Dienstag, 21. Januar 2014

Freihandelsabkommen: ACTA 2.0 - Deja Vu oder nur verTTIPt ?

Nun gut, die USA späht hemmungslos sämtliche Weltbürger aus. Kein Problem versteht sich, solange es nicht das Handy der Kanzlerin ist oder auch nur das der EU Bürokraten. Na ja, Freund Obama hat Besserung versprochen, allein der Glaube fehlt. So schreibt etwa die Süddeutsche treffend zu Obamas Nix-da-Rede: „Natürlich wäre es naiv, von der US-Regierung Maßnahmen zum Schutz deutscher Grundrechte zu erwarten. Diese hätten zudem nichts an der Tatsache geändert, dass der digitale Lebensraum für sämtliche Geheimdienste ein wichtiges Ziel ist. Auch und gerade in solchen Ländern, in denen Kontrollinstanzen keine Rolle spielen - aber ebenfalls für die Mitglieder der Europäischen Union, inklusive Deutschland. Doch mehr als vage Versprechen, die Bitte um Vertrauen und die Simulation einer Debatte hätte er vorlegen können. Mit seiner Haltung hat Obama den internationalen Rüstungswettkampf in digitaler Überwachung quasi offiziell eröffnet. Der Schaden dürfte größer sein als das, was seine Kontrollmaßnahmen reparieren. "Ostdeutschland zeigt uns, was passiert, wenn ein großer Überwachungsstaat existiert und er sich gegen seine eigenen Bürger wendet", sagte der US-Präsident im ZDF. Und warb für die Existenz einer Überwachungsmaschine, die weltweit agiert und in bislang nie gekanntem Ausmaß Informationen sammelt. Dies ist ein Widerspruch - und sollte es auch bleiben.“

Das sich die USA über sämtliche Gesetze und internationale Ethik hinwegsetzen, sofern es nur ihrem nationalen Interesse gilt (darüber steht bestenfalls der liebe Gott, aber das ist auch nicht gesichert), ist nichts Neues. Der Unterschied zu früher ist dagegen der, dass sich diese einseitige Arroganz der Macht in Zeiten der Krise nicht nur auf irgendwelche No-Name-Staaten, sondern ganz gezielt und direkt auf die angeblich besten Freunde in Europa und sonst wo bezieht. Betrachtet man die relativ dreist schön gerechneten US-BIP Zahlen etwas kritischer, so ist klar das die EU die USA längst in allen Bereichen hinter sich gelassen hat, Das betrifft nicht nur die Einwohnerzahl sondern auch das BIP und die gesamtwirtschaftliche Potenz, aber selbst die Finanz- und Wirtschaftskrise, denn die ist zwar hüben wie drüben am Sockel nagend, aber nach den Realzahlen gesehen im EU-Ländle bei weitem noch nicht so fortgeschritten. Selbst im militärischen Bereich wird es für die USA zunehmend eng, weniger wegen der Anzahl und Qualität der Waffen wegen, da kommt so schnell keiner ran, sondern schlicht dem Umstand geschuldet das Amerika langsam die finanzielle Puste dafür ausgeht. Das Problem kennt jeder der sich in guten Zeiten ein zu dickes Auto geleistet hat: Wenn einem die finanzielle Puste für die Spritrechnung ausgeht, dann bringen auch 500 PS und 12 Zylinder niemanden mehr weiter. Die Karre taugt dann nur noch als imposantes Denkmal ehemaligen Wohlstands.

Das offizielle Entwurfspapier der EU. Sinnigerweise ist die US-Flagge ein wenig dominant geraten.
Nun hat man den EU-Bürokraten das Freihandelsabkommen als Rettung in der Not untergejubelt: „Das Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership-Abkommen, TTIP, ist kein klassisches Freihandelsabkommen. Es geht nicht um die Abschaffung von Zöllen und Handelsschranken, weil es die zwischen Europa und den USA kaum noch gibt. Ziel ist vielmehr der Abbau von so genannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“. Als Handelshemmnis können die Vertragspartner alles definieren: Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte. Sofern das Recht dem Handel hinderlich ist (oder auch nur dem Interesse wichtiger Großkonzerne einer Seite widerspricht) soll es „harmonisiert“ werden. Das heißt praktisch meist, dass Standards gesenkt werden. Und zwar durch einen Vertrag zwischen Staaten oder Staatenbünden wie der EU. Die Vertragsverhandlungen finden ohne Transparenz, ohne Debatte und Beteiligung der demokratisch gewählten Parlamente statt. Die Parlamente können am Schluss nur noch Ja oder Nein zu dem ganzen Vertrag sagen.“

Man versucht es mit genau denselben vordergründigen Argumenten zu verkaufen, die man noch in 2012 beim inzwischen gescheiterten ACTA Abkommen vorgelegt hatte. 

Angeblich soll es der EU genauso nützen wie den USA und zudem natürlich neues Wachstum und Wohlstand für Beide herbei zaubern. Dabei hat man auch gleich dieselben Fußangeln in das genehme Abkommen eingebaut, wobei man sich noch nicht einmal genötigt sah diese unnötig zu verbergen. So wie man die Restwelt außerhalb der USA als Hort von dämlichen Terroristen oder bestenfalls nationalen Feinden im täuschende Gewand von Dritte-Welt-Demokratien begreift, so geht man davon aus dass man es in den anstehenden Verhandlungen mit der EU ja schließlich nur mit einer Herde von Hühnerhirnen zu tun hat denen man die Federn ganz easy rupfen kann.

Womit sie dummerweise auch einigermaßen recht haben. Denn ein Hühnerhaufen ist die EU im Vergleich zu den gewieften Unterhändlern der USA auf jeden Fall, denn alle ziehen zwar am selben Strang, allerdings in zwei Dutzend verschiedenen Richtungen und diese wechseln auch noch alle paar Tage. Eigentlich sollte aber das ganze NSA Desaster den Verantwortlichen gelehrt haben, dass sie den USA seit Jahren in unglaublicher Naivität, insbesondere was Wirtschaftsinteressen angeht, anhängen. Denn die US-Geheimdienste haben ja auch gezielt EU Unternehmen ausgespäht und tun dies auch immer noch ohne Hemmungen. Dazu hat Obama schon mal gar nichts gesagt, und im Vergleich dazu kommt der (auch nicht wirklich zugesagte) Verzicht auf Angela’s SMS’s den USA äußerst billig.

Trotzdem können Hühnerhirne nicht so schnell Hirnmasse aufbauen wie es eigentlich notwendig wäre. So hier nur als Beispiel, und davon kann man im EU-Ländle nur zu genug finden, hier die Junge Union gerade in ihremoffiziellen Statement vom Tage: „Das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA muss zügig weiterverhandelt und zum Abschluss gebracht werden. Die Verhandlungen dürfen nicht als Druckmittel im Rahmen der Gespräche über das No-Spy-Abkommen eingesetzt werden. Die verschiedenen Abkommen gilt es gedanklich zu trennen. Die Junge Union setzt sich für einen zügigen Abschluss des Freihandelsabkommens ein!“

Aha „gedanklich zu trennen“, da fragt man sich wirklich ob diese jungdynamischen Politiker überhaupt noch fähig sind, hier und da mal was gedanklich zusammen zu bringen. Und dann weiter: „Der freie Handel bietet immense Vorteile. Beide Handelspartner profitieren von der Abschaffung der Zölle und der Bürokratie.“. Zölle? Da gibt es doch schon heute praktisch keinerlei Einschränkungen mehr, der Zoll beträgt gerade einmal 3% und reicht bei weitem nicht aus, um den Wettbewerbsvorteil der Amerikaner, ihre fehlenden Arbeitnehmerrechte und Hungerlöhne sowie die in gerade benötigter Menge und sonst auch haltlos gedruckten Dollars, nur entfernt auszugleichen.

Die messerscharfe Analyse unseres politischen Lobbynachwuchs geht in diesem Stil weiter: 

„Die deutsche Wirtschaft erwartet durch das Abkommen zusätzliche Investitionen in Milliardenhöhe.“ So so, die Wirtschaft erwartet also Zusatzeinnahmen. Das tut sie aber immer sofern sie gewillt ist irgendein Papier zu unterschreiben. Der darauf folgende Satz ist da denn schon etwas gehaltvoller, wenn auch nicht richtiger: „Die deutsche Exportstärke ist eine zentrale Stütze der Wirtschaft und hat besonderen Anteil an der Steigerung von Wohlstand und der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen.“ Zweifellos stimmt der erste Halbsatz, der zweite ist aber wieder das alte Märchen. Denn tatsächlich geht jegliches Wachstum, sofern überhaupt welches zustande kommt, praktisch ausschließlich in die privaten Kassen der Wirtschaftsbosse, der Banken und Aktionäre. Die anteilige akkumulierte Lohnsumme dagegen sinkt immer weiter, selbst in der relativ glücklichen BRD, weltweit erst recht..

Nun aber, ganz Vorbild USA, unser nationales Interesse: „Deutschland muss daher seine Stärken im globalen Wettbewerb weiter ausspielen und auch über Europa hinaus als Treiber des Freihandels fungieren.“. Ach was, muss? Tatsächlich ist die BRD weltweite das Land mit dem größten relativen und absoluten (ja, selbst dass wurde kürzlich bestätigt, wir haben China auch absolut bereits hinter uns gelassen) Handelsüberschuss. Oder wie es die USA und auch unsere gebeutelten EU Freunde zu betonen wissen, das Land mit dem am weitesten ausgeuferten Handelsungleichgewicht weltweit. Jeder, und ganz besonders die USA, wollen das aber gerne zu ihren Gunsten ändern. Und es ist an dem Hühnerhaufen natürlich vorbei gegangen: Dafür soll ja nun genau diese Freihandelsabkommen herhalten! Stellt euch vor, ja die USA denken da durchaus eigennützig. Hat aber nichts mit ähnlichen Attacken zu tun so wie ACTA oder NSA, nein, dass muss man natürlich „gedanklich auseinander halten“.

Und weiter: „Die Verbraucher in Deutschland würden durch sinkende Preise profitieren. Nach ersten Berechnungen würde die Kaufkraft jedes Einzelnen im Schnitt um 1,6 Prozent steigen.“. Yep, die „ersten Berechnungen“, die gehen bekanntlich immer in die Richtung der geneigten Ökonomen, prinzipiell nach oben versteht sich, und stellen sich später regelmäßig als falsch heraus. Aber das ist dann nicht mehr so schlimm, denn später wissen es nur noch die wenigsten und ändern kann man es dann ja sowieso nicht mehr.

Dazu schreibt Heise-Online: "Wer nun jedoch einen Blick in die ökonomischen "Studien" wirft, die zur Abschätzung der Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens angefertigt wurden, erhält einen Eindruck davon, wie geradezu kurios weltfremd (und fahrlässig) es in der Denkwelt der bestimmenden Eliten zugeht. Behandelt werden hier die Studie Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment im Auftrag der EU-Kommission vom Centre for Economic Policy Research (CEPR) und die Studie Dimensionen und Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) vom ifo Institut.“

Diese lesenswerte Analyse endet in den Zeilen: „Ökonomische Prozesse als ein Vorgang in der Zeit sind schließlich gar nicht Bestandteil der [Anm.: für oben angeführte EU Studien, siehe Literaturverweise bei Heise.de] Modelle. So muss es dann auch nicht verwundern, wenn man wiederum in der ifo-Studie für die Parallelwelt eines neuen "Gleichgewichts" (unter dem Freihandelsabkommen) das Realeinkommen dadurch erhöht sieht, dass die Preise für Deutschland 16,19% unterhalb des (beobachteten) parallelen Basisszenarios von 2007 liegen sollen. Hierbei unterstellen die Autoren einen vollen Durchbruch der Freihandelseffekte in "10-20 Jahren". 16% niedrigere Preise gegenüber einer Situation ohne Freihandelsabkommen verteilt auf 10-20 Jahre? Dass hier in einem ohnehin deflationären Umfeld dem Freihandelsabkommen ein Deflationsschub unterstellt wird, scheint die Autoren wohl nicht zu irritieren. Warum auch, die Welt ist schließlich solange in Ordnung, wie es gelingt, die Modellgleichungen zu lösen.“

Genauso ist es, denn der Auslöser für das fehlende Wachstum ist nun mal der gewaltige Überhang der extrem ungleich verteilten Vermögen über das BIP, => in Folge dessen Rendite Druck der Lohnanteil der Arbeitenden sinkt, => und damit deren Kaufkraft, => und in Folge dessen eben Deflation entsteht.

Und dieser Effekt würde sich durch dieses Freihandelsabkommen natürlich noch deutlich verstärken. Zudem man vermuten darf, dass im Schlepptau des Freihandels auch die US-amerikanische Finanzwirtschaft ihre haltlosen Dollars über die EU völlig ungehindert auskübeln würde. Nicht wirklich neues, siehe NAFTA als Beispiel, so Heise-Online weiter: „…Hier sei abschließend noch auf eine Studie der Universität von Minnesota verwiesen. Diese verglich die damaligen CGE-Modellvorhersagen für das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA, eingeführt 1994) mit den später dann tatsächlich eingetretenen Verhältnissen. Bezogen etwa auf die Veränderungen von Export und Import für die USA, Kanada und Mexiko lagen die Modelle nicht nur um teilweise mehrere Größenordnungen daneben, sie lieferten bezogen auf die einzelnen Wirtschaftssektoren sogar systematisch falsche Ergebnisse. Auch für Mexiko wurde damals aufgrund des Freihandelsabkommens ein Wachstumsschub vorhergesagt. Wer nun in die Zahlen schaut, sieht, dass seit der Einführung von NAFTA das Wachstum zurückging, während die Arbeitslosigkeit stieg. Besonders der Agrarsektor hat seitdem unter US-Billigimporten zu leiden und viele Bauern verloren ihre Existenzgrundlage.“

Ganz zum Schluss kommen unsere Junghühner aber zum wesentlichen:  

„Zudem könnten mit einem vereinheitlichten Zulassungsverfahren Produkte schneller in beiden Ländern erhältlich sein.“. Klingt toll „vereinheitlichten Zulassungsverfahren“, und hier liegt der böse Wolf begraben, der am Ende all die verzückten Hühnchen aufzufressen gedenkt.

Die Pferdefüße des Abkommens sind zahlreich, aber zwei der dicksten Brocken sind die sogenannten „nichttarifärer Handelsbarrieren“ die es in der Logik der Freihandelsgläubigen zu bekämpfen gilt, und zweitens falls dies mal eben nicht gelingen sollte, ein spezielles Schiedsgericht, dass über eventuell „erlittene“ Einbußen von Konzernen aufgrund solcher lästigen Einschränkungen entscheiden soll. Unter „nichttarifärer Handelsbarrieren“ darf man im Prinzip jede wirtschaftliche Benachteiligung eines Händlers verstehen, der aus den zur Zeit noch unterschiedlichen Standards entsteht: Sei es nun Behinderungen in Bezug auf allzu grüne Umwelt und zickigen Gesundheitsregeln, oder die aufgrund von lästigen Arbeitnehmerrechten, Mindestlöhnen, Gewerkschaften oder sonstigem "Gesindel" entstehen. Kaum anzunehmen, dass man sich im Zweifelsfalle auf den höchsten gemeinsamen Standard verständigt. Schon gar nicht wenn am längeren Hebel in so einer Sache immer derselbe uneigennützige Partner aus Übersee sitzt.

Tatsächlich gibt es unterschiedliche Standards, und manchmal ist uns entgegen allgemeiner  Wahrnehmung die USA hier- und da sogar voraus: Siehe etwa die Repressionen gegen allzu eilige und durstige Autos in Californien etwa. Dem deutschen Autofahrer würde ob der dort geltenden Umweltstandards das Gaspedal förmlich einfrieren.

Hahn am Mist - (Bild: J. Jaritz, Wikipedia)

Trotzdem, echte Handelshemmnisse gibt es eigentlich seit langem nicht mehr, es sei denn man will unbedingt seine Überproduktion an Genmais hierzulande los werden, was dem Monsanto Konzern bisher noch nicht zur Zufriedenheit gelungen ist. Ob und was der Abbau der relativ geringen Hemmnisse bringen würde, ist dagegen selbst den Gutachtern des BMWi völlig unklar: „Die Ermittlung belastbarer nichttarifärer Handelsbarrieren (NTBs) auf sektoraler Ebene stellt eine besondere Herausforderung dar. Es existiert derzeit keine anerkannte Methodik, mit Hilfe derer man NTBs konsistent und auf über Länder sowie Sektoren harmonisierter Weise berechnen und in Modellsimulationen verwenden könnte…..Um dennoch eine Quantifizierung der nichttarifären Handelshemmnisse auf Sektorebene zu präsentieren, nutzen wir Ergebnisse des MIRAGE Konsortiums (siehe Kapitel IV.1 für eine detaillierte Erklärung), womit zumindest Aussagen über die Verteilung der NTBs für einige Sektoren gemacht werden können und die Asymmetrie zwischen USA und EU dargestellt werden kann. Wir  betrachten diese Ergebnisse als informativ, aber nur teilweise belastbar“.

Im Klarsprech des Wissenschaftlers geben die Freihandelsbefürworter hier also ein Statement kund, dass am ehesten mit „Nichts genaues weiß man nicht…“ zu umschreiben ist. Man hätte sich alle Gutachten sparen können und zum Beispiel nur einmal genau auswerten müssen, wie es anderen Freihandelspartnern der USA, und ganz besonders deren arbeitender Bevölkerung, in jüngster Zeit ergangen ist. Was aber wohl zu einfach und auch zu einleuchtend für die Hühnerherde gewesen wäre. Sofern es dann aber dann doch für einen Konzern mit ausreichend illustrer Rechstabteilung nicht gut genug gelaufen ist, soll zur Güte hier nun ein ganz spezielles TTIP Schiedsgericht (sog. Klausel für den Investitionsschutz) eingesetzt werden.

Nicht das es bereits genug ordentliche Gerichte als auch Schiedsgerichte für solche und vergleichbare Fragen gibt, wo man seine teuer bezahlten Anwaltskanzleien an die Front werfen könnte. Nein, es geht nun offensichtlich um die auch schon beim gescheiterten ACTA Vertrag angewandte Strategie, sich ein weitestgehend außerechtliches Instrument zu verschaffen, auf dem man sich seine geldwerten Vorteile erstreiten kann, ohne gleich mit popeligen Verfassungsgerichten und dergleichen demokratisch unterwanderten Institutionen aneinander zu geraten. 

In der Praxis müsste ein solches Gericht, womöglich noch auf amerikanischem Boden entscheiden, ob ein nichttariffäres Handelshinderniss auf irgendeiner Ebene vorgelegen hat und zu entschädigen sei. Die „Strafe“ dafür darf natürlich, oh Wunder, der Steuerzahler des betroffenen Staates überweisen. Letztere werden häufig genug in der EU liegen, nicht zuletzt deswegen, weil nicht nur hier mehr hinderliche sozial-demokratisch motivierte und legitimierte Gesetzte zur Anwendung kommen. Sondern auch weil in einem Land, in dem man Kaffeebecher mit auffälligen Warnungen wie „Vorsicht: Kann heiße Getränke enthalten die zu Verbrennungen führen können“ ziert um nicht Millionenklagen von verbrühten Deppen hinnehmen zu müssen, einfach viel mehr abgebrühte Anwälte unterwegs sind die auch die lächerlichsten Dinge juristisch zu vertreten wissen und sich nicht etwa wie hierzulande manchmal von gesundem Menschenverstand oder gar von demokratischer Naivität verwirren lassen. Auf der politischen Seite aber wird jedes erfolgreiche Vorgehen solcher Konzerne zu Millionen und Milliardenzahlungen aus dem Staatssäckel führen mit der Konsequenz, dass man dann dem verblüfften Steuerzahler erklären wird, dass man in Zukunft seine z.B.: Gesundheits-, Umwelt oder Arbeitnehmerrechte weiter einschränken müsse, um ihn in Zukunft vor solchen Zahlungen zu schützen. Alles zu seinem Wohle versteht sich, und wer mag da später noch nein sagen wollen.

Natürlich darf man sagen, das stehe doch so in dem Gesetzesentwurf gar nicht drin, aber es ist nun mal die praktische Folge von solchen Gesetzen und nur grenzenlose Naivität in Bezug auf Eigennutz der Parteien am längeren Hebel schützt einem da vor unruhigen Schlaf. So ist das Allerletzte im Unions-Text, also zumindest was die Zeilen angeht, zu erklären: „Die Junge Union fordert ein Festhalten an der intensiven Kooperation mit den Vereinigten Staaten. Der Abschluss des Freihandelsabkommens ist ein wichtiger Meilenstein der ökonomischen Kooperation mit Deutschlands wichtigstem Verbündeten.““.

Nun zweifellos war und ist immer noch die USA Deutschlands wichtigster Verbündeter. 

Aber dieser Verbund, auch wenn er nie der schlechteste der wenigen Möglichkeiten für die BRD war, war auch nie Uneigennützig für die Amerikaner. Zuerst als Bollwerk und wirtschaftliche und vor allen Dingen militärische Pufferzone gegen den Ostblock, als möglicher primärer nuklearer Kriegsschauplatz und Militärstützpunkt ersten Ranges. Das war ein Geben und Nehmen aus eigenen und unterschiedlichen Interessen heraus. Es hat sich im Endeffekt für beide gelohnt, es hätte aber auch schief gehen können: Dann wären Städte wie Tschernobyl und Fukushima heute im Vergleich zur Atomwüste-Deutschland lohnenswerte Kur- und Heilbäder. Die USA haben ihre Zeit gehabt und spätestens mit der Akzeptanz der in den 80er-Jahren durch die USA angetriebene Globalisierung inklusive des verbunden freien Finanzverkehrs haben wir eine eventuelle Schuld längst abbezahlt. Ohne diese Akzeptanz hätten wir heute zwar weniger Milliardäre aber dafür mehr soziale Gerechtigkeit, ohne den freien Verkehr der Dollarschwemme gesunde Finanzen. Aber die USA wären schon längst pleite und, natürlich wir wissen es nicht, die Machtverhältnisse und die notwendigen Bündnisse für Deutschland und die EU wären ganz andere, vielleicht in der Tat auch schlechtere.

Nur, die Essenz ist: Weder die EU noch die Deutschen haben nun in Dankbarkeit zu erstarren vor US-amerikanischen Begehren, schon gar nicht nachdem man in jüngster Zeit nach Strich und Faden übers Ohr gehauen wurde. Es gibt keine ausstehende Schuld mehr zu begleichen. Vielmehr geht es darum, nicht anders als das Vorbild USA, eigene Europäische und, und ja auch Deutsche Interessen zu vertreten. Und zwar genauso deutlich und unmissverständlich, von ganz naheliegendem Eigeninteresse geleitet und genauso unverhohlen vorgetragen. Denn das ist die einzige Sprache die die abgebrühten Verhandlungspartner aus Übersee verstehen, denn es ist genau ihre Sprache. Wer aber wie letztes Jahr Innenminister Friedrich nach bekannt werden der Kanzlerabhöraffäre in die USA pilgert, dort beim Täter, und der weiß das ganz genau, um eine genehme Audienz nach sucht, der darf sich über das Ergebnis nicht wundern: Verachtung bestenfalls, der Vertreter eines der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt der Lächerlichkeit preisgegeben, kein ernstzunehmender Gegner, ja noch nicht einmal ein ernstzunehmender Partner. Eben nur eine Lachnummer, aber eine wirklich gute.

Die Franzosen, die im Gegensatz zu Deutschland ja auch kein militärisches Eisen links liegen lassen und schon aus diesem Grunde weniger US-affin sind, haben den Braten dagegen gleich gerochen, wie die Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten berichten: „In Frankreich wächst der Widerstand gegen das geplante transatlantische Abkommen. Abgeordnete aller politischen Lager kritisieren die Geheimniskrämerei, zweifeln am Nutzen für die Wirtschaft und fürchten die Aushöhlung der Gerichtsbarkeit. Die Ministerin für Außenhandel ist als Unterstützerin des Abkommens völlig isoliert…. Der ehemalige französische Innenminister, Jean-Pierre Chevènement, erinnerte daran, dass die Idee zum Abkommen aus den USA kam. Die Amerikaner wollten dadurch den Handelsüberschuss Europas ausgleichen und Arbeitsplätze zurück in die USA holen.“

Wie wahr, wie wahr. „Die schärfste Kritik kam jedoch aus dem Lager der sozialistischen Regierung: „Ich bin dem Abkommen gegenüber sehr feindlich eingestellt. Wir müssen anerkennen, dass die glückliche Globalisierung nicht stattgefunden hat. Die multinationalen Konzerne befinden sich in einer Position, die wir nicht kontrollieren können“, sagte die Sozialistin Marie-Noelle Lienemann.“. Nun, wer es noch nicht gemerkt haben sollte, selbst die jetzt kriselnde Deutsche Bank bewegt noch mehr Geld als Angela Merkel. Und das ist nur einer der vielen Big-Player hüben und drüben.

Weiter die DWN : „Die dritte Runde der Verhandlungen geriet durch starke Meinungsverschiedenheiten bei regulatorischen Fragen ins Stocken. Ein weiterer Streitpunkt war dabei die Aufnahme von Finanzdienstleistungen in das Abkommen….Die Initiatoren des Freihandelsabkommens bemühen sich, den Stand und den Inhalt der Verhandlungen geheim zu halten. Falls dennoch über das Abkommen berichtet wird, sind die Medien angewiesen, die positiven Aspekte hervorzuheben.“. In der BRD braucht man noch nicht einmal geneigte Gazetten, da reichen auch Lobby nahe Jungpolitiker aus für die „positiven Aspekte hervorzuheben“, auch wenn man die natürlich „gedanklich trennen muss“, von der Realität nämlich.

Wieder mal etwas langsam, aber hoffentlich auch nicht zu spät, rieselt nun in Brüssel der Kalk aus den Hirnarterien: „Die größte Freihandelszone der Welt wollen die USA und die EU schaffen. Seit sechs Monaten laufen die Gespräche bereits. Doch nun geraten sie ins Stocken. Die EU-Kommission setzt die Freihandelsgespräche mit den USA teilweise aus. Zuerst solle es zu den umstrittenen Klauseln für den Investitionsschutz von Unternehmen über drei Monate hinweg eine öffentliche Befragung geben, kündigte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Dienstag in Brüssel an.“

Wie die „öffentliche Befragung“ aussehen soll ist mir noch ein Rätsel. Volksentscheid? Eher wohl eine partielle Wirtschaftsbefragung im Stile des Ifo-Geschäftsklimaindex. Jedoch sollte man auf die Mühe verzichten und die Akte TTIP lieber gleich dort abstellen wo sie hingehört: In den Aktenablage-Keller. Da wo auch schon das ACTA Abkommen steht. 

Direkt daneben ist noch reichlich Platz dafür.




Donnerstag, 16. Januar 2014

TandemVipera: Ein Frohes Neues Jahr 2014 – Der Ausblick

Ich möchte an dieser Stelle allen Lesern dieses Blogs für ihre Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr danken und Ihnen allen ein frohes und erfolgreiches Jahr 2014 wünschen. Ganz besonders bedanke ich mich auch bei allen Kommentatoren und Verfassern von Email-Leserbriefen, über die ich mich immer wieder freuen durfte.
Der moderne Staat ist gar nicht so alt. Und an seinen wesentlichen (Macht-)Strukturen hat sich bis heute erstaunlich wenig geändert. Bild: Hafentempel der Colonia Ulpia Trajana, heute Stadt Xanten.
Das neue Jahr hat bereits mehr als zwei Wochen hinter sich, und es ist Zeit für den Ausblick auf die wesentlichen Themen die uns dieses Jahr beschäftigen werden. Manche Themen sind vorhersagbar, zu entnehmen etwa der Jahresvorschau der Wikipedia, wovon ich hier einige heraus picken möchte, und andere, und das sind ja allzu oft auch gerade die viel interessanteren, dagegen weniger. So denn:

Wahljahr 2014:

Natürlich wird auch im neuen Jahr wieder gewählt. Neben einer Reihe von Kommunalwahlen werden uns vorwiegend die bedeutenderen Wahlen interessieren:

Am 2. Februar soll es vorgezogene Parlamentswahlen in Thailand geben. Interessant ist dies nicht nur wegen des beliebten Urlaubsziels, sondern wegen der allgemeinen politischen Entwicklung im asiatisch-pazifischen Raum. Obwohl die Thailänder im allgemeinen keine großen Krieger sind, befindet sich das Land wie so viele andere in der Welt am Rande einer Zerreißprobe zwischen verfeindeten politischen Lagern.

Am 22.–25. Mai bei der Europawahl wird es uns trotz trüberem Klima vielleicht wenigstens etwas wärmer ums Herz werden. Europawahlen werden von den meisten Bürgern nicht so richtig ernst genommen, nicht ganz zu unrecht wenn man bedenkt dass in den zentralen Fragen regelmäßig die kaum direkt legitimierte Kommission den Ton angibt und nicht das als vielreisender bunter Debattierclub wahrgenommene EU-Parlament. In der Tat wird diese Wahl üblicherweise mehr als Stimmungswahl gesehen, es wird uns insofern interessieren müssen in wie weit sich die Gewichte nach rechts oder links verschieben.

Landtagswahlen haben über ihre lokale Bedeutung hinaus via Bundesrat auch immer eine Bundespolitische Bedeutung, so im Sommer die Landtagswahl in Thüringen und am  31. August in Sachsen und am 14. September in Brandenburg. Alle in den neuen Bundesländern und natürlich auch ein erstes Stimmungsbarometer bezüglich der Leistungen- oder Fehlleistungen der GroKo 2.0.

Ausgesprochen interessant wird auch das für den 18. September geplante Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands werden. Eine Zerreißprobe für das British Empire, aber auch für die EU als ganzes nicht unbedeutend. Schließlich gibt es auch in anderen EU Staaten, so Spanien und Frankreich, ähnliche Bewegungen hin zu einer Sezession.

Wirtschaft und Machtpolitik:

Die „Genf 2“-Konferenz, also die internationale Syrien-Friedenskonferenz ist in Kürze für den 22. Januar in Montreux in der Schweiz anberaumt. Allerdings wird sich diese zweifellos noch weit über diesen Tag hinaus ziehen, Ende und Ergebnis kaum absehbar. Zumal man bisher den im Konflikt so wichtigen Iranern seitens der USA bestenfalls einen Katzentisch anbieten möchte.

Gleichzeitig findet Zeit- und Ortsnah vom 22.-25. Januar das Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) statt. Da kann man sich dann auch wieder gegenseitig die Klinke in die Hand geben und unter Bilderbergern auskaspern, welche Sparbemühungen man dem EU-Bürger sonst noch auf die tropfende Nase binden kann. Damit das ganze noch mal vertieft werden kann, folgt am 4.–5. Juni das G8-Gipfeltreffen in Sotschi Russland, falls es dann noch steht, wo natürlich auch das Militär den anwesenden GroKos illustre Beiträge zur Meinungsbildung liefern werden.

Sotschi - Im Hintergund der Kaukasus ; Bildquelle: Wikipedia, Ria Novosti
Sportliche Großereignisse:

Sotschi ist auch vom 7.–23. Februar Gastgeber der Olympische Winterspiele. Aus weltpolitischer Sicht darf uns zwar schnurz sein wer da wie viele Medaillen holt oder wer sich im Hintergrund eine ebenso echte goldene Nase verdient. Im Vorfeld gab es bereits zwei verheerende Bombenattentate in Russland mit 35 Toten, scheinbar als Versuchsballon. Trotz aller Hochsicherheitsmassnahmen darf man sich ausmalen, dass sämtliche Kaukasischen Warlords sich längst schon ihre Hirne, oder zumindest ähnliche Organe, zermartert haben, wie sie den Russen und ihren zahlenden Besuchern aus aller Welt eine bombige Überraschung bereiten könnten. Es mag zynisch klingen, aber es ist spannender als das eine oder andere zehntel Sekündlein beim Abfahrtslauf zu sehen, ob Putins Russland mit dieser Gefahr angemessen zurecht kommt.

Nicht ganz so dramatisch dürfe die Fußball-WM vom 12. Juni bis 13. Juli in Brasilien aus Sicherheitssicht sein. Eher schon was die Sicherheit unserer Lövis vor gemeinen italienischen Haken, Hacken und Tritten angeht. Aber die Wut in Brasilien auf eine selbstgefällige korrupte FIFA und für den Durchschnitts-Brasilianer astronomische Eintrittspreise kann auch hier für einigen Zauber am Rande der Stadien führen. Schaunmermal, wie der Kaiser sagen würde, gell.

Dauerthema Krieg:

Der faktische Weltkrieg wird uns natürlich in 2014 weiter beschäftigen müssen. Zwar sind die wesentlichen Hauptmächte des kommenden Konfliktes noch nicht unmittelbar ins Gefecht gekommen, wenn auch schon gefährlich nahe, wie zuletzt im Dezember 2013, als US-Bomber demonstrativ den von China neu ausgerufenen Sicherheits-Luftraum verletzten. Der USpivot to the pacific wird zweifellos für einige interessante, aber unangemeldete, Termine in 2014 sorgen.

Das im Dezember 2014 der Abzug der Internationalen Schutztruppen (ISAF) aus Afghanistan ansteht mag da beruhigend klingen. Aber es ist kein Abzug sondern eine Aufgabe aller einstmals anvisierten Ziele, ein Rückzug, ja eine Flucht vor einem unlösbaren Konflikt. Sowohl die Taliban als auch sämtliche anderen Clans, Drogenhändler und Warlords stehen schon bereit sich gegenseitig an den Hals zu gehen, nachdem man vorher sicherlich noch den, dann Abzugs geschwächten, Restverbänden der ISAF noch ordentlich was auf die Mütze gehauen hat. 

Nicht anders als im ebenso von allen guten oder schlechten Geistern verlassene Irak wo sich nun zunehmend Al Kaida’s hirntote Gotteskrieger einnisten und jüngst schon Gebiete bis in die Nähe der Hauptstadt Bagdad erobert hat. Ziel: Errichtung eines Gottesstattes, der dann wesentliche syrische und irakische Gebiete umfasst. Kann man dass zulassen seitens der USA, NATO und EU? Nicht wirklich. Schon gar nicht wenn nach dem Afghanistan Rückzug dort ebenfalls sich wieder unter Mental-Cellulitis leidende Mullahs ausbreitet mit der nicht fern liegenden Absicht, sich an den syrisch-irakischen Gottesstaat auch territorial anzuheften. Von da aus läge dann die weitere Verbindung ins Irrenhaus Sahelzone offen, sofern man nur den Stolperstein Israel weg gekickt bekäme. 

Ein Gottesstaat der Glückseligkeit am Ende von den Grenzen an Indien bis hin nach Gibraltar und nach Süden bis zum Äquator. Irre? Ja, aber nicht weniger irre oder prinzipiell Erfolgs versprechend als der Traum der beiden Schlächter Hitler und Stalin, die, hätten sie sich nicht bei Zeiten gegenseitig die Köpfe eingeschlagen, ein Großreich von Lisabon bis nach Tokyo hätten errichten können. Ob uns die durch geknallten Heiligen des radikalen Islams da den gleichen Gefallen tun werden, hängt nicht zu letzt vom geschickten oder eher ruppigen Eingreifen der (Noch- und Neu-)Weltmächte in naher und fernerer Zukunft ab.

Pflegefall Israel 

Unter lauter Irren ist das Regieren und taktieren in der Tat alles andere als einfach, insbesondere falls man Premier eines kleinen Landes mitten im Kuckucksnest ist. Israel steht mehr denn je auf Messers Schneide. Die ruppige Okkupations- und Militärtaktik der Scharons und Netanjahu’s ist kaum noch haltbar, längst ist Israel dabei seine mühsam aufgebaute Fiktion des unverrückbaren Existenzrechtes des jüdischen Staates am Jordan zu verspielen. Vor wenigen Tagen wurde der eifrige US-Friedenstäubler Kerry vom dortigen Exverteidigungsminister Jaalon aufgefordert doch gefälligst seinen Friedensnobelpreis abzuholen und sich ansonsten wegen Untauglichkeit davon zu schleichen. 

Natürlich waren die Amerikaner da wenig „amused“ und Gift und Galle zwischen den einzigen wirklich verlässlichen Existenzgaranten und Israel machen sich mittelfristig gar nicht gut. Zumal der Iran Fortschritte in den Atomverhandlungen machten und Israel nicht mal am Katzentisch Platz nehmen konnte oder vielmehr wollte. Der Weg des Irans zur Bombe ist, abseits aller Naivität, faktisch kaum noch aufzuhalten. Jedenfalls nicht mit nicht-militärischen Mitteln. Andererseits ist diese Option, die man bereits fest im Auge und den Zieleinrichtungen programmiert hatte, inzwischen nahe am No-Go. Wirklich bewegt hat sich Israel in den bisherigen Verhandlungen nicht, statt realistischer Angebote setzte man weiter auf die alte Taktik, möglichst viel von Palästina zu okkupieren um dann am Ende mit ein paar kleinen und strategisch unbedeutenden Gebietszugeständnissen davon zu kommen. 

Heute machte sich daher Netanjahu über die einzige noch nicht kriegerische Grenze nach Jordanien auf, um mit König Abdullah II. zu verhandeln. Oberflächlich gesehen über die Vorschläge Kerry’s, tatsächlich natürlich um aus zu loten, welche Gebietszugeständnisse möglich wären um einerseits aus der politischen Sackgasse heraus zu kommen und andererseits die militärisch-strategischen Aspekte Israels zu wahren. Ob das gelingen kann, oder ob doch noch ein militärischer Ausbruch durch Israel unternommen wird, wird in 2014 eine entscheidende Unwägbarkeit bleiben. Eine Unwägbarkeit, an der zwar nicht alleine, aber doch einer der Hauptgefahren eines erneuten Trigger für den offenen Weltkrieg des kommenden Jahrhunderts hängt.

Jubiläum: 100 Jahre Erster Weltkrieg

Und dies betreffend haben wir ja dieses Jahr einige „Jubiläen“ zu feiern, obgleich das Wort „jubeln“ nicht immer angebracht ist. Am 28. Juni „feiern“ wir also den 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo, das nicht der Grund, aber der Auslöser des Infernos des dann am 28. Juli offiziell beginnenden Ersten Weltkriegs war. Und dessen unmittelbare Folge auch der Zweite Weltkrieg war, der ohne den Ersten so nicht denkbar ist, und dessen Beginn am 1. September seinen 75. Jahrestag des jubiliert. Und dessen unrühmliches Ende mit dem 25. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November dann einen echten Grund zum Feiern liefert. Zumindest für die Meisten.

Wenn wir beim Weltkriegfeiern schon mal sind, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die historische Zählung der Weltkriege eine andere ist, als sie sich im Sprachgebrauch des deutsch-angelsächsischen Raumes ausgebreitet hat. Der historisch Erste Weltkrieg war der Spanische Erbfolge Krieg von 1701-1714, dessen Ende sich, oh Wunder diese Jahr zum 300.malsten jährt, und zwar mit dem Rastatter Frieden am 6. März und dem Friedensschluss von Baden am 7. September die diesen ersten von Europa in die transatlantische Welt getragenen Krieg auszeichnet.

Der hundert Jahre später fällige historisch zweite Weltkrieg waren die Napoleonischen Kriege, deren Ende mit ihrem, nach Adam Riese, 200.ten Jahrestag am 18. September (Beginns des Wiener Kongresses) und dem 24. Dezember, dem 200. Jahrestag des Friedens von Gent jubiliert werden darf.

Ach ja, am 24. Dezember hat, wie jedes Jahr, ja auch ein alter Revoluzzer aus Israel sein ewig wiederkehrendes Geburtsjubiläum, allerdings kein rundes. Ein rundes hat allerdings sein damaliger Volkszähler (ja der hatte auch schon ein Faible für Statistik), nämlich der römische Kaiser Augustus, der am 19. August des Jahres 14 n.Chr. starb. Ob man diesen ausgesprochen runden 2000. Todestag gebührlich feiern wird weiß ich nicht. Es wäre aber durchaus gerechtfertigt, denn Augustus beendete einen mehr als hundert jährigen Bürgerkrieg und begründete die PAX Romana: Einen, zumindest aus der Sicht römischer Bürger, mehr als hundert jährigen Frieden. Eine Zeit deren Ruhm aufgrund der relativen Freiheit von größeren kriegerischen Konflikten als auch der Anwesenheit allgemeinen Wohlstandes bis heute nach wirkt.

Der Vollständigkeit sollte man allerdings erwähnen, dass der augusteische Spaß irgendwann auch sein Ende hatte. Nämlich mit der zunehmenden Ungleichverteilung und der sich daher abzeichnenden Pleite des römischen Staates im zweiten Jahrhundert. Danach übernahmen die Militärs die Regierung, was die fortschreitenden ökonomischen Probleme natürlich nicht stoppen konnte. Ende des dritten Jahrhunderts kam dann die Zerlegung des mächtigsten Reiches der Antike in seine gesunden Teile im Osten und in den sterbenden westlichen Teil, der sich langsam dahin siechend schließlich komplett auflöste. Ja und zu Beginn des vierten Jahrhunderts kam dann auch wieder dieser Revoluzzer aus Palästina ins Spiel, dessen inzwischen mehr oder weniger abgehobenen Chefheiligen dann das Ruder übernahmen und ihren Mittelalterlichen Gottesstaat aufbauten.

Der Fall McCann

Nun der historisch vierte Weltkrieg, vulgo „dritter“ Weltkrieg, wird uns also mit geradezu erstaunlicher Präzision in diesem Jahrhundert wieder ereilen. Von weit weniger weltbewegender Bedeutung, aber für den politisch Interessierten kaum weniger spannend, ist da die Geschichte von poor little Madeleine Beth McCann, die vermutlich in diesem Jahr auch ein paar interessante Wendungen hinlegen dürfte.

Politisch? Ja, denn dieser spektakuläre Fall hat über die vordergründige Frage „Wer ist für das Verschwinden von Maddie verantwortlich?“ einen viel weiter gehende politisch-brisanten Hintergrund. Und hier wird sich vermutlich schon in Kürze etwas tun, denn in Lisabon steht das Urteil zum von den McCann’s und ihren vermögenden Hintermännern angestrebten und finanzierten Verleumdungsprozess gegen den ehemaligen Ermittlungsbeamten Goncalo Amaral an.

Und je nach Ausgang kann das im Februar oder spätestens März anstehende Zivil-Urteil in seiner mittelfristiger Folge einiges ins Rollen bringen. Die eventuell resultierenden „Rolling Stones“ könnten Hinter- und Abgründe zum Vorschein bringen, die für hochstehende politische und gesellschaftliche Kräfte Britanniens, vor allen Dingen im Umfeld der Labour Party, ziemlich explosiv werden könnten. In diesem Jahr wird zwar in Schottland über die Unabhängigkeit abgestimmt, aber nicht in Rest-Britannien gewählt. Dafür aber bereits im nächsten: Dann wird David Cameron, der die letzte Wahl zum Premierminister nur ohne eigene Mehrheit gewinnen konnte, durchaus nicht unglücklich sein, falls bis dahin zumindest ein klein wenig von dem reichlich unter den Teppich gekehrten Schmutz zum Vorschein kommt.

Und der ist etwa so explosiv wie die Britische Luftmine, die kürzlich noch einem deutschen Baggerfahrer in Euskirchen zum Verhängnis wurde. Der damit zu noch einem weiteren Kriegstoten des zweiten, oder nach historischer Zählung drittem, Weltkrieg wurde.

Und das, nota bene, 75 Jahre nach dessen Beginn.