Dienstag, 25. Oktober 2011

Außer Atem: Die LKW's von De la Rue.


Schon Ende 2009 bzw. Anfang 2010 machte ein Gerücht ein paar kleine Schlagzeilen, vor allen Dingen in der Bloggerszene und der freien Presse. Der Auslöser war ein Großauftrag an die Firma Ruhlamat in Sachsen für die Herstellung von 14 neuen Gelddruckmaschinen. Der Originalbeitrag der Thüringer Allgemeinen Zeitung vom 18.12.2009 ist im Netz leider nicht mehr auffindbar. Die neuen Maschinen sollten laut Anfrage beim Hersteller angeblich zur Überarbeitung gebrauchter Geldscheine dienen. Der geheim gehaltene Auftraggeber sollte aus Süddeutschland stammen, so möglicherweise die Bundesbank, die für gewöhnlich bei der Spezial-Firma „Giesecke & Devrient“ in München Banknoten drucken lässt. Nun, das mochte stimmen oder auch nicht, und da in solchem Metier aus durchaus verständlichen Gründen vieles geheim ist, mochte man das auch auf sich beruhen lassen. Und krude Verschwörungstheorien sind in der Netzwelt nun wirklich keine Seltenheit.


Doch nun kommen weitere Informationen aus “gewöhnlich gut unterrichteten Quellen” hinzu, die das Gerücht soweit verdichten lassen, dass man durchaus wenigstens ein Hühnerauge darauf werfen darf. “Die westlichen Demokratien beruhen auf einem einfachen Vertrag. Staat und Bürger haben vereinbart: Die Bürger zahlen Steuern, der Staat verwendet das Geld für Sozialsysteme und Renten. Diese Vereinbarung wurde vom Staat gebrochen, weil er mit dem Geld die Banken rettet. Daher werden die Sozialsysteme geschliffen und die Bürger müssen zehn Jahre länger arbeiten. Dieser Zustand ist unhaltbar, sagt die Asset Managerin Pippa Malmgren im Interview mit den Deutschen Mittelstands Nachrichten.”. Nun es handelt sich dabei nicht um die Leibhaftige Pipi Langstrumpf, sondern um die nicht unbekannte Größe Pippa Malmgren. Sie war Wirtschaftsberaterin von US-Präsident George W. Bush und leitet heute die Asset Management Firma Principalis in London.

Malmgren analysiert die Situation der Demokratie, insbesondere in der BRD, ganz richtig: “..Die Menschen in Europa werden die Schmerzen, die ihnen durch immer gigantischere Sparprogramme bereitet werden, nicht ertragen können. Sie haben gerade in Deutschland gesehen, was nach den Verträgen von Versailles (1919, Friedensvertrag, der Deutschland ungeheure Reparationszahlungen nach dem ersten Weltkrieg auferlegte, Anm. d. Red.) geschehen ist. Was jetzt auf Europa zukommt, hat viel einschneidendere Folgen als Versailles......Wir haben ein sehr grundlegendes Problem – übrigens nicht nur in Europa, sondern auch in den USA: Wer werden den Gesellschaftsvertrag neu verhandeln müssen. Was ist denn passiert? Staat und Bürger haben sich auf folgendes Modell geeinigt: Die Bürger zahlen Steuern, und dafür sorgt der Staat für das Sozialsystem und stellt die Renten der Bürger sicher. Und nun liefert der Staat nicht, was er versprochen hat. Stattdessen wird den Bürgern gesagt: Ihr müsst sparen, weil wir alle unsere Mittel zur Bankenrettung benötigen. Der Staat hat den Gesellschaftsvertrag gebrochen. Die Bürger fordern jetzt zu recht eine Neuverhandlung des grundlegenden Gesellschaftsvertrages.“

Klar ist ihr ebenso, dass Griechenland mehr Symptom als Ursache des Dilemmas ist: “Deutsche Mittelstands Nachrichten:Rechnen Sie mit weiteren Staatspleiten? Pippa Malmgren: Ja – neben Griechenland werden auch Italien, Belgien, Spanien, Portugal und leider auch Irland pleitegehen.”. So ist es, die hochgekochte Diskussion um den Sündenbock Griechenland hat die Nation vergessen lassen, dass nach Griechenland noch viel größere Böcke zu schießen sind.

Nun traut man Politikern, hin- und her gerissen zwischen Wahlvolk, Lobbyisten und Medien sowie den parteilichen Zwängen des Machterhaltes oder Machtgewinns, zwar gerne wenig voraus schauendes Verhalten zu. Somit war mir das Gerücht von Ende 2009 auch keine Zeile wert. Andererseits sagt mir meine eigene Berufserfahrung aus einigen Spitzenbehörden der Republik auch, das man in einigen behördlichen „Think-Tanks“ durchaus in der Lage ist, weit über den politisch opportunen Tellerrand hinaus zu blicken. So auch Malmgren: “Deutsche Mittelstands Nachrichten: Nun ist Deutschland aber im Euro, und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gesagt, dass Europa und Euro identisch sind. Glauben Sie an eine Rückkehr der D-Mark? Pippa Malmgren: Die wichtigsten deutschen Politiker haben gesagt, dass keine Möglichkeit zur Lösung der Krise ausgeschlossen ist. Dies bedeutet im politischen Kontext, dass wirklich jede Variante möglich ist. Ich weiß von Gesprächspartnern, dass der Denkprozess weit über das hinausgeht, was öffentlich gesagt wird.”. Nun, wie im Gespräch zwischen Möchtegern-Kanzler Steinbrück und Altkanzler Schmidt bei Jauch's Talkrunde Schmidt doch treffend sagte: „..Politiker sind zwar verpflichtet die Wahrheit zu sagen, sie sind aber nicht verpflichtet, Alles zu sagen, was sie wissen...“. Und letztlich pfeifen es die Spatzen nicht nur auf dem Dach, sondern auch schon aus der BILD-Zeitung.

Malmgren bringt nun neue Indizien auf den Tisch: „Malmgren: Ich glaube, dass Deutschland bereits mit dem Drucken von neuen D-Mark-Scheinen begonnen hat. Außerdem sind die alten D-Mark-Scheine nach der Einführung des Euro meines Wissens nicht vernichtet worden. Deutsche Mittelstands Nachrichten: Wo wird denn gedruckt, in Deutschland Malmgren: Ich glaube, dass man in De La Rue bereits damit begonnen hat. Deutsche Mittelstands Nachrichten: Sie glauben also wirklich, dass man in England bereits irgendwo die neue D-Mark druckt? Haben Sie dafür Belege? Malmgren: Ich glaube, dass das so ist. Es ist ja nicht schwer festzustellen, wie viele Lastwägen die Fabrik verlassen. Deutsche Mittelstands Nachrichten: Haben Sie Hinweise, dass in den vergangenen Wochen mehr Lastwägen als üblich De La Rue verlassen haben? Malmgren: Ich glaube das.“ Pippa Malmgren wohnt unweit der Anlage De La Rue, die neben just dem deutschen potentiellen Auftraggeber „Giesecke & Devrient“ in München der einzige weitere Anbieter dieser Produkte ist.

Neben diesen Indizien gibt es aber auch rein objektive ökonomische und politische Gründe so zu handeln:

1) Alleine die offizielle Staatsverschuldung der BRD hat durch die Banken- und Eurorettung in der nur kurzen Zeit von Schwarz-Gelb um gute 400 Mrd. Euro zugenommen. Dabei sind die in Sondervermögen versteckten Schulden und Garantien noch gar nicht mitgezählt. Aber selbst wenn es dabei bliebe, was nach Lage der Dinge ausgeschlossen sein darf, würden alleine die Abtragungen für diesen offiziellen Teil praktisch alle noch möglichen Zuwächse des deutschen BIP für rund eine Generation auffressen. Der Aufstand der geplünderten jungen Generation und damit griechische Verhältnisse wären garantiert.

2) So hat die deutsche Staatsverschuldung bereits vor etlichen Monaten die magische 2000 Milliarden Grenze deutlich gerissen. Selbst konservative Ökonomen ihres Beraterstabes werden BK Merkel bereits vorgerechnet haben, dass in absehbar kurzer Zeit auch die 3000 Mrd. Euro Marke fällig wird, wenn man so weiter macht. Und das ist definitiv eine „Mission Impossible“ für den deutschen Staat. Die Notwendigkeit einer Währungsreform ist aus diesen Gründen, die auch geschichtlich immer wieder zu belegen sind, so sicher wie das Amen in der Kirche, auch wenn man noch nicht genau sagen kann, wann das fällige „Amen“ kommt.

3) Wenn der Tag X da ist, dann muss man innerhalb weniger Tage das neue Geld bereit haben, andernfalls rutscht man unmittelbar ins gesellschaftliche Chaos ab. Zum drucken ist es dann zu spät. Die Folge wäre, dass die Bürger in alternativ Währungen abrutschen müssten. Das sind natürlich alle Ersatzwährungen, insbesondere Sachgütertausch, „Zigarettenwährungen“ bis hin zur Prostitution, die ebenfalls faktisch eine Naturalwährung ist. Gesetzlosigkeit und Willkür wären Tür und Tor geöffnet.

4) Diese Situation wäre auch für die jetzt hoch Begüterten äußerst fatal. Denn abseits der Wahrheit das „man Geld nicht fressen kann“, würde eine ungeordnete Währungs- und Vermögensreform zu einer Totalvernichtung der meisten Vermögen führen, die nicht auf Sachgüterbesitz fundieren.

5) Eine vorbereitete Währungsreform mit sofort verfügbarem Neugeld würde dagegen nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch den größten Teil der Papiervermögen retten. Es ist daher durchaus annehmbar, dass auch die einflussreichsten Banker bei den damit unvermeidbaren Vorbereitungen mitspielen und dichthalten dürften. Bei der morgen neuerlichen Abstimmung geht es um das Signal des Nicht-Weiter-so: „Wenn Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag eine Regierungserklärung abgibt und die Parlamentarier anschließend über den europäischen Rettungsschirm abstimmen, so ist das in erster Linie ein politisches Signal. ...Wichtig sind vielmehr zwei Botschaften, die an die Bürger hierzulande, aber auch an Europa insgesamt gerichtet sind: Bei der nun anstehenden Lösung wird die deutsche Haftungsgrenze von 211 Milliarden Euro nicht überschritten, und der Fonds wird sich nicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) bedienen können.“. Wenn man sich wirklich daran hält, ist es der Todesstoß für den Euro.

6) Was die aufmerksamen Bürger und Ökonomen aber berücksichtigen müssen: Wenn nach der Währungsreform der Kapitalkoeffizient auf dem heutigen Niveau von über 3 aufrechterhalten bleibt, hat man effektiv wenig gewonnen. Der muss dabei auch deutlich runter, sonst ist es nur eine Ummünzung und ein Schuss „von hinten durch die Brust ins Auge“. Denn dann wäre es, so wie es jetzt schon ist, weiterhin: „Deutsche Mittelstands Nachrichten: Und was passiert, wenn die Banken gerettet werden – wie es jetzt ja die erste Priorität der Politik zu sein scheint? Malmgren: Wenn wir jetzt versuchen das System zu retten, dann wird es eine garantierte Rezession geben, die zehn Jahre dauert. Deutsche Mittelstands Nachrichten: Was ist die Alternative? Malmgren: Die öffentlichen Gelder sind für die Öffentlichkeit da und nicht für die Banken. Dazu müssen wir wieder Vertrauen in unsere Demokratie gewinnen. In diesem Bereich gab es in den vergangenen Jahren die größten Versäumnisse.“

7) Bleibt noch die Frage wann der Tag X ist. Schwer zu sagen, denn was zur Zeit in der EURO-Union läuft ist der Gang entlang einer bröckligen Klippe. Irgendwann und irgendwo wird ein Stein abbrechen und Alle mit in die Tiefe reißen. Und das kann nicht mehr allzu lange hin sein, denn spätestens am letzten Wochenende dürfte auch dem letzten Optimisten klar geworden sein, dass das Wasser allen wenigstens bis zum Halse steht. So fetzte man sich wie auf einem Teppichhändlerbasar und speziell Sarkozy und Italo-Pate Berlusconi haben nur zu deutlich die Grenzen der Vernunft und Einheit in Europa offen gelegt. Insbesondere Berlusconi machte klar das mit Italien nicht zu rechnen ist, jedenfalls nicht im positiven Sinne. Und Hilfs-Belmondo Sarkozy geriet gerade zu „Außer Atem“ und schnauzte und beleidigte, was das Zeugs hält. In den nächsten Tagen wird sicherlich nochmal, als einer der letzten Verzweiflungstaten, der abermals deutlich erweiterte „Rettungsschirm“ im Bundestag durchgewinkt. Aber allen Winkern muss längst klar geworden sein, dass nach Griechenland, egal wie der Schirm ohne Reißleine ausgestattet ist, die nächsten Kandidaten schon an der Absprungöffnung drängeln: Italien, Belgien, Spanien, Portugal und Irland, und die anderen inklusive Frankreich dann auch. Und die angepeilten "Hebel" hebeln nicht nur die Reichweite des neuerlichen Schirmes, sie hebeln vor allen Dingen auch die möglichen Verluste deutlich. Vielmehr als bis etwa Mitte 2012 dürfte der Fall bis zum Aufschlag nicht dauern, maximal wohl in 2013 wird man Nägel mit Köpfen machen müssen. Wer jetzt nicht mit Drucken schon mal anfängt, hat dann bereits verloren.


Nun wissen wir aber nicht wirklich, was in den auffällig vielen LKW tatsächlich transportiert wird und wohin. Neue Dollars, British Pounds oder etwa DM? Klar ist nur, das De La Rue für viele Herren Länder produziert. So wurde auch das neue Geld Libyens hier schon lange vor Gaddafis Lynchung entworfen und produziert. Der Bericht der BBC zeigt auch, das der weltweite Bargelddruck zuletzt rapide zugenommen hat. Würde Deutschland jedoch tatsächlich vorsorglich drucken lassen, so wäre der weltweite Lieferant De La Rue in Großbritanien, in Sichtweite von Pippa am Stadtrand Londons, in der Tat die bessere Wahl. Denn gefährliche Durchstechereien von sensiblen Informationen wären deutlich weniger zu befürchten, als beim bundesdeutschen Unternehmen in München. Denn in der jetzigen völlig verfahrenen Situation Europas wäre eine offiziell nicht dementierbare Information über eine vorbereitete Währungsreform in der BRD eine europäische Nuklearbombe erster Güte.

Was kann der Durchschnittsbürger angesichts der Tatsachen nun tun? Politisch bleibt ihm nur der deutlich artikulierte Protest, wie ihn etwa die Bewegung „Occupy Wall Street“ eingeleitet hat. Denn, so Malmgren: „The interests of voters and the interests of the markets are completely at odds”.

Und was kann er ökonomisch für sich tun? Erfahrungsgemäß werden nämlich Währungsreformen so angelegt, dass die Großen gut, und die Kleinen entsprechend schlecht weg kommen. Nicht das schlechteste ist also, eventuelle Bargelder und Anlagen in potenziell handelbare Sachwerte zu tauschen, und das möglich bald. Langfristige Sparvermögen, etwa zur Rentensicherung dagegen, sind zumindest mittel- und langfristig und inflationsbereinigt unsinnig. Nun, da der Weihnachtsmann bald kommt, ist das eine gute Gelegenheit für großzügige und sinnvolle Einkäufe. Einen positiven Nebeneffekt für die Allgemeinheit hätten diese dann auch: Es sichert viele Arbeitsplätze in Produktion und Handel. Gerade ein gut gelaufenes Festtagsgeschäft reißt erfahrungsgemäß so manchen Betrieb fürs ganze Jahr aus den Miesen. Fällt das Dezembergeschäft dagegen mangels allgemeiner Kaufkraft ins Wasser, dann wird es in 2012 erst so richtig rein hageln.

Ergo: Tun Sie sich was Gutes, es wird wohl möglich in 2011 für längere Zeit das letzte frohe Weihnachten geben.


(P.S. als kleine Allegorie: Außer Atem (1960) ist ein Klassiker des französischen Kinos: „Der Kleinkriminelle Rebell Michel (Belmondo) ist in einem gestohlenen Wagen auf dem Weg nach Paris. Bei einer Verkehrskontrolle erschießt er einen Polizisten und findet danach Unterschlupf bei der amerikanischen Studentin Patricia. Michel versucht, Geld für die Flucht nach Italien zu beschaffen. Unter Druck verrät Patricia ihn an die Polizei. Michel flüchtet, ihm wird jedoch von der Polizei in den Rücken geschossen.“)

Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit (Thomas Jefferson)

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Und die Tinte ist noch nicht trocken...


Wie sagte noch Frank Schäffler in der Talkshow am Vortag der deutschen Abstimmung um die Erhöhung des EFSF auf 780 Mrd.: “...da ist noch nicht die Tinte unter dem Vertrag trocken, da reden wir schon wieder über eine weitere Erhöhung...”. In der Tat ist die Tinte noch nicht mal komplett drauf, da reden Schäuble und sein Adlatus Kampeter, Merkel und Sarkozy bereits über eine “Hebelung” des EFSF auf wahrscheinlich das fünffache, also bis zu 2200 bzw. 3900 Mrd. Euro. Erstmal, Nachschlag garantiert. Das ganze soll am Sonntag unter Dach und Fach gebracht werden, natürlich wie immer ohne eine wirkliche Beteiligung des Parlaments. Die werden zwar über die nächsten Zauberwerkzeuge unserer Brüsseler Finanzgenies informiert, und vielleicht dürfen sie irgendwann auch noch mal den dann fertig eingetütete Fakten zustimmen.

Deutschland und Frankreich streiten noch über die Art des „Hebels“. Während Merkel und Schäuble noch die Idee einer Versicherungslösung, d.h. es werden nur 1/5=20% der Anleihen garantiert, bevorzugen, möchte Frankreich dagegen die altbekannte 100% „Lösung“ haben. Warum ist klar, schließlich beherbergt Frankreich die wahrscheinlich weltgrößte Bank BNP Paribas mit entsprechenden Außenständen.

Dazu die Süddeutsche: „...Bei den Leitlinien, die Schäuble nun verschickt hat, geht es um die konkrete Ausgestaltung der neuen Instrumente für den erst kürzlich erweiterten Rettungsschirm EFSF. Den Leitlinien und damit auch dem Modell für eine höhere EFSF-Schlagkraft muss vorher aber noch der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen. Die Koalitionsfraktionen wollten sich bereits an diesem Donnerstag in Sondersitzungen mit den Leitlinien befassen. Die FDP will eine Lösung mittragen. Das komplizierte Regelwerk liegt bisher aber nur in englischer Sprache vor. Offen ist, wann ihm der Haushaltsausschuss vor dem Gipfel zustimmen wird. Auch könnte die Opposition versuchen, eine Abstimmung des gesamten Bundestages im Plenum durchzusetzen. Grüne und SPD fordern dies mit Verweis darauf, dass eine mögliche Einführung eines Hebels das Verlustrisiko für die deutsche Haftungssumme von 211 Milliarden Euro ansteigen lasse. Die SPD beklagt außerdem, dass die Regierung sie getäuscht habe: Sie habe vor der Zustimmung des Bundestages zum EFSF im September versichert, dass er nicht ausgeweitet werde.“

Also, bei der 20% Lösung würde theoretisch der Deutsche Beitrag von zur Zeit 211 Mrd. Euro nicht ansteigen. Aber das ist wirklich nur theoretisch zu sehen. Praktisch wird die ganze Chose zur Zeit verhandelt und da kommt bestenfalls irgendetwas dazwischen heraus. Wahrscheinlich will man den Rettungsschirm „flexibel“ gestalten. Das würde bedeuten das von Fall zu Fall über die tatsächliche Höhe von Entschädigungen verhandelt würde. Und dabei ist Zahlmeister Deutschland dann nur einer von vielen, noch nicht einmal prima inter pares. Da wird sich Frankreich, bzw. die BNP Paribas, im Zweifelsfalle schon mit einer faktischen 100% Lösung durchsetzen, zumal es sowieso sonst „von hinten durch die Brust ins Auge geht“. Denn eine Minderlösung bedeutet immer, dass dann die entsprechende Bank wegen mangelhaftem Eigenkapital gerettet werden muss, auch vom EFSF, und dann sind wir selbst bei der 20% Lösung schnell wieder bei nahezu 100%. Der deutsche Garantiebeitragsanteil steigt dann entsprechend schnell über die zugehörige 1000 Mrd. Euro Marke.

Bei dem Wahnsinn fragt sich inzwischen nicht nur der Politiker sondern auch der Bürger, wo denn eigentlich das Ende der Fahnenstange sein könnte? Sie ahnen es schon auch mit 4000 Mrd. wird das Ende nicht erreicht sein. Warum? Nun, einem EU BIP von guten 10.000 Mrd. stehen nämlich Aktiva von rund 35.000 Mrd. Euro gegenüber. Selbst auf Biegen und Brechen kann das BIP aber maximal 15.000 davon gebrauchen, rund 20.000 Mrd. Euro Investmentpapiere stehen deswegen auf der Kippe. Nun, das ist die Größenordnung, von der wir zur Zeit reden müssen. Und die wird keineswegs durch die Art der bisherigen Stützung weniger, sondern langfristig immer mehr. Denn dieses überflüssige spekulative Kapital will Zinsen. Und da die Kosten dafür dem Bürger aus der Tasche gezogen werden, sinkt deren Kaufkraft und damit das BIP, was das Verhältnis weiter dramatisiert. Die Stange ist also noch sehr, sehr, lang.

Dummerweise hat das in Brüssel keiner so richtig begriffen. Stützen, hebeln und umverteilen hilft mittel- und schon gar langfristig nichts. Besonders lächerlich sind die Hebelbemühungen. Man glaubt damit die Kuh vom Eis zu bekommen, da den Banken der Investmentbranche das ja auch so gut gelingt. Man könnte sich ja mal vorsichtig fragen, warum denen das immer noch gelingt. Genau, weil die Regierungen diese Banker mit dem Geld ihrer Wähler kräftig unterstützen. Aber für EFSF und Co. gibt es keine Überregierung, die sie noch mit Geldern aus dem Irgendwo unterstützen könnte. Man lügt sich damit immer weiter in die eigene Tasche. Man kann es nur machen indem man entweder das viele Geld solange selber druckt, bis die Inflation die Schulden auffrisst (Modell USA), oder man muss die überschüssigen und kontraproduktiven Investmentassets alle samt abschreiben.

Schließlich bleibe noch die unparitätische Währungsreform, aber das Wort in den Mund zu nehmen käme keinem Politiker in den Sinn, obwohl es die schnellste, beste und letztlich billigste und gerechteste Methode wäre. Und kommen tut sie sowie so, spätestens nachdem die europäischen Hauptstädte abgefackelt sind. Und das geht schneller als man denkt. Wer hätte schon 1929, auf dem Höhepunkt der „Goldenen Zwanziger“ und kurz vor dem Crash gedacht, das knapp 16 Jahre später Europa in Trümmern liegen würde? Nun die Griechen, die zur Zeit schon das erleben was den Bürgern weiter nördlich noch bevorsteht, ziehen in einen zweitägigen Generalstreik inklusive Straßenschlachten. Und das während die IWF/EU Troika, quasi die griechische Notstandsregierung, noch mit der nächsten Milliardenüberweisung hadert.

Auch wenn das auf den ersten Blick nicht gerade sinnvoll erscheinen mag, es ist die einzige Möglichkeit des Bürgers, entscheidenden Einfluss auf das zu nehmen, was man nun mit ihnen veranstaltet. Denn es sind ja gerade die Kinder und Enkelkinder der unteren und mittleren Schichten, die in Zukunft mit massiven Entbehrungen die Zeche für etwas zahlen sollen, dass sie weder verursacht haben, noch von dem sie persönlich je etwas hatten. Sie sollen sich freiwillig in Sippenhaft begeben, und das keineswegs für ein paar Jahre, sondern für Jahrzehnte, faktisch ein ganzes Leben auch noch für die Enkel.

Dazu das Deutschlandradio: „Seit Anfang des Jahres erheben sich überall die Jungen. In Tunesien und Ägypten stürzen sie Diktatoren. In Griechenland und Spanien zelten sie vor Regierungsgebäuden. Die Jungen begehren auf, wollen aufbrechen, was verkrustet ist, fordern ihr Versprechen ein. Angetrieben von Hoffnung, Frust und Perspektivlosigkeit. In Teilen von Spanien und Italien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei nahezu 50 Prozent. Eine ganze Generation ohne Jobs und ohne Chance, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Die Situation in Großbritannien und Frankreich ist zwar besser, aber alles andere als gut. Viel zu viele jungen Menschen fühlen sich ausgegrenzt, sie sehen keine Möglichkeit der Teilhabe. Für viele ist auch der Zugang zur Bildung verbaut, weil Schule und Universität zu teuer sind. Der Frust entlädt sich in gewalttätigen Protesten wie zuletzt in Tottenham, London.“

Griechenland hatte auch nach 1945 und bis 1974 mit Bürgerkrieg, Progromen und Militärdikatatur zu kämpfen, das ist alles noch nicht so lange her. Der bekannte Griechische Künstler und ehemalige Minister Mikis Theodorakis schreibt heute daher in der Rheinischen Zeitung einen offener Brief an die empörten Bürger Griechenlands und Europas "Gegen die Marionetten-Regierung in Athen", aus dem ich hier einige zentrale Passagen zitiere : „Wir begrüßen die Zehntausende, sogar Hunderttausende von Bürgern, vor allem junge Menschen, die sich auf den Plätzen aller großen Städte versammelt haben, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen im Gedenken an das Memorandum (Rahmenvereinbarung zwischen der griechischen Regierung, EU, IWF und der EZB, seit Mai 2010 unterzeichnet und dann regelmäßig erneuert), und um den Abschied der Regierung der Schande und aller politischen Mitarbeiter zu fordern, die dem öffentlichen Wohl dienen sollten und denen es gelungen ist, Griechenland zu zerstören, zu plündern und zu versklaven........Durch ihre Proteste verteidigen die Arbeiter .. das Erbe des griechischen Volkes, das die ausländischen Banken, mittels ihrer Marionetten-Regierung in Athen, zu plündern gedenken....Wir appellieren an die griechische Polizei, nicht die Instrumente der dunklen Kräfte zu werden, die auf alle Fälle versuchen wollen, in einem gewissen Moment die Jugendlichen und Arbeiter blutig zu unterdrücken. ….Der Weg, den die Regierung eingeschlagen hat und auch weiterhin einschlägt - unter der Aufsicht von Banken und ausländischen Unternehmen, von Goldman Sachs und seinen Mitarbeitern in Europa - führt Griechenland in die Katastrophe. Dies muss sofort aufhören, es ist unerlässlich, dass sie das Land sofort verlassen. ….Warum hat er [der Generalstaatsanwalt] nicht gegen den Massenterrorismus eingegriffen, mit dem eine bankrotte Regierung unter dem Diktat der Troika EU - IWF - EZB wieder einmal versucht, das griechische Volk zu erpressen?...Die Arbeiter sind nicht verantwortlich für die Krise; der Finanzkapitalismus und die Politiker in ihrem Boot, sie sind es, die sie verursacht haben und sie ausnutzen. Ihre Programme "Rettung von Griechenland" helfen nur den ausländische Banken, und gerade denjenigen, die mittels Politikern und Regierungen in ihrem Sold, das politische Modell erzwungen haben, das zur aktuellen Krise geführt hat... “

Weiter sieht er als die einzige vernünftige Lösung: „...Es gibt keine andere Lösung als das aktuelle europäische Wirtschaftsmodell zu ersetzen, das entwickelt wurde, um Schulden zu erzeugen, und zu einer Politik der Ankurbelung der Nachfrage und der Entwicklung zurückzukehren, zu einem Protektionismus, der mit einer drastischen Kontrolle der Finanzen versehen ist. Wenn die Staaten sich nicht auf den Märkten durchsetzen, so schlucken diese sie auf, zusammen mit der Demokratie und den Errungenschaften der europäischen Zivilisation. Die Demokratie wurde in Athen geboren, als Solon (640 - 560 .v.Chr. ) die Schulden der Armen gegenüber den Reichen stornierte. Man darf heute nicht zulassen, dass die Banken die europäische Demokratie zerstören, um riesige Summen aus ihnen herauszupressen, die sie selbst als Schulden generiert haben. Wie kann man vorschlagen, dass ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs die Europäische Zentralbank führen soll? Welche Art von Regierungen, welche Art von Politikern haben wir in Europa?......Wenn Sie heute die Opferung der griechischen, irischen, portugiesischen und spanischen Gesellschaft auf dem Altar der Schulden und der Banken zulassen, wird bald die Reihe an Ihnen sein. ...Lasst uns zusammen ein neues Europa bauen; ein demokratisches, wohlhabendes, friedliches, das seiner Geschichte, seinen Kämpfen und seines Geistes würdig ist. Widerstehen Sie dem Totalitarismus der Märkte, die drohen, Europa zu zerschlagen und in eine Drittwelt zu verwandeln, die die europäischen Nationen gegeneinander aufwiegeln und unsern Kontinent zerstören, indem sie die Rückkehr des Faschismus fördern.“

„Wer mir mein Brot nimmt, der nimmt mir mein Leben“, so war es schon immer und die Reaktion der Ausweglosen wird in Europa am Ende nicht weniger heftig sein, als in Nordafrika. Und die Gejagten heißen dann nicht mehr nur Mubarak oder Gaddafi. Gaddafi ist tot, aber der Krieg der Welten hat gerade erst begonnen.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Die Donnerstags-Resistance


Die Erweiterung des Rettungsschirmes wurde am vergangenen Donnerstag wie erwartet durch gewinkt. Die einzige Angst der Koalition bestand dabei nicht in dem Desaster das man vermutlich anrichtet, als in der puren Machtfrage und dem Erhalt der Kanzlermehrheit.

Besonders deutlich wurde das nochmal am Vorabend der Entscheidung, als bei Anne Will getalkt wurde: „...Der interessanteste Gast des Abends war der Präsident des slowakischen Nationalrats, Richard Sulik. ...Seiner Meinung nach ist sie nichts anderes als „gekaufte Zeit“. Vor allem aber sieht er einen Verstoß gegen die Grundsätze, die die Slowakei bei ihrem Eintritt in die Eurozone vor zwei Jahren selber erfüllen musste, nur jetzt offenkundig keine Rolle mehr spielen. Etwa dass man nicht für die Schulden anderen Eurostaaten aufzukommen hat. Die Slowakei muss als Eurostaat den Beschlüssen zum EFSF noch zustimmen. Sulik lehnt diese Politik ab. Sie kann tatsächlich noch im Oktober in Bratislava scheitern. Es gäbe also gute Gründe, sich mit der Slowakei zu beschäftigen....“

Sichtlich bemüht, auch weit unter der Gürtellinie, war man, den Slowaken verbal fertig zu machen. Wie kann es denn sein, dass sich jemand auf geltende Verträge beruft? „...Es interessiert niemanden, wie in anderen europäischen Staaten ein Thema diskutiert wird, das angeblich eines der „europäischen Solidarität“ ist. Ansonsten wäre man etwa auf Suliks Argument eingegangen, warum etwa ein vergleichsweise armer Staat wie die Slowakei für einen Staat wie Griechenland Risiken übernehmen soll. Sulik verwies auf die Durchschnittsrente in der Slowakei von 360 €, im Gegensatz zu den 1.600 € in Griechenland. Zwar sind Suliks Zahlen durchaus demagogisch zu nennen: die griechische Durchschnittsrente betrug laut OECD im Jahr 2007 617 €. Aber hindert uns das daran, sich deshalb für die Verhältnisse in der Slowakei zu interessieren? Anne Will schon. Sie brachte diverse Einspieler, etwa über die Sichtweise Mindener Bürger auf ihren Gast Steffen Kampeter, seines Zeichens parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er wolle Bundeskanzler werden, teilte man uns dort mit. Aber etwas Substantielles über die slowakische Diskussion wurde in der Sendung nicht vermittelt. Sulik wurde lediglich zur Bereicherung der deutschen Debatte eingeladen....“

Kampeter als Bundeskanzler? Will fragte ihn dann auch gleich, ob er das wirklich wolle. Antwort Kampeter: „..na da müssen Sie meine Familie fragen, also die will das nicht...“. In klaren Worten also: Ja. Oh Herr im Himmel, ich weiß dass Deine Rache an uns gnadenlos sein wird, aber schütze uns wenigstens vor solchen Führern. „...Sulik wurde von ihm [Kampeter] ideologisch bekämpft. Wobei wohl niemanden mehr aufgefallen ist, dass etwa das Steuermodell der slowakischen „Flat Tax“ vor wenigen Jahren noch im Wahlprogramm der CDU zu finden gewesen ist. Sulik war in der Slowakei einer der Initiatoren gewesen; in Deutschland galt es als Vorbild für eine moderne Steuerpolitik, das Platz fand auf einem Bierdeckel. Es ist schon erstaunlich, wie schnell man als Staatssekretär seine Erkenntnisse von gestern vergessen kann. Allerdings ist die Selbstgefälligkeit geblieben, vor allem im Umgang mit sogenannten europäischen Partnern....“.

Schwarze Machtversessenheit wurde dann von rosaroter Europaseeligkeit fließend unterstützt: „...In der Hinsicht wusste auch Klaus von Dohnanyi Interessantes zu berichten. Er riet dem slowakischen Gast nicht nur zum Austritt aus der Eurozone, wenn die Slowakei die erweiterte EFSF nicht ratifizieren sollte. Er fand auch eine passende Formulierung: „Sie werden sich fügen müssen, wenn sie nicht austreten wollen.“ Das hat man in der Deutlichkeit schon Ewigkeiten nicht mehr gehört. Warum sich aber die Slowaken um deutsche Lebensversicherungen sorgen müssen, wusste der ehemalige Hamburger Bürgermeister auch nicht zu erklären. ...“.

Und zum Schluss drehte es sich noch einmal um das Perpetuum Mobile der Geldschöpfung: „...Am Ende präsentierte uns nämlich Anne Will eine Anlageberatung. Dort wurde unverdrossen über die Vorzüge der privaten Geldanlage räsoniert. ...So erfuhren wir von des Staatssekretärs Lebensversicherungen und seinen Kindern als Zukunftsinvestition. Dem breiten Portefeuille des Unternehmers aus Nürnberg. Unglücklicherweise wurde die Deutschland-Korrespondentin von CNBC, Silvia Wadhwa, zum Dienst am Anleger verpflichtet. Sie vermittelte vorher durchaus interessante Einsichten, etwa „dass sich Politiker nicht immer von den Banken ins Bockshorn jagen lassen sollten.“ Das brauchen die Banken aber gar nicht zu befürchten. Offenkundig leben wir in einem ideologischem Vakuum, wo alles möglich ist. Selbst kurz vor dem Zusammenbruch des Kartenhauses „Kapitalmarkt“ wird unverdrossen weiter dieses Kartenhaus als gutes Investment betrachtet. “

Im ideologischen Vakuum vollständig hirnentkernter Politik gilt nicht nur der Maastricht-Vertrag, nein auch gleich das Grundgesetz als „Scheiße“, wie der CDU Kanzleramtsminister Pofalla am folgenden Donnerstag der Entscheidung klarstellte: „Der CDU-Politiker und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla gerät wegen seiner Beschimpfung von Parteikollege Wolfgang Bosbach zunehmend in die Kritik....Wie mehrere Medien am Wochenende berichteten, soll der Minister den langjährigen Parlamentarier am Montagabend am Ende einer Sitzung des nordrhein-westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten mit Sätzen wie „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ angegangen sein. Unter Berufung auf Anwesende zitieren unter anderem „Spiegel Online“ und mehrere Zeitungen des Springer-Verlages Pofalla mit „Du machst mit Deiner Scheiße alle Leute verrückt“. Als Bosbach zu beschwichtigen versucht und zu Pofalla sagt: „Ronald, guck bitte mal ins Grundgesetz, das ist für mich eine Gewissensfrage“, habe dieser schon auf der Straße vor seinem Dienstwagen geantwortet: „Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe.“...“.

Wenig beschwichtigend die Worte Seehofers, der selbst bei der Abstimmung mit Ja stimmte und also den verlängerten Rücken einkniff, obwohl im Vorfeld wenigstens eine Enthaltung zu erwarten gewesen wäre: „...Der bayerische Ministerpräsident Seehofer warb um Verständnis für die Abweichler von der Regierungslinie zum Euro-Rettungsschirm. In der „Welt am Sonntag“ sagte er, für ihn sei es immer eine Selbstverständlichkeit gewesen, „dass eine große Volkspartei eine Bandbreite an Positionen aushalten muss“. Eine Regierungspartei dürfe auch Handlungsfähigkeit nicht als Vorwand nehmen, jede Diskussion abzudrehen. Er sei selbst „öfter mal in einer Außenseiterposition“ gewesen und wisse genau, wie sehr einem dann zugesetzt werde. ...“. Das das Grundgesetz vielleicht doch keine „Scheiße“ sei, ist aber bislang seitens der Regierungskoalition noch nicht offiziell dementiert worden.


Nun, die Abweichler vom Donnerstag haben großen Mut bewiesen, insbesondere die aus der regierenden Koalition. Denn diese Politiker riskieren de facto Kopf und Kragen, ihre politische und auch ökonomische Existenz und Standards. Helden, weil sie es als Politiker einer Regierungspartei wagen, sich vom Mainstream zu entfernen und sich nicht durch Machtgerangel, Euronarretei und Fraktionszwang unterkriegen ließen. Das ist schon eine enorme Leistung, denn wer querschießt hat im Politikcircus praktisch keine dauerhafte Überlebenschance. Er setzt persönlich also viel aufs Spiel um wenigstens ein kleines Tor der Vernunft offen zu halten. Zwar gibt ihnen die „Scheiße“ das Recht auf ihr Gewissen, aber Macht- und Koalitionszwang sind in aller Regel die weit stärkeren Stellfedern. Die 15 Abweichler der Koalition sind daher zweifellos Helden der Demokratie und des Widerstandes gegen den organisierten Wahnsinn zum Schutze der Großvermögenden und zum Nachteil der Schaffenden Steuerzahler einschließlich der Unternehmen. Die Mittel, die diese zur Zeit noch anstreben, sind natürlich auch untauglich, selbst eine Verkleinerung der EURO-Union bringt nichts, auch nicht, wenn nur noch die BRD übrigbleibt. Das Kernproblem ist nun mal der viel zu hohe totale Kapitalkoeffizient. Und da braucht man ganz andere Strategien.

Die Kern-Gruppe der Helden der „Donnerstagsresistance“, die aus der Regierungskoalition mit Nein stimmten, waren:

CDU

Wolfgang Bosbach
Thomas Dörflinger
Alexander Funk
Manfred Kolbe
Carsten Linnemann
Klaus-Peter Willsch

CSU

Herbert Frankenhauser
Peter Gauweiler
Josef Göppel
Thomas Silberhorn

FDP

Jens Ackermann
Frank Schäffler
Torsten Staffeld

Die 15 werden vervollständigt durch die zwei Enthaltungen:

CDU Veronika Maria Bellmann
FDP Sylvia Canel

Ebenso im Dissens mit der EU-Seeligkeit der Antiökonomen ihrer Parteien waren:

GRÜNE Hans-Christian Ströbele
SPD Wolfgang Gunkel
SPD Ottmar Schreiner (Enthaltung)

DIE LINKE stimmte komplett dagegen, was ebenfalls aufrichtig ist, allerdings faktisch ein geringeres Problem für diese Abgeordneten darstellte, da ja hier die Fraktionsdisziplin gewahrt wurde (70 Nein, 6 Abwesend).

Der Abstimmungszirkus geht demnächst weiter. Der Donnerstag war nur die Voraussetzung den EFSF deutlich zu erweitern und damit den nahtlosen Übergang zur ESM zu gewährleisten. Die unmittelbare Abstimmung über den ESM Vertrag liegt danach noch an und soll genauso durch gewinkt werden.

Wer aber den Vertrag aufmerksam liest, der sieht schon dass diese neben der Kontraproduktivität, noch etwas ganz anderes implementiert hat: Der Vertrag ist per Konstruktion nicht nur eine weitere das Problem des Kapitalkoeffizienten verstärkende Investmentbank, sondern quasi eine regelrechte Aufforderung zu Selbstbedienung, Korruption und Misswirtschaft. Denn die Konstruktion ist aberwitzig: alle Rechte einer Investmentbank einerseits inklusive finanztechnischer Hebel, aber andererseits völlige Freiheiten und Immunität für ein überpersonalisiertes Management, Selbstbestimmung über den Etat und darüber ob man Steuern zahlt oder nicht, und wenn, dann an sich selbst.

Das kann nicht nur, das muss zu einer Skandalbehörde oder gar zu einer überstaatlich legalisierter Räuberhöhle führen. Es wird schon damit anfangen, dass man sich gleich nach Betriebsaufnahme großzügige und steuerfreie Boni auf Steuerzahlerkosten einräumt. Das Argument wird so selbstgefällig wie überzeugend sein: „Das machen die anderen Investmentbanken auch, und ohne diese Boni könnten wir unser eigenes Spitzenpersonal sonst unmöglich halten, das magere Grundgehalt reicht dazu nicht aus...wir tun es nicht gerne, aber leider, leider sind die zusätzlichen Boni alternativlos.“

Nun, das Spitzenpersonal besteht aus: „ Art 4 1. Der ESM hat einen Gouverneursrat, ein Direktorium, einen Geschäftsführenden Direktor sowie die als erforderlich erachtete Anzahl von ausschließlich für den ESM tätigen Mitarbeitern. ...Art 5 1. Jedes ESM-Mitglied hat ein Gouverneursratsmitglied und ein stellvertretendes Gouverneursratsmitglied zu bestellen, die jederzeit wieder abberufen werden können. Art 6 1. Jedes Gouverneursratsmitglied bestellt einen Direktor sowie einen stellvertretenden Direktor; ...“

Also, man setze sich erst mal hin, aus 17 EURO Ländern also je ein Gouverneur und ein Direktor, jeder mit einem Stellvertreter. Das macht summa sumarum 69 Spitzen, denn es kommt der geschäftsführende Direktor noch hinzu (Art.7)! Wie soll man dieses superqualifizierte Spitzenpersonal aus den nationalen Finanzprofis der dort regierenden Parteien nur ausreichend bezahlen, damit sie nicht gleich wieder gehen? “Artikel 31: Befreiung von der Besteuerung, Absatz 5: Das Personal des ESM unterliegt für die vom ESM gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der vom Gouverneursrat zu beschließenden Regeln einer internen Steuer zugunsten des ESM. Ab dem Tag der Erhebung dieser Steuer sind diese Gehälter und Bezüge von der staatlichen Einkommensteuer befreit.“. Na dann ist ja alles gut, ob die Boni besteuert werden bestimmt also die ESM einvernehmlich selbst, und falls überhaupt welche gezahlt werden, dann fließen diese „Steuern“ auch gleich wieder in den eigenen Beutel. Nun gut ich verstehe, Steuern zahlen ist was für Doofe.

Natürlich wird eventuelles Fehlverhalten streng kontrolliert: „Artikel 30: Immunitäten von Personen 1. Die Gouverneursratsmitglieder, stellvertretenden Gouverneursratsmitglieder, Direktoren, stellvertretenden Direktoren, der Geschäftsführende Direktor und das Personal genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich der in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit in Bezug auf ihre amtlichen Schriftstücke, jedoch nicht, wenn und soweit der Gouverneursrat diese Immunität ausdrücklich aufhebt.“. Letzteres wird es sicherlich sofort mit der notwendigen 2/3 Mehrheit des Gouverneursrat machen, sobald auch nur der Hauch eines Verdachtes der Selbstbedienung auf eines ihrer Mitglieder fällt. Und damit schon im Vorfeld ganz bestimmt nichts schief geht hat man für seine Berater, Bekannten und Freunde aus der Finanzbranche ein Recht zur „Beobachtung“ bei allen Entscheidungen und auch im Direktorium selbst gesorgt (Art. 5 (4) und Art. 6 (4)). (P.S.: Da sich die Immunität auch auf alle Dokumente und Internas bezieht, haben die nationalen Parlamente weder das Recht noch die Möglichkeit eine Kontrolle auszuüben. Die ESM kann machen was sie will, ohne das es einer erfahren kann bzw. darf. Ali-Baba und die 68 Räuber lassen grüßen.)

Wenn man schon Mist baut, dann aber auch gleich gründlich. Ich frage mich welcher Demokrat mit funktionierendem Gewissen, und welcher EU-Begeisterte mit gesundem Menschenverstand, gewillt ist ein solch dreistes Machwerk der Rechtspflege zu unterschreiben? Die nächsten Abstimmungen werden es uns zeigen.