geändert, dafür aber die Effektivität der Waffen erheblich.

Und damit auch die Normalität des Grauens. Da es mit dem Gladius des Legionärs, technisch nicht viel mehr als ein geschärftes Stück Blech, körperlich ziemlich harte Arbeit war unbeteiligte Menschen abzuschlachten, entfiel dies damals „notgedrungen“ größten Teils. Dagegen ermöglichen moderne Massenvernichtungswaffen vom Maschinengewehr bis zur Nuklearbombe heute ein relativ anstrengungsloses Vernichtungswerk. Roboterkriege, deren Beginn wir jetzt erleben, bringen nun eine ganz neue Qualität in das Geschäft des Grauens.

Natürlich müssen Gemeinwesen das Recht und die Möglichkeit haben, sich gegen Unrecht des bösen Nachbars zu wehren, zumal wenn der nicht weniger kriegerisch ist. Aber wer zieht die Grenzen, wer entscheidet was Recht oder Unrecht ist? Das Titelbild des Spiegels, das Videobild eines US-Drohneneinsatzes, scheint die Drohne bei Ihrem Einsatz gegen einen Taliban-Pickup zu zeigen. Die „Taliban“ erkennt man neben dem Truck, wie sie sich hinter einer Wand verstecken. Auf dem Bild erkennt man die Koordinaten des Fluges: Sie lauten North 36 39 03 West 115 39 53.

Ähem..West? Kann ja nicht so recht stimmen, also greifen wir zu GoogleEarth und tippen einmal die Koordinaten ein. Wie anhand der Daten kaum anders zu erwarten, landen wir nördlich des Spielerparadies Las Vegas in der Wüste von Nevada. Kurz neben dem „Taliban-Truck“ sehen wir die oberflächlichen Reste einer unterirdischen nuklearen Explosion. Das Bild, das uns gezeigt wurde, entstammt lediglich der Propagandabteilung der US-Air Force deren Basis Indian Springs sich wenige Kilometer südlich der Stelle befindet. Wer in dieser Gegend mit Google sucht, findet reichlich Bilder der Atomwaffentests des letzten Jahrhunderts. Das Nevada-Nuklear-Test-Gelände Tonapah befindet sich in den weiteren nordwestlichen Wüsten der Gegend.

Zwischen dem Miliärspielgelände im Norden und der Finanzspielstätte Las Vegas im Süden glänzt das Provinznest Indian Springs mit den üblichen westlichen Kleinbürgerhäuschen, Supermärkten und US-typischen Kirchen der unterschiedlichsten christlichen Sekten wie der „First Baptist Church“ oder der Mormonenkirche „Church of Jesus Christ of latter days Saints“. Den Heiligen der letzten Tage stößt der biblische Widersinn des dort betriebenen Massenvernichtungswahnsinns, Hauptarbeitgeber der Region, nicht allzu sehr auf. Deren Homepages beschäftigten sich praktisch nicht mit dieser für echte Christen eigentlich auf der Hand liegenden Thematik. Deren Sorge gilt mehr den Bibelstudien alla „Ladies Morning Bible Study“ oder der Organisation von Grillparties anstatt Friedensmärsche zu organisieren.

Das Sie mit den Taliban des Ostens etwas gemein haben könnten, etwa die kreative Auslegung der jeweils heiligen Schrift im eigenen gefälligen Sinne, daran scheint man keinen Gedanken zu verschwenden. Und so stößt einem erneut der religiös motivierte Wahnsinn in dieser Welt auf, der sich seit der Erfindung monotheistischer Religionen bis in die moderne Zeit der Nuklearwaffen und Finanzderivate hinein gerettet hat. Unversöhnlich die Feindseligkeiten, vor kurzem noch der Ersatzreligionen des Kapitalismus und Kommunismus, jetzt erneut der Christen des Westens und der Islamen des Ostens, eingekeilt dazwischen ein kleines jüdisches Land, an seiner engsten Stelle kaum 15 km breit, und nicht weniger kreativ in seiner Auslegung der Schrift und Radikalität der Verteidigung der vorgeblich eigenen Interessen.

Besonders grotesk ist natürlich der Umstand, dass diese drei Weltreligionen auf dem gleichen bronzezeitlichen Religionstestament aus dem heiligen Land rund um Jerusalem stammen und damit letztlich nur Sekten des gleichen historischen Ursprungs sind. Und auch nach mehr als 3000 Jahren, nachdem einige Priester des Morgenlandes die frühzeitlichen Geschichten der menschlichen Kultur aufschrieben, diese Mythen und Religionsgrundsätze immer noch erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Menschheit ausüben.

Bemerkenswert auch der Umstand, wie Aufstieg und Fall des jüdischen Staates mit dem „Rise and Fall of the Empires“ einhergeht. Der unabhängige Staat wurde bereits um das Jahr 70 durch Rom geschlagen und eliminiert. Aber erst in der Folge des Unterganges des römischen Reiches im 5. Jahrhundert geriet das Land in andere Hände. Ab 636 unterstand das Land der arabische Herrschaft und seit dieser Zeit wird Palästina mehrheitlich von Arabern bewohnt. Der Untergang des römischen Reiches war vom gleichen Virus verursacht, an dem heute Allen voran, die Noch-Weltmacht USA leidet. Nachdem der Staat im dritten Jahrhundert praktisch pleite war, geriet es zur Militärdiktatur der so genannten Soldatenkaiser. Nach der Währungsreform des Diokletian konnte es sich ins vierte Jahrhundert und mit der Neuerrichtung des oströmischen Staates (Konstantinopel, Byzanz, heute: Istanbul) noch einmal ein wenig über Wasser halten. Das Westreich kollabierte im fünften Jahrhundert vollständig, das Byzantinische Reich, unbelastet der Vermögensturbulenzen des Westreiches, konnte sich noch, zwar ständig schrumpfend, bis ins hohe Mittelalter hinein retten.

Auch die Neuerrichtung des Staates Israel hängt wieder mit dem Untergang eines Imperiums zusammen. Die erste größere Zuwanderung von Juden nach Palästina erfolgte zwar schon wieder, nach mehr als 1200 Jahren, um 1882. So waren es aber zunächst nur Wenige, 1903 waren es gerade einmal auf 5216 Einwohner angewachsen, die vor politischer und religiöser Unterdrückung aus ihren Herkunftsländern geflohen waren. Das Gebiet war Interessengebiet des damaligen Weltreiches Großbritannien, dass sich aufgrund seiner rund um den Globus gestreuten Kolonien zu Recht rühmen konnte, das Reich zu sein, “in dem nie die Sonne unterging“.

Auch das Britische Empire ging unter, nachdem es sich in den zwei Weltkriegen des letzten Jahrhunderts hoffnungslos, vor allen Dingen bei einer seiner Überseekolonien, den USA, verschuldet hatte und eine Kolonie nach der Anderen nicht mehr halten konnte. Militärmacht ist nun halt mal in erster Linie Wirtschafts- und Finanzmacht. Eine conditio sina qua non. Als das britische Mandat für Palästina am 14. Mai 1948 endete, verkündete am gleichen Tag David Ben Gurion: Die Errichtung des Staates Israel erfolge Kraft des „...natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UNO-Vollversammlung“. Elf Minuten(!) später erkannten die neue Weltmacht der Vereinigten Staaten von Amerika Israel an, aber noch in der Gründungsnacht erklärten die düpierten arabischen Staaten Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien dem neuen Staat den Krieg.

Und nur durch die finanzielle, politische und militärische Unterstützung der USA, aber auch Europas, konnte und kann sich Israel überhaupt dauerhafte gegen die arabische Übermacht in der Region halten ([1],[2],[3],[4]). Die nun hoffnungslose Überschuldung der USA, mehr noch als die Europas, lässt keine große Hoffnung zu, dass es auf längere Sicht dabei bleiben könnte. Die USA werden in historisch kurzer Zeit ihre Stellung an Ihren Hauptgläubiger, nicht anders als vormals die Briten an die Amerikaner, nun an China abtreten müssen. Ob sie in der Folge des Niederganges in einigen Jahrzehnten überhaupt noch in der Lage sind die Spritrechnungen für ihre sündhaft teuren Trägerflotten bezahlen zu können, sei dahin gestellt.

In der Folge wird das Fundament des Staates Israel ohne Zweifel gefährlich erodieren. Es ist eine absehbare Entwicklung, nicht im Detail, aber im großen Ganzen wenig zweifelhaft. Israel kann dagegen wenig tun, außer jetzt die Zeit zu nutzen einen für alle Seiten, besonders aber der zukünftig strategisch besser dastehenden ölreichen arabischen Seite, akzeptable Friedensregelung zweier unabhängiger Staaten in Palästina zu ermöglichen. Einen Frieden um „jeden Preis“, denn sonst ist in den nächsten Jahrzehnten das Ende absehbar.

Stattdessen macht man zur Zeit, in Verkennung der Tatsachen, das genaue Gegenteil und rennt sehenden Auges in sein Verderben. Man hält sich bestenfalls nach gut dünken an Abmachungen, wenn überhaupt, und tritt UNO-Beschlüsse regelmäßig mit Füßen. Vernebelt von radikal-religiösen Siedlern, im Glauben an die Gott gegebene eigene Unverwundbarkeit Davids gegen Goliath, und aus dem Unrecht des Holocaust schöpfenden Glauben an das unbegrenzte eigene Existenz-Recht, pinkelt man selbst den besten Freunden regelmäßig ans Bein: „Die Ankündigung [Siedlungsausbau auf palästinensischem Gebiet] sei "genau jene Art von Maßnahme, die das jetzt notwendige Vertrauen unterwandert und den konstruktiven Gesprächen zuwiderläuft, die ich hier in Israel hatte", hieß es in einer in Washington veröffentlichten Erklärung Bidens vom Dienstag. "Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, die Verhandlungen unterstützt, und nicht eine, die sie verkompliziert", betonte er..... Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte in einem Telefonat mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, eine "adäquate" Antwort. Es sei "klar, dass Israel keinen Frieden will"...“. Israel ist sich selbst der größte Feind. Wenn man dort nicht bald in der weltpolitischen Realität ankommt, dann wird man auch den nächsten Untergang einer Weltmacht wieder teuer bezahlen müssen. Denn Frieden muß man machen, solange man noch stark ist. Später kann man ihn machen, die Anderen müssen aber nicht mehr.

Es ist die Normalität des Grauens, die die Menschen seit archaischen Zeiten immer wieder aufs Neue einholt. Es hat sich wenig geändert, kaum kulturell, dafür aber viel zivilisatorisch. Geschichte wiederholt sich, und schlimmer noch, sie beliebt auch nach über 3000 Jahren immer noch virulent zu sein, selbst für Diejenigen die sich nie einen Deut für sie interessiert haben.

Dienstag, 9. März 2010

Meinungsreform bei Beckmann

Griechisches Weinen konnten wir gestern Nacht bei Beckmann's Runde erleben. Normalerweise habe ich keinen großen Nerv für Talkrunden, aber die Persönlichkeiten dieser illustren Runde waren diesmal wirklich interessant gesät. Sei es Theo Waigel, der wieder einen Termin beim Augenbrauenfriseur bräuchte, oder die intelligente und auch mit 58 immer noch bezaubernde Vicky Leandros. Trotzdem hätte ich wohl weitergezappt, wenn da nicht ein ausgezeichneter Finanzexperte, Mr. DAX Dirk Müller, in der Runde gesessen hätte.

Und so begann die Runde zum Griechischen Schuldendrama, dank Müller, dann auch gleich kontrovers. Kaum hatten die üblichen Schuldentilgungsphantasien angehoben wandte Müller ein, dass weder die Schulden in Griechenland noch sonst wo in der westlichen Welt je zurück gezahlt werden könnten, was Theo Waigel auch gleich mit einem sachkundigen "Wa-Wa-Wa-Wa" konterte.

Überhaupt machte Mr. EURO Theo Waigel nicht nur optisch den Eindruck des getretenen Dackels. Sekundiert wurde er vom FDP-EU-Politiker Chatzimarkakis, der den Spagat zwischen EURO-Kritik und Koalitionstreue zum EX-Unions-Finanzminister Waigel versuchte. Nach dem er Waigel für seine eskalierten Schuldenorgien deckelte und dieser mit „Wa-Wa-Wa- ich hatte ja die Wiedervereinigung zu bewältigen...“ zurück dackelte, konnte man sich schnell auf einen Schuldigen, SPD-Finanzminister Eichel einigen, den man für die Aufweichung der 3%-Verschuldungsregel der EU heranziehen konnte. Chatzimarkakis gebetsmühlte dann noch die fällige Lebensleistung-Wiedervereinigungs-Lobhudelei um dann endlich zum Punkt, dass nämlich alle Staaten diese Schuldenstände aufbauten, mit jedes Mal anderen Begründungen warum es nun angeblich nicht anders ginge, kam.

Das die kleinen Südländer letzlich das taten, was die Großen vormachten, lag auf der Hand. Zumal Chatzimarkakis richtigerweise anmahnte, das schließlich gerade die Deutschen als Exportweltmeister von dem griechischen Bilanzdefizit bestens profitiert hatten. Hermes Hodolides, bekannt als Vasry Sarkakis aus der Lindenstraße, konnte sein Leid über die Verdrängung der typischen griechischen Einzelhandelskultur durch deutsche LIDL-Ketten in jedem griechischen Bergdorf ergänzen.

Breiten Raum nahm natürlich der „Stinkefinger-Skandal“ des Focus Titels ein, den eine griechische Göttin mit erregierten Mittelfinger und der „EU-Betrüger“-Schlagzeile zierte. Nun ist der Focus ja kein Regierungsblatt, was diesen Beleidigungs-Skandal daher ein wenig an den Mohammed-Karikatur-Streit erinnern lässt. Alexandros Stefanidis, Journalist der Süddeutschen, erklärte dazu die Seelenlage seiner Landsleute. Stefanidis beschrieb die Tage unter dem Titel „Highway to Herllas“ wie Bestechung das öffentliche Leben in Attika bestimmt und Vicky Leandros, mit praktischer Erfahrung in griechischer Politik, stellte klar, dass nach den jüngsten Spargesetzen in Griechenland nicht die wirklich Reichen sparen und höhere Steuern zahlen sollen, sondern es nur die weniger Begüterten trifft, die teilweise zwar drei Jobs aber nur 700 Euro im Monat haben. Der Hit war ein Einspieler des FDP-Politikers Frank Schäffler, der zuletzt publikumswirksam forderte, das Attika ja seine Inseln verkaufen könnte um wieder liquide zu werden. Schäffler, selbst Finanzdienstleister und im Beirat des Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen, ist übrigens auch ein Vertreter der Idee eines „neuen Geldes“, wie man u.a. in seinem Blog nachlesen kann.

Zurück zur EURO-Schwäche fragt Beckmann dann ganz naiv Herrn Waigel, wie denn das eigentlich mit den Wetten gegen den EURO funktioniere. Mit dieser speziellen Frage war Theo Waigel sichtlich überfordert, nach anfänglichem Stottern rezitierte er einiges über Vertrauen in die Währung, wie „Müllers Lieschen“ das so kennt und glaubt. Dirk Müller sprang zur Seite und versuchte zu erklären was ein CDS ist, Hr. Waigel offenbar so unbekannt wie dem Rest der Runde, und Chatzimarkakis viel mit dem schönen Vergleich, den ich vor einigen Tagen schon mal gelesen hatte, auch gleich ins Wort, „...dass das so sei als wenn man eine Feuerversicherung für sein Nachbarhaus kaufen würde.“

Falls Sie die Sendung ebenfalls gesehen haben und an dieser Stelle an Ihrem Verstand zweifelten, weil sie noch immer nicht begriffen haben wie das mit den Wetten auf den EURO funktioniert, dann kann ich Sie beruhigen. Es wurde nicht erklärt. Aber ich will es hier nachholen: Also, wer heutzutage einen größeren Packen Derivate oder Anleihen kauft, der kauft auch in der Regel eine Ausfallversicherung dafür ein. So musste man etwa für eine Griechenlandanleihe von 10 Mio.Euro in 2009 etwa 100.000 Euro jährlich an Versicherungsprämie (CDS Credit Default Swap) zahlen, für die gleiche Menge an sicheren Deutschen Anleihen dagegen nur 44.000 Euro. Für Finanzhaie sind solche Versicherungspolicen aber nichts anderes als jedes andere „Finanzprodukt“ auch. Man kann sie kaufen und damit handeln, wie mit jeder anderen Börsenware auch. Wenn ich also weiß, dass demnächst ein große Menge solcher Policen nachgefragt werden , kann ich im Vorfeld schon mal einen Haufen davon kaufen. Das allein steigert schon mal die Preise dieser Papiere. Wenn dann die Anleihe startet, fragen die Investoren diese Policen nach, und treffen auf höhere Preise. Die höheren Preise wollen sie natürlich auf die geforderten Renditen für die Griechenanleihen aufgeschlagen wissen, damit sich ihre Renditen unterm Strich noch lohnen. Somit steigen die Spreads zwischen deutschen und griechischen Anleihen zusätzlich zum normalen Risikoaufschlag und die Refinanzierung für Letzteren wird schon wieder teurer. Damit steigt natürlich auch das tatsächliche Ausfallrisiko.

Die Policen die ich nun vorweg gekauft habe, kann ich einerseits mit gutem Gewinn an die Investoren die sie brauchen weiterverkaufen, oder, wenn ich Risiko liebe, erstmal behalten. Denn die Versicherungssumme wird fällig, auch wenn ich gar keine Anleihen halte. Gelingt es mir in der Folgezeit also Griechenland in die Knie zu zwingen, sagen wir nach drei Jahren, so bekomme ich für 100.000 Euro mal 3 Jahre = 300.000 Euro dann 10.000.000 Euro ausgezahlt. Eine Rendite von mehr als 1000 % pro Jahr, da wird selbst Ackermann mit seinen 25% blass vor Neid. Nun haben sich die Prämien durch die Spekulationen der jüngsten Zeit auf sagenhafte 400.000 Euro pro Jahr erhöht, aber auch das ist immer noch ein einträgliches Geschäft, zumal es die erhoffte Ausfallwahrscheinlichkeit der Griechen dramatisch erhöht. Kein Wunder also dass sich die schlimmsten Bankster der Wallstreet zusammengesetzt haben, um das auf die Schiene zu bringen. Denn es ist wie beim Poker, man muss den Einsatz nämlich so hoch bringen, dass kein Anderer, hier also besonders der EU-Zahlmeister Deutschland, beim Zocken noch mithalten kann. Und da stehen die Chancen für diese Ganoven wirklich gut.

„Die Banken, die wir gerade gerettet haben, bringen uns nun mit ihren Spekulationen wieder in die Bredouille: die Commerzbank, die Deutsche Bank...“ wetterte dahin gehend Chatzimarkakis. Denn in der Tat saß auch sofort Ackermann im Boot, als es darum ging die Griechenlandanleihe unter Dach und Fach zu bringen. Allein an den Gebühren für die Vermittlungen der weltweiten Staatsanleihen, von den Banken verursacht, bringt satte und sichere Gewinne. Da kann man auch mit 25% Eigenkapitalrendite zufrieden sein.

Nun soll natürlich der Durchschnittsgrieche, „römisch dekadent“ wie unsere Hartz-IV-ler, die Zeche durch tiefste Einschnitte im sowieso mageren Familienbudget aufbringen. Was natürlich nicht geht, da sich hier die Volkswirtschaft nämlich in den Schwanz beisst: Der resultierende Konsumausfall lässt die Wirtschaft kollabieren und die Schulden werden mittelfristig daher nicht fallen sondern weiter steigen. Dirk Müller mahnte hier zu Recht an, dass auf dem Höhepunkt der Finanzkrise durch die schwarz-gelbe Koalition erklärt wurde, dass man mit allen Mitteln den Konsum ankurbeln müsse. Und von den Griechen verlangt man nun aber das genaue Gegenteil, nämlich das sie sich tot sparen. Mr. DAX Müller brachte es auf den Punkt: „Entweder wir akzeptieren jahrzehntelange Transferzahlungen oder wir entlassen die Griechen aus der Euro-Zone.....Und wenn uns Spanien um die Ohren fliegt, dann geht es um ganz andere Summen!“.

„Warum schafft es die Politik nicht, diesen Gaunern das Handwerk zu legen?“ fragte schließlich Beckmann. Theo Waigel glaubte tatsächlich den EU-Schmarrn, dass man die Folterwerkzeuge gegen die Spekulanten auspacken würde. Ob dieser grotesken Naivität konnte Dirk Müller nur noch lachen, denn es sind ja genau diese Spekulanten der Wall Street, ohne die die Staaten in Europa und Übersee unmöglich ihre jährlichen Refinanzierungen der Staatsanleihen hinbekämen. Es gibt nämlich gar keine Käufer mehr, die die exponentiell angewachsenen Volumina dieser Anleihen überhaupt noch stemmen könnten. Und auch die werden es nur noch relativ kurze Zeit schaffen. So ist dem Finanzexperten Müller längst klar: „Wie werden die Schulden weltweit neu verhandlen müssen. Nennen Sie es Währungsreform, wenn sie wollen. In den nächsten 5 bis 15 Jahren werden wir eine Währungsreform erleben.“

Prompt dackelte es aus der hinteren Ecke „Wa-Wa-Wa-Wa...“. Aber statt nun den wirklichen Kern des Problems in die Diskussion zu bringen, und vielleicht Fernsehgeschichte zu schreiben, erwürgte Beckmann sofort mit seiner Weichspülerart die aufkeimende Meinungsreform und zwang die Runde zum gemütlichen Teil des Abends. Bei Griechischem Wein und der nicht erwiderten Aufforderung an Vicky, „Theo wir fahr’n nach Lodz“ zu intonieren.

Donnerstag, 4. März 2010

Griechenland: Ein Sanierungsfall der keiner ist

Nach Hartz-IV-Bashing erleben wir zur Zeit das Attika-Bashing als neue Variante eines Problems, das keines ist. Jedenfalls nicht in der suggerierten Form. Natürlich muss sich Griechenland vorhalten lassen, jahrzehntelang mit geschönten Zahlen hantiert zu haben. Und Steuerflucht und Korruption in selten auffälliger Weise toleriert und sogar gefördert zu haben und ständig mehr Geld aus zu geben, als man einnimmt. Alles Symptome aber mit denen die Anderen, die jetzt mit dem Finger nach Athen zeigen, auch mehr oder weniger stark zu kämpfen haben.

Symptome der gleichen Krankheit des gleichen Virus, den alle westlichen Gesellschaften lange schon im Blut haben. Nur das schon immer Griechenland weniger Abwehrkräfte gegen diese Krankheit besaß. Schlimmer noch, es wurde zusätzlich, wissentlich der Immunschwäche, mit diesem Virus infiziert. Und zwar von Denjenigen die jetzt angesichts der saftigen Arztrechnung, die sie wegen der Zahlungsunfähigkeit des Patienten wohl oder übel übernehmen müssen, zu jammern beginnen.

Das Attika die Infektion mit dem Euro langfristig nicht überleben würde, war schon bei Einführung der Gemeinschaftswährung klar. Ebenso, dass die aus Athen vorgelegten Daten so nicht ganz stimmen konnten, aber so genau wollte man es auch gar nicht wissen. Hauptsache der Euro konnte durchgeboxt werden, ein gemeinsames Geld, das mangels gemeinsamer Wirtschaftspolitik zu einem gewaltigen Leistungsbilanzdefizit zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Regionen führen musste. Das es zuerst die immun geschwächten Südländer, allen voran Griechenland, dahin raffen würde ist nun wirklich keine Überraschung. Auch die Anderen Südländer sind bereits hoffnungslos krank, wenn auch die Symptome noch nicht offen ausgebrochen sind und die Patienten ans Bett fesselt. Es ist aber nur eine Frage der Zeit.

Gleichzeitig mit Einführung des Euros war man aber so schlau zu vereinbaren, dass man prinzipiell keine Arztrechnungen der Anderen Infizierten übernehmen würde, in der vagen Hoffnung das dann jeder schon fleißig für seine Gesundheit trainieren und abspecken würde. Mit dem starken Euro stellte man aber vor allen Dingen effektiv billige Kredite zur Verfügung, in vorher dort ungekannten Ausmaße. Es war so, als liefere man einem Alkoholiker ununterbrochen Wagenladungen voll der feinsten Drinks um ihn gleichzeitig zur Enthaltsamkeit und Askese aufzufordern. Um sich nun zu wundern, dass daraus nichts geworden ist und man den Patienten im Koma vorfindet. Und dass die Alkoholverkäufer, die deutschen Banken halten einen Löwenanteil der griechischen Staatsanleihen, seine Schnapsrechnungen nicht mehr bezahlt bekommen, weil der Patient arbeitunfähig geworden ist.

Der Patient, der sich an einen 1200 Promille und ständig steigenden Blutalkohol gewöhnt hat, soll sich nun selbst helfen, indem er weniger säuft und endlich damit beginnt, seine Alkoholrechnungen abzustottern. Oder wenigstens die Stundungszinsen dafür erarbeitet, oder, wir sind auch mit viel weniger zufrieden, zumindest die Zunahme seines Pegels von 127 Promille jährlich auf 85 Promille senkt. Damit die Schnapswirte wenigstens nicht den Glauben an einen ihrer besten Kunden verlieren. Andernfalls müssten Sie die Schnapspreise erhöhen, gerade auch für die anderen Kunden die schon etwas glasig drein schauen.

Schön wäre es, wenn der Patient mit der üblichen Schulmedizin zu heilen wäre. Das ist aber aus ganz fundamentalen Gründen nicht mehr möglich. Die gängige Schulmedizin sind nämlich die altbekannten betriebswirtschaftlichen Rezepte. Man redet von einem Sanierungsfall, die Griechen müssten nur reichlich sparen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Für einen Betrieb ist das tatsächlich möglich, denn er kann Leute entlassen und mit besseren Maschinen und Konzepten seine Produktivität und Einnahmen erhöhen. Das Problem, nämlich einerseits die Arbeitslosen und andererseits das Mehr an Produkten, das nun von den Konkurrenzbetrieben nicht mehr verkauft werden kann, diese Probleme haben dann einfach die Anderen. Der Betrieb ist schließlich saniert. Bei der Volkswirtschaft ist das fundamental anders, da werden die Problem nur herumgereicht, aber nicht beseitigt.

Die Ursache dafür ist die bei positiver Verzinsung unvermeidbare Vermögensschere, der Zwang zur Verzinsung der exponentiell anwachsenden Vermögen ist irgendwann nicht mehr bedienbar. Spart der Staat nun um diese zu bedienen, so stärkt er genau die Ursache des Problems, entzieht der Wirtschaft aber Konsumkraft und damit den Antrieb. Die Folge ist noch mehr Arbeitslosigkeit und Firmenpleiten bei abnehmenden Bruttoinlandsprodukt. Gleichzeitig steigen durch die Schuldenbedienung aber die Vermögen und damit die Zinsforderungen nur weiter an, und das schädliche BIP zu Bankenaktiva Verhältnis eskaliert weiter.

Am23. Januar 2009 im Blogbeitrag „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ stellte ich schon mal fest: „Das Verlangen nach einer praktikablen Lösung gleicht nun dem Ruf nach einem perpetuum mobile: Retten wir den Staat, dann crashen die Banken, retten wir die Banken, dann crasht der Staat.“.

Nun, wer es immer noch nicht glauben mag, der kann sich bei dem Finanzmathematiker Prof. Dr. Jürgen Kremer auf dem Rhein-Ahr-Campus in Remagen schlau machen. Kremer hat, als einer der ganz wenigen Ökonomen den Fundamentalzusammenhang auch schon erkannt und publiziert. Sein mathematisches Modell ist ein wenig detaillierter und im Prinzip eine numerische Integration äquivalent zu meinem differentialanalytischen Modell über mehrere verknüpfte Haushalte. Er hat ja auch mehr Zeit für so etwas, die Ergebnisse sind jedoch exakt dieselben.

Eine Entschuldung, sprich Sanierung, der Volkswirtschaften ist durch Sparen ganz prinzipiell nicht mehr möglich.

Das in die Köpfe abgehobener Politiker, überforderten Schul-Ökonomen und ahnungslosen Journalisten zu transportieren ist mehr als überfällig. Besonders schuld an dem Dilemma ist die klassische Ökonomie, die diese mathematisch eigentlich leicht einsehbaren Zusammenhänge nie richtig begriffen hat ([1],[2],[3],[4],[5],[6]Powerpoint Kremer,[7]Java Applet Kremer).

Nur bei unserer Mutter der Nation bin ich mir da noch nicht so sicher. Angela Merkel ist seit der Koalitionsbildung seltsam auf Tauchstation gegangen. Das liegt sicherlich zum größten Teil an Ihrer typischen Taktik, erstmal andere Koalitionspolitiker ins öffentliche Messer laufen zu lassen, um dann als überlegene Figur aus dem Hintergrund alles wieder in die beste Ordnung zu bringen. Sprich in die Richtung, die sich aufgrund des Medienechos als die politisch vernünftigste Lösung anbietet. Es sei Ihr gegönnt, solange sie damit gut fährt. Aber in den letzten Monaten hatte ich fast den Eindruck, dass Sie als Physikerin vielleicht doch zurück zu ihren Wurzeln und damit zu der unausweichlichen Erkenntnis gekommen ist, das Sie der Kapitän eines leck geschlagenen Seelenverkäufers mitten im Pazifik geworden ist. Da wäre es schon verständlich leicht melancholisch zu werden.

Mittwoch, 3. März 2010

Warten auf Godot: Neues Allzeithoch des Goldes


Der Goldpreis hat heute mittag mit mehr als 834 Euro/Unze wieder ein Allzeithoch erreicht. Was Sie haben noch nichts davon in den Gazetten gelesen? Kein Wunder, denn der deutsche Journalismus starrt wie immer nur gebannt auf den Dollar. Und da alle wichtigen westlichen Währungen, der US-Dollar, das Britische Pfund und auch der Euro unterschiedlich und wechselseitig inflationieren, ist es wieder keinem aufgefallen. Zwar erreichte in Dollar gemessen das Gold sein letztes Allzeithoch am 03.12.2009, in Euro gemessen aber überschreitet der Goldpreis bereits seit dem 15.02.2010 lustig sein damaliges Allzeithoch von 802 Euro/Unze.


Für die tatsächliche Inflationstendenz sollte man daher natürlich den über die drei wichtigsten westlichen Währungen gemittelten Goldpreis betrachten. Und dort sehen wir den weiteren Verlauf der Fünften Welle. Auch währungsgemittelt erreicht der Goldpreis, bezogen auf den Januar 2000, mit 3,74 ein Allzeithoch.


Im Vergleich mit den direkt dazu korrelierenden Inflationswellen der 1923er Inflation kann man zudem eine Vorhersage wagen. Betrachtet man die abnehmenden Wellenlängen der 1920er und der 2010er Inflation, die beide bis kurz vor dem großen Knall Deflationen(!) waren, so dürfte die nächste Zwischenspitze des Goldes etwa Ende April oder Anfang Mai zu erwarten sein. Und zwar etwa bei einem Stand um die 1600 USD (zur Zeit 1136 USD) und damit die dann sechste Welle einläuten.


Sofern der direkte Vergleich mit der Inflation der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts tatsächlich haltbar ist, so sollte dann wieder eine kurzzeitige Beruhigung eintreten. Das wäre ein Zeichen dafür, das sich die Hyperinflation dieses mal etwas mehr Zeit lässt. Zieht aber danach der Preis ohne großes Innehalten gleich wieder stark nach oben, und ziehen wenig später auch die Vermögenspreise (Börsen, Aktien, Zinsen) und schließlich die Lebenshaltungskosten merklich an, so wissen wir das der ganz große Knall nicht viel mehr als etwa zwei, höchstens drei Jahre entfernt liegt.

Gold ist nicht nur ein Spekulationsobjekt wie alles Andere, sondern insbesondere ein Gradmesser für das Vertrauen der Anleger in Papierwerte. Angesichts der um sich greifenden Staatspleiten, der massenhaften Selbstankäufe der wichtigsten Notenbanken für die eigenen Staatsanleihen, der drohenden Gewerbe-Immobilienkrise in den USA oder auch China, da verlagern auch unerschütterliche Spekulanten immer mehr Teile ihres Portfolios in Sachwerte. Die Notenbanken versuchen dagegen zu halten, einmal mit den vorher erwähnten Selbstankäufen der Staatsanleihen, denn wer sollte alleine dieses Jahr sonst die 1600 Mrd. für die Anleihen der USA aufbringen, die 50 Mrd. Euro für Griechenland sind dagegen ein Klacks. Andererseits versucht man den Goldpreis unten zu halten, so verkaufte der IWF vor kurzem eine weitere Tranche von fast 200 Tonnen des Edelmetalls, die EZB tat es sowieso schon häufiger. Zudem weiß keiner so genau, wie viel der gewaltigen US-Goldvorräte tatsächlich noch in Fort Knox lagern und nicht längst zur Stützung des US-Dollars heimlich auf den Markt gebracht wurden.

Manche Analysten behaupten, dass es sich lediglich um eine Goldpreisblase handelt. Das erscheint aber weit hergeholt. So hat sich der Preis seit 2000 "nur" knapp vervierfacht. Typische Vermögenspreisblasen, etwa von Aktien, entwickeln sich dagegen deutlich heftiger, mit "Gewinn"-Sprüngen vom 10 bis 100 fachen und kollabieren auch in deutlich kürzerer Zeit als 10 Jahre wieder. Zudem haben in letzter Zeit gerade die Meisterspekulanten, wie Goldman Sachs oder Soros zunehmend in Edelmetall investiert.

Recht kräftig, um im gleichen Atemzug aber zu behaupten das es sich nur um eine riesige Blase handele. Dabei dürften sie vermutlich sämtliche Finger und Zehen gekreuzt haben, denn der wahre Hintergrund dieser Behauptung dürfte darin liegen, den Goldpreis noch möglichst lange einigermaßen unten zu halten, um genügend davon für die Zeit "danach" bunkern zu können. Ein gravierender Absturz der Edelmetallpreise in den nächsten Jahren wäre allerdings mehr als überraschend. Angesichts der diversen Finanzmarktblasen und der prinzipiell nicht mehr rückführbaren Giga-Staatsverschuldungen gilt den Investoren statt Maximumrenditen mehr und mehr konservative Sicherheiten als opportun. Und warten auf den "selbstragenden Aufschwung" der alles wie durch Wunderhand wieder in Ordnung bringt, die Schulden auflöst, den Werteverfall stoppt, neues unendliches Wachstum beschert; Warten auf Godot. Ausweg? Nicht in Sicht.

Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ach ja.